Protocol of the Session on June 23, 2006

Fatal ist auch, dass wider besseres Wissen von interessierter Seite auch immer wieder neue Mythen in die Welt gesetzt werden. Der eine Mythos ist der einer angeblich weltweiten Renaissance der Kernenergie. - Wir vermögen eine solche Renaissance nicht zu erkennen.

(Anneliese Zachow [CDU]: Sie ist aber da!)

Ferner gibt es den Mythos von sicheren Atomkraftwerken der dritten und so genannten vierten Generation. - Auch das sehen wir nicht.

Außerdem pflegen Sie den Mythos einer nie versiegenden Energiequelle nach dem Motto: Uran ist unendlich vorhanden. - Auch das ist nicht der Fall.

Das, meine Damen und Herren, ist verantwortungslos. Diese Mythen verstellen den Blick auf die Wirklichkeit. Tatsächlich werden derzeit weltweit weniger Atomkraftwerke neu gebaut, als in den nächsten Jahren vom Netz genommen werden.

Ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren von der CDU, nur ein abgeschaltetes Atom

kraftwerk ist ein sicheres Atomkraftwerk. Jedenfalls wir haben Tschernobyl nicht vergessen. - Danke sehr.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der nächste Redner ist Herr Dehde von der SPDFraktion. Bitte schön, Herr Dehde, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aus meiner Sicht macht es wenig Sinn, jetzt die Debatten, die wir vorhin schon intensiv zum Schacht Konrad und zur Endlagerthematik geführt haben, zu wiederholen. Ich möchte aber durchaus noch auf einige wenige Aspekte zu sprechen kommen; denn wir sind heute, jedenfalls was unseren Entschließungsantrag angeht, in der Situation, dass CDU und FDP es ablehnen wollen, dem Informationsbedürfnis von Kindern und Jugendlichen gerecht zu werden. Das haben sie dokumentiert. Auch die Ablehnung einer ergebnisoffenen Endlagersuche registrieren wir immer wieder. Dass Sie den Atomkonsens ablehnen, wissen wir; denn Sie rufen immer wieder zum Vertragsbruch auf und wollen die getroffenen Vereinbarungen letztendlich hinfällig werden lassen.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, dass Sie - so will ich es einmal ausdrücken - aber nicht einmal den Anstand haben, die Thematik 20 Jahre Tschernobyl, also die Thematik dieses zum Glück bisher einmaligen Atomunfalls. z. B. zum Thema eines eigenen Änderungsantrages zu machen, sondern nur eine plumpe Ablehnung unseres Antrages formulieren, finde ich, wie ich ganz ehrlich sagen muss, beklemmend und eigentlich auch ein wenig beschämend.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich will hier auf den einen oder anderen Aspekt in den vorliegenden Anträgen der Opposition eingehen. So gibt es im Antrag der Grünen z. B. die Forderung, Wettbewerb am Energiemarkt durchsetzen. Auch diese Forderung wollen Sie mit Ihrer Mehrheit ablehnen. Ich finde es ganz interessant, wie die aktuellen Entwicklungen im Moment von der Niedersächsischen Landesregierung dokumentiert werden. Damit bin ich bei Ihrer so ge

nannten Leistungsfähigkeit. Wir können lesen, dass der Wirtschaftsminister des Landes Niedersachsen im Rahmen einer Wirtschaftsministerkonferenz die steigenden Energiepreise ganz massiv beklagt und sagt, dass das eigentlich eine ganz schlimme Geschichte für die deutsche Wirtschaft sei und dass man jetzt endlich einmal dagegen vorgehen müsse. Wir in Niedersachsen sind ja nicht zuletzt in Stade ein gebranntes Kind, was den Verlust von mehreren hundert Arbeitsplätzen angeht, der direkt und unmittelbar auf die unverantwortliche Preispolitik der Energiekonzerne zurückgeht. Der Wirtschaftsminister des Landes Niedersachsen weiß offensichtlich nicht, dass auf der anderen Seite der Regierungsbank der Preiserhöhungsminister sitzt, nämlich der für die Preisaufsicht zuständige Umweltminister dieses Landes, der sich angesichts solcher Themenstellungen lediglich darauf versteift, Appelle an die Energiekonzerne zu richten, sie mögen die Preise nicht so stark erhöhen. Interessanterweise gibt es in Hessen, wie Sie wahrscheinlich wissen, Verfahren, in deren Rahmen der dort für die Preisaufsicht zuständige Minister bestimmte Preiserhöhungen nicht genehmigt hat.

Herr Dehde, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Zachow?

Nein. Frau Zachow versucht immer, kurz vor dem Wochenende Fragen zu stellen. Frau Zachow, diese Fragen sollten wir an anderer Stelle klären. Jetzt würde ich gern meinen Beitrag fortsetzen.

In dieser Landesregierung weiß der Wirtschaftsminister offensichtlich nicht, dass der Umweltminister für die Preisaufsicht zuständig ist. Wenn diese Landesregierung bei dem angesprochenen Thema das Rückgrat hätte, sich so zu verhalten, wie es in Hessen getan wird, könnten wir an verschiedenen Stellen ein bisschen weiterkommen. Wahrscheinlich muss aber der Ministerpräsident erst einmal für Ordnung in seinem Kabinett sorgen, damit die beiden genannten Minister nicht ihre einseitigen Spielchen spielen und dies letztendlich Schaden für das Land Niedersachsen mit sich bringt.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist pein- lich!)

- Herr Dürr, das ist offensichtlich Ihnen peinlich, weil so ertappte Sünder reden, wenn man sie einmal auf ihre Mängel hinweist.

Wir sind im Moment tatsächlich in der Situation, dass gerade bei wichtigen Fragen - ich nenne hier das Stichwort „Netznutzungsentgelte“ - Gerichte Leute wie Ihren Minister dort drüben darauf hinweisen müssen, dass offensichtlich doch nicht alles so ist, wie es sich die Energiekonzerne vorstellen. Schauen Sie sich beispielsweise an, wie es E.ON-Ruhrgas im Moment ergeht. Wir stellen fest, dass es in dem angesprochenen Zusammenhang in Deutschland endlich Bewegung gibt. Es werden nicht mehr alle Spielchen der Energiekonzerne mitgemacht. Ich hoffe, dass diese Erkenntnis irgendwann auch bei Ihnen von der FDP und Ihren Ministern ankommt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat Frau Kollegin Zachow für die CDUFraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich wollte am Freitagmittag eigentlich eine ganz ruhige Rede halten. Wenn man Sie aber so hört, kann man sich wirklich nur noch aufregen. Das fängt bei Herrn Meihsies an, der uns erzählt, Tschernobyl habe uns die Wirklichkeit der friedlichen Nutzung der Kernenergie vor Augen geführt. Tschernobyl war der einzige Reaktor, der in der Lage war, waffenfähiges Plutonium zu produzieren. Das war doch der Grund für diesen Reaktortyp. Ich finde, davor dürfen wir die Augen nicht verschließen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn Herr Dehde hier unterstellt, dass wir jeden Anstand verloren hätten und uns weigerten, über Tschernobyl zu diskutieren, so mache ich ihm den Vorschlag, sich das Protokoll über die erste Beratung zu beschaffen und einmal nachzulesen, wie wir über das Thema 20 Jahre Tschernobyl geredet haben. Herr Dehde, dann würden Sie solche Unterstellungen nicht machen, die ich hiermit strikt zurückweise. Außerdem empfehle ich Herrn Dehde ganz dringend, dass er sich die Antworten der Landesregierung betreffend die Strompreise - diese Antworten standen um 12 Uhr zur Verfügung - einmal holt und nachliest, wie die Strom

preise in Niedersachsen sind. Dann würde er solche Märchen wie vorhin nicht mehr erzählen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, das Thema Kernenergie hat uns in dieser Legislaturperiode schon sehr oft beschäftigt. Wir haben hier elf Entschließungsanträge zu diesem Thema behandelt. Heute stand eine Große Anfrage zum Thema Schacht Konrad auf der Tagesordnung. Es gab fünf Aktuelle Stunden zum Thema Kernenergie. Der Kern aller Entschließungsanträge zur Kernenergie war der Ausstieg aus derselben. Bei den Grünen kann ich diese Zielsetzung noch nachvollziehen. Für sie ist der Bestand der Kernenergie eigentlich ihre Existenzgrundlage; denn wenn es die Kernenergie nicht gäbe und Gorleben kein Problem wäre, hätten sie Probleme mit ihrer eigentlichen Identität.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Da ma- chen Sie sich mal keine Sorgen!)

- Um Sie mache ich mir keine Sorgen, Frau Helmhold. Seien Sie unbesorgt!

Die Grünen ummanteln ihre Anträge oft noch ein wenig. Bei dem vorliegenden Antrag haben sie beispielsweise den Wettbewerb am Energiemarkt ganz in den Vordergrund geschoben. Die Grünen als Gralshüter des Wettbewerbs - das ist eine relativ neue Rolle bei den Grünen.

Sie sprechen sodann über das Energiesparen. Sie wollen hier in Niedersachsen bis 2020 25 % Energie sparen. Das ist zwar ein schönes Ziel. Eines will ich Ihnen aber sagen: Die Rahmenbedingungen kann das Land nicht allein schaffen. Sie hängen von sehr vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Trotzdem ist es richtig, dass man viel für die Erreichung dieses Zieles tun sollte. Die Landesregierung tut das mit ihren Energiesparprogrammen bereits. Wir werden auch weiter an der Erreichung dieses Ziels arbeiten müssen. Lediglich ein Ziel oder eine Zahl festzulegen, das halte ich allerdings nicht für sehr klug. Für Sie von den Grünen ist bei dem Antrag aber wieder der Ausstieg aus der Kernenergie entscheidend; alles andere ist Beiwerk. Deshalb lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Walter Meinhold [SPD])

- Herr Meinhold, Sie können überhaupt nicht zuhören. Ich spreche die ganze Zeit über den Antrag

der Grünen, und Sie erzählen etwas von Ihrem Antrag. Jetzt komme ich zu Ihrem Antrag, also zum Antrag der SPD. Vielleicht machen Sie dann die passenden Zwischenrufe. Bisher waren Sie damit nicht so ganz glücklich.

Nun also zum Antrag der SPD. Der Antrag ist überschrieben mit „20 Jahre Tschernobyl - Ausstieg aus der wirtschaftlichen Nutzung der Atomkraft gebotener denn je!“. Zunächst einmal finde ich gut, dass die Atomkraft hier als wirtschaftlich dargestellt wird. Das halte ich schon einmal für eine ganz vernünftige Aussage.

(Beifall von Christian Dürr [FDP] - Christian Dürr [FDP]: Das stimmt ja auch!)

Darüber hinaus findet wieder der wirklich unzulässige Vergleich zwischen dem Reaktor Tschernobyl und unseren Reaktoren statt.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Unzuläs- sig?)

- Doch, dieser Vergleich ist unzulässig, weil er fachlich nicht passt. Wissen Sie, was wir machen können? - Wir machen noch einmal eine Nachhilfestunde mit Herrn Dr. Runkel, der Ihnen technisch alles astrein erklären kann. Dann begreifen Sie es vielleicht.

Ich muss Ihnen noch eines sagen - das ist das eigentlich Entscheidende -: Es geht hier nicht um den Ausstieg. Für uns als CDU gilt nach wie vor: Wir sind für längere Laufzeiten der Kernkraftwerke. Dabei sind wir in absolut guter Gesellschaft mit vielen Bürgermeistern. Vor wohl drei Tagen kam eine Pressemeldung über dpa, dass die Bürgermeister der ganzen Standortgemeinden dafür sind, sie zu verlängern.

(Heiner Bartling [SPD] lacht)

- Da lachen Sie! Die machen das doch nicht aus Unsicherheit.

Frau Zachow, der Kollege Meihsies möchte eine Zwischenfrage stellen.

Nein, danke. - Ferner sind wir dafür, dass das Moratorium in Gorleben endlich aufgehoben wird,

damit wir unseren Verpflichtungen nachkommen, die wir alle auf uns geladen haben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Darüber hinaus ist die CDU dafür, die Optionen offen zu halten, auch für die Weiterentwicklung von Kernreaktoren. Meine Damen, meine Herren, es darf nicht dazu kommen - wir sind aber auf dem schlimmsten Weg dahin -, dass wir immer mehr einen Fadenriss bei der Forschung über Kernenergie bekommen. Sie finden hier kaum noch junge Wissenschaftler, die sich mit Kernenergie beschäftigen - ganz einfach deshalb, weil sie in Deutschland keine Zukunft sehen, sodass wir von der Entwicklung abgeschnitten werden.

Dann möchte ich noch eines deutlich machen - damit hier kein falscher Zungenschlag hereinkommt -: Bei all diesen Forderungen, die wir haben, steht für uns die Sicherheit bei allen Themen ganz oben an. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Dürr, Sie haben jetzt für die FDPFraktion das Wort.