Protocol of the Session on September 14, 2011

Man sieht: Die Wirtschaft hat die Chancen des Binnenschiffs längst erkannt. Nur CDU und FDP in Berlin schlafen noch den Schlaf der Gerechten.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich möchte noch etwas zum zweiten Teil der Reform sagen, nämlich zum Umbau der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Oder sollten wir besser „zur Zerschlagung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung“ sagen? - Das kommt nämlich dabei heraus.

Wir haben schon in den letzten Jahren gesehen, dass dort Tausende von Stellen eingespart worden sind. Schon jetzt werden Aufträge der WSV im Umfang von mehr als 1 Milliarde Euro fremd vergeben. Trotzdem treiben CDU und FDP eine weitere Privatisierung voran, offenbar um die Interessen privater Reeder zu bedienen. Ich weiß nicht, wie die Klientelzusammenhänge dort sind. Das Ganze geschieht auf dem Rücken der Beschäftigten und zulasten der Weiterentwicklung unserer Schifffahrtswege. Deshalb sagen wir als SPD: Eine funktionierende Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ist ein Teil staatlicher Daseinsvorsorge. Finger weg von weiteren Privatisierungen in diesem Bereich!

(Zustimmung bei der SPD)

Was Sie in diesem Zusammenhang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern machen, ist - ich will nicht sagen, eine Sauerei; denn sonst kriege ich hier Ärger - sehr unerfreulich. Wir hatten in unserem Antrag ausdrücklich ein Bekenntnis zum Erhalt der Standorte der Wasser- und Schifffahrtsdirektion. Sie wollten dieses Bekenntnis aber ausdrücklich raus haben. Da war der CDU der Burgfriede mit der FDP wichtiger. Wir werden dafür sorgen, dass dies den Beschäftigten in den Ämtern bekannt wird. Darauf können Sie sich verlassen.

Ich möchte Ihnen anhand eines Beispiels aus dem Weserbergland zeigen, wie doppelzüngig gerade auch Ihr ach so niedersächsischer Staatssekretär Ferlemann auftritt. Im April hat er noch mit CDUPolitikern aus dem Weserbergland gesprochen und gesagt: Die Zukunft des Wasser- und Schifffahrtsamtes in Hann. Münden ist gesichert. - Vor wenigen Tagen schrieb Herr Ferlemann dem Bundestagsabgeordneten Herzog auf die gleiche Frage: Die Organisationsüberprüfung erfolgt ausdrücklich ergebnisoffen. - Also: Gar nichts ist gesichert an dieser Stelle.

Mein Kollege Ronald Schminke hat dazu in seiner bewährten Art in der Presse erklärt: Der Herr Staatssekretär ist so glitschig wie ein Weseraal. - Da kann ich nur sagen: Ronald, da hast du recht.

(Zustimmung bei der SPD - Ronald Schminke [SPD]: Das stimmt! Das stimmt!)

Meine Damen und Herren, das ist kein Einzelfall. Hann. Münden ist überall. Nebelkerzen aus Berlin. Verunsicherung bei Investoren. Zukunftsängste bei den Beschäftigten. Und die Niedersächsische Landesregierung und die Mehrheit dieses Hauses stehen daneben und schauen zu.

(Zuruf von Minister Jörg Bode)

Was wird die Folge sein? - Ich will es einmal an einem Beispiel verdeutlichen: Der Binnenhafen Duisburg verhandelt über eine Fusion mit dem Seehafen Rotterdam. Die Verkehre werden sich zulasten unserer Häfen, die dann ins Leere schauen, ganz einfach andere Wege suchen. Deshalb bleiben wir dabei, wie wir es über unseren Antrag geschrieben haben: Niedersachsens Wasserstraßen müssen wir ausbauen und dürfen sie nicht abhängen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Krogmann. - Für die CDUFraktion hat sich Herr Kollege Lammerskitten zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Einigkeit herrscht heute in dieser Beratung über das Thema „Wasserstraßen in Niedersachsen“. Dieses Thema verdient diese grundsätzliche Einigkeit, weil es die Interessen unseres Bundeslandes berührt.

Wir sind uns darin einig, dass die durch Niedersachsen verlaufenden Wasserstraßen eine große Bedeutung als Verkehrswege sowie für die Anbindung unseres Hinterlandes haben. Gerade in einem Flächenland wie Niedersachsen kann dies unter ökonomischen wie auch ökologischen Gesichtspunkten kaum hoch genug eingeschätzt werden; denn - wir haben es gerade gehört - ein Binnenschiff kann 80 Lkw-Ladungen ersetzen, wie hier in der früheren Diskussion schon angeklungen ist. Grund genug also, sich für eine angemessene und bedarfsgerechte Kategorisierung der Wasserstraßen einzusetzen.

(Zustimmung bei der CDU)

Bei allem Verständnis für haushälterische Zwänge, denen das Bundesverkehrsministerium ebenso wie alle anderen Ministerien im Bund und Land unter

liegt, ist es unsere Pflicht, das in Berlin einzufordern.

(Zustimmung bei der CDU)

Natürlich müssen Gelder nach sinnvollen Prioritäten verteilt werden. Gerade deshalb aber können wir nicht mit einer Priorisierung und einer Kategorisierung unserer Wasserstraßen einverstanden sein, die sich allein an dem physikalischen Gewicht der Schiffsladungen orientieren. Schließlich haben gerade die Containertransporte ein geringeres Gewicht im Vergleich etwa zu Schüttguttransporten. Deshalb sind sie aber nicht weniger wichtig oder - um im Bild zu bleiben - gewichtig. Im Gegenteil. Ihre Bedeutung nimmt stetig zu. Das zeigen nicht nur alle entsprechenden Zahlen, sondern das ist auch für Laien schnell ersichtlich.

Viele Lkw, die z. B. Autos oder riesige Rotorblätter für Windenergieanlagen transportieren, sind auf unseren Autobahnen unterwegs und könnten durch Binnenschiffe ersetzt werden. Darf man das erschweren, nur weil die Ladung weniger wiegt? - Diese Frage können wir nur verneinen.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir müssen ebenso Güter berücksichtigen, die aufgrund ihrer Größe nur auf Wasserwegen sinnvoll bewegt werden können. Das muss uneingeschränkt möglich sein; unabhängig davon, dass eine solche Tonnage vom physikalischen Gewicht her nicht so sehr ins Gewicht fällt.

Nicht außer Acht lassen dürfen wir auch die Tatsache, dass die Bundeswasserstraßen nicht nur als Transportwege bedeutsam sind, sondern viele weitere Funktionen erfüllen. Hochwasserschutz und Naherholung sind da nur zwei Stichworte. Auch diese Aspekte haben ihren Wert und tragen zur Gesamtbedeutung der Wasserstraßen bei.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wer also Wasserwege sinnvoll kategorisieren will und ihre Finanzierung an Prioritäten orientiert, der muss all diese Zusammenhänge berücksichtigen. Dafür hat sich die Landesregierung bereits intensiv eingesetzt. Dafür will und wird sich auch die CDU-Fraktion stark machen.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Lammerskitten. - Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Krogmann das Wort. Sie haben anderthalb Minuten.

Ich mache das ja nicht so oft, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren, zwei Punkte noch einmal, Herr Lammerskitten. Zum einen haben Sie völlig recht mit dem, was Sie gesagt haben. Sie müssten mir dann aber eigentlich zustimmen, wenn wir sagen, dass ein Bundesverkehrsminister, der sich so etwas ausdenkt, ganz und gar nicht befähigt ist, die Belange unseres Landes mit zu vertreten. Da habe ich einen klaren Angriff an dieser Stelle verpasst. Ansonsten kann ich Ihnen inhaltlich in vielen Punkten zustimmen.

(Zustimmung bei der SPD)

Zum anderen habe ich eben schon erzählt: Es geht ja nicht nur um die Kategorisierung der Mittel, sondern auch um die Frage, wie es mit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung weiter geht. Dazu jedoch haben Sie kein einziges Wort gesagt. Das heißt: Sie haben auch zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich Sorgen um ihre Standorte und ihre Jobs machen, kein einziges Wort gesagt. Das finde ich schon bezeichnend. Das bestärkt mich in unserer Auffassung darin, dass wir Ihren pflaumenweichen Änderungsantrag hier nicht mittragen können.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Lammerskitten möchte antworten. Bitte schön! Auch Sie haben anderthalb Minuten.

Herr Krogmann, es ist ja auch viel schöner, wenn man bei solchen Fragen ein bisschen in den Dialog gerät. Wir als CDU-Fraktion sind der festen Überzeugung, dass der Bund, der die Organisationshoheit für seine Verwaltung hat, erst einmal die Dinge ordentlich durchdenken soll

(Jürgen Krogmann [SPD]: Das ist bei der Bundeswehr auch nicht der Fall gewesen!)

und dass wir uns dann, wenn die entsprechenden Details auf dem Tisch liegen, mit diesen Reformen auseinandersetzen.

Man kann nicht als Land dem Bund gegenüber erklären, dass er über Reformen nicht nachdenken kann. Das ist kein partnerschaftliches Verhalten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nun hat Frau Kollegin Twesten von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwei Fassungen liegen uns vor. Wir begrüßen es, dass die SPD die Initiative ergriffen hat, dieses Thema auf die Agenda für Niedersachsen zu setzen; denn viel zu lange hat Herr Ramsauer die lange überfällige Strukturreform der WSV auf die lange Bank geschoben.

Aus Niedersachsen war zu diesem Thema außer einem immer wieder anklingenden Loblied auf die nicht geprüften, aber angeblich durchaus vorhandenen Potenziale unserer Wasserstraßen lange gar nichts zu hören. Erst durch den SPD-Antrag sind Sie, meine Damen und Herren aus der CDU, immerhin in Zugzwang geraten, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen.

(Widerspruch bei der CDU)

Natürlich sind wir daran interessiert, die Potenziale anzuerkennen. Nicht beantwortet ist allerdings die Frage, was die Wasserstraße tatsächlich kann.

Beide Fassungen haben viele Gemeinsamkeiten und verfolgen gute Ansätze. „Wasserstraßen in Niedersachsen ausbauen und nicht abhängen!“, ist ein guter Ansatz. Wasserstraßen effizient ausgestalten, lautet die Aufgabe. Erst nachdem der Bundesrechnungshof im vergangenen Jahr Alarm geschlagen hatte, hat das BMVBS nach Jahren endlich angefangen, über ein neues Konzept überhaupt nur nachzudenken. Der eigentliche Auftrag ist die Frage, welche Projekte für Niedersachsen im Kontext der bundes- und europaweit sinnvollen Verkehre notwendig, umweltfreundlich, aber auch bezahlbar sind.

(Zustimmung von Miriam Staudte [GRÜNE])

Hierbei kommt es für uns allerdings ganz entscheidend darauf an, die Bedeutung und die tatsächlichen Potenziale des Zusammenspiels von Schiene, Wasserwegen und Straßen nicht nur anzuerkennen, sondern auch zu benennen. Das sind die Fragen, denen wir uns stellen müssen - ausgehend von der Frage, wie der Seehafen-HinterlandVerkehr mittels Modal Split bewältigt werden kann, und im Blick auf Ihre beiden Anträge von der Frage, welchen Stellenwert unsere Wasserstraßen tatsächlich haben und - ich wiederhole - was sie tatsächlich leisten können.

Ich warne allerdings davor, in der Zwischenzeit falsche Hoffnungen zu wecken. Dennoch hat der Kollege Riese mittels einer regionalen Pressemitteilung nach dem Besuch des Unterausschusses „Häfen und Schifffahrt“ im August dieses Jahres verlauten lassen: VW geht auf die Binnenwasserstraßen. - Diese Aussage lässt vermuten, das Konzept sei längst in trockenen Tüchern. Dabei handelt es sich, wie wir alle wissen, nur um interne Planungen. Im Übrigen finde ich, dass es sich einfach nicht gehört, an dieser Stelle aus dem Nähkästchen zu plaudern.

Es zeugt auch nicht gerade von wirtschaftspolitischer Kompetenz, wenn man verschweigt, dass eine Verlagerung von Autotransporten auf die Wasserstraße erst nach sorgfältiger Abwägung von Kosten und Nutzen möglich sein wird. Für VW dürfte das erst dann interessant werden, wenn die Wasserstraße tatsächlich wettbewerbsfähig ist und wenn die Frage beantwortet ist, was wo geht und mit welchen Chancen. Denn dass die ohnehin knappen Mittel nicht für alle Wasserstraßen ausreichen, dürfte unschwer zu begreifen sein. Also müssen die Mittel dahin gelenkt werden, wo sie gebraucht werden - in eben jenes Vorrangnetz der Wasserstraßen. Die Tonnage allein kann als Kriterium daher nicht zielführend sein.

Wenn in diesen Tagen die Verkehrsexperten der Länderministerien mit dem Bund dieses Thema in Neuruppin beraten, erwarten wir, dass Niedersachsen auch Kriterien des Umwelt- und Klimaschutzes sowie des Tourismus einbringt, die das Wirtschaftsministerium bisher vernachlässigt hat.