Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Briese, ich möchte Sie daran erinnern, dass wir am 14. Januar 2009 das Verfassungsschutzgesetz nach langer Diskussion mit unseren Stimmen verabschiedet haben. Hierzu hat es eine Vorgeschichte gegeben. CDU und FDP haben einen nicht zustimmungsfähigen Gesetzentwurf eingebracht, der mithilfe des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes verändert worden ist. Deswegen haben wir ihm unsere Zustimmung erteilt.
Ich sehe nicht die zwingende Notwendigkeit, jetzt erneut eine Novellierung anzustreben. Dennoch werden wir uns natürlich Ihrer Forderung nach einer erneuten Novellierung nicht prinzipiell verschließen. Ich meine, dass es einzelne Punkte gibt, über die man in den Ausschüssen ernsthaft diskutieren muss, die gegebenenfalls auch zu übernehmen sind. Ich werde gleich zu den einzelnen Punkten noch etwas sagen. Aber Anliegen Ihres Antrags ist es ja im Grunde genommen - das haben Sie zum Ausdruck gebracht -, sich an den Befugnissen des parlamentarischen Kontrollgremiums auf Bundesebene auszurichten. Sie haben in diesem Zusammenhang auch meinen Kollegen Thomas Oppermann zitiert. Ihre Interpretation ist
Ich möchte jetzt auf die einzelnen Punkte eingehen. Sie wissen, dass sich die SPD-Bundestagsfraktion trotz einzelner inhaltlicher Differenzen und Kritikpunkte am Verfahren am 29. Juni dieses Jahres grundsätzlich für eine befristete Verlängerung der Sicherheitsgesetze ausgesprochen hat. Demzufolge meinen wir, dass eine Streichung der Befugnisse zur technischen Überwachung von privaten Wohnräumen in dem Gesetz mit unseren Stimmen nicht vorgenommen werden kann.
Ihre dritte Forderung bezieht sich auf die Befugnisse zur Speicherung von Daten Minderjähriger. Die Voraussetzungen, unter denen sie erfolgen darf, wollen wir auf Bundesebene regeln. Wir meinen, dass es bei der Neuregelung zur Vorratsdatenspeicherung ganz einfach besser passt.
Unter Nr. 5 Ihres Forderungskatalogs behaupten Sie, dass die parlamentarische Kontrolle verbessert wird, wenn die Mitglieder des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes künftig aus der Mitte des Landtags gewählt werden. Im Gegensatz zu Ihnen halten wir das für keine qualitative Verbesserung, sondern eher für das Gegenteil. Das machen wir nicht mit.
Dass der Landtag durch eine verantwortungsvolle Aufgabe eine erhöhte Legitimation erhalten würde, bezweifle ich sehr. Denn momentan schlagen ja die Fraktionen die zu entsendenden Mitglieder vor. Wie stellen Sie sich das in der Praxis vor? Fällt eine oder einer heraus, wenn die Mehrheit des Landtages das nicht will? Was ist, wenn es einen personellen Wechsel gibt, wenn jemand ausscheidet? Muss dann nachgewählt werden? - Das sind alles Fragen, die wir uns gestellt haben. Wir werden dem nicht zustimmen.
Nun möchte ich noch die Punkte erwähnen, bei denen wir Ihnen teilweise zustimmen und bei denen wir auch meinen, dass etwas geändert werden muss.
Das eine ist die Stellvertreterinnen- und Stellvertreterregelung. Wir meinen auch, dass es notwendig ist, Stellvertreter zu benennen. Dies sollten aber persönliche Stellvertreter sein. Das heißt, wir wollen den Kreis einschränken und wollen jeweils pro
Person Stellvertreterinnen bzw. Stellvertreter benennen, damit wir dann auch ein kontrolliertes Verfahren haben. Dass diese Personen dann im Falle der Verhinderung des ordentlichen Mitglieds einspringen können, ist gut. Wir wollen gewährleisten, dass die Geheimhaltung weiterhin gegeben ist. Deshalb lehnen wir es ab, zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Ausschussarbeit zu verpflichten. Das würde, meine ich, in der Praxis nicht funktionieren, sondern würde Tür und Tor für die Weitergabe sensibler Daten öffnen. Ihre Forderung können wir daher nicht teilen.
Ihren Vorschlag, in umstrittenen Einzelfällen externe Sachverständige hinzuzuziehen, werden wir ernsthaft prüfen. Darüber kann man reden. Man kann im Fachausschuss auch darüber sprechen, dass andere Dienstleister, die zur Auskunft verpflichtet werden, ihren tatsächlichen Kostenaufwand erstattet bekommen.
Für Fälle des Auskunftsersuchens nach § 5 a haben Sie eine schlanke Forderung aufgestellt. Es ist aber sehr abzuwägen, inwieweit durch eine Benachrichtigung ernsthafte Gefährdungen der gesamten Maßnahme erfolgen können.
Wir halten auch die Absenkung des Quorums auf ein Fünftel für nicht sinnvoll. Wir wollen bei der alten Regelung bleiben, also einem Viertel bleiben. Ich denke, dass dieses Quorum ausreicht. Bei einem Quorum von einem Fünftel befürchte ich immer wiederkehrende Geschäftsordnungsdebatten im Ausschuss, die dann von kleineren Fraktionen aufgrund dieses verminderten Quorums angestrebt werden können. Dadurch könnte auch die Arbeitsfähigkeit gefährdet werden.
Was die Berichtspflicht und den Jahresbericht anbelangt, wollen wir auch eine größere Transparenz erreichen. Darüber könnten wir mit Ihnen reden. Aber ich bitte Sie wirklich darum: Lassen Sie uns die Zeit, Ihre Vorschläge im Fachausschuss ernsthaft zu prüfen! Ich habe jetzt zunächst gesagt, wo wir uns wenig oder gar nicht bewegen und welche Bereiche wir prüfen werden.
Der nächste Beitrag kommt für die FDP-Fraktion von Herrn Professor Zielke. Herr Professor Zielke, ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Woche hat die gelb-schwarze Koalition in Berlin entschieden,
einige der Regelungen in den Sicherheitsgesetzen auslaufen zu lassen. Das ist gut so. Alle anderen Regelungen werden um vier Jahre verlängert mit der Maßgabe, dass eine Kommission in dieser Zeit prüft, ob sie auf Dauer notwendig oder verzichtbar sind.
Dass eine Reform des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes dringend erforderlich sei, wie Sie behaupten, erschließt sich jedenfalls in diesem Zusammenhang nicht.
Das, was Sie im Einzelnen vorschlagen, ist in vielen Punkten irritierend. In vielen Punkten kann ich mich nahtlos Frau Leuschner anschließen. Wir sehen das auch so.
Erstens geht es um die Einholung von Auskünften über verdächtige Personen bei Dienstleistern. Sie schreiben - ich zitiere -: „Die betroffene Person ist in allen Fällen von Auskunftsersuchen aufgrund § 5 a zu informieren.“
Sie wollen also alle bisherigen Ausnahmen von der Auskunftspflicht abschaffen. Eine solche Ausnahme ist bisher z. B. die Gefährdung von Leib und
Zweitens wollen Sie, dass der Verfassungsschutz Daten von Personen unter 16 Jahren überhaupt nicht erfassen darf. Angesichts des blinden Fanatismus von Terroristen bis hin zu Selbstmordattentaten ist in keiner Weise auszuschließen, dass solche Terroristen auch Kinder für ihre Planungen instrumentalisieren, womöglich ohne dass diese davon etwas ahnen. Da mag die Erfassung von Daten über gefährdete Kinder sehr wohl zu deren Schutz beitragen.
(Beifall bei der FDP - Ralf Briese [GRÜNE]: Dann müssen Sie die Schwellen doch absenken, Herr Kol- lege!)
Drittens. Neben den Mitgliedern des Ausschusses, also gewählten Abgeordneten, wollen Sie Fraktionsmitarbeiter voll in die Arbeit des Ausschusses einbeziehen. Da bin ich versucht zu fragen: Dürften es denn auch Praktikanten sein? - Im Ernst: Je größer der Kreis der Einbezogenen, desto geringer wird der Grad der Vertraulichkeit.
Wenn sich ein Gremium auf die Vertraulichkeit seiner Beratungen verlassen können muss, dann der Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes.
Viertens. Ob bei Meinungsverschiedenheiten zwischen der Landesregierung und mindestens einem Fünftel des Ausschusses der Staatsgerichtshof als Oberschiedsrichter sinnvoll fungieren könnte, wage ich bei aller Wertschätzung des Staatsgerichtshofs zu bezweifeln. Sie, liebe Grüne, scheinen klammheimlich anzustreben, den Ausschuss durch einen Wust von Regelungen byzantinischer Komplexität lahmzulegen.
Der Bericht des Verfassungsschutzes soll künftig regelrecht fein ziseliert werden. Es sollen - ich zitiere - „reine Verdachtsfälle von den Fällen erwiesener Verfassungsfeindlichkeit nach dem Grad der Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung getrennt und entsprechend wiedergegeben werden“, und es soll - ich zitiere - „entlastendes Material in Bezug auf die Verfassungstreue gewürdigt werden“. Damit käme der Verfassungsschutz in spannende Abwägungsprobleme. Er würde beispielsweise zu entscheiden haben, ob ein Hitlergruß die freiheitliche demokratische Grundordnung mehr gefährdet als ein Molotowcocktail
Der Sinn dieser Rangfolgenerstellung bleibt dunkel, es sei denn, man goutiere byzantinische Komplikatessen.
Eine letzte allgemeine Bemerkung: Wir danken dem Niedersächsischen Verfassungsschutz für seine segensreiche Arbeit an unseren Schulen gegen politischen Radikalismus jeder Art.