Zu 1: Seit Übernahme der Regierungsverantwortung im Jahre 2003 orientiert sich das Handeln der Landesregierung im Bereich der Flüchtlingspolitik an den rechtsstaatlichen und durch die Genfer Flüchtlingspolitik gesetzten Vorgaben. Leitlinie war
stets der staatliche Anspruch, die Zuwanderung aus Drittstaaten wirksam zu steuern. Darüber hinaus besteht Einigkeit, dass mögliche Änderungen auf diesem Rechtsgebiet nicht zu einer Revision der 1992 im Parteienkompromiss zu Asyl und Einwanderung vereinbarten legislativen und exekutiven Maßnahmen führen dürfen.
Die Schutzgewährung von Flüchtlingen erfolgt in Deutschland entsprechend der Genfer Flüchtlingskonvention und innerhalb des in der Europäischen Union gesetzten Rechtsrahmens. Die Anerkennung als Asylberechtigter oder als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention orientiert sich ausschließlich daran, ob jemand politisch verfolgt wird. Die sich aus der Anerkennung ergebenden Aufenthaltsrechte sehen ausdrücklich generell vom Erfordernis der eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts ab. Es wird also nicht nach fiskalischen Gesichtspunkten beurteilt. Sie eröffnen den Begünstigten den uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Auch die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes erfüllen alle verfassungsrechtlichen Erfordernisse, einschließlich der Grundrechte, insbesondere des Gebots der Unantastbarkeit der Würde des Menschen.
Ausländer- und Flüchtlingspolitik ist und bleibt Angelegenheit des Bundes. Innerhalb dieses Jahres ist eine starke Gesetzgebungstätigkeit zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes zu verzeichnen. Zwei Gesetzgebungsverfahren, nämlich die Neuregelung zur Einführung eines elektronischen Aufenthaltstitels und die Erweiterung der Rückkehroption für Opfer von Zwangsheirat sowie weitere Verbesserungen im Bereich humanitärer Aufenthaltszwecke, sind abgeschlossen. Ein weiteres Verfahren, nämlich das Zweite EU-Richtlinienumsetzungsgesetz, ist noch im Bundestag anhängig.
Residenzpflicht: Residenzpflicht ist die bundesgesetzlich festgelegte Aufenthaltsbeschränkung. Die Residenzpflicht ist für Asylbewerber gesetzlich vorgeschrieben für die Dauer, in der sie zum Wohnen in einer Erstaufnahmeeinrichtung verpflichtet sind. Nach dieser Zeit besteht nach § 58 Abs. 6 des Asylverfahrensgesetzes für die Länder die Möglichkeit, durch die Verordnung für Asylbewerber diese Beschränkung zu lockern und bis auf den Bereich des gesamten Landes zu erweitern. Eine solche Verordnung ist in Vorbereitung. Die Wohnsitznahme bleibt hiervon unberührt. Für geduldete Ausreisepflichtige besteht bereits jetzt
Dezentrale Unterbringung: Für die Erstaufnahme von Asylbewerbern ist das Land bundesgesetzlich verpflichtet, zentrale Erstaufnahmeinrichtungen sowie eine zentrale Unterbringung vorzuhalten. Niedersachsen kommt dieser Verpflichtung durch die beiden Einrichtungen in Braunschweig und jetzt auch in Friedland nach.
Sobald die Asylbewerber nicht mehr zum Wohnen in einer Erstaufnahmeeinrichtung verpflichtet sind, sollen sie nach den gesetzlichen Vorgaben des Bundes in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Das soll die Regel sein. In der Ausgestaltung dieser gesetzlichen Vorgabe haben die Kommunen allerdings Gestaltungsspielraum, die Unterbringung im Rahmen der örtlichen Gegebenheiten zu organisieren, d. h. entweder zentral oder dezentral unterzubringen. Vorgaben seitens des Landesgesetzgebers oder des Innenministeriums gibt es in diesem Bereich nicht. In Niedersachsen wohnen, gemessen an der Gesamtzahl der Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, rund 80 % in Wohnungen und nur 20% in Wohnheimen. Ich darf daran erinnern: Die gesetzliche Vorgabe sieht eigentlich ein umgekehrtes Verhältnis vor.
Zur Entlastung der Kommunen hält das Land eigene Einrichtungen zur Unterbringung von Asylbewerbern und ausreisepflichtigen Ausländern bereit.
Sprachkurse: Sprachkenntnisse sind ein entscheidender Faktor zur Integration von Ausländern in die hiesigen Lebensverhältnisse. Es ist daher angezeigt, denjenigen Asylbewerbern einen Sprachkurs anzubieten, die eine Chance auf ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland besitzen. Es wird zurzeit geprüft, ob das Land in Friedland Ausländern, die nach einer Prognose des zuständigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge eine Chance auf Anerkennung haben, eine Teilnahme an den dortigen Sprachkursen ermöglichen soll. Sie wissen, dass wir das bei den Spätaussiedlern erfolgreich durchführen. Sie wissen aber auch, dass es dort einen dramatischen Rückgang gibt, weshalb Bayern angekündigt hat, sich aus der gemeinsamen Aktion zu verabschieden, sodass es in der Zukunft sehr schwer werden wird, diese Sprachkurse auch für Spätaussiedler vorzuhalten. Deshalb ist es sinnvoll, dass man denen, die eine Anerkennung bekommen, sehr schnell die Möglichkeit dazu gibt. Ich habe daher schon vor einiger Zeit veranlasst, das zu prüfen. Es ist aber auch
völlig klar: Diejenigen, die keine Chance auf Anerkennung haben, können an diesen Sprachkursen nicht teilnehmen. Erstens würde das Bundesamt für Migration so etwas nicht bezahlen, und zweitens macht so etwas bei denjenigen auch keinen Sinn, weil sie so schnell wie möglich wieder in ihr Herkunftsland zurückreisen sollen.
Zugang zum Arbeitsmarkt: Flüchtlinge haben schon jetzt unmittelbar nach ihrer Anerkennung uneingeschränkten Zugang zu einer selbstständigen Tätigkeit oder einer Beschäftigung. Die Beteiligung der Arbeitsagentur ist nicht erforderlich, mithin auch keine Vorrangprüfung. Die Vorrangprüfung findet nur Anwendung bei Asylbewerbern und bei Geduldeten, die auch zur Ausreise verpflichtet sind.
Durch die Vorrangprüfung soll nicht nur sichergestellt werden, dass nachweislich kein deutscher Arbeitsuchender gefunden werden kann, sondern auch, ob bereits sich rechtmäßig in Deutschland aufhaltende Ausländer zur Verfügung stehen.
Soweit die Betroffenen das Ausreisehindernis nicht selbst zu verantworten haben, kann ich mir zur Entlastung der Sozialsysteme eine Modifizierung der Vorrangprüfung vorstellen. Ich darf daran erinnern, dass die von mir initiierte Bundesratsinitiative in 2006 und 2007, die vorgesehen hat, dass man hierfür nur eine Vorrangprüfung für ein Jahr vorsieht, nicht weiterverfolgt werden konnte, weil die damalige Bundesregierung und der damalige Bundesarbeitsminister Müntefering - anschließend Bundesarbeitsminister Scholz - dieses nicht wollten.
Ich habe - bedingt - durchaus Verständnis dafür, dass man eine solche Sichtweise haben kann; denn wie ich eben gesagt habe, geht es nicht nur darum, dass man diejenigen schützen sollte, die deutsche Staatsbürger sind und insofern Vorrang haben sollen. Wir haben vielmehr ein anderes Problem. Die Ausländer, die bereits hier einen Aufenthaltstitel haben, d. h. sich hier legal aufhalten, müssen die Möglichkeit haben, vorrangig einen Arbeitsplatz zu bekommen; denn dort haben wir die höchste Arbeitslosigkeit. Deshalb ist es sinnvoll, dass wir diejenigen, die einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel haben, bevorzugt behandeln und diejenigen, die noch keinen rechtmäßigen Aufenthaltstitel haben oder vielleicht sogar dazu beigetragen haben, dass sie ihn nicht haben, nicht vorrangig in den Arbeitsmarkt integrieren. Ich glaube, dass das sehr sinnvoll ist. Es geht insbesonde
re um die Ausländer, die sich hier bemühen, bisher aber noch keinen Arbeitsplatz bekommen haben. Deshalb ist auch in dem Zusammenhang die Schutzpflicht zu sehen. Sie wissen aber auch, dass die Arbeitsministerin Frau Dr. von der Leyen durchaus an Veränderungen in diesem Bereich arbeitet.
Legale Wirtschaftsmigration in die EU, Punktesystem: Eine steuernde Zuwanderungspolitik steht im engen Kontext zur konkreten Arbeitsmarktsituation. Es gilt, eine Teilnahme am Erwerbsleben und damit eine materielle Selbstständigkeit sicherzustellen. Insoweit sind Regularien, die sich an einer solchen Verknüpfung orientieren, zielführend. Es gibt in dem Zusammenhang einen wichtigen Punkt. Es ist schon wichtig, dass man dann, wenn man nach Deutschland kommt, einen konkreten Arbeitsplatz bekommt. In dem Zusammenhang werden Kanada und andere Länder angeführt. Es ist aber schon eine Problematik, wenn man einreisen kann, jedoch keinen konkreten Arbeitsplatz hat. Denn dann ist nicht sichergestellt, dass man auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich ist. Deshalb sollte, wenn man eine Lockerung bei qualifizierten Arbeitsplätzen vorsieht - darüber wird bekanntlich verhandelt -, immer auf einen konkreten Arbeitsplatz abgestellt werden. Ich meine, dass das nachvollziehbar ist. In Kanada arbeiten Hochqualifizierte sogar zu einem großen Teil als Taxifahrer. Das aber ist genau das, was wir in Deutschland nicht wollen. Deshalb ist es, wenn man den Zuzug von qualifizierten Arbeitskräften fördern will, was aufgrund der demografischen Entwicklung durchaus angebracht ist, sinnvoll, in dem Zusammenhang genauer hinzuschauen.
Abschiebungshaft: Die Abschiebungshaft als Mittel zur Sicherstellung und Durchsetzung der Ausreisepflicht von Ausländerinnen und Ausländer, die dieser Verpflichtung freiwillig nicht nachkommen, setzt immer einen richterlichen Beschluss voraus. Dieser richterliche Vorbehalt zur Prüfung einer Freiheitsentziehung ist ein wesentlicher Grundpfeiler der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. In der Vergangenheit sind keine gerichtlich festgestellten Grundrechtsverletzungen im Rahmen des Abschiebungsvollzugs in Niedersachsen festgestellt worden.
Die derzeit geltenden Rechtsnormen garantieren, dass der betroffene Ausländer in jeder Phase seines aufenthaltsrechtlichen Verfahrens, einschließlich der Aufenthaltsbeendigung, einstweiligen Rechtsschutz beim zuständigen Verwaltungsge
Ermessensspielraum bei der Erteilung des Aufenthaltstitels bzw. der Abschiebung: Eine Ermessensentscheidung ist bei der Erteilung des Aufenthaltstitels bzw. der Durchsetzung der Ausreisepflicht bundesgesetzlich nicht vorgesehen. Es ist vielmehr gesetzlich definiert, welche Voraussetzungen für derartig weitgehende Eingriffe in die persönliche Freiheit eines Menschen vorliegen müssen. Der Gesetzgeber hat sich hier im Sinne einer einheitlichen und damit gerechten Verfahrensweise klar positioniert. Intention einer solchen Regelung ist es auch, eine annähernd gleichmäßige Handhabung der Gesetzesanwendung zu gewährleisten und - das ist mir sehr wichtig - die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ausländerbehörden insbesondere bei Vollzugsentscheidungen vor möglichem erheblichen Druck von außen zu schützen. Das haben wir immer wieder erlebt. Deshalb ist es sehr sinnvoll, dass wir eine ganz klare rechtliche Vorgabe des Bundes haben. Man sollte Mitarbeiter davor schützen, das in sein Belieben zu stellen.
Europäische Flüchtlingspolitik: Die Bundesregierung hat sich im Rahmen der letzten JI-Rat-Beratungen zu einem Festhalten an den Regelungen der Dublin-II-Verordnung bekannt. Auf Krisensituationen wird durch bilaterale Regelungen angemessen reagiert. Ich verweise hier aktuell auf die Aufnahme der Flüchtlinge aus Malta. Wir als Bundesrepublik Deutschland waren die Ersten, die das angeboten haben. Leider haben dabei nur sehr wenige mitgemacht. Es ist sinnvoll, nicht unbedingt das ganze System umzustellen. Wenn es tatsächlich Notwendigkeiten gibt, kann man sich auch bilateral einigen, und das haben wir als Bundesrepublik Deutschland auch vorbildlich getan.
Bleiberecht für langjährig Geduldete: Seit Übernahme der Regierungsverantwortung im Jahr 2003 hat es mehrere Bleiberechtsregelungen gegeben, die auch von Niedersachsen maßgeblich mitgestaltet wurden.
- Ich verstehe das ja. Es ist durchaus eine nicht ganz einfache Rechtsthematik. Aber es sind nun einmal zehn Punkte. Die hatten Sie nachgefragt. Deshalb muss ich sie auch erläutern. - Also: Seit Übernahme der Regierungsverantwortung im Jahr 2003 hat es mehrere Bleiberechtsregelungen ge
Im Zuge der letzten Änderung des Aufenthaltsgesetzes ist auf Initiative von Niedersachsen mit der Schaffung des § 25 a ein eigenständiges, vom Aufenthaltsrecht der Eltern unabhängiges Bleiberecht für in Deutschland geborene oder aufgewachsene ausländische Jugendliche und Heranwachsende aufgenommen worden. Die Gesetzesänderung enthält auch eine Regelung zugunsten der sorgeberechtigten Eltern sowie der jüngeren Geschwister von begünstigten minderjährigen Jugendlichen.
Sie wissen, dass ich mich sehr dafür eingesetzt habe. Ich bin froh, dass es uns jetzt gelungen ist. Damit haben wir erstmalig eine solche Bleiberechtsregelung - zugegeben fokussiert auf integrierte Jugendliche - im Aufenthaltsrecht verankert, und zwar nicht auf einen Stichtag bezogen. Das ist, glaube ich, etwas, was eine wichtige Position gerade auch aus Niedersachsen ist.
Würden wir dieses aber jetzt darauf erweitern, dass man nur fünf, sechs, sieben Jahre hier in Deutschland lebt - egal, ob man tatsächlich z. B. auch dazu beigetragen hat, dass man die Identität nicht feststellen kann usw. -, dann bräuchten wir im Prinzip keine Rechtsgrundlage mehr im Ausländerrecht; denn dann muss man sich nur fünf, sechs Jahre durchgeschlagen haben. Das ist nicht sinnvoll. Dieses auf die Jugendlichen zu fokussieren, die wir in der Zukunft auch auf dem Arbeitsmarkt benötigen, ist absolut sinnvoll. Deshalb sehe ich eine Weiterung in diesem Bereich nicht für angesagt an. Ich glaube, dass das auch insgesamt in der Bundesregierung so gesehen wird.
Kommunales Wahlrecht für Ausländer: Im Rahmen der Beantwortung verschiedener parlamentarischer Anfragen zu diesem Bereich wurde u. a. dargelegt, dass - unter Hinweis auf die Anhörung im Bundestagsinnenausschuss im September 2008 - verschiedene Experten eine solche Verfassungsänderung für unzulässig halten: Das (Wahl-) Volk im Sinne von Artikel 20 Grundgesetz könne nicht durch eine anders umschriebene Wählerschaft ersetzt werden. Darin läge auch ein Verstoß gegen die sogenannte Ewigkeitsklausel des Artikels 79 Absatz 3 Grundgesetz.
sieht es so aus, dass man es trotzdem nicht machen könnte, weil es hier die Ewigkeitsklausel gibt. Insofern ist diese Frage, glaube ich, beantwortet.
Mehrstaatlichkeit: Das zur Evaluation der Optionsregelung durch das BMI in Auftrag gegebene Projekt dauert noch an. Die Ergebnisse sollten in der weiteren Diskussion Berücksichtigung finden. Es macht keinen Sinn, sich hier festzulegen, bevor das Ergebnis der Evaluation vorliegt.
Die Frage 3 beantworte ich für die Landesregierung wie folgt: Die Flüchtlingspolitik der Niedersächsischen Landesregierung orientiert sich nicht an liberalen, konservativen oder sonstigen politischen Ausrichtungen, sondern an den durch die Genfer Flüchtlingskonvention sowie das Grundgesetz festgelegten Grundsätzen, die im Übrigen eine humanitäre Flüchtlingspolitik beinhalten.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Vor dem Hintergrund, dass dieses Papier ja ein Entwurf des Koalitionspartners ist, frage ich die Landesregierung, ob sie sich vorstellen kann, dass wir im Rahmen der Beratung mit diesem Papier eine parlamentarische Mehrheit bekommen haben. Denn zu fast allen Punkten liegen diesem Parlament Entschließungsanträge oder Bundesratsinitiativanträge vor, die nach diesem klaren Bekenntnis der FDP hier eine parlamentarische Mehrheit hätten, um die Praxis im Land Niedersachsen zu verändern und entsprechend auch beim Bund Änderungen an Rahmenbedingungen anzuregen. Wenn die Landesregierung das auch so sieht: Ist sie bereit, diese neu gegebene parlamentarische Mehrheit zu akzeptieren und die im Verfahren befindlichen Entschließungsanträge erfolgreich zu beraten?
Denn vor dem Hintergrund, Herr Minister Schünemann, dass Sie sicherlich sehr eng mit der Kollegin Lorberg als Vorsitzender der Integrationskommission zusammenarbeiten, stellt sich doch die Frage, ob Sie auch Einfluss darauf nehmen, dass im Augenblick alle Sitzungen der Integrationskommissi
on abgesagt werden, damit die parlamentarische Beratung nicht zu Ende kommt, und ob Sie so durch Aussitzen Ihren Koalitionskonflikt lösen wollen.