Protocol of the Session on March 17, 2011

(Unruhe)

Dazu erteile ich dem Kollegen Wenzel das Wort, verbunden mit der Bitte, die Gespräche in den Fraktionen zu reduzieren. Wer an dem Thema kein Interesse hat, der soll auch nicht gezwungen sein, weiter im Plenarsaal anwesend zu sein. Ich halte es für wichtig, dass der Redner bei diesem Thema die entsprechende Aufmerksamkeit hat. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verlese die Anfrage: Brunnenvergiftung bei der Förderung von schmutzigem Gas in Niedersachsen - Hat das Landesbergamt oder die Dienst- und Fachaufsicht von Wirtschafts- und Umweltministerium versagt?

Am 26. Juni 2010 wurde die Landesregierung in der Drs. 16/2679 gefragt, welche Unternehmen beim Landesamt für Bergbau, Energie und Geolo

gie eine Genehmigung zur Durchführung von Probebohrungen nach unkonventionellem Erdgas beantragt haben und wo diese Bohrungen stattfinden sollen. Ferner wurde gefragt, wo in Niedersachsen bereits die Durchführung von Probebohrungen nach unkonventionellem Erdgas genehmigt bzw. abgelehnt wurde und ob in Niedersachsen schon Probebohrungen stattgefunden haben. In der Antwort verweist die Landesregierung auf sechs Bohrungen. Mittlerweile ist aber deutlich geworden, dass es in Niedersachsen bereits mindestens 160 Frac-Bohrungen an 90 Orten gab.

ExxonMobil erklärte Ende des letzten Jahres, dass es in Niedersachsen keinen Fall gebe, in dem der Einsatz der Frac-Technologie zu einer Grundwasserbeeinträchtigung geführt habe. Zwischenzeitig ist jedoch bekannt geworden, dass es im Gasfeld Söhlingen eine Verschmutzung des Grundwassers, des Bodens und offenbar auch der Luft mit u. a. Benzol und Quecksilber gegeben hat. Dabei handelt es sich um Lagerstättenwasser aus gefracten Bohrungen. Eine gezielte Analyse auf giftige Frac-Flüssigkeiten ist jedoch unterblieben. Auch in Hengstlage sind Leitungen undicht geworden und haben das Umfeld verseucht. Unklar ist, wie und wo das Lagerstättenwasser entsorgt wird.

Unklar ist auch, wo die giftigen Frac-Flüssigkeiten bleiben, die tonnenweise mit extrem hohen Drücken in den Untergrund gepresst werden. Zudem sind die Abwässer und Schlämme aus der Gasförderung mit radioaktiven Stoffen belastet. Der Westdeutsche Rundfunk berichtete im Jahr 2009 von einer Belastung, die laut einem Papier von Exxon das 700- bis 3 000-Fache der natürlichen Radioaktivität ausmachen kann.

Bis heute bestreitet das Umweltministerium, dass das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie die Fachaufsicht rechtzeitig und vollständig über Sonderbetriebspläne und radioaktive Laugen im Bergwerk Asse informiert hat. Organisatorische Konsequenzen hat die Landesregierung offenbar nicht vollzogen.

Wieder wollen die zuständigen Ministerien nicht gewusst haben, wie hoch die Zahl der FracBohrungen war. Wieder wollen die zuständigen Ministerien nicht gewusst haben, dass es Unfälle mit Grundwasser- und Bodenverunreinigungen gab.

Alle Genehmigungen wurden ohne Beteiligung der Öffentlichkeit vollzogen. Umweltverträglichkeitsprüfungen gab es nicht, weil hier eine bergrechtliche Ausnahmeverordnung gilt. Problematisch scheint

auch die Doppelrolle des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie, das sich als „moderner Dienstleister“ und „Berater“ von Rohstoff- und Energiewirtschaft sieht und zugleich die Funktion der Bergaufsicht wahrnimmt. Minister Bode weist alle Verantwortung von sich und sagt: „Außerdem bin ich ja erst seit anderthalb Jahren Minister.“

Ich frage die Landesregierung:

1. Seit wann hatten Wirtschafts- und Umweltministerium als Dienst- und Fachaufsicht Kenntnis von den Grundwasser- und Bodenbelastungen sowie - ich füge hinzu - den Luftbelastungen im Gasfeld Söhlingen?

2. Wie kam es zur Falschinformation des Landtages in der Drs. 16/2679?

3. Wo werden rücklaufende Frac-Flüssigkeiten, Lagerstättenwässer und radioaktive Abwässer und Schlämme aus der Förderung von konventionellem und schmutzigem Gas abgelagert, beseitigt bzw. entsorgt?

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der LINKEN)

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Bode. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Niedersachsen wird seit über 150 Jahren Erdöl und seit über 50 Jahren Erdgas gefördert. In diesem Zeitraum hat sich dieser Industriezweig zu einem Garanten der heimischen Energieversorgung, zu einem wichtigen Arbeitgeber und nicht zuletzt zu einem verlässlichen Partner entwickelt.

(Beifall bei der CDU)

Dass die Gewinnung dieser Bodenschätze nicht völlig ohne Risiken ist, ist selbstredend. Leckagen an Transportleitungen, die aufgrund von Materialversagen entstehen oder von Dritten verursacht werden, sind hierfür auch ein eindeutiges Indiz. Wichtig ist, dass solche Risiken minimiert werden. Im Fall von solchen Vorkommnissen wie in Söhlingen ist daher nach der ordnungsgemäßen Beseitigung der entstandenen Verunreinigungen eine systematische Analyse der Schäden notwendig,

um eine Wiederholung der Schadensereignisse auszuschließen.

Bei den Ihnen bekannten Vorfällen an Transportleitungen im Erdgasfeld Söhlingen ist all dies bereits weitestgehend passiert. Der Unternehmer hat die Verunreinigungen in Abstimmung mit dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie sowie dem zuständigen Landkreis ordnungsgemäß und unter Beteiligung unabhängiger Sachverständiger beseitigt. Die Schadensursache wurde analysiert und auch ermittelt, was in diesem Fall nicht einfach war. Es wurden letztendlich Maßnahmen getroffen, um eine Wiederholung derartiger Vorfälle auszuschließen.

Es fehlte allerdings eine umfassende Betrachtung, die über die Grenzen des Erdgasfeldes Söhlingen hinausging. Dies hat das zuständige Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie erkannt und abgestellt. Ebenfalls - dies ist zu Recht kritikwürdig - verlief die Kommunikation zu der Schadensursache nicht optimal.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Untersuchungen zu den Vorkommnissen in Söhlingen haben gezeigt, dass die Rohrleitungsschäden in keinerlei Zusammenhang mit der Anwendung der Frac-Technologie stehen. Dies ergibt sich einerseits aus den zeitlichen Abläufen zwischen der Durchführung der Frac-Arbeiten rund elf Jahre vor dem Schadensereignis, dem Zeitpunkt des Einbaus des ungeeigneten Kunststoffrohres und dem tatsächlichen Eintritt des Schadens.

Weiterhin haben Untersuchungen zu vergleichbaren Vorkommnissen im Erdgasfeld Hengstlage ein identisches Schadensbild offenbart, ohne dass dort gefracte Bohrungen vorhanden sind. Hinsichtlich der Auswirkungen der Verunreinigungen wissen wir, dass im Umfeld der Schadensstellen keine Beeinträchtigung von Grundwasserentnahmestellen festgestellt wurde.

Wir wissen letztendlich auch, dass sich im Jahr 2007, also in dem Jahr, in dem der Schaden in Söhlingen festgestellt wurde, in Niedersachsen insgesamt 282 Unfälle beim Umgang mit und bei der Beförderung von wassergefährdenden Stoffen ereignet haben. Besonders hervorheben möchte ich, dass sich im Zuständigkeitsbereich des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie die Zahl der meldepflichtigen Unfälle mit wassergefährdenden Stoffen im Zeitraum von 2000 bis 2009 von 43 auf 4 verringert hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit nunmehr über 60 Jahren wird bei der weltweiten Erdgasgewinnung eine Technologie eingesetzt, deren Risikopotenzial in der jüngsten Zeit Gegenstand von öffentlichen Debatten war. Diese sogenannte Frac-Technologie, bei der künstliche Risse in tiefen Gesteinsschichten erzeugt werden, zielt auf die Erhöhung der Durchlässigkeit von potenziellen Kohlenwasserstofflagerstätten ab. Auslöser für die öffentlichen Debatten sind Berichte aus den USA, in denen Umweltschäden, insbesondere die Verunreinigung von Grundwasser, thematisiert werden.

Auch in Niedersachsen wird diese Technologie, und zwar seit rund 30 Jahren, eingesetzt. Dabei wurden über 90 Bohrungen hydraulisch behandelt oder - anders gesagt - gefract. Im Gegensatz zu den Erfahrungen in den USA mit mehreren Zehntausend gefracten Bohrungen konnte in Niedersachsen bis heute keine Beeinträchtigung des Grundwassers festgestellt werden, die auf die Anwendung dieser Technologie zurückzuführen ist.

Dennoch besteht seitens der Landesregierung ein großes Interesse an den Vorkommnissen in den USA sowie deren Ursache. Aus diesem Grund reisen Vertreter des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie in die USA, um in Gesprächen mit der dortigen Environmental Protection Agency sowie anderen Behörden und Unternehmen den bisherigen Kenntnisstand zu vertiefen. Gegenstand dieser Gespräche sollen auch die Berichte zu brennendem Trinkwasser sein. Die hierzu veröffentlichten Deutungen weisen einerseits auf oberflächennahes, durch natürlichen Zersetzungsprozess, z. B. Torf, entstandenes Erdgas und anderseits auf Undichtigkeiten an den zur Sicherung von Tiefbohrungen im Bohrloch eingebauten Stahlrohren hin.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn an dieser Stelle der Landesregierung eine Falschunterrichtung des Landtages über die in Niedersachsen durchgeführten Bohrungen zur Suche nach unkonventionellen Erdgasvorkommen vorgeworfen wird, so weise ich dies entschieden zurück. Die Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Wenzel von den Grünen in der Drs. 16/2679 vom 16. Juni 2010 enthält u. a. die Frage nach den Unternehmen, die beim Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie eine Genehmigung zur Durchführung von Probebohrungen nach unkonventionellem Erdgas beantragt haben, und wo diese Bohrungen stattfinden sollen. Gegenstand dieser Anfrage war also nicht die Anwendung der Frac

Technologie in Niedersachsen; denn nicht jede Bohrung im unkonventionellen Erdgas muss gefract werden. Weiterhin ist der Begriff der Probebohrung, für den es auch keine Legaldefinition gibt, nicht näher erläutert. Daher hat die Landesregierung in ihrer Antwort den in der deutschen Klassifikation von Erdöl- und Erdgasbohrungen definierten Begriff der Aufschlussbohrungen verwendet und zutreffend die zum damaligen Zeitpunkt bekannten sechs Aufschlussbohrungen benannt. Dies wurde auch in den zugehörigen Vorbemerkungen entsprechend erläutert.

Die in der Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Stefan Wenzel und Elke Twesten von den Grünen in der Drs. 16/3225 vom 12. Januar 2011 von der Landesregierung benannten über 160 hydraulischen Behandlungen an rund 90 Bohrungen erfassen dahingegen andere Bohrungsklassen in anderen Lagerstättentypen und die Anwendung der FracTechnologie. Lassen Sie mich an dieser Stelle gleich anmerken, dass eine vergleichbare Interpretation der Fragestellung durch die Landesregierung auch bei der hier und heute behandelten Dringlichen Anfrage erforderlich war, da der verwendete Begriff des „schmutzigen Gases“ der Landesregierung nicht bekannt ist. Daher benennt die Landesregierung in ihrer Antwort auf die Dringliche Anfrage den Verbleib der in der niedersächsischen Erdgasförderindustrie anfallenden Flüssigkeiten, Wässer und Rückstände.

Zu Ihren drei Fragen:

Zu 1: Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt und Klimaschutz und das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr haben Anfang 2011 Kenntnis über die Grundwasser- und Bodenbelastungen im Erdgasfeld Söhlingen erhalten.

Zu 2: Die Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Wenzel von den Grünen in der Drs. 16/2679 vom 16. Juni 2010 wurde auf der Grundlage der zur Beantwortung erforderlichen Interpretation der Fragestellung sowie der zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Informationen wahrheitsgemäß beantwortet. Eine Falschunterrichtung des Landtages liegt nicht vor.

Zu 3: Die geförderten Frac-Flüssigkeiten und Lagerstättenwässer werden in Einpress- oder Versenkbohrungen verbracht. Abwässer, die der Strahlenschutzverordnung unterliegen und somit einer Überwachung hinsichtlich der Radioaktivität

bedürfen, kommen in der Erdöl- und Erdgasindustrie in Niedersachsen nicht vor.

Die Entsorgung von radioaktiven Rückständen - also keine Abwässer, sondern Feststoffe oder Schlämme - aus der Gewinnung und Aufbereitung von Erdöl und Erdgas erfolgt nach entsprechender Zulassung bergrechtlicher Betriebspläne. Soweit es sich um entlassungsfähige Rückstände handelt, ist zusätzlich eine Entlassungsverfügung des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie gemäß § 98 Abs. 1 Strahlenschutzverordnung erforderlich. Diese Abfälle werden aufgrund der geringeren Belastung aus der Strahlenschutzüberwachung entlassen, sind damit rein rechtlich keine radioaktiven Abfälle mehr und werden an die genannten Entsorger übergeben.

Die Rückstände werden durch die im Folgenden aufgeführten Unternehmen entsorgt.

Im Land Hamburg: Abfall-Verwertungs-Gesellschaft mbH (AVG), Borsigstraße 2, 22113 Hamburg.

(Unruhe)

Herr Minister, ich darf kurz unterbrechen. Ich möchte insbesondere die CDU-Fraktion bitten, die Gespräche zu reduzieren oder möglichst einzustellen. Dort ist es erheblich unruhiger als in den anderen Fraktionen. - Herr Minister, bitte!

In Hessen: HIM GmbH, Waldstraße, 64584 Biebesheim.

In Nordrhein-Westfalen: Siempelkamp Nukleartechnik GmbH, Siempelkampstraße 45, 47803 Krefeld.

In Nordrhein-Westfalen: Remondis/TRV Wesseling, TRV Thermische Rückstandsverwertung GmbH & Co. KG, Rodenkirchener Straße, 50389 Wesseling.

In Sachsen: GMR Gesellschaft für Metallrecycling mbH, Naumburger Straße, 04229 Leipzig.

In Sachsen: Industrieabfalldeponie Wetro, P-D Industries GmbH, Wetro-Siedlung 13 - 22, 02699 Puschwitz.

In Sachsen-Anhalt: Kali und Salz Beteiligungs AG, Untertagedeponie (UTD) Zielitz, Farsleber Straße 1, 39326 Zielitz.

In Schleswig-Holstein: Gesellschaft zur Beseitigung von Sonderabfällen, Holstenbrücke 8 - 10, 24103 Kiel.

(Zuruf von der SPD: Das ist lächerlich, Herr Bode!)