Protocol of the Session on June 29, 2011

Es gibt natürlich eine Erklärung. Der Ministerpräsident in Baden-Württemberg, Herr Kretschmann von den Grünen, hat ja schon gesagt, mit diesem Konsens ist ein wesentliches Hindernis auf dem Weg zu einer schwarz-grünen Bundesregierung beseitigt.

Die Linke hat ausdrücklich keinen Konsens mit diesem Konsens. In Gemeinsamkeit mit Initiativen und Bewegungen sind wir der Meinung, dass ein Ausstieg erst 2022, also in elf Jahren das letzte AKW abzuschalten, angesichts dieser Hochrisikotechnologie überhaupt nicht reicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben deshalb ein seriöses Konzept vorgelegt, mit dem wir 2014 das letzte AKW in Deutschland abschalten wollen. Herr McAllister, Sie haben von Ihrem Mut gesprochen, vom Mut der Bundesregie

rung. Wir hätten Ihnen mehr Mut gewünscht. Die Linke ist da eindeutig mutiger, als Sie es sind: Wir haben konkrete Alternativen vorgelegt.

(Beifall bei der LINKEN - Reinhold Hilbers [CDU]: Ein Himmelfahrtskom- mando ist das! - Ministerpräsident David McAllister: Sagen Sie das mal den Grünen!)

Und dann sagen Sie, Sie haben die Risiken neu bewertet. Sie haben im Vergleich zu bisher die Risiken offensichtlich nicht anders oder neu bewertet. Wie Blüm einst gesagt hat, die Rente ist sicher, sagt Ihre Atomaufsicht, unsere AKW sind sicher, und wir können sie auch noch elf Jahre weiter betreiben. Sie sind eben nicht sicher. Das sehen wir an den problematischen Sumpfsieben, siehe Forsmark. Wir sehen das am Erdbebenrisiko, am Hochwasserrisiko, um das Sie sich nicht kümmern. Wir sehen die gefährlich instabile Aufhängung von Leitungen in Atomkraftwerken. Das alles bleibt auch mit Ihrem sogenannten Konsens so. Konsequent geht anders.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Thema Atommülltransporte trifft Niedersachsen ganz besonders. Aktuell kommen die Castoren aus La Hague. Mindestens drei weitere Transporte aus Sellafield werden folgen. Wenn Gorleben, das völlig untaugliche Gorleben, Endlager sein soll, dann werden wir 40 Jahre lang vier Castortransporte im Jahr à 11 Behälter haben. Das verschweigen Sie, wenn Sie sagen, unter Einbeziehung von Gorleben soll weiter erkundet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie können sicher sein, dass die Proteste gegen diese Transporte weitergehen werden, und Sie können auch sicher sein, dass die Linke dabei ist, wenn die Anti-AKW-Bewegung und die Initiativen gegen diesen Wahnsinn aufstehen.

(Beifall bei der LINKEN - Jens Nacke [CDU]: Da bin ich ganz sicher! - Zuru- fe von der CDU: Das glaube ich Ihnen glatt!)

Was der ganzen Beschlusslage dieses hellrotgrün-schwarz-gelben Konsensgruppenpapiers fehlt, ist ein Gesamtkonzept. Stattdessen sind es faule Kompromisse, halbherzige Versuche, die große Mehrheit des Volkswillens zu bedienen.

Zu einer Gesamtenergiewende gehört auch ein Gesamtkonzept, und dazu gehören grundsätzliche Strategien, die deutschlandweit abgestimmt wer

den müssen, mit einer fairen Verteilung der Risiken über Deutschland, aber auch mit einer fairen Verteilung der Chancen neuer Energieerzeugungsstrukturen. Das erfordert wiederum, dass Sie politisch tätig werden und nicht nur reden. Das erfordert eine grundsätzliche Strukturentscheidung. Energie muss dezentral statt zentral erzeugt werden, und das braucht eben Ihr Eingreifen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie das nicht tun, werden wir das zu einem späteren Zeitpunkt tun.

Die Macht der großen vier Energiekonzerne muss auf kommunale Strukturen übertragen werden. Das wäre transparent, das wäre bürgerfreundlich, das würde Verbrauchern mehr Einfluss geben. Aber Sie wollen das Energieoligopol gar nicht aufbrechen. Es bleibt also das Risiko, dass die großen Vier - ähnlich wie bei den Laufzeitverlängerungen - auch weiter Politik bestimmen.

Eines ist doch klar: Je mehr Energie dezentral erzeugt wird, verbraucht wird und gespeichert wird, desto mehr regionale Wertschöpfung und Existenzsicherung werden ermöglicht, desto eher wird eine sozialverträgliche Energiewende ohne massive Preiserhöhungen möglich, weil keine überzogenen Profiterwartungen von Großkonzernen mehr befriedigt werden müssen.

Was wir brauchen, ist schließlich eine sozial gerechte Energiewende und kein Profitsicherungsprogramm für E.ON, RWE & Co.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir brauchen den grundsätzlichen Wandel der Energiestrukturen. Ich will das am Beispiel der Windenergie weiter ausführen. Hier muss es einen klaren Vorrang für Onshoreanlagen geben. Das ist schnell umsetzbar, halb so teuer wie Offshore und lässt sich auch fair über Deutschland verteilen. Bayern, Baden-Württemberg und Hessen haben da noch erhebliches Potenzial, um nicht zu sagen, auch erheblichen Nachholbedarf.

Sie sollten einmal zur Kenntnis nahmen, meine Damen und Herren, was das Fraunhofer-Institut errechnet hat: Wenn alle Länder 1 bis 2 % der Fläche für Windenergie in Deutschland zur Verfügung stellen, dann lassen sich damit 200 Gigawatt Strom erzeugen. Das ist die Jahrhundertchance, Herr McAllister, wenn Sie berücksichtigen, dass mit Offshore lediglich 25 Gigawatt möglich sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Verteilte Onshoreanlagen haben auch den Vorteil, dass kommunales oder genossenschaftliches Eigentum gut realisierbar ist - anders, als es bei den riesigen Offshoreanlagen möglich ist, die wieder in der Hand der großen Vier liegen werden.

Wir brauchen Energiekonzepte mit Effizienz und Intelligenz. Das heißt, wir brauchen Kombikraftwerke, die verschiedene erzeugte Energiearten koppeln. Sie sind ein Baustein dafür, und dafür sollte es im Erneuerbare-Energien-Gesetz eigentlich einen Bonus geben, aber das hat die CDU ja gekippt.

Herr McAllister, Sie haben sogenannte Smart Grids angesprochen. Es ist im Grundsatz erfreulich, dass Sie sich darüber Gedanken machen.

(Minister Jörg Bode: Ich habe gestern eine Rede dazu gehalten!)

Mit diesen Smart Grids werden Energieerzeugung und Energieverteilung intelligent geregelt. Das ist ein weiterer Baustein der dezentralen Energieversorgung. Sie haben das zwar erwähnt, aber Sie haben nicht gesagt, was Sie konkret dafür tun wollen. Das ist eine der großen Lücken in Ihrer Erklärung. Das kommt eben nicht alles von selbst. Sie können nicht warten, bis der Markt das regelt. Das braucht auch steuernde, fördernde, ordnungspolitische Entscheidungen. Dazu habe ich von Ihnen nichts gehört.

(Beifall bei der LINKEN - Minister Jörg Bode: Das ist völliger Unsinn!)

Dabei wäre das gar nicht so schwer; denn Sie hätten sicherlich eine große Akzeptanz dabei, den Menschen zu erklären, dass sie ihre Wäsche vielleicht nicht unbedingt tagsüber waschen müssen, sondern, entsprechend intelligent gesteuert, auch nachts ihre Waschmaschinen laufen lassen können. Insofern sollte das doch eigentlich gar kein Hindernis für Sie sein.

(Zuruf von der CDU: Hängen Sie denn nachts Ihre Wäsche auf?)

- Fürs Wäscheaufhängen braucht man, bitte schön, keinen Strom. Es geht ums Wäschewaschen.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU: Aber ich muss die Wäsche doch anschließend aufhängen, nach- dem ich sie gewaschen habe! - Weite- re Zurufe von der CDU)

Ich rede jetzt mal nicht mehr über diesen unqualifizierten Zwischenruf, sondern über den Photovoltaikbereich. Da haben Sie die Warnungen der Linken in den Wind geschlagen und haben den Markt durch Absenkung der Vergütung erdrosselt; das muss man so sagen. Jetzt haben Sie zwar eine Rücknahme der Kürzungen angekündigt, aber ich sage Ihnen: Da hätten Sie doch mal besser gleich auf die Linke gehört!

(Beifall bei der LINKEN)

Dann haben Sie im Zusammenhang mit Biogas von maisreichen Regionen gesprochen. Diesen Begriff haben Sie verwendet, als sei es gottgegeben, welche Regionen in Deutschland maisreich sind. Das waren Ihre politischen Entscheidungen. Sie haben das gefördert, Sie haben das gewollt, Sie haben das genehmigt, Sie haben das unterstützt, Sie haben verursacht, dass manche Regionen hier so maisreich sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Unter Naturschutzaspekten, unter Artenschutzaspekten und auch unter Aspekten des Flächenverbrauchs, wobei es zu massiven Verschiebungen von Pachthöhen kommt, was bis in die Dritte Welt hinein mit Hungerfolgen für arme Menschen negative Konsequenzen hat, ist das einfach eine falsche Entscheidung, eine falsche Politik, die Sie da betreiben.

(Björn Thümler [CDU]: Das hat Rot- Grün auf den Weg gebracht! Das war Rot-Grün!)

Wir erwarten, dass Sie da umsteuern, Herr McAllister. Wir erwarten, dass Sie da andere Wege gehen. Für das, was in Biogasanlagen entsprechend verwendet werden kann, gibt es auch Alternativen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen in der Energiepolitik flächendeckende Ansätze statt populistische sogenannte Leuchttürme. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf unseren Antrag zum Stoffstrommanagement. Dies ist ein gutes Beispiel für flächendeckende Ansätze. Sie haben die Möglichkeit, diesem Antrag hier im Parlament zuzustimmen. Das erwarte ich auch von Ihnen.

Was den Bereich Forschung angeht, haben Sie gesagt, da muss weiter geforscht werden, und zwar für Speichertechnologien, für alternative Technologien. Das alles ist insoweit richtig. Was wir dafür brauchen, ist aber doch ein abgestimmtes

bundesweites Konzept, nach dem dann, auf die Länder verteilt, koordiniert und miteinander abgestimmt, geforscht wird und nicht so, wie jetzt der Flickenteppich da nun mal aussieht.

(Beifall bei der LINKEN)

Und wo wir beim Thema Forschung sind: Immer noch werden über den Euratom-Vertrag, bei dem Deutschland Mitunterzeichner ist, massive Mengen von Geld in Atomenergieforschung gesteckt. Wir erwarten, dass Sie das abstellen und dass Sie entweder dafür sorgen, dass Deutschland aus dem Vertrag austritt, oder dass Sie sich dafür einsetzen, dass zumindest einmal die Zielsetzungen dieses Vertrags geändert werden.

(Beifall bei der LINKEN - Björn Thüm- ler [CDU]: Das ist doch Unfug! Das ist doch Unsinn!)

Was die Speichertechnologien, die Sie angesprochen haben, angeht, so handelt es sich um ein wichtiges Thema. Das ist erforderlich, damit wir auch zu einer Grundlastfähigkeit im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien kommen, also noch mehr, als es bisher der Fall ist. Die Ideen, die Ansätze, die Methoden dafür gibt es durchaus schon; allerdings sind sie noch nicht industriereif ausgearbeitet. Aber ich frage Sie: Was tun Sie an dieser Stelle? - Sie warten darauf, dass der Markt das regelt. Aber wohlklingende Worte reichen hier nicht. Wir erwarten von Ihnen konkrete Vorschläge, was da passieren soll. Die haben Sie bisher nicht gemacht.

Ich will noch einmal auf den Bereich Netze eingehen. Jetzt werden Atomkraftwerke abgeschaltet. Durch die breiter gestreute Energieerzeugung ist weniger Energie über weite Strecken zu transportieren. Dadurch werden Netzkapazitäten frei. Das unterschlagen Sie in Ihren Berechnungen, das beziehen Sie nicht in Ihre Abschätzung ein, wie viel zusätzliche Leitungen benötigt werden. Auch weitere Bedingungen und Berechnungen lassen Sie außen vor. So entsteht das Horrorszenario, dass Deutschland bald mit Höchstspannungsleitungen vollgepflastert ist. So schlimm muss es nicht kommen, wenn Sie ein vernünftiges dezentrales Energieerzeugungskonzept anstreben. Dazu hätten Sie unsere volle Unterstützung. Bisher konnte ich das Ihren Reden aber nicht entnehmen.

(Beifall bei der LINKEN)