Protocol of the Session on March 17, 2011

Sehr geehrte Damen und Herren, wir beantragen angesichts der hohen Dringlichkeit der Beschäftigungs- und Standortsicherung bei Alstom sofortige Abstimmung über unseren Antrag.

Wir bitten alle Fraktionen um Zustimmung, wie es im Rat von Salzgitter geschehen ist. Die Beschäftigten von Alstom erwarten ein klares Signal der Solidarität aller Fraktionen des Niedersächsischen Landtages.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion erteile ich dem Kollegen Klein das Wort.

(Zuruf von Klaus-Peter Bachmann [SPD])

- Herr Bachmann, der Bürgermeister wäre hier nicht redeberechtigt. Aber der Kollege Klein ist redeberechtigt, und deshalb redet er jetzt.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion nimmt die berechtigten Sorgen in der Region um Salzgitter und speziell in der Stadt Salzgitter, die Sorgen der Beschäftigten des Salzgitteraner Alstom-Werkes und ihrer Familien um ihre berufliche und finanzielle Zukunft sehr ernst und setzt sich für den Erhalt der Arbeitsplätze und des Standortes in Salzgitter ein.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Der Alstom-Konzern plant anscheinend einschneidende Veränderungen. Frau Weisser-Roelle ging mündlich, aber auch im Antrag darauf ein. Die Folgen eines solchen Sparpaketes wären bezogen auf die Auftragsbearbeitung, die Nachwuchsgewinnung und auch die Abwanderung von Fachkräften aufgrund der unsicheren Zukunft des Standortes gravierend.

Befürchtungen, dass der Standort in Salzgitter den Alstom-Bossen in der Zentrale in Paris zu groß sei, gibt es schon länger. Die Belegschaftszahlen - knapp 2 800 Mitarbeiter in Salzgitter - sind in den französischen Werken deutlich kleiner und eher halb so groß. Die geplante Reduzierung auf 1 400 Mitarbeiter würde genau in diese Richtung gehen.

An der Kundgebung am 9. Februar in Salzgitter - Sie haben sie bereits erwähnt - nahmen bis zu 3 000 Menschen teil und protestierten gegen diese Planungen. Aus dem Landtag haben nur die beiden Fraktionen der SPD und der Linken teilgenommen - Frau Weisser-Roelle, Herr Lies und ich - und die Protestler unterstützt. Der Rat der Stadt hat daraufhin am 23. Februar die Resolution unter Federführung von SPD und Linken - aber einstimmig - beschlossen.

Es ist gut und wichtig, dieses Thema jetzt hier im Landtag zu diskutieren und die Landesregierung zum Handeln aufzufordern, aber auch ein Signal in Richtung Paris zu senden, dass wir als niedersächsische Politik uns für den Standort einsetzen.

Wir begrüßen daher den Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE, der im Grunde auf der Ratsresolution fußt.

Was sind die Forderungen? - Die Konzernspitze hat endlich die konkreten Planungen offenzulegen. Sie soll ernsthafte Gespräche mit den Betriebsräten führen, um eine Lösung zu finden, die den Standort stärkt. Der Standort muss bleiben. Er darf nicht sterben, auch nicht auf Raten.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Er darf nicht dem Diktat der französischen Zentrale zum Opfer fallen. Das muss unser aller Ziel sein. Ich denke, darin sind wir im Landtag uns alle einig.

Ich weiß, dass Sie, Herr Ministerpräsident, Gespräche mit der Konzernspitze und der IG Metall geführt haben und führen. Das begrüße ich ausdrücklich. Die Frage sei aber erlaubt: Warum tun Sie das erst jetzt? Warum sind Sie erst jetzt aktiv geworden? Die Betriebsräte, die auch anwesend sind, warnen seit Längerem vor Bestrebungen, Personal in Salzgitter abzubauen. Die Landesregierung wurde bereits im Dezember durch die IG Metall über solche Planungen informiert. Erst jetzt sprechen Sie mit Konzernchef Kron und der Gewerkschaft. Dass Sie das tun, ist gut, keine Frage. Aber es ist aus unserer Sicht spät, hoffentlich nicht zu spät.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Björn Thümler [CDU]: Es gibt auch noch ei- nen Wirtschaftsminister!)

Ich lasse dabei einmal außen vor, dass mein Landtagskollege Marcus Bosse und ich bereits im Oktober 2009 Herrn Minister Bode über die Gefahr des Stellenabbaus bei Alstom informierten und den Minister zu einem Besuch des Alstom-Werkes einluden. Dass Sie, Herr Minister Bode, dieser Einladung bisher nicht nachgekommen sind, bedauern wir ausdrücklich.

(Beifall bei der SPD)

Man hat manchmal den Eindruck, dass innerhalb des Konzerns ausschließlich Betriebsrat und IG Metall konstruktiv für den Erhalt der Arbeitsplätze und des Standortes kämpfen. Dank dafür an die anwesenden und von uns eingeladenen Betriebsrats- und Gewerkschaftsvertreter.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Eigene Anstrengungen und Zugeständnisse der Mitarbeiter in Höhe von bis zu 50 Millionen Euro in den letzten Jahren sind erfolgt. Es scheint ihnen nicht viel genutzt zu haben. Bis heute gibt es keine klare Aussage zu den Überlegungen zur Zukunft des Standortes, zur Ausbildung, zu Betriebsverlagerungen und zur Personalentwicklung.

Die Konsequenz ist klar: Sie, Herr Ministerpräsident, müssen die Gespräche mit der Konzernspitze und der französischen Regierung fortsetzen und intensivieren. Schnappen Sie sich Frau Merkel - Sie sehen Sie ja gerade öfter bei diversen anderen Anlässen, die Ihnen vielleicht nicht so lieb sind -, fahren Sie mit ihr nach Paris - Herr Bode kann auch Herrn Brüderle mitnehmen -, und führen Sie dort die Gespräche.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Machen Sie beide Herrn Kron klar, dass er sich den Vorschlägen des Betriebsrates öffnen und den Standort in dieser Personalstärke sichern soll. Dabei ist es wichtig, dass der Standort auch strategisch und zukunftsorientiert gestärkt und dass dort investiert wird.

Wir wissen um die Konkurrenzsituation in diesem Segment mit den Mitbewerbern Stadler aus der Schweiz - dort übrigens stark subventioniert -, mit Bombardier in Brandenburg-Berlin oder Siemens in Krefeld-Uerdingen, die in der Vergangenheit ebenfalls von ihren Regierungen massiv unterstützt worden sind. Nicht mehr, aber auch nicht weniger erwarten wir von der Niedersächsischen Landesregierung, nämlich dass sie das auch bei Alstom tut.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Alstom hat bewiesen, dass die Firma im Bahnfahrzeugbau erfolgreich ist. Sie stellt zum Teil über die LNVG die Fahrzeugsysteme für verschiedene Strecken. Im Jahr 2011 stehen wieder drei Netze im Wettbewerb zur Ausschreibung durch die LNVG oder den ZGB: Elektro-Netz Niedersachsen-Ost, Harz-Weser-Netz und die Expresslinien Mittelland/Emsland. - Auch hier ist die Regierung gefragt, wie sie mit der Vergabe neuer Fahrdienstleistungen umgehen will und ob niedersächsische Fahrzeughersteller eine faire Chance für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und des Know-hows bekommen.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Hier ist die Landesregierung in der Pflicht, meine sehr geehrten Damen und Herren. Hier kann sie selber handeln und gestalten. Als Mobilitätsland Nummer eins brauchen wir die Sicherung dieser Kompetenzen in Niedersachsen und nicht allein in Berlin, Hennigsdorf oder Krefeld. Ökologische Industriepolitik in und für Niedersachsen ist jetzt gefordert. Sie sind gefordert, sich für den Erhalt der Arbeitsplätze und des Standortes von Alstom in Salzgitter einzusetzen.

Vielen Dank.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Ronald Schminke [SPD]: Reise nach Paris!)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Hagenah das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Europaweit ziehen der Bedarf und die Produktion von Schienenfahrzeugen deutlich an, weil die Nachfrage steigt. Aber ausgerechnet an einem der größten deutschen Produktionsstandorte steht eine Halbierung der Zahl der Beschäftigten in dem Raum. Da läuft doch etwas gewaltig schief; das kann doch so nicht stimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN und Zu- stimmung von Christel Wegner [frakti- onslos])

Vonseiten der Beschäftigten liegen seit Monaten konstruktive Vorschläge zur Effektivierung der Produktion am Standort auf dem Tisch. Aber die Unternehmensleitung hüllt sich in Schweigen. Selbst auf der europäischen Betriebsratssitzung vor zwei Wochen wurde trotz den Ankündigungen des Vorstandes wieder nur mit allgemeinen Phrasen reagiert und nicht konkret gesagt, was man in Salzgitter machen will.

Wegen dieses Aussitzens und der offenkundigen Investitionsblockade durch die Konzernleitung in Frankreich ist der konstruktive Antrag der Linken, ganz ohne ideologische Zuspitzung, eine sinnvolle Unterstützung der bisherigen Bemühungen der Belegschaft, der Gewerkschaften und der Politik für Erhalt und Sicherung des Standortes.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Wir ha- ben uns auch enorm zurückgehalten!)

- Ja, das haben wir gemerkt.

Als Grüne hätten wir uns den Beschlusstext vielleicht noch konkreter gewünscht,

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Wir ebenfalls!)

z. B. hinsichtlich der überfälligen Investitionen in die Entwicklung und Anwendung besonders energieeffizienter und innovativer Techniken, weil das den Standort zukunftssicher machen würde. Nur wenn sich der Produktionsstandort für Schienenfahrzeuge auf diesen zentralen Feldern wieder eine Technologieführerschaft erarbeitet, wird er gegenüber der Billigkonkurrenz in anderen Ländern dauerhaft erfolgreich sein.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Wir wollten doch ge- rade Brücken bauen!)

Die Voraussetzungen dafür sind wegen des hohen Qualifikationsgrades der Beschäftigten und der guten Einbindung in eine hoch spezialisierte Zulieferindustrie am Standort Salzgitter sehr gut. Wir Grüne sind aber bereit, diese Ergänzungswünsche zugunsten einer sofortigen, einmütigen Abstimmung durch den Landtag zurückzustellen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Denn es ist deutlich geworden, dass die Zeit drängt. Es darf nicht länger hingenommen werden, dass Alstom sich wegen der distanzierten Haltung des Vorstandes gegenüber Salzgitter um wichtige Aufträge wie z. B. den Bau von 50 neuen Stadtbahnwagen in Hannover gar nicht erst allein bewirbt. Da ist doch in der Konzernleitung sozusagen schon der Abbau auf Raten in Arbeit. Offenbar haben einige in der Pariser Chefetage ein Problem damit, dass einer der größten Produktionsstandorte nicht in Frankreich, sondern in Deutschland liegt, und kultivieren deshalb eine geradezu lähmende negative Markteinschätzung.

Mit dem bisherigen großen Engagement der Beschäftigten konnte leider noch keine Kurskorrektur erreicht werden. Deshalb erinnere ich den Landtag an eine gemeinsame Resolution aller Fraktionen im Wirtschaftsausschuss vor einem halben Jahr, als es um die Tarifauseinandersetzung bei den Atlas-Werken ging. Auch CDU und FDP haben damals einem Vorschlag von uns im Wirt

schaftsausschuss einmütig mit allen anderen Fraktionen zugestimmt. Und siehe da: Das hat Wirkung gezeigt. Ich meine, dies war ein kleiner Beitrag dazu, dass es bei den Atlas-Werken anschließend zu einer Einigung gekommen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)