Protocol of the Session on September 15, 2011

Ich sehe nicht, dass erwidert werden soll. Ich rufe die nächste Rednerin auf. - Das ist Frau Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst muss ich etwas klarstellen: Es ist nicht die Bremer SPD gewesen, die dieses Thema angefasst hat, sondern es war meine Fraktion, die das Thema seit 2009 kontinuierlich durch Anfragen und Ausschussbehandlungen angefasst und begleitet hat.

(Oh! bei der CDU - Ralf Briese [GRÜ- NE]: Lang leben die Verbote!)

Letztendlich sprechen die Antworten der Landesregierung auf unsere Anfragen für sich. Sie machen mehr als deutlich, dass es bei der Bekämpfung sogenannter Rockerkriminalität dringenden Handlungsbedarf gibt. Insofern ist der SPD-Antrag in seinen Grundzügen sehr zu begrüßen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will aus einigen Antworten der Landesregierung zitieren. So antwortet Minister Schünemann in der Fragestunde im Juli-Plenum im Zusammenhang mit meiner Anfrage zum Einfluss des Motorradclubs Red Devils und des Firmengeflechts des Schatzmeisters der Hells Angels, Wolfgang Heer, auf die Stadt Walsrode - Zitat -:

„In Niedersachsen sind u. a. die vier großen Rockerclubs Hells Angels MC, Bandidos MC, Outlaws MC und Gremium MC vertreten.“

„verfolgen das Ziel, bestimmte Territorien bzw. Einflussbereiche zu beherrschen, um insbesondere wirtschaftliche Interessen wie beispielsweise im Rotlichtmilieu … durchzusetzen. Dabei ist festzustellen, dass die im bzw. am Randbereich der Organisierten Kriminalität agierenden Rocker bestrebt sind, gesellschaftliche Akzeptanz zu gewinnen, um Gewinne auch in legalen Geschäftszweigen investieren zu können und um öffentlichem Druck … zuvorzukommen.“

Im Mai-Plenum hatte ich unter der Überschrift „Eskaliert die Rockerkriminalität in Niedersachsen?“ die Rolle des Chefs der Hells Angels aus Hannover, Frank Hanebuth, hinterfragt, nachdem Oldenburgs Polizeipräsident Hans-Jürgen Thurau vor einem blutigen Rockerkrieg im Nordwesten Niedersachsens gewarnt hatte und Mitte Mai wie folgt in einer Tageszeitung zitiert wird: Wir steuern auf

eine Entwicklung zu, die sehr gefährlich ist. - Die Landesregierung räumte ein, dass Hanebuth als „Anführer der Hells Angels Hannover eine maßgebliche Rolle bei der Einflussnahme auf die niedersächsischen Chapter der Red Devils MC“ spielt.

Meine Damen und Herren, auf den Punkt gebracht heißt das Ganze: Wir haben es mit Organisierter Kriminalität im großen Stil zu tun. Es handelt sich nicht um irgendwelche harmlosen Motorradclubs, sondern das sind schlicht kriminelle Vereinigungen, die versuchen, Staat im Staate zu sein. Das darf sich der Staat nicht bieten lassen. Deshalb müssen wir aktiv werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ein Verbot sogenannter Rockergruppen wie der Hells Angels oder Red Devils ist mehr als überfällig. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Gruppen rechtsfreie Zonen schaffen. Herr Schünemann, ich fordere Sie nochmals auf, sich mit Ihren Kollegen in den Ländern und im Bund abzustimmen und ein Verbot auf den Weg zu bringen.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Wenn die Welt so einfach wäre!)

Nur das kann nachhaltig etwas gegen den sich ausbreitenden Einfluss dieser Gruppierungen im Land bewirken. Wir sollten den Antrag der SPDFraktion intensiv im Ausschuss beraten und möglichst - der Meinung bin auch ich - einen fraktionsübergreifenden Beschluss auf den Weg bringen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion hat noch eine Restredezeit von 1:50 Minuten. - Herr Bachmann, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße die Beiträge der Fraktionen, zeigen sie doch, dass Sie alle ernsthaft bereit sind, mit uns über die optimale Lösung des Problems zu diskutieren. Deswegen freuen wir uns nicht auf die Ausschussberatung - sie ist eher weniger erfreulich -, sondern wir hoffen, dass wir in der Ausschussberatung zu einem solchen Ergebnis kommen.

Ich finde es unangemessen, darauf hinzuweisen, wer das Erstgeburtsrecht hat. Wer es beherrscht, zuzuhören und zu lesen, hat gehört, dass ich ge

sagt habe: Wir greifen eine aktuelle Bremer Beschlusslage, die dort beabsichtigt ist, auf, um das zu koordinieren. - Bremen ist kein Solitär. Niedersachsen liegt rings um Bremen, und deswegen ist jetzt der Zeitpunkt, an dem man Hand in Hand handeln muss. Ich halte es geradezu für billig, zu argumentieren: Wir waren etwas eher, und wir haben schon in dem Jahr - - - Es gibt jetzt eine aktuelle Situation, und deswegen erwarte ich vom Innenminister, dass er sich in seiner Stellungnahme dezidiert mit den alarmierenden Worten des BDK und von Herrn Küch auseinandersetzt, der das Verbotsverfahren ebenfalls einfordert.

Noch ein Hinweis: Natürlich sind die Hells Angels nicht allein auf der Welt. Wer lesen kann, liest in unserem Antrag:

„In Niedersachsen sind u. a. die vier großen Rockerclubs Hells Angels MC, Bandidos MC, Outlaws MC und Gremium MC vertreten. Von diesen Clubs sind die Hells Angels die personell stärkste Gruppe in ganz Deutschland. Der Hells Angels MC Hannover nimmt eine Führungsrolle sowohl in der niedersächsischen als auch in der deutschen MC-Landschaft ein. Daher ist eine bundesweite Zusammenarbeit in jeder Hinsicht unerlässlich.“

Da die Hells Angels hauptsächlich Anlass geben, zu handeln, sind sie exemplarisch genannt. Sie als wichtigste Gruppe müssen als Erste angegangen werden. Das ist unser Anliegen. Aber nach den Beiträgen der Fraktionen hoffe ich darauf, dass wir das gemeinsam hinkriegen.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, jetzt hat sich der Herr Innenminister zu Wort gemeldet. Herr Schünemann, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rockerkriminalität ist ein ernstes Thema. Sie muss konsequent bekämpft werden. Das passiert nicht nur in Niedersachsen seit vielen Jahren parteiübergreifend, sondern das wird seit geraumer Zeit sogar auf Bund-Länder-Ebene abgestimmt.

Über Verbotsverfahren - egal, in welchem Bereich - darf man im Prinzip nicht reden, sondern

man muss Erkenntnisse sammeln und die Verbote dann aussprechen, wenn dies gerichtssicher möglich ist. Jedes öffentliche Gerede darüber hilft eigentlich genau denjenigen, die man verbieten will.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb finde ich es gut, dass wir heute darüber reden, wie man Rockerkriminalität effektiv bekämpfen kann. Aber dabei sollte man sich nicht auf das Verbotsverfahren für eine Rockerorganisation beschränken; das wäre sicherlich nicht nur zu kurz gegriffen, sondern auch falsch.

Wir haben in Niedersachsen in 2005 eine Rahmenkonzeption dazu erarbeitet, wie wir mit Rockerkriminalität umgehen wollen. Zum einen haben wir eine Zentralstelle Organisierte Kriminalität eingerichtet, die sich in Niedersachsen zentriert mit diesem Thema beschäftigt. Alle Straftaten, die im Umfeld von Rockerorganisationen stattfinden, werden von den Mitarbeitern erfasst, um ein Gesamtbild zu haben und ein mögliches Netzwerk zu erkennen. Dabei sind sowohl die Staatsanwaltschaften als auch die Wirtschaft einbezogen. Denn wenn man organisierte Wirtschaftskriminalität erkennen will, dann ist eine Gesamtrahmenkonzeption ganz entscheidend und sinnvoll.

Diese Rahmenkonzeption ist mittlerweile auf BundLänder-Ebene Standard. Wir sind froh, dass wir in Niedersachsen den Weg dafür mit geebnet haben. Ich will zugeben, dass es im Jahr 2005 gar nicht so einfach war, auf Bundesebene dafür Gehör zu finden, weil die Gefahr, die sich aus dem Bereich Organisierte Kriminalität, Rockerkriminalität entwickelt, noch nicht überall so erkannt worden ist. Mittlerweile ist dies Gott sei Dank der Fall.

Wir haben ein Gesamtlagebild angestoßen - auf Bundesebene, aber insbesondere auch auf norddeutscher Ebene. Es ist schon angesprochen worden: Kürzlich hat die Nord-IMK stattgefunden. Es gibt ein ganz dezidiertes Bild über die Rockerkriminalität, aber auch über die Bandenstruktur in Norddeutschland. Es gibt in Niedersachsen vier große Rockerclubs, die schon genannt worden sind. Aber sie alle haben noch sogenannte Supporters, also Unterstützergruppierungen. Das Problem ist, dass diese vereinsrechtlich durchaus unabhängig sind. Das heißt, man kann nicht einfach die Hells Angels oder Bandidos in Gänze verbieten, sondern man muss sich immer die Vereinsorganisationsstruktur genauer anschauen. Deshalb ist das nicht ganz so einfach.

Der andere Punkt ist: Wenn ein Mitglied einer Rockergruppe eine Straftat begeht, dann muss man nachweisen, dass es das im Namen dieser Rockergruppe getan hat. Ich hoffe, Sie nehmen mir das nicht übel, aber ich möchte einmal ein Beispiel nennen: Wenn ein Mitglied einer Partei kriminell wird, dann kann man auch nicht sofort sagen: Das hat doch etwas mit der Partei zu tun. - Man muss nachweisen, dass das aus der Organisationsstruktur heraus passiert. Es ist nicht so ganz einfach, das darzustellen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Darauf kommen wir zurück! Denn sonst schließen Sie ja auch gerne von Ein- zelfällen auf die gesamte Partei! - Widerspruch bei der CDU)

- Darüber werden wir morgen ganz dezidiert diskutieren können; das ist ein neues Thema.

(Zurufe)

Herr Bachmann hatte mich ja aufgefordert, konstruktiv zu diesem Thema Stellung zu nehmen. Das will ich auch tun.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ich dachte, Sie sind immer konstruktiv!)

Der Punkt ist, dass es grundsätzlich nicht einfach ist, eine solche Straftat den Organisationen zuzuordnen.

In Bremen ist es tatsächlich gelungen, der Organisation schwerste Straftaten zuzuordnen. In Schleswig-Holstein ist das in einem Fall auch gelungen - aber immer nur einem einzigen Chapter in dem Zusammenhang und nicht generell. Dies ist weder in Bremen noch in Schleswig-Holstein gelungen.

Ich habe das Lagebild angesprochen. Es gibt etwa 1 000 Mitglieder in diesem Bereich in Norddeutschland. Wir haben genaue Kenntnisse über Altersstruktur, Migrationshintergrund, Bildung, Straftatenaufkommen in dem Zusammenhang und können insofern genau zuordnen, wo es Auffälligkeiten gibt.

Auf Bundesebene haben wir darüber diskutiert, ob wir strukturiert vorgehen können. Dies ist in Teilbereichen möglich, aber nicht in allen Bereichen.

Für mich ist wichtig, im Innenausschuss - ich bin bereit, Ihnen in einer vertraulichen Sitzung sämtliche Details in dem Zusammenhang zu nennen, die wir offenlegen können - darzustellen, welche Schwierigkeiten es gibt, aber auch welche Ansätze wir haben.

Denn zum einen werden in den Rockerorganisationen intern Straftaten begangen. Dort herrscht ein sogenannter Ehrenkodex, und wenn jemand dagegen verstößt, dann wird brutal gegen die eigenen Mitglieder vorgegangen. Darüber erfahren wir aber nichts direkt über Anzeigen, sondern das muss z. B. über verdeckte Ermittler oder andere Erkenntnisse herausgefunden werden. Zum anderen gibt es Straftaten, die öffentlich werden, z. B. wenn es Streitigkeiten zwischen Bandidos und Hells Angels gibt. Das wird dann auch in der Öffentlichkeit dargestellt.

Aber sehr viel komplizierter ist - daran habe ich ein besonderes Interesse -, den Bereich der Organisierten Kriminalität aufzudecken. Daran arbeiten wir in der erwähnten Zentralstelle in einer Sisyphosarbeit. Aber ich bitte um Verständnis, dass ich nicht hier im Parlament öffentlich die Details darstellen kann, sondern das, was offengelegt werden kann, werde ich Ihnen im Innenausschuss in einem vertraulichen Sitzungsteil darstellen.

Ein entscheidender Punkt ist, nicht in irgendeiner Weise zu unterstellen, dass die niedersächsische Polizei in diesem Bereich nicht konsequent vorgeht. Das macht sie schon seit vielen Jahren in aller Konsequenz, egal, welcher Partei der jeweilige Innenminister angehörte - allerdings im Jahr 2005 mit einer neuen Rahmenkonzeption, die aus meiner Sicht auf Bund-Länder-Ebene sogar beispielgebend gewesen ist.

Wenn es so herübergekommen ist - ich hatte ein bisschen den Eindruck, als ich den Antrag gelesen habe -, dass sich hier irgendjemand verweigert, irgendein Verbot auszusprechen, dann muss ich dazu sagen: Das ist mitnichten der Fall. - Aber die Welt ist manchmal etwas komplizierter, als man sich das vorstellt, gerade in diesem Bereich. Populismus hilft in diesem Zusammenhang nicht.