Protocol of the Session on March 17, 2011

Zum Schluss möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass andere Bundesländer die Zeichen der Zeit schon erkannt haben. Baden-Württemberg z. B. hat für viel Geld Imagefilme erstellen lassen und bei der bekannten Werbeagentur Scholz & Friends einen Flyer in Auftrag gegeben. Mit diesem wirklich ganz ansprechenden Flyer wird darauf hingewirkt, dass mehr junge Leute sich für den Erzieherberuf interessieren.

Herr Kultusminister Althusmann, wenn wir nicht handeln, steuern wir zielsicher auf eine Entprofessionalisierung im pädagogischen Bereich zu.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Wir können wirklich nicht warten, bis es nur noch zwei Maßnahmen gibt, mit denen wir dem Erzieherinnenmangel abhelfen können: erstens die Gruppengrößen weiter zu erhöhen, damit weniger Erzieherinnen mehr Kinder betreuen können; zweitens einfach fachfremdes Personal einzusetzen. - Das kann es nicht sein. Ich erwarte in den nächsten Monaten Vorschläge der Landesregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich erteile dem Kollegen Brammer von der SPDFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Ereignisse in Japan fällt es zunächst nicht leicht, ein Thema anzusprechen, das die Zukunft betrifft.

(Zustimmung von Andrea Schröder- Ehlers [SPD] und Miriam Staudte [GRÜNE])

Leider wird zukünftig nichts mehr so sein, wie es einmal war.

Aber wie ich bereits im Januar gesagt habe, begrüßt die SPD-Fraktion die Initiative der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dem drohenden Erzieherinnenmangel durch einen Aktionsplan zu begegnen.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Miriam Staudte [GRÜNE])

Mit diesem Antrag wird ein längst überfälliger Aktionsplan eingefordert, der dafür sorgen soll, dass in absehbarer Zeit landesweit kein Erzieherinnen- und Erziehermangel eintritt. Schon heute suchen die Träger vieler Kindertagesstätten in Niedersachsen händeringend nach geeignetem Fachpersonal.

(Astrid Vockert [CDU]: Nennen Sie mir ein Beispiel, Herr Brammer!)

- Fragen Sie in der Gemeinde Hude nach, Frau Vockert!

Auch wenn die Kollegin Vockert im Januar-Plenum versucht hat, uns vorzurechnen, dass genügend Erzieherinnen und Erzieher ausgebildet würden, bleibt der vom Statistischen Bundesamt prognostizierte Fehlbedarf von 4 600 Fachkräften im Jahr 2014. Wofür erstellt dieses Bundesamt eigentlich solche Berechnungen, wenn Sie die Ergebnisse der Untersuchungen hier allen Ernstes in Frage stellen?

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung von Miriam Staudte [GRÜNE] und Patrick-Marc Humke [LINKE])

Wie ernst meinen wir es eigentlich wirklich mit der Bildung im Elementarbereich?

Wir sind gefordert, unseren Erzieherinnen und Erziehern Arbeitsbedingungen zu schaffen, die

dazu führen, dass dieser Beruf wieder verstärkt gewählt wird und dass die Fachkräfte länger in diesem Beruf bleiben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es kann nicht sein, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen mit immer mehr Aufgaben belastet werden, ohne dass ihnen die dafür erforderliche Zeit zur Verfügung gestellt wird. Es kann auch nicht sein, dass immer mehr Verantwortung über den örtlichen Träger der Jugendhilfe und den Träger der Einrichtung bis zur Fachkraft durchgereicht wird, ohne dass diese an irgendeiner Stelle honoriert würde. Das ist Ausdruck mangelnder Wertschätzung. Das hören wir heute hier nicht zum ersten Mal; der Kollege Schwarz hat das heute Morgen schon zum Bereich Pflege gesagt.

Wir müssen uns nicht wundern, wenn bei derartigen Bedingungen immer weniger Menschen bereit sind, diesen Beruf zu ergreifen. Viele wenden sich genau aus den eben genannten Gründen von diesem Beruf ab.

Ich hatte bereits im Januar gesagt: Bund und Kommunen - das Land ist minimal beteiligt - finanzieren gerade ein teures Krippenausbauprogramm. Aber Sie verschlafen hier die Entwicklung und versäumen, das Ganze mit Leben zu erfüllen.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Miriam Staudte [GRÜNE])

Wenn Sie so weitermachen, werden irgendwann die Eltern mit ihren Kindern vor neuen Einrichtungen stehen, die nicht betrieben werden können, weil es keine Fachkräfte gibt. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU, ich habe den Eindruck, Sie sitzen das Problem aus. Auf Ihrer Seite besteht offenbar überhaupt kein Interesse, dem drohenden Mangel an Fachkräften entgegenzuwirken.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Sie stecken den Kopf in den Sand nach dem Motto „Das geht uns nichts mehr an“. Sie haben die Diskussion im Ausschuss so engagiert geführt, wie es Herr Försterling in der ersten Lesung im Januar vorgemacht hat. Dieses Thema war letzter Tagesordnungspunkt im Januar-Plenum. Sie können es im Protokoll nachlesen. Herr Försterling sagte:

„Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der fortgeschritte

nen Zeit bleibt mir an dieser Stelle nichts anderes übrig als zu sagen: Ich freue mich auf die Beratung“.

(Beifall bei der SPD)

Im Ausschuss hat die Beratung ebenfalls an einem Freitagnachmittag stattgefunden. Im Großen und Ganzen hatte sich die Einstellung nicht geändert. Der Antrag wurde einfach abgebügelt.

Ich möchte an dieser Stelle wiederholen, was ich bereits im Ausschuss gesagt habe: Wenn Sie es schon nicht für die Betroffenen tun, die Erzieherinnen und Erzieher und die Kinder, dann tun Sie es wenigstens für uns. Wenn wir im Jahr 2013 den Wechsel haben, dann dauert es nur noch zwei Jahre, und wir haben genügend Erzieherinnen und Erzieher.

(Astrid Vockert [CDU]: Er träumt! - Jens Nacke [CDU]: Herr Brammer, Sie wissen doch, dass Sie witzig nicht können!)

Dann sitzt der Kollege Wenzel fast an der Stelle, an der Herr Nacke jetzt sitzt, und Herr Försterling ist dann nicht mehr hier.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Sie sehen, auf uns kommen rosige Zeiten zu.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Jens Nacke [CDU]: Und weiterhin ange- nehme Träume!)

Frau Kollegin Reichwaldt ist die nächste Rednerin. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht sind das ja nicht nur Träume, Herr Nacke.

(Astrid Vockert [CDU]: Das „vielleicht“ macht deutlich, dass auch Sie skep- tisch sind!)

Der Erzieherberuf braucht dringend eine bessere Bezahlung, ein besseres Image und mehr gesellschaftliche Wertschätzung, damit er für junge Menschen attraktiver wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Würden Sie dieser Aussage zustimmen? - Viele von Ihnen, denke ich, schon. Es ist eine Aussage der GEW im Zusammenhang mit der Initiative „Profis für die Kitas“. Leider ist die Mehrheit von Ihnen der Meinung, bei uns in Niedersachsen bestehe kein Handlungsbedarf zur Situation der Erzieherinnen und Erzieher. Es sei alles in Ordnung, und es werde bereits alles getan. Nur ganz versteckt kommt manchmal der eigentliche Grund der Lethargie zum Ausdruck: Frühkindliche Bildung ist zwar wichtig, leider fehlt das Geld. Und so beginnt ständig das gleiche Spiel von vorn: Die Opposition weist auf Missstände hin, bringt Entschließungsanträge ein. Sie werden von Ihnen abgelehnt, da ja alles in Ordnung sei.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wir hatten im vorvergangenen Jahr einen Gesetzentwurf zur frühkindlichen Bildung eingebracht, der die Forderung der Initiative „Bildung ist MehrWert!“ aufnahm. Wir forderten deutlich bessere Personal- und Qualifikationsstandards in Krippen und Kitas. Zugegeben, das wäre teuer geworden.

In Niedersachsen werden 2014 nach Berechnung des Statistischen Bundesamtes über 4 500 Erzieherinnen und Erzieher fehlen.

(Anhaltende Unruhe)

Frau Kollegin, ich darf kurz unterbrechen. - Wir sollten uns bemühen, auch die letzten Tagesordnungspunkte noch geordnet und mit der entsprechenden Aufmerksamkeit über die Bühne zu bringen. Ich bitte darum, dass der Rednerin zugehört wird. - Bitte schön, Frau Kollegin!

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen greift dieses Problem auf. Vor allen Dingen sollten mehr Männer für diesen Beruf gewonnen werden. Sollte in der Tatsache, dass - im Übrigen bis auf die Leitungsebene - so sehr viel mehr Frauen als Erzieherinnen tätig sind als Männer, ein Zusammenhang mit der insgesamt zu schlechten Bezahlung dieses Berufstands zu sehen sein?

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Ina Korter [GRÜNE])