Protocol of the Session on March 15, 2011

Es gab Diskussionen darüber, was wir mit dem Antrag bewirken wollten und warum er diese Form hat.

(Jens Nacke [CDU]: Herr Lies, Sie dürfen schon sprechen? Es ist doch noch gar nicht nach 8 Uhr!)

- Herr Nacke!

Ich glaube, unser Angebot an die Fraktionen der CDU und der FDP ist deutlich geworden, einen Weg zu finden, der sehr schnell greift und deutlich macht, dass wir eine Lösung finden müssen, weil wir am 1. Mai ein großes Problem haben werden, nämlich dass wir die Arbeitnehmerfreizügigkeit haben werden, aber keine Regelungen dafür.

Deswegen ging es uns darum, einen schnellen, kurzen Schritt zu machen, bei dem alle mitgehen können. Deswegen ist unser Antrag in zwei Ebenen aufgeteilt.

Zum Ersten: Wir wollen den tariflichen Mindestlohn so behandelt wissen, dass er für alle in der Leiharbeit gilt. Der zweite Schritt ist ein ganz entscheidender - ich glaube, daran ist es bei Ihnen gescheitert -: Wir brauchen einen flächendeckenden branchenunabhängigen tariflichen Mindestlohn für alle Beschäftigten in Deutschland.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Mit Entsetzen, meine Damen und Herren, erinnere ich mich an die letzte Debatte, die wir hier geführt haben. Es war wirklich erschreckend, was an Argumenten gebracht wurde. Dies zeigt, dass das Thema „Gute Arbeit“ mit einem solchen Antrag nicht abschließend beraten werden kann. Aber eine Lösung muss gefunden werden.

Inzwischen haben wir ein Ergebnis des Vermittlungsausschusses. Ich möchte die drei Punkte deutlich machen, die dort im Sinne der Arbeit herausgekommen sind. Sie sind aber nicht deshalb herausgekommen, weil CDU und FDP begriffen haben, dass wir etwas tun müssen, sondern sie sind deshalb herausgekommen, weil die Sozialdemokraten im Vermittlungsausschuss mit sehr viel Nachdruck bereit waren, im Sinne einer vernünftigen Lösung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Weg zu finden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Heinz Rolfes [CDU]: Na- türlich! Ihr wart die Guten! Das ist wahr! - Weitere Zurufe)

- Ich möchte das betonen. Das war nicht Ihr Erfolg.

(Jens Nacke [CDU]: Ich finde es nicht schlimm, dass Sie das sagen, son- dern ich finde es schlimm, dass Sie das glauben!)

Für die Leiharbeit sind Mindestlöhne herausgekommen, und zwar tarifliche Mindestlöhne. Das ist keine Ebene und keine Grenze, die wir uns gewünscht haben. Aber immerhin haben wir es geschafft, dass der tarifliche Mindestlohn bei 7,50 Euro greift, und können wir das Schlimmste verhindern im Sinne von Beschäftigung, die für 2, 3 oder 4 Euro von außen kommt.

Dies gilt nicht nur für 1 Million Beschäftigte in der Leiharbeit. Dies gilt auch in der verleihfreien Arbeit. Ich glaube, dass wir zumindest ein bisschen dazu leisten können, dass extremes Lohndumping im Bereich der Zeit- und Leiharbeit verhindert wird.

Der zweite Teil: Der Mindestlohn in der Aus- und Weiterbildungsbranche betrifft 22 000 Menschen und auch dort eine tarifliche Vereinbarung, die von ver.di und der GEW gemeinsam mit dem Bundesverband getroffen wurde. Ganz entscheidend - das war eine Forderung der Beschäftigten und der Verbände selbst - ist der Mindestlohn für die Sicherheitsdienstleistungen, den wir gefunden haben.

Meine Damen und Herren, ich möchte sagen: Das greift noch zu kurz. Denn das rettet und schützt die Menschen nicht, die noch immer in Sorge um ihre Beschäftigung sind. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen, nämlich das Beispiel der Pflege, das das wohl sehr deutlich macht. Dort werden die Beschäftigten nicht nach dem tariflichen Mindestlohn der Pflege bezahlt, den wir gemeinsam vereinbart hatten, sondern dort werden die Beschäftigten aus dem Bereich der Pflege in den Bereich der Dienstleistungen gedrängt, für die es keinen Mindestlohn gibt. Da für diese Beschäftigten kein Mindestlohn greift, werden wir wieder damit leben müssen, dass Menschen hier in Deutschland für geringste Entlohnung arbeiten. Meine Damen und Herren, das müssen wir verhindern!

(Beifall bei der SPD)

Deswegen der zweite Teil des Antrags, in dem wir das Ziel formuliert haben - ich glaube, das ist deutlich geworden -, im Rahmen einer Bundesratsinitiative dafür zu sorgen, dass der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn kommt. Lassen Sie mich noch einmal sagen - ich habe das schon beim letzten Mal gesagt -, warum das so wichtig ist: Damit die Flucht von Beschäftigung aus realer Beschäftigung eben nicht weiter zunimmt und damit nicht der Steuerzahler für das verantwortlich gemacht wird, was Aufgabe der Arbeitgeber wäre, nämlich anständige Löhne in Deutschland zu zahlen. Meine Damen und Herren, das muss unser erklärtes Ziel sein.

(Beifall bei der SPD - Johanne Mod- der [SPD]: Genau!)

Lassen Sie mich die beiden Zahlen noch einmal nennen: 11 Milliarden Euro in Deutschland sind Aufstockerleistungen, die von Steuerzahlern, von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erbracht werden, die gezahlt werden, weil es keine anständigen und keine vernünftigen Löhne in Deutschland gibt, meine Damen und Herren.

(Zustimmung von Johanne Modder [SPD] und Gerd Ludwig Will [SPD])

4 Milliarden Euro hätten wir mehr in den Sozialversicherungssystemen, wenn wir den Mindestlohn flächendeckend einführen würden. Meine Damen und Herren, wir reden über 15 Milliarden Euro, die Sie leichtfertig aufs Spiel setzen, weil Sie nicht bereit sind, unseren Antrag mitzutragen!

(Beifall bei der SPD)

Ich will aber nicht verhehlen - lassen Sie mich das sagen -, dass dieser Antrag hätte weitergehen können. Ich weiß, dass von Gewerkschaften, aber auch von der Linken die Frage aufgeworfen wurde: Warum seid ihr nicht den Weg gegangen und habt das Thema „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ geregelt? - Ich will das hier gerne aufgreifen: Weil es - das möchte ich betonen - ein Versuch war - scheinbar ein unsäglicher und unnötiger Versuch -, auf Sie, meine Damen und Herren der CDU und der FDP, zuzugehen und mit Ihnen gemeinsam wenigstens einen kleinen Schritt im Sinne der Menschen zu erreichen. Selbst wenn der große Wurf, der notwendig wäre, mit Ihnen nicht möglich ist, war das ein Angebot an Sie, das Sie erstaunlicherweise leider sofort abgelehnt haben.

An dieser Stelle noch ein paar Worte, warum es um gleichen Lohn für gleiche Arbeit geht und warum es weitere Anträge der sozialdemokratischen Fraktion hier im Niedersächsischen Landtag gibt:

Natürlich ist der Mindestlohn keine Regelung. Nicht umsonst hat Berthold Huber gesagt, dass er einem Mindestlohn von 7,50 Euro dort nicht zustimmen kann. Er hat gesagt: Damit verdienen die Menschen, die im Metallbereich, in der Industrie tätig sind, zum Teil die Hälfte dessen, was diejenigen verdienen, die neben ihnen arbeiten und originär beschäftigt sind.

Deswegen müssen wir gemeinsam die nächste Forderung auf den Weg bringen: Gleichen Lohn für gleiche Arbeit! Das muss die Konsequenz des nächsten Antrages und der nächsten Debatte hier im Landtag sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Hans-Henning Adler [LINKE]: 10 Euro Mindestlohn!)

Wenn man sich die Frage „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ einmal vergegenwärtigt, dann stellen wir etwas fest - ich möchte das einmal beschreiben -, was ich überhaupt nicht mehr nachvollziehen kann - das richtet sich an die Damen und Herren der FDP -: Ich erlebe, wie Ihr Bundeswirtschaftsminister Brüderle durch das Land fährt und immer wieder berichtet, dass der Wirtschaftsaufschwung wie ein ICE durch das Land rast.

Lassen Sie mich dieses Bild einmal aufgreifen: Das stimmt zwar. Aber in dem ICE sitzen diejenigen, die schon in der Vergangenheit die Millionen verdient haben und denen es gut ging. Außerhalb des ICE stehen diejenigen Menschen, die darauf warten, dass Arbeit endlich vernünftig bezahlt wird und dass es vernünftige Bedingungen für alle

Menschen gibt, die hier in Deutschland arbeiten und leben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deswegen ist es umso absurder - ich möchte das aufgreifen -, dass wir über neun Monate hinweg eine Debatte geführt haben, bis gleicher Lohn für gleiche Arbeit bezahlt wird. Wir waren meilenweit davon entfernt. Ich möchte auf Herrn Toepffer zu sprechen kommen, der zu Recht gesagt hat, dass neun Monate zu lang seien, und der eine Debatte mit uns geführt und gesagt hat: Warum habt ihr diesen Antrag eigentlich nicht aufgenommen? - Da muss man sich - man muss sich dieses Bild einmal vorstellen - von der CDU im Ausschuss anhören: Warum beantragt ihr nicht gleichen Lohne für gleiche Arbeit? - Das kann ich Ihnen sagen: Weil es in den letzten Jahren wohl genügend Beispiele dafür gegeben hat, dass Sie genau diese Anträge abgelehnt haben, die wir sowohl im Jahr 2010 als auch im Jahr 2009 eingebracht haben. Es ist schon erstaunlich, wenn die CDU uns dann vorwirft, dass wir das nicht in den Antrag aufgenommen haben, wo Sie doch diejenigen sind, die unsere Anträge ständig ablehnen. Herr Toepffer, das ist doch der eindeutig falsche Weg.

(Zustimmung von Johanne Modder [SPD])

Ich möchte noch einmal sagen: Wir sind noch weit vom Ende der Debatte entfernt.

Ich bin froh darüber, dass wir im Vermittlungsausschuss eine Lösung gefunden haben, und bitte Sie: Lassen Sie uns endlich gemeinsam erkennen, dass es kein Ausweg ist, nicht den gesetzlichen Mindestlohn für alle zu fordern, dass wir ihn als Untergrenze brauchen, aber dass die endgültige Lösung nur dann erreicht ist, wenn Menschen in Deutschland für die gleiche Arbeit, die sie verrichten, den gleichen Lohn bekommen. Das ist ein Gleichbehandlungsgrundsatz, der für alle Menschen in Deutschland gelten sollte und dem Sie sich nicht verwehren dürfen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Nun hat Frau Weisser-Roelle für die Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vorab: Lieber Kollege Lies, Sie sprachen davon, mit Ihrem Antrag Schritte auf die CDU und die FDP zugehen zu wollen. Wenn es um Arbeitnehmerfragen, aber auch um andere Fragen geht, sind Sie in der Zukunft gut beraten, diese Schritte auf die Linke zuzugehen und nicht auf die CDU und die FDP.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, der Countdown läuft: noch 46 Tage bis zur vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa. Ab dem 1. Mai 2011 können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus acht mittel- und osteuropäischen Staaten ohne Hindernisse in Deutschland arbeiten. Die Prognosen sagen, dass mehr als 100 000 Menschen aus Osteuropa nach Deutschland kommen werden, um hier eine Beschäftigung zu finden.

Meine Damen und Herren, mehr Freizügigkeit ist gut, wenn es ausreichende Sicherheit gibt. Am deutschen Arbeitsmarkt fehlen aber die zentralen Sicherungen gegen einen Lohnunterbietungswettbewerb.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung ermöglicht es den Arbeitgebern - im Rahmen der bisherigen Gesetze, versteht sich -, völlig legal Löhne zu drücken und Arbeitsbedingungen zu verschärfen. Meine Damen und Herren, dagegen gibt es nur ein Rezept: Der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn muss her, und zwar sofort.

(Beifall bei der LINKEN)

In unserem im Januar eingebrachten Antrag haben wir Eckpunkte aufgezeigt, dass ein Mindestlohn eine wesentliche Voraussetzung erfüllt. Er gewährleistet, dass durch eine Vollzeitbeschäftigung ein Einkommen über dem Existenzminimum erzielt werden kann und erzielt werden muss.

Dass CDU und FDP unseren Antrag ablehnen werden, überrascht uns nicht. Dass aber SPD und Grüne den Antrag ablehnen mit der Begründung, 10 Euro seien zu hoch, macht uns sehr nachdenklich und ist überhaupt nicht nachvollziehbar.

(Ronald Schminke [SPD]: Das hat doch keiner gesagt!)

Ich möchte Ihnen jetzt einmal darlegen, warum die Höhe der Mindestforderung von 10 Euro gerechtfertigt ist.

Zu dem Kollegen Schminke: Lesen Sie die Protokolle nach, dann können Sie es sehen!