Protocol of the Session on September 15, 2011

(Wolfgang Jüttner [SPD]: So macht ihr das?)

In dem Moment habe ich von Willkür gesprochen. Ich werde nicht auf die Idee kommen, irgendeinem Beamten Willkür zu unterstellen. Die Willkür ist hier bei der Politik gelaufen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 28 auf:

Erste Beratung: Niedersachsen ist ein Energiestandort mit Geschichte und Zukunft - Standortvorteile nutzen, Arbeitsplätze erhalten! - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/3898 - Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/4004

Die Fraktionen von CDU und FDP haben für ihren Antrag in der Drs. 16/3898 beantragt, die zweite Beratung und damit die Entscheidung über den Antrag gemäß § 39 Abs. 3 Satz 2 unserer Geschäftsordnung sofort anzuschließen.

Der gemeinsame Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/4004 lautet auf Annahme des Antrags in einer geänderten Fassung und stünde bei der zweiten Beratung mit zur Abstimmung.

Ich gehe davon aus, dass Sie das alles verstanden haben und ich es nachher nicht noch einmal erklären muss.

Zur Einbringung hat Herr Dr. Matthiesen für die CDU-Fraktion das Wort. Herr Dr. Matthiesen, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! E.ON-Chef Johannes Teyssen hat bei der Bilanzpressekonferenz in den Sommerferien für einen Paukenschlag gesorgt. Er hat bestätigt, dass der Vorstand überlegt, konzernweit bis zu 11 000 Arbeitsplätze abzubauen. Davon sollen allein in Hannover mehr als 1 000 Arbeitsplätze betroffen sein. Es gibt keine Standortgarantien. Vorstandschef Teyssen schließt auch betriebsbedingte Kündigungen nicht aus.

Die Niedersächsische Landesregierung und die CDU-Fraktion sind sofort aktiv geworden und haben sich für den Erhalt der E.ON-Standorte und Arbeitsplätze in Niedersachsen mit Nachdruck eingesetzt. Die Regierungsfraktionen von CDU und FDP legen dem Landtag heute einen Entschließungsantrag vor. Gestern haben konstruktive Gespräche mit der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stattgefunden. Nun haben wir einen gemeinsamen Entschließungsantrag formuliert. Er nimmt ausdrücklich den hannoverschen Appell von ver.di aus der letzten Woche auf, den auch die Vertreter von CDU, FDP, SPD und Grünen unterzeichnet haben.

Unsere gemeinsame Entschließung zielt auf Entscheidungen, die Konzernvorstand und Aufsichtsrat bereits im November 2011 treffen wollen. Es geht dann schon um die Zukunft einzelner Unternehmensgesellschaften und Standorte. Zurzeit arbeiten Projektteams unter Leitung des E.ON-Vorstandes Details der Einsparungen aus. Ich sage deutlich: Es kann nicht angehen, dass Betriebsräte und Belegschaft hier nicht eingebunden sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bisher hat es keine Gespräche zwischen Betriebsrat und Vorstand gegeben. Wir fordern: Der Vorstand muss nun endlich seine Pläne offenlegen. Der Vorstand muss mit dem Betriebsrat direkte und detaillierte Gespräche führen. Das liegt im größten Interesse des Unternehmens selbst. Die Betriebsräte kennen die Organisation und die Abläufe des Unternehmens am besten und sind am nächsten an den Problemen dran.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Genau!)

E.ON muss dieses Pfund dringend nutzen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Jetzt muss also alles getan werden, um ins Gespräch zu kommen. Deshalb appellieren wir gemeinsam dringend an den Vorstand: Beziehen Sie unverzüglich die Arbeitnehmervertretungen und die zuständigen Gewerkschaften mit ein! Nutzen Sie Sozialpartnerschaft und Mitbestimmung als Garanten für den Erfolg!

Hannover und die anderen Standorte in Niedersachsen haben eine lange Tradition im Energiesektor. Die PreussenElektra in Hannover hat Energiegeschichte geschrieben. 75 % der E.ON-Belegschaft sind stolz darauf, bei E.ON zu arbeiten.

Der Standort Hannover muss bleiben. Er ist bezahlt und abgeschrieben. Deswegen dürfen auf keinen Fall die Kernkraftwerksteuerung und die Kraftwerksteuerung allgemein nach Düsseldorf oder ganz woandershin verlagert werden.

(Beifall bei der CDU)

E.ON kann sich den Erhalt seiner Standorte in Hannover, in Niedersachsen und ganz allgemein gut leisten. Zwar hat es nun Einbrüche beim Vorsteuerergebnis und Gewinn gegeben - übrigens weitgehend nicht wegen der Stilllegung der Atomkraftwerke -; aber für 2011 gibt es immer noch ein erwartetes Vorsteuerergebnis von fast 10 Milliarden Euro und einen erwarteten bereinigten Konzernüberschuss von 2,1 bis 2,6 Milliarden Euro. Als Dividende sind mehr als 1 Milliarde Euro eingeplant. Damit steht E.ON deutlich stärker da als RWE. Dort ist aber kein Stellenabbau geplant. Das heißt: E.ON ist kein Sanierungsfall.

Wir appellieren deshalb an den Vorstand: Schließen Sie betriebsbedingte Kündigungen auch nach 2012 aus, und erarbeiten Sie zusammen mit Betriebsräten und Belegschaft Standortsicherungskonzepte und eine neue Konzernstruktur mit alternativen Einsparmöglichkeiten gegenüber einem Personalabbau! Zu Recht erwartet der Betriebsrat, dass nicht die Beschäftigten die in den vergangenen Jahren verursachten Managementfehler ausbaden müssen.

Wir erleben jetzt, dass Niedersachsen wie kaum ein anderes Bundesland von der Energiewende betroffen ist. Das Wachstumspotenzial der Energiewende betrifft den Auf- und Ausbau regenerativer Energien, den Ausbau der Energienetze und hoch innovative Forschungsprojekte. Hier ist Niedersachsen Vorreiter in Deutschland. Deshalb müssen die vorhandenen, logistisch günstig gelegenen und effizient arbeitenden E.ON-Standorte in Niedersachsen bleiben - genauso wie die fachlich bestens qualifizierten Mitarbeiter.

Bei der Erschließung der neuen Wachstumspotenziale wird das Land Niedersachsen Unterstützung leisten.

Ich beantrage sofortige Abstimmung.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Dr. Matthiesen. - Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Kollege Jüttner zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Matthiesen hat den Sachverhalt, wie ich finde, absolut korrekt beschrieben. Auch seine Forderungen sind alle richtig.

Wir reden nicht über einen Sanierungsfall, sondern das größte private Energieunternehmen in Europa, das im letzten Jahr einen Reingewinn von über 8 Milliarden Euro gemacht hat. Es steht exorbitant gut da. Zugegeben, in diesem Jahr wird es weniger - irgendwo bei 2,5 Milliarden Euro -; es bleibt aber so viel, dass jede Aktie mit 1 Euro Dividende nach Hause gehen kann. Daher gibt es zwar Veranlassung zum Nachdenken, aber überhaupt keine Veranlassung, das auf Kosten der Beschäftigten auszutragen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Zum einen gilt das vor dem Hintergrund, dass in den letzten Jahren und Jahrzehnten die Unternehmenskultur bei E.ON und den Vorläuferunternehmen eine ganz andere war. Dort wurde Mitbestimmung gelebt. Jetzt wird Mitbestimmung wirklich vor die Haustür gekippt.

Zum Zweiten gilt das - darauf hat Herr Matthiesen an einer Stelle schon hingewiesen -, weil ein Großteil der Probleme bei E.ON nichts mit den Beschäftigten, aber viel mit Unterlassungen und Fehlentscheidungen des Managements der letzten zehn Jahre zu tun haben. Beispielsweise gibt es die festen Gasverträge, die nur deshalb E.ON in diesem Jahr schon über 1 Milliarde Euro gekostet haben, weil man der Meinung war, dass der Markt im Gasbereich nie Realität würde, und weil man aus der Oligopolsituation in den letzten Jahren Extrarenditen gezogen hat, die sich gewaschen haben. Beispielsweise hat man in Süd- und Südosteuropa zugekauft und musste man aufgrund einer Fehleinschätzung des Marktes drastisch abschreiben.

Beispielsweise hat man es in den letzten zehn Jahren versäumt - darauf weist der Betriebsrat ausdrücklich hin -, die Konsequenzen aus den Unternehmensfusionen zu ziehen, sodass in der Tat Handlungsbedarf bei den Verwaltungsstrukturen besteht. E.ON ist wahrscheinlich das einzige Unternehmen, das sich mehrere Konzernzentralen parallel leistet - und zwar im doppelten Sinne des Wortes leistet. Sie hatten in den letzten Jahren so viel Geld verdient, dass sie sich um so etwas

überhaupt nicht gekümmert haben. - Das ist die Situation.

Das Perfide, was wir gegenwärtig erleben, ist, dass der Vorstand von E.ON den Eindruck erweckt, als ob die ganze Veranstaltung jetzt deshalb dringend geboten sei, weil durch die Beschlüsse des Bundestages zur Energiewende dem Konzern die Möglichkeit der Gewinnerzielung in seinem Kernkraftbereich genommen wird. Natürlich führt das zu minderen Margen; das ist richtig. Aber das ist nicht der einzige und nicht der vorrangige Grund dafür, dass das Unternehmen nicht mehr ganz so gut dasteht wie vor einigen Jahren.

An dieser Stelle kommt der letzte Punkt meiner Kritik dazu. Im Jahre 2001 ist ein Atomkonsens beschlossen worden - übrigens mit Beteiligung der E.ON-Konzernspitze. Und ein Unternehmen, das langfristig plant, setzt sich hin und sagt: Dann machen wir einmal eine Investitionsplanung für eine Zukunft ohne Kernenergie. - Weit gefehlt! Statt sich darum zu kümmern, hat E.ON darauf gehofft, dass das alte Prinzip „Je größer, umso besser; je mehr Kernkraft und je länger, umso besser für E.ON“ aufrechterhalten bleibt.

Jetzt stehen sie dumm da. Sie haben keinen Plan B. Während andere Unternehmen sinnvollerweise in regenerative Energien investiert haben, steht E.ON heute immer noch mit 10 % Investitionen im regenerativen Bereich da und hat weiter auf Zentralität gesetzt, also auf Großeinrichtungen. Damit hat E.ON vollständig an der Zukunft der Energiepolitik vorbei geplant. Dafür kriegen sie jetzt die Rechnung - die immer noch moderat ausfällt, weil in der Energiebranche immer noch unheimlich verdient wird.

Man versucht aber, die Gelegenheit zu nutzen, die Öffentlichkeit für dumm zu verkaufen und den Hinweis „Atomausstieg“ mit drastischen Personalmaßnahmen zu verbinden. Das ist nicht akzeptabel, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deshalb ist es richtig, wenn der Landtag möglichst einstimmig signalisiert: Wir sind nicht bereit, dieses unwürdige Verhalten der Konzernspitze zu akzeptieren. Wir erwarten den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen. Wir erwarten die Wahrnehmung von Mitbestimmung. Und wir erwarten von dem Unternehmen E.ON, dass es endlich eine Geschäftsidee entwickelt, die in Zukunft auch qua

lifizierte Arbeitsplätze in Deutschland sichert. - Darum geht es.

Schlussbemerkung: Als E.ON vor zehn Jahren gegründet wurde, hat man nach einem künstlichen Namen gesucht. In Anlehnung an das Griechische hat man sich für E.ON entschieden. Äon heißt Ewigkeit. Ich kann nur sagen: Wenn E.ON so weitermacht, dann wird es nichts mit der Ewigkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Jüttner. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Weisser-Roelle zu diesem Tagesordnungspunkt. Bitte schön!

Schönen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf den Antrag - auf den Ursprungsantrag oder jetzt auf den Änderungsantrag - zu sprechen komme, muss ich wieder feststellen, dass gerade die CDU und die FDP in diesem Haus ein sehr gestörtes Verhältnis zu demokratischen Strukturen haben. Für mich gehört zur Demokratie hinzu, dass alle gewählten Vertreter dieses Hauses in einem Ausschuss an, wie Herr Jüttner sagte, konstruktiven Gesprächen beteiligt werden, damit gemeinsam gesucht wird, was das Beste für die Menschen ist - hier für die Menschen bei E.ON.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber Sie haben, wie gesagt, eine andere Auffassung von Demokratie. Leider lassen sich in diesem Fall auch die SPD und die Grünen vor diesen Karren spannen, was ich sehr bedauere.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich weiß, dass gemeinsame Anträge bedeuten, dass man Kompromisse schließen muss. Wir wären bereit gewesen, diesen Antrag mitzutragen, weil wir diesen Antrag mit Kompromissen hätten bejahen können. Aber da ja die vier Fraktionen dieses Hauses diesen Antrag alleine beschließen wollen, kann dem Wunsch von Herrn Jüttner, dass der Antrag einstimmig beschlossen wird, so nicht mehr gefolgt werden, weil wir uns jetzt nicht mehr an diesen Antrag gebunden sehen. Aus diesem Grunde werden wir jetzt noch einmal zwei unserer weitergehenden Forderungen nennen, die wir zu diesem Antrag haben.

(Jens Nacke [CDU]: Das ist uns so was von egal!)