Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! „Vielfalt statt Quote - Faire Chancen für alle durch Leistung und Qualifikation“ - ein vielversprechender Aufschlag mit interessanten Facetten, zugegeben. Aber lassen Sie uns doch einmal hinter die Kulissen schauen!
Was, so frage ich mich, bewegt eine Partei wie die FDP, einen Beitrag zum Thema Quote zu leisten? Welche Kompetenzen besitzt eigentlich ausgerechnet die FDP in diesem Bereich? - Haben wir in diesem Hohen Hause doch unlängst und zum wiederholten Male feststellen müssen, dass die FDP z. B. beim Thema Frauenquote nun wirklich kein ernst zu nehmender Gesprächspartner ist.
(Hans-Werner Schwarz [FDP]: So ist das, wenn man eine vorbereitete Re- de hält, Frau Twesten! Sie hätten zu- hören sollen!)
wie jüngst beim FDP-Parteitag Anfang Mai der Antrag, eine Frauenquote bei der FDP einzuführen, zeigte. 80 % der Delegierten stimmten dagegen, 80 % der Delegierten waren Männer.
Der Frauenanteil in dieser Partei liegt im Bundestag bei nur 23 %, im Niedersächsischen Landtag sind es nur 20 %. 2 von 13 Abgeordneten sind Frauen. Auch die personelle Neuaufstellung beim FDP-Parteitag ist wieder einmal misslungen. Die FDP bleibt ein Männerverein, in dem Frauen gerade eben geduldet werden und die Herren unter sich bleiben wollen.
Die Süddeutsche Zeitung vom 14. Mai - ich zitiere - empfiehlt den Frauen, „diese Partei zu meiden“. Die Partei sei „altbacken wie ein Herrenabend in den 50er-Jahren“.
Bleibt die Frage: Schmiert die FDP in der Wählergunst auch deswegen ab, weil sie Frauen in den eigenen Reihen vergrault und gar nicht weiß, was sie ihren Wählerinnen anbieten soll?
Wir können an dieser Stelle feststellen: Von der Frauenquote versteht die vermeintlich jungdynamische Boygroup rund um den Ministerexport Rösler aus Niedersachsen nichts.
Wenden wir uns der nächsten aktuellen Quotendiskussion zu: Was zeichnet die FDP aus, wenn es um die Migrantinnen und Migranten geht? - „Wir brauchen ein offenes Klima“, meldete sich am 2. Mai der Sozialexperte Roland Riese zu Wort. Ich frage Sie: Was soll das bitte sein, außer einen dieser viel besungenen Allgemeinplätze zu beset
zen, die wir in diesem Zusammenhang und anderen Zusammenhängen bereits zur Genüge von Ihnen kennen, ohne dass konkrete Vorschläge präsentiert werden?
Das Problem ist, dass Sie auch hier lediglich diffuse Vorstellungen haben: Das Land sei „auf einem guten Weg“, man möchte „Leistungsbereitschaft unabhängig von Persönlichkeitsmerkmalen wie Herkunft, Religion, Geschlecht oder Behinderung“ anerkennen und belohnen. Tatsächlich sind Sie nicht in der Lage, bei diesen wichtigen Zukunftsentscheidungen Konzepte zu präsentieren, wie alle vorhandenen Ressourcen bestmöglich genutzt werden sollen, um eine moderne Gesellschaft zu werden. Sie schwanken zwischen Wahrnehmungsstörung und Zukunftsverweigerung, wenn Sie meinen, dass Sie damit Chancengleichheit herstellen können.
Die wirklich ökonomischen Erfolgsrezepte für Niedersachsen sind, Toleranz und Talente in all ihrer Vielfalt zu nutzen. Lassen Sie sich das einmal auf der Zunge zergehen!
Was liegt näher, als aktiv für bessere Rahmenbedingungen einzutreten? - Um allerdings die Rahmenbedingungen zu verändern, muss man sich zunächst die Mühe machen, die Ursachen zu ergründen. Für junge Migrantinnen und Migranten hängt der Erfolg ihrer Integration entscheidend von der Teilhabe am Erwerbsleben ab. Für eine zukunftsfähige Wirtschaft ist es unerlässlich, insbesondere die Anerkennung von im Ausland erworbenen Bildungsabschlüssen und Qualifikationen zu erleichtern und die Integration von Migrantinnen und Migranten in das Wirtschaftsleben mit dem Ziel der Gleichberechtigung zu fördern.
Auch hier lässt sich nur feststellen, dass Sie schönen Worten leider nicht die entsprechenden Taten folgen lassen.
Der fraktionsübergreifende Antrag, diese Potenziale zu nutzen, ist hier vor gut einem Jahr diskutiert worden. In der Praxis gibt es allerdings erhebliche Umsetzungsschwierigkeiten, wie mir in vielen Gesprächen immer wieder berichtet wird. Dabei warten viele Menschen mit Migrationshintergrund,
auch viele Frauen, Herr Riese, geradezu darauf, dass wir ihre Potenziale wahrnehmen und sie dazu beitragen können, die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes mitzugestalten.
Mehr als deutlich wurden diese Potenziale im Rahmen der kürzlich veröffentlichen McKinseyStudie zum Fachkräftemangel herausgearbeitet. Der deutschen Wirtschaft gehen demnach bis 2030 rund 4 600 Milliarden Euro an Wirtschaftswachstum verloren, wenn es nicht gelingt, die Potenziale der Mitarbeiterinnen für unsere und in unseren Unternehmen auszuschöpfen.
Und was tut die Niedersächsische Landesregierung, der die FDP ja noch angehört, um diesen Herausforderungen zu begegnen?
Ich sage: Sie tut wenig bis nichts. Die FDP setzt auf Leistung und Qualifikation, um mit atmosphärischen Anreizen die Vielfalt voranzubringen. Das hört sich gut an, reicht aber bei Weitem nicht aus. Was wir brauchen, sind mutige, nachhaltige und richtungweisende Entscheidungen, - - -
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Riese, Sie haben die vielfältige Quotendebatte von den Füßen auf den Kopf gestellt. Ich sage Ihnen auch, warum: Allein die Überschrift Ihres Antrages zur Aktuellen Stunde „Vielfalt statt Quote“ kann aus meiner Sicht doch nur ein sprachlicher Fehlgriff sein. Denn richtig muss es doch wohl heißen: Vielfalt durch Quote.
(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der LINKEN - Christian Dürr [FDP]: Sie meinen: Diskriminierung durch Quote!)
Falls die Überschrift aus Ihrer Sicht, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, doch richtig sein sollte, unterstreicht das nach meinem Verständnis Ihr sehr eingeschränktes gelb-blaues Denken. So schlicht können Sie dieses Thema, bei dem es um wirtschaftliche und gesellschaftliche Existenzsicherung geht, nicht behandeln.
Der zweite Teil der Überschrift „Faire Chancen für alle durch Leistung und Qualifikation!“ hört sich erst einmal gut an - eine Forderung, die grundsätzlich unterstützenswert scheint. Aber - jetzt kommt das riesengroße Aber - welche Chancen geben Sie Menschen, die nicht in der Lage sind, optimale Leistungen und Qualifikationen zu erreichen, Menschen, die gerade die Unterstützung der Politik brauchen, um durch eine Quote z. B. am Arbeitsleben teilhaben zu können? - Gerade diese Menschen bereichern durch ihre Besonderheit und dokumentieren die Vielfalt der Bevölkerung.
Die zweite Satzhälfte der Überschrift stellt eine Diskriminierung der Menschen dar, denen durch die UN-Konventionen eine Teilhabe garantiert werden soll.