Protocol of the Session on March 17, 2011

Sie sind sich nicht zu schade, Herrn Wulff auch heute noch zu beschädigen und zu sagen: Nein, ich glaube, das kommt bei den Leuten gar nicht so gut an, wenn dieser sagt, diese Religion gehört mittlerweile zur Bundesrepublik Deutschland.

(Editha Lorberg [CDU]: Das kann man so oder so sehen!)

So bauen Sie kein Vertrauen zu den Muslimen in diesem Land auf, sondern so zerstören Sie Vertrauen.

Meine Damen und Herren, ein letzter Gedanke, den ich heute noch anbringen möchte: Wir leben, wie ich finde, in sehr interessanten Zeiten, nämlich in einer großen historischen Zeitwenden, in der viele über die momentanen Demokratisierungsbewegungen im Nahen Osten sehr überrascht sind. Interessanterweise hatte das kein Geheimdienst der Welt auf dem politischen Radar, auf der Agenda. Da findet also eine große Demokratisierungswelle statt.

(Glocke des Präsidenten)

Wir wissen noch nicht, wohin das führt. Das ist richtig. Man weiß noch nicht, wie stabil diese Länder werden. Aber es ist doch ziemlich erstaunlich, was dort stattfindet, und es ist, wie ich finde, mit ziemlich vielen Hoffnungen verbunden. Darüber zu reden, was die Demokratisierung der arabischen und muslimischen Länder eigentlich für unser Land bedeutet, für unser Verhältnis zum Islam, wäre wichtig.

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen!

Stattdessen bedienen Sie hier wieder die alten Plattitüden: Wir müssen den Islamismus stärker bekämpfen. - Es wäre interessant gewesen, in diesem Landtag, in diesem Plenum - mein letzter Satz, Herr Präsident - vielleicht einmal über ein Resettlement-Programm zu reden, wie wir den entsprechenden Leuten aus Libyen helfen können, und nicht stattdessen immer die uralte Leier aufzulegen: Der Islamismus muss bekämpft werden!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Das war aber ein langer letzter Satz. - Meine Damen und Herren, für die FDP-Fraktion erteile ich nun dem Kollegen Oetjen das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen

„ein Verständnis von Deutschland, das Zugehörigkeit nicht auf einen Pass, eine Familiengeschichte oder einen Glauben verengt, sondern breiter angelegt ist. Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlichjüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Goethe hat das vor 200 Jahren im „West-östlichen Divan“ zum Ausdruck gebracht, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Er hat dort gesagt:

„Wer sich selbst und andere kennt, wird auch hier erkennen: Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.“

Das sind die Worte von Christian Wulff zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, dass Christian Wulff die Unterstützung des gesamten Parlaments an dieser Stelle haben sollte.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich würde gern im Zusammenhang vortragen, Herr Kollege. - Wenn wir, verehrte Damen und Herren, Islamismus bekämpfen wollen - und wir wissen aus den Untersuchungen und den Informationen des Verfassungsschutzes - - -

(Unruhe)

Herr Kollege Oetjen, vielleicht warten Sie einen Moment. Die Kollegen, die sich auseinandersetzen

wollen, können das vielleicht in der Lobby machen. Aber hier im Plenarsaal ist es schlecht, das über zehn Bänke hinweg zu machen. - Herr Oetjen, bitte!

Aber, meine Damen und Herren, wir wissen, dass auch in Niedersachsen junge Muslime mit Extremisten, mit Islamisten sympathisieren. Deswegen müssen wir auch deutlich machen, wenn der Islam zu Deutschland gehört, dass wir in einem Dialog mit dem Islam auch kritische Punkte ansprechen müssen. Denn ich bin davon überzeugt, dass man dann, wenn man sich kennt, sich versteht und einig ist, dass man zueinander gehört, auch Punkte ansprechen muss, die kritisch sind und den einen oder anderen verletzten könnten. Auch das gehört dazu.

Deswegen ist es aus meiner Sicht wichtig, dass wir - was wir als CDU und FDP in diesem Antrag formuliert haben - Präventionsstrategien und Präventionspartnerschaften mit den Muslimen installieren, um die Muslime in Deutschland, die hier fest verankert sind und die sich in der sehr weit überwiegenden Anzahl auf dem Boden unseres demokratischen Rechtsstaates bewegen, dafür zu sensibilisieren, dass unter ihnen - zum Teil in den Moscheen - vielleicht auch islamistische oder extremistische Gedanken vorhanden sind.

Wir sollten durch diesen Dialog versuchen, diese Muslime dafür zu sensibilisieren, in ihrer eigenen Gemeinschaft gegen solche extremistischen und islamistischen Gedanken vorzugehen. Wir wissen, dass es zum Teil salafistische Hassprediger u. Ä. in Niedersachsen gegeben haben soll. Von daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das, was wir in diesem Antrag formuliert haben, ein Dialogangebot an die Muslime.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das macht man aber anders!)

Wir wollen deutlich machen, dass wir die Augen vor Extremismus nicht verschließen dürfen. Ich meine, Herr Kollege Bachmann, dass nicht die Lautstärke von Argumenten das ist, was zählt, sondern letztlich das konkrete Handeln zählt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das müsst ihr gerade sagen! Herr Dürr, nicht so klatschen! Das war ein Vor- wurf an Sie!)

Insofern werden CDU und FDP hier weiter handeln.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention hat sich die Kollegin Leuschner von der SPDFraktion gemeldet. Bitte schön!

Herr Kollege Oetjen, es verschließt doch hier im Haus niemand die Augen vor Bedrohung durch islamistische Terroristen! Darin sind wir uns doch einig.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Dann ist es ja gut!)

Aber Sie haben ein Handlungskonzept vorgelegt, in dem aus unserer Sicht viele Sachen ausgeblendet sind. Wir haben im letzten Plenum trefflich über unseren Antrag und den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen debattiert und haben Handlungskonzepte aufgezeigt. Wir haben aufgezeigt, dass die Ausgrenzung von Jugendlichen oder anderen Altersgruppen gesellschaftliche Ursachen hat und dass soziale Probleme dazu führen, dass man bereit ist, sich von Hasspredigern in diesem Bereich ansprechen zu lassen, und dass wir dagegen gesellschaftlich vorgehen müssen. Ich meine, dass die Verabschiedung eines solchen Handlungskonzeptes eine vernünftige Möglichkeit ist, bei der wir gemeinsam handeln können. Ich fordere Sie auf: Stimmen Sie unserem Handlungskonzept zu! Dann sind wir auf einem vernünftigen Weg.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat sich Herr Minister Schünemann zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der islamistische Extremismus und Terrorismus ist wohl zweifelsohne die größte Bedrohung, die wir haben.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Nein, im Mo- ment sind es Kernkraftwerke! - Ge- genruf von der CDU: Das ist ja so was von niveaulos! - Unruhe)

- Ich verstehe das ja; es ist zehn Minuten nach halb sieben, und wir haben einen anstrengenden Tag hinter uns. Ich meine aber, dass wir insbesondere eine solche Diskussion auf den Kern zurückführen sollten und dass man keinen Klamauk machen sollte.

(Victor Perli [LINKE]: Dann fangen Sie mal an damit!)

Das ist vor der Bedrohungslage und vor allen Dingen vor dem, was in Frankfurt passiert ist, nicht angemessen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben insbesondere nach dem 11. September 2001 gerade in Deutschland neue Bekämpfungsformen umgesetzt. Ich bin sehr froh, dass insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Bundeskriminalamt, Landeskriminalämtern und den Sicherheitsbehörden insgesamt verbessert worden ist. Das gemeinsame Terrorabwehrzentrum ist wirklich sehr wichtig und hat hier genau die richtigen Vorzeichen gesetzt. Deshalb bin ich sicher, dass wir gerade aus dem Ausland gesteuerten Extremismus und Terrorismus eher als das beherrschen können, was wir jetzt leider in Frankfurt erleben mussten, was aber auch in anderen, insbesondere europäischen Ländern stattgefunden hat. Ich darf nur an Stockholm erinnern.

Wenn Sie sich den Attentäter genau anschauen, dann werden Sie erkennen, dass er im Familienleben überhaupt nicht auffällig gewesen ist, aber durchaus in der Moscheegemeinde, in der er war, auffällig gewesen ist. Insofern ist es natürlich schon entscheidend, dass wir darüber nachdenken, wie wir die Sensibilisierung erhöhen können und wie wir frühzeitig Hinweise bekommen können. Denn - das muss man auch als Innenminister zugeben - es ist schlichtweg nicht möglich, eine 100-prozentige Sicherheit zu gewährleisten. Vor allen Dingen aber sind Polizei, Staatsschutz und Verfassungsschutz nicht in der Lage, die Einzeltäter, die sich z. B. über das Internet radikalisieren, ausfindig und dingfest zu machen.

Deshalb ist es insbesondere in diesem Zusammenhang eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, erfolgreich Präventionsarbeit zu leisten. Wir machen das im Bereich des Linksextremismus und im Bereich des Rechtsextremismus und in vielen Bereichen sehr erfolgreich. Darüber haben wir auch hier lange diskutiert. Aber im Bereich des islamisti

schen Extremismus und Terrorismus stehen wir leider erst am Anfang. Wir müssen schlicht feststellen - das hat insbesondere die Vergangenheit, auch die jüngste Vergangenheit, gezeigt -, dass es durchaus schwierig ist, Informationen aus den Verbänden und den Moscheegemeinden zu bekommen. Ich bin sehr froh, dass wir es seit vielen Jahren auch auf der Polizeiebene geschafft haben, hier den Dialog zu führen. Das aber reicht nicht aus.

Die Schura in Niedersachsen ist direkt auf den Verfassungsschutz zugegangen und hat gesagt: Wir wollen in dem Zusammenhang unseren Beitrag leisten. Wie können wir das tun? - Ich finde, das ist ein ganz wichtiges Zeichen. Das zeigt, dass die Sicherheitsbehörden, insbesondere der Verfassungsschutz, der Ansprechpartner auch für die Schura und die Moscheegemeinden sind.

Wir brauchen aber wirklich einen ganzheitlichen Ansatz, wie es hier im Antrag dargestellt worden ist. Deshalb haben wir unter der Leitung des Präsidenten des Verfassungsschutzes, Herrn Wargel, eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um mit dem Kultusbereich, dem Sozialbereich, aber auch mit anderen gesellschaftlichen Gruppen gemeinsam eine Konzeption zu erarbeiten.

Ich will Ihnen vier Punkte nennen, die in dieser Arbeitsgruppe erarbeitet werden. Es geht hierbei im Kern darum, Sensibilisierung für die Gefahren des Islamismus vorzunehmen, um Früherkennung von Radikalisierungsprozessen, Immunisierung vor allem junger Muslime gegen extremistische Einflüsse z. B. im Internet und insbesondere um Deradikalisierung. Hierbei geht es darum, bei gefährdeten Personen rechtzeitig zu intervenieren bzw. ausstiegswillige Personen aus extremistischen Strukturen herauszulösen.

Meine Damen und Herren, wir haben auf der kommunalen Ebene ein Netzwerk für den Bereich der Prävention. Wir haben den Landespräventionsrat, wir haben die kommunalen Präventionsräte. Es ist doch richtig, auch hier zu sensibilisieren und gegen den islamistischen Extremismus auch vor Ort Präventionsarbeit zu leisten. Obwohl durch die Polizei und die Sicherheitsbehörden der Dialog mit den Moscheegemeinden geführt wird, hat man in diesen Bereichen oftmals zunächst noch Hemmschwellen. Es ist deshalb richtig, in dem Zusammenhang die Präventionsräte und die Netzwerke zu nutzen, indem man sie bittet, Ansprechpartner zu sein. Deshalb finde ich es durchaus gut, dass Herr Bachmann auf den Fall der Lehrerin hinge