Es geht nicht darum, die unternehmerischen Freiheiten des DB-Fernverkehrs zu beschneiden. Es geht aber sehr wohl darum, den öffentlichen Gewährleistungsauftrag zu definieren.
Wir werden politisch nicht zulassen, dass ganze Landstriche oder Zentren von überregionaler Bedeutung einfach vom Fernverkehr abgekoppelt werden! Wir wehren uns dagegen, dass dies eventuell noch zulasten der Aufgabenträger im SPNV erfolgt und wir die entfallenden Fernzüge durch die Bestellung zusätzlicher Nahverkehrszüge teuer bezahlen müssten. Hier muss der Bund endlich in gleicher Weise Verantwortung übernehmen, wie wir Länder das im Nahverkehr getan haben.
Zu Frage 2: Wir erwarten, dass der Bund die Netzbewirtschaftung auf eine gesetzliche Grundlage stellt und die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit den Ländern in einem ehrlichen und offenen Dialog einvernehmlich abstimmt.
Wir erwarten ferner, dass die Mittel für die Infrastrukturerhaltung auf lange Sicht mindestens auf der heutigen Höhe von jährlich 2,5 Milliarden Euro - viele sagen, das sei um 1 Milliarde Euro unterfinanziert - festgeschrieben und verbindliche Qualitätsvorgaben gemacht werden. Diese Vorgaben müssen strecken- oder teilnetzbezogen sein, um den sachgerechten Einsatz der Steuergelder wirksam kontrollieren zu können. Und es sind Sanktionen für den Fall von Verfehlungen vorzusehen.
Schließlich erwarten wir - d. h. alle Länder -, dass ein Mindestangebot im Fernverkehr gesetzlich festgelegt wird. Soweit dieses der Markt nicht von allein leistet, muss notfalls auf das Bestellerprinzip, wie es im Nahverkehr mit Erfolg praktiziert wird, zurückgegriffen werden.
Zu Frage 3: Die effektivste Maßnahme wäre sicherlich die vollständige Trennung von Netz und Betrieb. Hierfür gibt es aber derzeit offensichtlich keine Mehrheiten. Deswegen muss das Augenmerk zunächst auf eine Stärkung der Regulierung und im Fall der Infrastruktur auf die Verankerung von Schutzrechten zugunsten der Länder gelegt werden. Nur wenn es gelingt, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu angemessenen Konditionen für alle Verkehrsunternehmen zu gewährleisten, werden wir das Ziel von mehr Wettbewerb auf der Schiene erreichen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass Minister Hirche, wie er dargestellt hat, in der Trennung von Netz und Betrieb im vorliegenden Privatisierungsgesetz des Bundes einen Erfolg der Länder sieht, allerdings in der Beantwortung der dritten Frage selbst eingestanden hat, dass es durch die gemeinsame Holding tatsächlich nicht der Fall ist, dass Netz und Betrieb getrennt sind, frage ich die Landesregierung: Welche zusätzlichen Maßnahmen sind aus der Sicht der Landesregierung innerhalb der Organisation dieser Holding, die in der Gesamtverantwortung sowohl für das Netz als auch für den Betrieb steht, notwendig, um wirklich einen diskriminierungsfreien Zugang zum Netz zu gewährleisten, wenn doch die Holding alle Teile unter sich vereinigt und deswegen ein Gesamtinteresse verfolgt, so wie die Bahn derzeit auch?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen am Beginn eines Weges zur Trennung von Netz und Betrieb. Unser Augenmerk muss sich auf das Thema „Netz“ und auf eine ordnungsgemäße - so habe ich es ausgeführt -, d. h. alle Teile des Landes versorgende Bedienung des Netzes richten. Wir werden gemeinsam mit den anderen Bundesländern über den Bundesrat - eine andere Chance sehe ich überhaupt nicht - hoffentlich in Aufrechterhaltung der 16:0-Position, die hier gegeben ist, darauf dringen, dass der Bund seinem Grundgesetzauftrag nach Artikel 87 e nachkommt. Das führt am Ende sehr wahrscheinlich zu einer handfesten finanziellen Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern. Denn der Bund versucht, wenn ich es etwas zugespitzt formuliere, einen Teil der Haushaltsprobleme, die er bei der Finanzierung der DB hat, auf die Länder abzuladen.
Meine Damen und Herren, das ist für mich eine ernste Verknüpfung mit dem Thema Föderalismuskommission II, bei dem es um eine Verände
rung der Finanzbeziehungen geht. Wenn sich der Bund in dieser Weise länderunfreundlich verhält, dann werden diese Beratungen schneller scheitern, als dem einen oder anderen in seinem ernsthaften Bemühen bewusst ist.
Zurück zur DB. Wir müssen vermeiden, dass Niedersachsen in diesem Zusammenhang Alleingänge unternimmt. Wir müssen immer mindestens mit der Mehrheit der Länder zusammen agieren. Das bedeutet, dass sich unsere Hauptforderungen im Augenblick auf das Thema Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen konzentrieren. Darüber, wie wir das im Einzelnen machen, werden wir auf der nächsten Verkehrsministerkonferenz reden. Das werden wir auch gerne im Ausschuss weiter erörtern. Ich würde gerne davon absehen, dem Bund in dieser Debatte öffentliche Hinweise darauf zu geben, was auf ihn zukommt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass bei der letzten Kürzung im Bahnbereich das Harzvorland - die Region Braunschweig/Harz - bereits durch eine Ausdünnung des Nahverkehrs überproportional betroffen worden ist und jetzt in der Diskussion ist, die Fernverkehrsverbindungen für eine Reihe von Städten in dieser Region abzukoppeln, frage ich die Landesregierung, welche gezielten Maßnahmen sie plant, um dieses Harzvorland vor einer weiteren Ausdünnung des schienengebundenen Personenverkehrs zu schützen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Lage ist in diesem Fall durchaus durchwachsen. Wir haben mit der DB - vor drei Jahren, glaube ich - einen 20-Jahres-Bestandsvertrag zum Erhalt des Harz-Weser-Netzes abgeschlossen. Darüber hinaus ist durch den Metronom das Angebot auf der Nord-Süd-Strecke verbessert worden. Aber man muss in diesem Zusammenhang erwähnen -
deshalb habe ich „durchwachsen“ gesagt -, dass aktuell eine Diskussion, die nicht entschieden ist, darüber geführt wird, wo künftig die Nahverkehrs- bzw. die regionalen Fernverkehrszüge - es gibt für diese Zwischenaufgabe keinen vernünftigen Begriff - fahren, ob auf der ICE-Strecke, wie von Ihnen angesprochen und auch in den Zeitungen nachzulesen, oder auf der alten Strecke. Natürlich wollen wir an der alten Strecke festhalten, weil es dort mehr Haltepunkte gibt und wir in diesem Zusammenhang mehr Alternativen haben.
Ich bedaure sehr, dass nach der Kürzung der Regionalisierungsmittel vor anderthalb Jahren im Bereich des Zweckverbandes Großraum Braunschweig mehr Einschränkungen erfolgt sind als in anderen Landesteilen. Wir befinden uns in Diskussionen darüber, wo die Ursachen dafür liegen. Wir meinen, dass es sich dabei um sehr langfristige Weichenstellungen handelt, die zu diesen unterschiedlichen Ergebnissen geführt haben.
Gemeinsame Auffassung ist, dass es kein Patentrezept gibt, wie die DB verpflichtet werden könnte, daran festzuhalten. Das einzige wirkliche Instrument ist der Artikel 87 e. So etwas dann aber verfassungsrechtlich einzuklagen, würde den Kunden zunächst konkret nichts nützen, weil es bedeuten würde, dass man zunächst Einbußen hätte und nach fünf Jahren - nach einem entsprechenden Verfassungsgerichtsurteil - ein Angebot bekäme, weil die DB wieder etwas machen muss. Dann aber Kunden wieder zurückzugewinnen, ist bekanntlich schwierig. Das wissen auch Sie. Deswegen setzen wir im Augenblick auf zähe Dauerverhandlungen mit der DB zur Aufrechterhaltung des bestehenden Angebotes. Hierbei können wir uns auf die Vereinbarung von 20 Jahren Bestandsgarantie für das Harz-Weser-Netz stützen. Das ist übrigens der letzte Vertrag überhaupt, den die DB zur regionalen Bestandssicherung in der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat. Ich bin sehr stolz darauf, dass uns das noch gelungen ist.
Herr Minister, im Zusammenhang mit den Überlegungen zur Privatisierung der Bahn hat es immer wieder die Forderung nach Aufstockung der Regionalisierungsmittel gegeben. Wird zwischen den
Ländern bzw. auch zwischen Niedersachsen und dem Bund darüber verhandelt, und können Sie hier über Zwischenergebnisse berichten?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Will, Sie haben völlig recht, dass die Einlösung der Zusage, die Bundesfinanzminister Steinbrück dem Ministerpräsidenten Beck von Rheinland-Pfalz gegeben hat, die Regionalisierungsmittel in einem bestimmten Umfang wieder aufzustocken, noch aussteht. Dazu gibt es Verhandlungen auf allen Ebenen. Anhand der Nennung der beiden herausragenden Persönlichkeiten, die Ihrer Partei zuzurechnen sind, werden Sie unschwer erkennen, dass es hierbei darum geht, letzten Endes eine Vereinbarung der beiden Ebenen Länder und Bund zu realisieren. Es gibt da keinen befriedigenden Verhandlungsstand. Ich will auch nicht Öl ins Feuer der Verhandlung gießen; das bitte ich mir nachzusehen. Ich glaube, es liegt nicht allein an den beiden Personen, die ich genannt habe, sondern an dem gesamten Geflecht, mit dem wir es zu tun haben. Ich will hierbei auch nicht missverstanden werden. Es ist aber aus meiner Sicht völlig unbefriedigend, dass die Zusage bisher nicht eingelöst worden ist. Das halte ich für ein Problem gegenüber dem Verfassungsorgan Bundesrat, in dem die Zusage abgegeben worden ist.
Herr Minister Hirche, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es hier im Landtag zu tumultartigen Szenen kommen würde, wenn an der Autobahn A 7 drei Abfahrten geschlossen und damit drei Mittelzentren von der Autobahn abgehängt würden, wie es jetzt Kreiensen, Einbeck und Northeim mit der Einstellung der dortigen IC-Halte droht, verwundert mich doch Ihr ruhiger Umgang mit der Materie. Ich frage Sie: Werden Sie energisch und mit aller Kraft versuchen, sicherzustellen, dass es nicht zu einem Einbruch in der Infrastrukturversorgung des Harzes und der Weserregion kommt, der mit einer solchen Veränderung verbunden wäre?
Herr Kollege Wenzel, in meiner ersten Antwort hatte ich gesagt, dass es gemeinsame Auffassung der Bundesländer ist, vom Bund ein Fernverkehrssicherstellungsgesetz einzufordern, mit dem die Halte und Strecken sichergestellt werden sollen, auf die Sie gerade hingewiesen haben. Ich glaube, dass dies am Ende der einzige Weg sein wird, auf dem wir weiter vorankommen werden. In diesem Punkt sind sich die 16 Bundesländer einig. Ich hoffe, dass wir zu einem guten Ergebnis kommen werden.
Wenn das von Niedersachsen und den anderen Bundesländern aus weiter unterstützt wird, könnte das ja auch auf die Mitglieder der Bundestagsfraktionen, die letztendlich darüber zu entscheiden haben, einen gewissen Einfluss haben. Ich hoffe auf diese innerparteiliche Diskussion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund der geschilderten Schwierigkeiten: Wie beurteilt die Landesregierung die Erfolgsaussichten bei ihren Bemühungen, die Länderinteressen zu wahren? Welche Konsequenzen zieht sie aus ihrer Haltung zur Bahnprivatisierung?
Herr Kollege, ich glaube, es wird Ihnen wie mir gehen. Wenn man eine Position einnimmt, versucht man auch, sie durchzusetzen. Man geht davon aus, dass dies aussichtsreich ist und Chancen hat. Sie würden hier im Landtag, glaube ich, auch keine Position vertreten, von der Sie von vornherein auch noch öffentlich erklären, dass sie
nicht zum Zuge kommt. Das ist nicht der Sinn von Politik. Da meine Auffassung auch noch von anderen Verkehrsministern der Länder vertreten wird, bin ich davon überzeugt, dass wir in diesem Machtspiel zwischen Bund und Ländern aussichtsreiche Chancen haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund der Kürzung der Regionalisierungsmittel: Ist, um die Infrastruktur in der Fläche sicherzustellen, geplant, diese Kürzung z. B. durch Mittel aus Einnahmen der Mehrwertsteuer zu erhöhen, wie es auch die anderen Bundesländer in der Vergangenheit gemacht haben?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin, die Bundesländer haben sehr unterschiedlich reagiert. In der letzten Legislaturperiode haben wir dem Wirtschaftsausschuss des Landtags eine Übersicht vorgelegt. Es gibt einzelne Länder, die gar nichts kompensiert haben. Es gibt andere Länder, die bis zur Hälfte kompensiert haben. In Niedersachsen hat der Landtag, der immer noch die Budgethoheit hat, beschlossen, in den Jahren 2008 und 2009 15 Millionen Euro an Kompensationsmitteln zusätzlich bereitzustellen. Was in dieser Hinsicht in Zukunft gemacht wird, liegt allein in der Entscheidung des Landtags.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Hirche, angesichts der vermutlich unverrückbar feststehenden Tatsache, dass Sie finster entschlossen sind, möglichst viele private Nicht-DB-Anbieter auf den jetzt auszuschreibenden Nahverkehrsstrecken zum Zuge
kommen zu lassen, frage ich die Landesregierung: Welche Maßnahmen will sie ergreifen, um sicherzustellen, dass die Taktung der verschiedenen Anbieter aufeinander abgestimmt ist und dass die Kunden ihre Zugverbindungen trotz der verschiedenen Fahrpläne der verschiedenen Anbieter so planen können, wie das in der Vergangenheit quasi selbstverständlich der Fall war?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Taktung wird über Verkehrsverträge und die LNVG gesteuert. Im Übrigen muss ich an dieser Stelle darauf hinweisen - insofern danke ich Ihnen für Ihre Vorlage -, dass der private Wettbewerb, den Niedersachsen in den letzten Jahren organisiert hat, ein riesiger Erfolg war. Wir hatten z. B. durch den Einsatz der NordWestBahn oder des metronom nach Ausschreibungen riesige Fahrgastzuwächse auf den entsprechenden Strecken zu verzeichnen, die die staatseigene DB nicht realisiert hat oder nicht realisieren konnte.