Protocol of the Session on March 16, 2011

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es wird dabei auch - wenn auch nicht allein - um einen beschleunigten Netzausbau gehen. Darüber hinaus müssen wir beim Ausbau der erneuerbaren Energien viel stärker auf die Verfügbarkeit achten. Derzeit haben wir in Deutschland etwa 17 % bis 18 % erneuerbare Energien im Netz.

Herr Kollege Wenzel, wir als Umweltpolitiker haben hier im Landtag gemeinsam viele energiepolitische Debatten geführt. Ich sage - und ich habe das damals mehrfach betont -: Im Nachhinein wäre es vielleicht besser gewesen, beim Ausbau der erneuerbaren Energien, was die Strommenge betrifft, ein bisschen langsamer zu sein, aber dann 11 %, 12 % oder 13 % im Netz zu haben, die wirklich verfügbar sind.

Ich stelle mich hier heute nicht hin und sage: Das, was Sie gemacht haben, war falsch.

(Zuruf von der SPD: Das wäre ja noch schöner! - Detlef Tanke [SPD]: Sie können ja sagen: Das war richtig!)

Ich sage auch nicht: Das, was ich gesagt habe, hat sich im Nachhinein als richtig herausgestellt. - Das bringt uns in der Debatte über die erneuerbaren Energien keinen Schritt weiter, meine Damen und Herren. Wir wollen die Erneuerbaren, aber sie müssen sicher und verlässlich sein, sonst sind sie in Wahrheit leider keine Alternative. Das muss gesagt werden, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Christian Meyer [GRÜNE]: Im Kampf gegen die Erneuerbaren! - Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Die Ereignisse in Japan zeigen uns auch, dass sich ein grundsätzlicheres Nachdenken über Sicherheit nicht auf Kernkraftwerke beschränken darf. Wir müssen in zweierlei Hinsicht weiterdenken: Zum einen müssen wir die Debatte von der deutschen auf die europäische Ebene heben.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Und auf die lange Bank, oder was? - Ursu- la Helmhold [GRÜNE]: Sankt-Nimmer- leins-Tag)

Es nützt wenig, wenn die Deutschen kurzfristig aus der Kernkraft aussteigen, wenn in Frankreich, Schweden oder Finnland gleichzeitig neue Reaktoren gebaut werden.

(Detlef Tanke [SPD]: Das heißt: Lauf- zeitverlängerung! - Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Wenn wir ehrlich sind, müssen wir feststellen: Damit wäre nichts mit Blick auf die Sicherheit gewonnen. Wir brauchen deshalb schnell eine noch stärkere Kooperation zur Sicherheit der Kernkraftwerke auf Ebene der IAEO und der Europäischen Union, als dies im Moment der Fall ist.

Die Ankündigung der EU-Kommission und insbesondere des deutschen Energiekommissars, Günther Oettinger, alle Kernkraftwerke in Europa einem sogenannten Stresstest zu unterziehen, gehen dabei in genau die richtige Richtung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Deutschland hat einen Ausstiegsbeschluss aus der Kernenergie, und das ist politisch absolut richtig; das will ich unterstreichen. Aber wir tun gut daran, damit auf europäischer Ebene nicht als Besserwisser aufzutreten. Die Europäische Union ist der richtige Partner und der richtige Rahmen. Wir sollten schnell mit unseren europäischen Freunden ins Gespräch darüber kommen, wie wir künftig die neue Risikobewertung gemeinsam umsetzen können.

Gerade für Deutschland war Europa immer von besonderer Bedeutung. EURATOM war eine der zuerst gegründeten Institutionen eines vereinten Europas. Jetzt ist es Zeit, dass Europa wieder zu seinen Wurzeln zurückkehrt. Ich betone daher ausdrücklich: Europäische und internationale Kooperation für mehr Sicherheit bei der Kernkraft ist jetzt das Gebot der Stunde; denn nukleare Risiken machen an Grenzen nicht halt. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zum anderen müssen wir aber auch grundsätzlicher über Sicherheit nachdenken. Wir erleben derzeit das große Konfliktpotenzial zwischen unseren hoch technologisierten Industriegesellschaften und dem Umstand, dass wir trotzdem auf einem Planeten leben, auf dem es unberechenbare und zufällige Naturereignisse geben kann.

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Das ist ja ganz neu!)

Wir wollen mit diesem Sicherheitskonflikt zwischen der von Menschen geschaffenen Zivilisation und nicht beeinflussbaren Naturkatastrophen vernünftig umgehen. Die hier vorgebrachten Argumente gelten natürlich nicht nur für Kernkraftwerke, sondern beispielsweise auch für Raffinerien - wie wir in Japan schmerzlich erlebt haben - oder etwa für Anlagen der chemischen Industrie. Ich erinnere nur an den Unfall in Ungarn, bei dem am Ende 1 Million m3 ätzendes Bauxit in die Flüsse und die Gewässer geschwemmt wurden.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das ver- gleichen Sie miteinander?)

Dieses Beispiel macht deutlich, dass die Sicherheitsdebatte, wenn sie seriös geführt werden soll, grundsätzlicher und breiter geführt werden muss. Wenn wir uns für eine neue, umfassendere Risikobewertung als bisher entscheiden, dann müssen wir das ehrlich tun. Wir müssen es konsequent tun und, meine Damen und Herren - ich betone das -, wir müssen das vor allen Dingen ideologiefrei tun.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Detlef Tanke [SPD]: Die Gelegenheit haben Sie nicht genutzt!)

Ich fand, Herr Kollege Wenzel, Ihre Bemerkung vorhin, dass es sich um Wahlkampf-Abschaltung handelt,

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: So ist das!)

mehr als peinlich; das will ich ganz deutlich sagen,

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Lachen bei den GRÜNEN)

verbunden mit dem Hinweis, dass in Niedersachsen und Bayern zurzeit überhaupt kein Wahlkampf herrscht.

(Unruhe - Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Ich will das hier noch einmal betonen, meine Damen und Herren: Wir stehen hier alle gemeinsam in der Verantwortung. Sozialdemokraten haben die friedliche Nutzung der Kernenergie in Deutschland entscheidend mit vorangetrieben.

(Zuruf von der SPD: Und den Aus- stieg!)

Rot-Grün hat in den sieben Jahren seiner Regierungsverantwortung einen Ausstiegsbeschluss gefasst,

(Zustimmung von Johanne Modder [SPD])

aber trotzdem nicht plötzlich alle Kernkraftwerke abgeschaltet. Schwarz-Gelb hat die Laufzeiten verlängert und gleichzeitig die Sicherheitsanforderungen erhöht.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Kurz, meine Damen und Herren: Die Antworten, die wir finden müssen, müssen wir jetzt gemeinsam finden. Die kommenden drei Monate im politischen Streit einfach nur zu verschenken, wie Sie es machen wollen, wäre mehr als töricht. Das findet ausdrücklich nicht unsere Zustimmung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich will nur darauf hinweisen: Die besseren Argumente hat meistens nicht der - weder Redner noch Zwischenrufer -, der am lautesten ist. Das Problem ist auch, dass dann weder der eine noch der andere zu verstehen ist.

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Flauger von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte findet für uns alle unter Umständen statt, unter denen sich ein banales Fortführen der üblichen Rituale eines simplen Schlagabtauschs zwischen Landesregierung und Opposition verbietet.

Diese Debatte ist für mich eine der schwierigsten, seit ich in diesem Landtag bin, weil die Diskussion gleichzeitig sehr alt und auch sehr neu ist, weil wir einen Informationsüberfluss, aber auch Informationsmängel haben. Hier sind fundamentale ethische Fragen berührt. Ich denke, wir alle stehen auch emotional unter dem Eindruck der Bilder und Berichte aus Japan.

Meine Damen und Herren, ich möchte daher einleitend feststellen: Ich empfinde Trauer und Schmerz, wenn ich an die vielen Tausend Opfer des Erdbebens und des Tsunamis denke. Mein Mitgefühl und das meiner ganzen Fraktion gilt den Angehörigen

und Überlebenden. Ich empfinde Trauer und Schmerz, wenn ich an diejenigen denke, die bereits Strahlung ausgesetzt waren oder die in diesem Moment, in dem wir hier sprechen, Angst davor haben, Strahlung ausgesetzt zu werden. Millionen geht es derzeit so.

Ich empfinde aber auch Wut, Wut auf eine Betreibergesellschaft, die seit Jahren durch Pannen, Vertuschen und Versagen bekanntgeworden ist, die jetzt nur häppchenweise Informationen herausgibt und die die Öffentlichkeit in Japan und in der Welt im Unklaren über das wahre Ausmaß der Katastrophe im Atomkraftwerk Fukushima lässt.

Ich empfinde auch Wut auf diejenigen, die jetzt so tun, als hätte vor dem 12. März niemand solche Szenarien beschrieben. Ich sage hier deutlich: Für mich war der Begriff des Restrisikos immer eine Verharmlosung eines möglichen Nuklearunfalls mit dann apokalyptischen Konsequenzen. Nach Fukushima verbietet sich der Gebrauch dieses Wortes endgültig.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Noch etwas möchte ich feststellen: Diejenigen, die vor den Risiken der Atomenergie gewarnt haben, haben nicht auf einen Ernstfall als politische Gelegenheit gewartet, sondern wir haben gehofft, dass wir nach Tschernobyl niemals wieder einen GAU erleben müssten.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deshalb ist es, vorsichtig ausgedrückt, unlauter, den Gegnern der Atomenergie nun eine Instrumentalisierung der Katastrophe oder mangelnden Respekt den Opfern gegenüber vorzuwerfen.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)