Aber warum haben Sie dann genau dieser Föderalismusreform bei Ihrem Sonderparteitag im letzten Herbst mit überwältigender Mehrheit zugestimmt? Politische Glaubwürdigkeit sieht anders aus.
Sie wollten in Berlin mit an der Macht bleiben, nicht mehr und nicht weniger, und dafür haben Sie Kröten geschluckt, die Sie jetzt wieder hochzuwürgen versuchen.
Sie haben zu historisch gewachsenen und emotional verankerten Strukturen wie Ländern, Landschaften oder regionalen Besonderheiten in der Tat ein Nichtverhältnis.
Aber werden wir konkret. Wir brauchen eine klarere Trennung der legislativen Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern. Das sagen alle. Wir brauchen aber auch eine Zusammenführung von legislativer und finanzieller Verantwortung.
Schlecht ist das, was sich als „goldener Zügel“ insbesondere in der Bildungspolitik breit gemacht hat. Wenn der Bund zahlt, dann neigt er unvermeidbar dazu, ungebührlich Einfluss zu nehmen. Das war so bei der Juniorprofessur, das war so beim Ganztagsschulprogramm und das war so bei der Brain-up-Initiative zur Exzellenzförderung. Gewisse Ausnahmen mögen bei genau umschriebenen Sonderprogrammen für Hochschulen hinnehmbar sein, wenn sie die Finanzkraft einzelner Länder übersteigen, aber auch dabei ist jeder Einzelfall sorgfältig zu erwägen.
Noch schlechter ist es, wenn der Bund Gesetze erlässt und das Land dafür zahlen muss. Das ist das Gegenteil von Konnexität, die wir doch in Niedersachsen alle wollen. Der Justizvollzug ist ein ganz typischer Fall dafür, und schon aus diesen ordnungspolitischen Gründen gehört er in Länderhand.
Übrigens haben diverse Experten bei der Anhörung des Bundestages das genauso gesehen nicht einer, sondern drei: Herr Lückemann, Herr Moser und Professor Robbers.
Insgesamt - ich möchte zum Schluss kommen - ist die Föderalismusreform ein eindeutiger Fortschritt für die Länder und für Niedersachsen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 17: Wahl des Ministerialrats Hans Joachim Wahlbrink, Niedersächsisches Innenministerium, zum Landesbeauftragten für den Datenschutz gemäß Artikel 62 der Niedersächsischen Verfassung - Wahlvorschlag der Landesregierung - Drs. 15/2941
- Meine Damen und Herren, nehmen Sie doch bitte ein bisschen Rücksicht auf die Person, die gewählt werden soll.
Ehe wir zum eigentlichen Wahlvorgang kommen, frage ich, ob es Wortmeldungen zur Aussprache gibt. Mir liegt eine Wortmeldung von Herrn Professor Dr. Lennartz vor. Ich erteile ihm das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit etwa einem Jahr beschäftigt uns der Tagesordnungspunkt, der jetzt aufgerufen worden ist. Denn vor ungefähr einem Jahr teilte der niedersächsische Innenminister den Fraktionen des Landtages mit, dass der Landesbeauftragte für den Datenschutz, Herr Nedden, in Altersteilzeit gehen und zum 1. April 2006 aus dem Amt ausscheiden werde. Rechtzeitig müsse dementsprechend die Wahl eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin stattfinden.
Der erste Akt der Sache lässt sich wie folgt zusammenfassen: Zum 1. April 2006 ist Herr Nedden aus dem Amt des Landesbeauftragten ausgeschieden. Die Zermürbungstaktik des Innenministeriums gegen ihn bzw. gegen die Funktion des Datenschutzbeauftragten war also von Erfolg gekrönt. Letzter Anstoss für Herrn Nedden war die europarechtswidrige Planung und Entscheidung der Landesregierung, die Zuständigkeit für die Kontrolle des Datenschutzes oder der Datenverarbeitung für private Unternehmen in das Innenministerium zurückzuverlagern. Dies ist zum 1. Januar 2006 bekanntlich gegen den heftigen Widerstand verschiedener anderer Datenschutzbeauftragter aus den Ländern, von Bürgerrechtsorganisationen, aber auch der Opposition in diesem
Der zweite Akt: Die kommissarische Bestellung von Herrn Wahlbrink zum 1. Juni 2006 war eine Umgehung des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes. Herr Nedden hätte nach der Rechtslage das Amt bis zur Wahl eines Nachfolgers weiterführen müssen. Wir hätten mit einer Klage beim Staatsgerichtshof wahrscheinlich Erfolg gehabt. Denn eine kommissarische Bestellung kommt nur für den Fall in Betracht, dass der Beauftragte an der Wahrnehmung seiner Geschäfte für längere Zeit gehindert ist. Sie kommt aber nicht in Betracht, wenn ein Beauftragter ausgeschieden ist und nach Artikel 62 vom Landtag eine Neuwahl durchzuführen ist.
Zu diesem Verfahren kommt es nun nicht, weil die SPD durch eine Vereinbarung mit der CDU, den von der Landesregierung vorgeschlagenen Bewerber zu wählen, der Landesregierung bzw. dem Innenminister nach unserem Eindruck aus der Patsche geholfen hat. Warum, muss die SPD selbst erklären.
Meine Schlussbemerkung: Es gibt eine ungute niedersächsische Tradition, was die Besetzung des Amtes des Datenschutzbeauftragten angeht. Landesbeauftragter für den Datenschutz wird in der Regel in Niedersachsen nur, wer zuvor im Innenministerium gedient hat, also dort auch geprägt wurde. Dabei ist das Innenministerium der natürliche Gegenspieler eines Landesbeauftragten für den Datenschutz. Demzufolge haben etliche Bundesländer die Anbindung der Datenschutzbeauftragten an das Justizressort oder an die Staatskanzlei, in Einzelfällen auch an den Landtag, vollzogen.
Für Niedersachsen wäre es wünschenswert, man würde für die Zukunft von dieser Tradition Abstand nehmen. Die Funktion des Datenschutzbeauftragten verlangt nach unserem Verständnis zwei Mindestvoraussetzungen. Das ist erstens eine hohe fachliche Kompetenz der Kandidatin oder des Kandidaten. Zweitens sollte es sich möglichst nicht um einen ehemaligen Mitarbeiter des Innenministeriums handeln, sondern um einen Quereinsteiger. Das ist bei dem vorliegenden Wahlvorschlag nicht der Fall. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist zwar etwas unüblich, aber die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat eine Aussprache zur Wahl des Datenschutzbeauftragten beantragt. Deshalb wollen wir sie auch führen.
Herr Kollege Lennartz, gerade bei Ihren Worten ist mir aufgefallen, was wohl Sinn und Zweck dieser Aussprache sein könnte. Irgendwie - ich weiß nicht, warum - blieb bei mir der Verdacht hängen, dass die Grünen enttäuscht sind, enttäuscht deshalb, weil sie gehofft hatten, bei der Auswahl eines Kandidaten für das wichtige Amt beteiligt zu werden, und nun beklagen sie sich, dass sie nicht beteiligt worden sind.
Ich darf Ihnen aber eines sagen: Nicht nur Grüne, sondern auch Christdemokraten, Sozialdemokraten und Freie Demokraten können gute Datenschutzbeauftragte sein.
Frau Präsidentin! Nach einer längeren Phase unterschiedlicher Auffassungen zu diesem Thema haben sich die drei großen Fraktionen in diesem Hause, die CDU, die SPD und auch die FDP,
- vielleicht sollte ich besser sagen: die drei größten Fraktionen in diesem Hause - auf die Wahl von Herrn Hans Joachim Wahlbrink zum neuen Landesbeauftragten für den Datenschutz verständigt. Ich möchte dazu drei Anmerkungen machen.
Erstens. Wir sind der Auffassung, dass wir mit Hans Joachim Wahlbrink einen hervorragend geeigneten Kandidaten haben, der heute zur Wahl steht. Ich habe mich in einem persönlichen Gespräch von seiner Kompetenz überzeugen können. Sein Lebenslauf spricht auch dafür: Hans Joachim Wahlbrink ist auf dem Gebiet des Datenschutzes ein anerkannter Fachmann. Kenntnisse aus seiner Tätigkeit als behördlicher Datenschutzbeauftragter im Innenministerium und in der Staatskanzlei sind eine gute Voraussetzung.
Herr Lennartz, ich muss sagen: Ihre Kritik ist da fehl am Platze. Wenn Sie jetzt behaupten, frühere Datenschutzbeauftragte hätten mehr Kompetenz gehabt: Sie haben doch Herrn Burckhard Nedden
immer als besonders guten Datenschutzbeauftragten bezeichnet und mit ihm zusammengearbeitet. Herr Nedden hatte vor seiner Wahl keine Erfahrung im Datenschutz. Er war Abteilungsleiter für Raumordnung und danach zuständiger Koordinator für Verwaltungsreform im Innenministerium. Das heißt, wenn ein Herr Nedden ohne Datenschutzerfahrung gerade nach Auffassung der Grünen ein guter Datenschutzbeauftragter geworden ist, warum soll dann ein Herr Wahlbrink, der vorher mit Datenschutzfragen beschäftigt war, kein guter Datenschutzbeauftragter werden? Diese Logik erschließt sich mir nicht ohne Weiteres.
Zweitens. Wir werden gleich mit Herrn Wahlbrink ein Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in dieses Amt wählen. Ich sage hier eines offen: Es war gute Tradition in diesem Hause, dass das Amt des Datenschutzbeauftragten von der Opposition gestellt wird. Das ist 1991 so gewesen, als Rot-Grün Herrn Dr. Dronsch von der CDU in dieses Amt gewählt hat. Leider ist diese Tradition 1999 vorübergehend beendet worden. Insofern soll das aber auch ein Signal an die Opposition sein, dass - bei allen unterschiedlichen Auffassungen im Rahmen eines Systems von Checks und Balances - wir als christlichdemokratisch/liberale Mehrheit im Hause bereit sind, bestimmte wichtige Ämter an die Opposition abzugeben. Ich meine, das ist ein gutes Zeichen.
Wir hoffen ja, dass es noch sehr lange dauern wird, bis irgendwann die andere Hälfte des Hauses wieder in Verantwortung ist. Aber es wäre schön, wenn wir diese Tradition dann aufrechterhalten könnten.
Drittens. Ich möchte - weil es der Kollege Lennartz angesprochen hat - noch eines zum Thema „Übertragung des Datenschutzes im privaten Bereich“ sagen. Es gab unterschiedliche Auffassungen zwischen der Regierung und den Mehrheitsfraktionen auf der einen Seite und der Opposition auf der anderen Seite. Wir haben die Kritik der Opposition nicht immer ganz nachvollziehen können; denn die Regelung, die in Niedersachsen seit dem 1. Januar besteht, gilt auch in Brandenburg, in BadenWürttemberg und im Saarland. In weiteren sechs Bundesländern ist die Zuständigkeit für den privaten Datenschutz noch nicht einmal im Innenministerium, sondern in einer nachgeordneten Behörde
angesiedelt, nämlich in Rheinland-Pfalz, Bayern, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Insofern war das eine etwas eigentypische niedersächsische Diskussion.
Dennoch: Mir als Fraktionsvorsitzendem war es wichtig, dass wir als Parlament handlungsfähig bleiben. Herr Kollege Jüttner, wir hatten ein gutes Gespräch, in dem wir unsere unterschiedlichen Auffassungen noch einmal haben deutlich machen können.