Die Zahl der Mord- und Totschlagsdelikte hat deutlich abgenommen. Im letzten Jahr kam es in 53 Fällen zur Vollendung der Tat; der geringste Wert der letzten zehn Jahre. Die Aufklärungsquote liegt hier bei 97 %.
Ich will die Aufklärungsquote erhöhen. - Herr Kollege Herzog, telefonieren sollten Sie hier im Plenarsaal nicht. - Danke schön.
Erfreulich ist auch der Rückgang der Straftaten im öffentlichen Raum. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Delikte das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung maßgeblich beeinflussen. Mit etwa 130 000 Fällen im Jahr 2010 liegt dieser Wert deutlich unter dem des Jahres 2002 mit etwa 200 000 Fällen. Hier sieht die Landesregierung einen direkten Zusammenhang mit der Präsenzerhöhung der Polizei an ihr bekannten Brennpunkten, gepaart mit gezielten polizeilichen Kontrollmaßnahmen und Präventionsstreifen.
Die im letzten Jahr auch in Niedersachsen gestiegenen Fallzahlen im Bereich der Wohnungseinbrüche beobachtet die Landesregierung genauso intensiv wie die hierzu getroffenen Schwerpunktsetzungen und spezifischen Bekämpfungsstrategien. Sie begrüßt ausdrücklich, dass die niedersächsische Polizei die Prävention von Wohnungseinbrüchen in den kommenden Jahren als einen ihrer Handlungsschwerpunkte definiert hat.
Die Informationstechnologie stellt eine neue Herausforderung für die Polizei dar. So müssen wir neue Kriminalitätsentwicklungen wie Phishing im Zusammenhang mit dem Online-Banking oder das Skimming an Geldausgabeautomaten vermehrt zur Kenntnis nehmen.
Auch die Straftaten im Zusammenhang mit dem Internet haben an Bedeutung zugenommen. Insbesondere die Einrichtung der Zentralstelle Internetkriminalität im Landeskriminalamt mit aktuell 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verdeutlicht den Willen der Landesregierung, die erforderlichen Weichenstellungen für dieses auch in Zukunft wichtige Kriminalitätsfeld in Niedersachsen vorzunehmen.
Die Landesregierung misst der Prävention und Bekämpfung der Jugendkriminalität insgesamt eine herausragende Bedeutung zu. Hier sind seit der Regierungsübernahme 2003 bedeutsame substantielle Weichenstellungen vorgenommen und maßgeschneiderte Modelle entwickelt worden: Spezialisierung in der Jugendsachbearbeitung in speziellen Fachkommissariaten und Arbeitsfeldern der Dienststellen, Schaffung von Konzepten und Maßnahmen für die Zielgruppe minderjähriger Tatverdächtiger wie z. B. die Bündelung und individuelle
Bearbeitung bestimmter Delikte nach dem Wohnortprinzip, Nutzung spezieller Erkenntnisse über die Jugenddelinquenz wie z. B. den übermäßigen Alkoholkonsum von Minderjährigen als Gewaltkatalysator als Grundlage für gezielte Programme. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Alkoholkontrollen und auch an die Testkäufe.
Der Rückgang der gesamten Fallzahlen der Minderjährigen von 2009 auf 2010 fällt deutlich höher aus als der Bevölkerungsrückgang derselben Altersgruppe. Dies ist ein Erfolg der vielen ressortübergreifenden Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verhütung und der Bekämpfung der Jugenddelinquenz.
So beispielsweise das Landesrahmenkonzept „Minderjährige Schwellen- und Intensivtäter“, das zum 1. August 2009 in Niedersachsen landesweit eingeführt wurde. Im Jahr 2009 wurden erstmals 116 minderjährige Intensivtäter in Niedersachsen registriert. Im Jahr 2010 verringerte sich die Anzahl auf 91 minderjährige Intensivtäter. Die Landesregierung führt diesen Rückgang der Intensivtäter in erster Linie darauf zurück, dass die Maßnahmen in diesem Konzept wie z. B. regelmäßige Gefährderansprachen durch die Polizei und Fallkonferenzen aller beteiligten Akteure greifen.
Das bewusste exzessive Rauschtrinken von Kindern und Jugendlichen ist weiterhin erschreckend. Neben den unbestrittenen gesundheitlichen Risiken beinhaltet dieses Verhalten als Gewaltkatalysator eine besondere Bedeutung. Die Landesregierung sieht mit Blick auf die Zahlen der minderjährigen Tatverdächtigen unter Alkoholeinfluss in der PKS 2010 einen positiven Trend, aber leider noch keinen Grund zur Entwarnung:
Gerade in der Altersgruppe der minderjährigen Tatverdächtigen kommt einer punktgenauen individuellen Ausrichtung der Maßnahmen eine große Bedeutung zu. Festgestellte Straftaten erfordern selbstverständlich auch ein konsequentes und schnelles Reagieren. Durch eine zeitnahe staatliche Reaktion werden Konsequenzen und Grenzen aufgezeigt.
Zu Frage 2: Die Verkehrsdaten, die bei der Telekommunikation anfallen, werden zur Kriminalitätsbekämpfung dringend benötigt. In Zeiten, in denen sich die moderne Kommunikationstechnologie rasant fortentwickelt und alle Lebensbereiche durchdringt, bieten Telekommunikationsverkehrsdaten wichtige und nicht selten auch die einzigen Ermittlungsansätze für die Sicherheitsbehörden.
Dies gilt für die stark zunehmende Internetkriminalität. Lassen Sie mich in dem Zusammenhang nur das Stichwort Kinderpornografie nennen, aber auch, was ich schon angeführt habe, Phishing oder Fälle von Computersabotage. Das sind leider Kriminalitätsfelder, die zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Dem islamistischen Terrorismus dient das Internet als Rekrutierungs-, Fortbildungs- und Propagandaplattform. Erst durch die modernen Kommunikationsmittel und -wege werden die Täter in die Lage versetzt, international vernetzt zu operieren. Mit Hilfe von Telekommunikationsdaten können kriminelle Netzwerke erkannt, Kontakte zwischen Akteuren nachgewiesen oder räumliche Zuordnungen getroffen werden. Die Inhaber von dynamischen IP-Adressen im Internet lassen sich nur unter Rückgriff auf Verkehrsdaten feststellen.
Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 steht den Sicherheitsbehörden nur noch ein Teil der Telekommunikationsverkehrsdaten zur Verfügung, und dies meist auch nur für einen sehr kurzen Zeitraum.
Dass sich hier erhebliche Schutzlücken ergeben, zeigt sich mittlerweile ganz deutlich. Das Landeskriminalamt Niedersachsen hat seit dem 1. Juli 2010 diejenigen Fälle statistisch erhoben, in denen ein Rückgriff auf die nach den für nichtig erklärten Vorschriften zu speichernden Daten erforderlich gewesen wäre, aber nicht durchgeführt werden konnte.
Danach konnten bis Februar 2011 insgesamt 567 Straftaten nicht aufgeklärt werden. In 85 Fällen war die Aufklärung nur unvollständig und in 68 Fällen nur mit zeitlicher Verzögerung bzw. wesentlich erschwert möglich. Hier bilden die genutzten IP-Adressen häufig den einzigen Ermittlungsansatz. In vielen Fällen fehlten jedoch die für eine Zuordnung der IP-Adressen zu den Anschlussinhabern erforderlichen Verkehrsdaten.
Die entstandenen Schutzlücken können nur durch eine Neuregelung der Mindestspeicherfristen geschlossen werden. Sie ist im Übrigen auch europarechtlich geboten, weil die Bundesrepublik weiterhin verpflichtet ist, die Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie der Europäischen Union umzusetzen.
Dass eine verfassungskonforme Regelung möglich ist, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 2. März 2010 ausdrücklich erklärt, und es hat Maßstäbe aufgestellt, die bei der Neuregelung zugrunde gelegt werden können. Ich bin mitt
lerweile etwas optimistischer, da die Bundeskanzlerin anlässlich der 60-Jahr-Feier der Bundespolizei eine Lösung angemahnt hat und sie sich darum selbst kümmern wird. Es ist wirklich überfällig, dass wir hierbei eine Lösung bekommen.
Zu Frage 3: Die Umorganisation der Polizei im Jahr 2004 ist nachweislich ein Erfolg. Dies ist auch nicht verwunderlich, weil wir ausdrücklich auf den Erfahrungsschatz der Beamtinnen und Beamten der niedersächsischen Polizei zurückgegriffen haben. In einer Arbeitsgruppe unter der Führung von Herrn Kolmey sind nicht nur gute Vorschläge gemacht worden; sie sind auch sehr beherzt umgesetzt worden. Dafür noch einmal ein herzliches Dankeschön gerade für die Dinge, die dann auch umgesetzt worden sind.
Die Kriminalitätsbekämpfung als Aufgabenschwerpunkt der Polizei ist deutlich gestärkt und organisatorisch hervorgehoben worden. Die Zusammenführung der Verantwortlichkeit für die Kriminalitätsbekämpfung an einem Ort gewährleistet einheitliche Qualitätsstandards, kurzfristige Reaktionsmöglichkeiten sowie eine ganzheitliche Aufgabenwahrnehmung. Schnittstellen wurden beseitigt, Aufgabenbereiche im Sinne eines integrativen Ansatzes gebündelt. Die Voraussetzungen für eine qualifizierte Tatortaufnahme rund um die Uhr wurden verbessert, mehr kriminaltechnische Kompetenz auf die Fläche verteilt. Spezialisierte Fahndungs- und Verfügungseinheiten unterstützen die Durchführung operativer Maßnahmen u. a. der Kriminalitätsbekämpfung.
Damit die Polizei auch im Bereich der technischen Ausstattung zukunftsorientiert aufgestellt ist, wurden durch eine Arbeitsgruppe im Jahr 2008 ein strategisches Konzept und ein umsetzungsfähiger Stufenplan zur Optimierung der Ausstattung entwickelt. Im Rahmen dieser „Innovationsoffensive Polizei 2015“ wurden unter Inanspruchnahme des Konjunkturpaketes II im Jahr 2009 zusätzlich 15 Millionen Euro in insbesondere der Kriminalitätsbekämpfung dienende Ausstattungen investiert.
Dazu gehören die Verjüngung des Fuhrparks, die Ausstattung mit Fingerabdruckscannern, die Einführung von sogenannten Sphäronkameras, die IT-Ausstattung für die Polizeibehörden einschließlich der besonderen Bedarfe der spezialisierten Datenverarbeitungsgruppen.
Weitere Maßnahmen waren und sind u. a. Einführung einer Software zur spezialisierten Verbrechensbekämpfung und die Entwicklung einer elektronischen Kriminalakte und einer elektronischen Unfalltypensteckkarte.
In Kombination mit NIVADIS stehen uns am Ende durch diese Gesamtarchitektur sämtliche Daten, die wir für die operative und strategische Steuerung der Polizei benötigen, auswertbar zur Verfügung.
In Niedersachsen wurde entgegen den bundesweit festzustellenden Trends die Polizei in den letzten Jahren personell erheblich verstärkt. Derzeit sind so viele Stellen für Polizisten vorhanden wie nie zuvor in der über 60-jährigen Geschichte des Landes. Aktuell sind über 18 000 ausgebildete Polizisten im Dienst, weitere 1 500 befinden sich in der Ausbildung und sichern so die Zukunft der Organisation.
Gegenüber dem Jahr 1998 stehen der Polizei über 1 000 Stellen mehr zur Verfügung, während bundesweit im gleichen Zeitraum knapp 9 000 Stellen abgebaut wurden. Einzelne Länder haben im gleichen Zeitraum ihren Stellenbestand um deutlich über 10 % reduziert.
Niedersachsen hat als eines von wenigen Bundesländern die sogenannte zweigeteilte Polizeilaufbahn umgesetzt. Von den rund 260 000 Polizeistellen beim Bund und bei den Ländern sind derzeit rund 30 % Stellen des sogenannten mittleren Dienstes, den es in Niedersachsen seit 2006 nicht mehr gibt. Niedersachsens Beamte werden nach dem Studium sofort Kommissare und damit nach A 9 besoldet.
Präsenz und Bürgernähe werden auch durch ein neues Planstellenverteilungsmodell gewährleistet, das die Verteilung der Planstellen nicht mehr organisationsbezogen, sondern weit überwiegend belastungsbezogen vorsieht.
Wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche, moderne und strategisch ausgerichtete Polizei sind gut aus- und fortgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Auf Grundlage der Bologna-Prozesse hat das Land Niedersachsen auch die Aus- und Fortbildung im öffentlichen Dienst neu organisiert. Die Polizeiakademie ist akkreditiert. Sie ist ein Erfolgsmodell. Die ersten haben bereits den Bache
Auch bei der Besoldungsstruktur und im Hinblick auf Beförderungen und somit Karrierechancen wurde viel Positives bewirkt. So sind allein von 2007 bis 2011 insgesamt mehr als 4 500 Beförderungen im Polizeivollzugsdienst erfolgt, davon rund 2 100 aufgrund von Stellenhebungen. Allein in diesem Jahr können über 570 Beförderungen ausgesprochen werden, davon 390 aufgrund des vom Landtag beschlossenen Hebungsprogramms.
Mit der Umsetzung des Dienstpostenkonzeptes für die Besoldungsgruppe A 11 wird ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einer verbesserten Gesamtstruktur innerhalb der Polizei Niedersachsen, in der sich Leistung, Qualität und Verantwortung lohnen, unternommen.
Die Auswirkungen des demografischen Wandels erreichen in den nächsten Jahren auch die Polizei des Landes Niedersachsen, und das nachhaltig. Demnach ist die Nachwuchsgewinnung ein wesentliches Zukunftsthema für das „Unternehmen Polizei“, denn die Polizei in Niedersachsen benötigt auch in Zukunft in ausreichender Zahl junge und motivierte Menschen für den Polizeiberuf.
Die Polizei in Niedersachsen richtet vor diesem Hintergrund ihren Blick auf besondere Zielgruppen, wie etwa Personen mit Migrationshintergrund oder Realschüler. Im Jahr 2010 konnten aus insgesamt 5 642 Bewerbungen, davon 15 % von Bewerberinnen und Bewerbern mit Migrationshintergrund, ca. 450 Neueinstellungen erfolgen, davon fast 12 % mit Migrationshintergrund. Das ist wirklich vorbildlich in der öffentlichen Verwaltung, nicht nur in Niedersachsen, sondern auch darüber hinaus.
Meine Damen und Herren, für das Jahr 2011 liegt mit mehr als 6 000 eine beachtliche Zahl von Bewerbungen vor, sodass auch in diesem Jahr mit einer erfolgreichen Nachwuchsgewinnung zu rechnen ist.
Zusammengefasst ist die Polizei Niedersachsen in ihrer strategischen Ausrichtung zukunftssicher aufgestellt, wird als Organisation von motivierten Beschäftigten getragen und von einer innovativen, modernen Technik sowie einem wertschätzenden Personalmanagement begleitet. Alle strukturellen Veränderungen haben gegriffen und die Polizei zu
einer erfolgreichen Aufgabenwahrnehmung geführt, die Niedersachsen zu einem der sichersten Bundesländer macht.
Darüber bin ich sehr froh. Ich freue mich, dass auch das Parlament die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, indem es die Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt hat.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Die Motivation der Polizei ist gegeben, auch wenn man häufig etwas anderes liest. Ansonsten wäre eine solche Leistung schlichtweg nicht machbar. Ich bin sehr dankbar dafür.
Herzlichen Dank, Herr Minister. - Uns liegen inzwischen 15 Wortmeldungen zu Zusatzfragen vor. Die erste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Jahns von der CDU-Fraktion.