Protocol of the Session on July 12, 2006

Das Musikland ist vielgestaltig. Es lebt von den Musikern beiderlei Geschlechts. Mit denen zusammen werden wir es weiterentwickeln. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Kollegin Dr. Heinen-Kljajić von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dem vorliegenden Antrag bemängelt die SPD, dass CDU und FDP bisher kein schlüssiges Konzept zur Initiative „Musikland Niedersachsen“ vorgelegt haben. Dass es kein Konzept für die Initiative „Musikland Niedersachsen“ gibt, ist für die, die als Laien selber Musik machen, und die, die versuchen, sie anderen zu vermitteln, das geringere Problem. Das zentrale Problem ist das Zurückfahren der Mittel. Deshalb nutzt es, ehrlich gesagt, auch wenig, eine Fördersäule „Musikland Niedersachsen“ aufzubauen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Trost, Sie können uns hier natürlich viel vorrechnen. Aber wenn Sie die Zuschüsse für Laienmusik und die Musikschulen um 25 % kürzen, haben Sie genau an der Stelle Mittel gekürzt, wo es zum einen um ein hohes Maß an ehrenamtlichem Engagement und zum anderen darum geht, möglichst vielen Menschen den Zugang zur Musik zu ermöglichen.

(Zustimmung bei der SPD)

Dass wir hier einen enormen Nachholbedarf haben, zeigt nicht zuletzt das erste Jugend-KulturBarometer, das für Niedersachsen eine Unterversorgung mit Musikschulen in der Fläche anzeigt.

Meine Damen und Herren, in hunderten von Orchestern und Chören engagieren sich niedersächsische Bürgerinnen und Bürger für ein musikali

sches Angebot und musikalische Betätigung vor Ort und gewährleisten damit Teilhabe an Musik. Genau diese breite Teilhabe aller sozialen Schichten, aller Altersgruppen und ethnischen Gruppen ist die unabdingbare Voraussetzung dafür, dass der Markenname „Musikland Niedersachsen“ mit Leben gefüllt wird. Kulturelle Events wie Festivals sind schön und sicherlich auch wichtig, haben aber nur dann Erfolg, wenn viele Menschen daran teilnehmen. Das wiederum setzt den Zugang zur Musik voraus.

Es gibt nach wie vor ein riesengroßes brachliegendes Potenzial an Menschen, großenteils aus bildungsfernen Schichten, denen dieser Zugang bisher versperrt ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch hier sind die Ergebnisse des Jugend-KulturBarometers alarmierend. Im Bundesvergleich liegt Niedersachsen bei der kulturellen Betätigung Jugendlicher weit hinten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die jüngste Umfrage des achten Kultur-Barometers unter Erwachsenen. Sie zeigt nämlich auf, dass selbst die Menschen, die von sich selbst behaupten, keine kulturellen Angebote in Anspruch zu nehmen bzw. sie nicht in Anspruch nehmen zu können, weil ihnen dazu die finanziellen Mittel fehlten, staatliche Förderung von Kultur und Kulturvermittlung für wichtig halten. 60 % all jener Eltern, die sich kaum für Kultur interessieren, und immerhin noch 31 % derjenigen Eltern, die sich gar nicht für Kultur interessieren, halten es für wichtig, dass ihre Kinder einen Zugang zur Kultur bekommen. Eine Untersuchung der Universität Hildesheim hat ergeben, dass 80 % der so genannten Nichtkulturnutzer, die sich selbst als solche definieren, Kultur für gesellschaftlich wichtig halten. In diesen Zahlen steckt auch für den Bereich Musik eine gewaltige Herausforderung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es geht um effizienten Mitteleinsatz, damit ein staatlich vorgehaltenes Kulturangebot möglichst viele Nutzer erreicht. Es geht um Kulturwirtschaft; denn Musik ist eine Branche mit hohen Umsatz- und Beschäftigungszahlen. Es geht ferner um Standortvorteile, weil ein breites kulturelles Angebot die Attraktivität einer Region als Wohn- und Arbeitsort steigert. Primär aber geht es um Chancengleichheit und damit aufgrund der demografischen Entwicklung nicht

zuletzt auch um die Zukunftsfähigkeit unserer Wissensgesellschaft. Denn Musik ist nicht nur Unterhaltung, und sie stärkt nicht nur die kulturelle Identität. Musikalische Erziehung hat enorme Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten eines Kindes. Musizieren hat einen hohen Stellenwert in der Persönlichkeitsbildung und in der Herausbildung von Schlüsselqualifikationen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Daher sollte die Parole „Musikland Niedersachsen“ auch eine bildungspolitische Herausforderung sein. Projekte wie „Hauptsache: Musik“ oder die hoffentlich demnächst eingerichtete Landesmusikakademie sind zweifelsohne Schritte in die richtige Richtung. Aber wenn Niedersachsen wirklich zum Musikland werden soll, dann sollten Sie den handelnden ehrenamtlichen und professionellen Akteuren, die nach Kräften versuchen, dem beschriebenen Bildungsauftrag gerecht zu werden, den Geldhahn nicht immer weiter zudrehen. Daran werden Sie sich auch bei den kommenden Haushaltsberatungen messen lassen müssen. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Für die Landesregierung hat jetzt Herr Ministerpräsident Wulff das Wort. Bitte schön, Herr Wulff!

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Musikland Niedersachsen ist keine staatliche Veranstaltung, sondern die Zusammenfassung all der Aktivitäten, die wir im Lande haben und die wir seit einigen Jahren endlich verbessern.

Verehrte Frau Kollegin Bührmann, Sie haben eben hier im Plenum vorgetragen, Sie hätten gegoogelt und zum Musikland Niedersachsen nichts gefunden. Auch wir haben vor zehn Minuten gegoogelt. Wir haben genau 13 200 Einträge zum Stichwort „Musikland Niedersachsen“ gefunden.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Mit wel- cher Suchstrategie?)

Frau Bührmann, Sie sollten zugestehen, dass Sie hier möglicherweise eine falsche Behauptung aufgestellt haben.

Wir können auf die Vielfalt der Musikkultur in Niedersachsen stolz sein. Das Thema „Musikland Niedersachsen“ lenkt die Wahrnehmung auf einen Bereich, der mehr Aufmerksamkeit verdient hätte.

(Zuruf von Dr. Harald Noack [CDU])

- Harald, du musst gleich einmal mit Frau Bührmann klären, an welcher Stelle sie einen Buchstaben vergessen hat. Jedenfalls kann sie gleich nachgoogeln. Ich habe die Titelseite hier: 13 200 Einträge zum Thema „Musikland Niedersachsen“.

Weil Musik für die Identität unserer Gesellschaft wichtig und für Lebensfreude und Lebensqualität von zentraler Bedeutung ist, haben wir sie zum Schwerpunkt unserer Kulturpolitik gemacht, nicht, wie Sie das immer angehen, mit einem Marketingansatz, mit parteipolitisch motivierten Werbeeffekten, sondern um der Sache willen, um denen Wertschätzung zuteil werden zu lassen, denen Musik in diesem Lande ganz persönlich wichtig ist und die darauf setzen, dass man Musik fördert.

Als ich vor einigen Jahren sagte, Kinder sollten ein Buch lesen, Sport treiben, sich mit Tieren beschäftigen und musizieren, hat die GrüneLandtagsfraktion das zum Anlass genommen, auf meinen Platz des Fraktionsvorsitzenden ein Musikinstrument, ein Stofftier, ein Buch und ein Sportgerät zu legen. Das Musikinstrument musste ich gleich wieder abgeben; das war nicht einmal geschenkt. Das war eine typische Erfahrung mit den Grünen.

(Heiterkeit)

Es ging ihnen nur um einen Marketingeffekt. Die Leute haben mir Briefe geschrieben und gefragt: Was haben die Grünen eigentlich? - Die leben doch gar nicht in dieser Welt. Es ist doch toll, wenn Kinder lesen, musizieren und Sport treiben. - Ich habe gesagt: Ja, genau! Deswegen haben die Grünen weniger Prozente als wir: weil sie am Interesse der Menschen in diesem Land voll vorbeigehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben in dieser Legislaturperiode von Beginn an mit den Verbänden Fragen besprochen. Beispielsweise habe ich bei der Verleihung des Praetorius-Musikpreises ein Zehnpunkteprogramm zum Musikland Niedersachsen vorgestellt, das die Zustimmung aller Akteure im Musikland Niedersachsen gefunden hat. Ich habe allerdings nicht in

Erinnerung, dass die SPD bei der Präsentation vertreten gewesen wäre. Der Landesmusikrat, die ihm angeschlossenen Verbände, die Kulturinstitutionen, die Musikschaffenden und die Hochschulen waren und sind in unsere Überlegungen intensiv eingebunden. So hat am 26. Juni dieses Jahres ein Workshop unter Federführung des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur beispielsweise mit Jens Eckhoff von „Wir sind Helden“ und Professor Kemmelmeyer, dem Präsidenten des Landesmusikrates, stattgefunden.

Ich will Ihnen zwölf Punkte nennen, die für uns wichtig sind.

Erstens. Sie haben über Jahre erzählt, Sie würden die Landesmusikakademie in Niedersachsen errichten. Sie haben in Bad Iburg, im Trillke-Gut Hildesheim, in Wolfenbüttel, im Landesschloss Wrisbergholzen und anderswo verbreitet, dorthin komme die Landesmusikakademie. Frau Bührmann, Sie gehörten dem Kabinett an. Jedes Jahr haben Sie darauf verzichtet, Geld einzustellen. Sie hätten die Landesmusikakademie gerne gehabt; wir aber machen sie. Das bedeutet „Musikland Niedersachsen“; das ist der große Unterschied zwischen Ihnen und uns.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dafür steht eine Verpflichtungserklärung im Haushalt. Es wird das erste Bauvorhaben dieser Regierung sein, das Sie begonnen, aber nicht finanziert haben. 2007 werden wir den Baubeginn erleben.

Zweitens haben wir das Landesmediengesetz geändert und zusätzlich jährlich 600 000 Euro zu den Haushaltsmitteln des Landeshaushalts für Projektförderungen, Festivals, Orchester, Ensembles und den musikalischen Nachwuchs zur Verfügung gestellt.

Drittens - darauf hat Frau Trost eindrucksvoll hingewiesen - sind wir das einzige Bundesland, das eine Stundenerhöhung im Fach Musik vorgenommen hat. So ist heute in den dritten und vierten Klassen der Grundschule das Fach Musik mit zwei Stunden endlich wieder eigenständig verankert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Riese hat bereits auf Niedersachsen als „Bläserklassen-Land“ hingewiesen. Dies wäre mein vierter Punkt gewesen.

Fünftens. Wir fördern die Laienmusik durch die 30 Kontaktstellen Musik flächendeckend.

Sechstens. Wir qualifizieren in den Musikschulen landesweit mehr als 300 Mitarbeiter zur Ausbildung in Kindertagesstätten.

Siebtens haben wir jetzt in Niedersachsen ein Netzwerk der Orgellandschaft - dies ist weltweit einzigartig - unter Federführung der Landschaftsverbände.

Achtens haben wir die European Chamber Music Academy und das Popinstitut an der Hochschule für Musik und Theater.

Neuntens - auch das haben Sie vielleicht nicht verfolgt - haben wir die Seligmann-Stiftung gegründet, die das Zentrum für europäische Musik in eine neue Heimstatt überführt und Hannover zu einem Zentrum für synagogale Musik mit Weltgeltung machen wird. Dies gehört zum Musikland Niedersachsen.

Zehntens. Zum Musikland Niedersachsen gehört auch, dass die Universität Hildesheim mit unserer Hilfe in der Domäne Marienburg ein Zentrum für Weltmusik erbauen wird.

Elftens. Der Praetorius-Musikpreis ist aufgewertet, umbenannt und neu konzipiert worden, und zwar alles mit dem Landesmusikrat. Durch ihn wird nun mehr Aufmerksamkeit auf die reichhaltige Musikszene in Niedersachsen gerichtet.

Zwölftens. Manchmal geht es auch um die Anerkennung. Die Vorgängerregierungen und Ihre Regierung haben das leider nicht gemacht. Wir haben „Jugend musiziert“ als Wettbewerb besonders gefördert. Wir haben jetzt eine Stiftung zur Förderung der Musiker bei „Jugend musiziert“ eingerichtet, deren Kuratoriumsvorsitzender ich sein darf. Wir haben die jungen Musiker im letzten Jahr und auch vor wenigen Tagen zu einem Empfang ins Gästehaus der Regierung eingeladen, um zu zeigen, dass die Landesregierung das Musizieren dieser jungen Leute besonders anerkennt.

Das Land Niedersachsen ist ein Musikland. Es wird noch stärker ein Musikland werden, ob Sie wollen oder nicht. Ihre Rede ist miesmachermäßig gewesen. Sie zeigt, dass Sie keinen Kontakt zu Musikschaffenden und Kulturinstitutionen in unserem Land haben. Von diesen werden Sie sehr schnell hören, dass sie sich bei dieser Landesregierung gut aufgehoben fühlen.