Meine Damen und Herren, Bürokratie steht eben auch für Rechtssicherheit, für Rechtsschutz, für Gerechtigkeit, für Missbrauchsverhinderung, für Einheitlichkeit, für Interessenausgleich, für Rechtsstaatlichkeit im Allgemeinen. In diesem Sinne ist ein bürokratiefreier Zustand nichts anderes als Anarchie. Wollen Sie das etwa? - Das kann ich mir nicht vorstellen.
Schauen wir uns doch einmal Ihre einzelnen Forderungen an. Da ist die Forderung nach einer 1 : 1-Umsetzung der EU-Vorschriften.
- Da mögen Sie gerne klatschen. Aber ist sie nicht längst zur Floskel verkommen, die beliebig eingesetzt wird, wie es dem eigenen Interesse entspricht? Wenn die eigenen nationalen Standards höher sind, dann fordert man die 1 : 1- Umsetzung. Sind die eigenen nationalen Standards aber gerade einmal niedriger, dann lehnt man die 1 : 1Umsetzung ab. Ich erinnere an das Thema Sozialversicherung für polnische Arbeitskräfte. Da gilt das alles plötzlich nicht mehr.
Wie verträgt sich denn die Forderung nach einer 1 : 1- Umsetzung mit der immer wieder zu hörenden Forderung nach Subsidiarität in der EU, nach der Berücksichtigung regionaler Aspekte? - Sie verträgt sich überhaupt nicht damit. Und wer sagt Ihnen denn letzten Endes, dass EU-harmonisierte Bestimmungen bürokratieärmer sind als andere? Das Gegenteil ist der Fall: Je komplexer der Regelungsraum, umso komplexer ist auch ein Gesetz, eine bürokratische Regelung dazu.
Oder, Herr Kollege Langspecht, nehmen wir das arme Cross Compliance. Das muss ja immer wieder als Beispiel für ein Bürokratiemonster herhalten.
- Das ist es eben nicht, meine Damen und Herren. Es ist doch eine Selbstverständlichkeit, dass sich der Empfänger von Steuergeldern, also von Subventionen, an bestimmte Rechtsvorschriften, ja sogar nur an einen Teil der ihn betreffenden Rechtsvorschriften, halten muss. Wenn Sie meinen, dass das zu viel verlangt ist, dann können Sie mit der gleichen Begründung auch die Ausländerbehörden abschaffen. Da kann ich nur sagen: Nur zu!
Oder nehmen wir das Thema Agrarreform; das ist ja auch angesprochen worden. Warum negieren Sie denn, dass mit der Agrarreform über die Schaffung der Flächenprämie ein deutlich bürokratieärmeres System geschaffen worden ist, als wir es bei den früheren Modellen hatten, Stichwort „Produktionsprämien“. Es geht natürlich noch schlanker: Die Bauern müssen nur auf ihre Subventionen verzichten, dann haben wir da überhaupt keine Bürokratie mehr.
Außerdem müssen Sie berücksichtigen, dass das ganze System sehr viel schlanker hätte sein können, wenn die Landwirtschaft in diesem Zusammenhang nicht so viele Differenzierungen gemacht und Sonderwünsche gehabt hätte.
Wie überhaupt bürokratische Verfahren selten den Wünschen von Politikern, sondern den Forderungen der Gesellschaft und der Betroffenen nach mehr Schutz, Differenzierung und Staatsverantwortlichkeit geschuldet sind.
Das gilt auch für die Forderung nach mehr Kontrollen angesichts fehlbarer Menschen. In der Regel korreliert der Umfang von Kontrollen mit den theoretischen Missbrauchsmöglichkeiten, aber auch mit den praktischen negativen Erfahrungen. Mit den diversen Subventionsbetrugsskandalen in der EU könnte man ganze Bände füllen.
Meine Damen und Herren, ein letzter Satz: Ich halte Ihren Antrag an den Stellen für am problematischsten, an denen Sie unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus den Abbau von Gesundheits-, Verbraucher- und Umweltschutzstandards fordern. Das werden wir nicht mitmachen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Klein, wenn man Ihnen so zuhört, dann könnte man glauben, die Welt auf den Betrieben ist in Ordnung: Die Landwirte leiden nicht unter Bürokratie, sie gehen frisch, fromm, fröhlich, frei an die Arbeit und haben keine Probleme. Aber so ist die Realität auf den Betrieben nicht, und das müssen Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Das kann er ja nicht wissen! - Rolf Meyer [SPD]: Mit dem Antrag ändert sich daran gar nichts!)
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Landwirte sind die mit am stärksten von Bürokratie belasteten Unternehmer.
Dabei zeigt sich die Bürokratie nicht nur in der lästigen Pflicht, Formulare auszufüllen, Anträge zu schreiben und das eigene Handeln zu dokumentieren, sondern sie ist vielmehr bei jeder einzelnen unternehmerischen Entscheidung eines Landwirts präsent. Bei der Entscheidung, welche Frucht er anbaut, muss er nicht nur überlegen, welche er am besten verkaufen kann, sondern auch sehen, dass er seine Prämienrechte aktivieren kann. Darin liegt schon eine Verschärfung der Bürokratie seit der letzten Reform.
Bei der Entscheidung, ob er Viehfutter kauft oder selber herstellt, muss er beachten, welche zusätzlichen Dokumentationspflichten auf einen Futtermittelhersteller zukommen. Bei der Strukturierung ihres Betriebs müssen Bauern aus steuerlichen Gründen Gesellschaften bilden und Tochterfirmen gründen.
Meine Damen und Herren, die Politik hat unsere Bauern durch verfehlte Rahmenbedingungen in den letzten Jahrzehnten zu Steueroptimierern, Prämienmaximierern und Bürokratievermeidern erzogen. Es wird Zeit, dass wir dem ein Ende setzen.
Das ist gar kein Vorwurf an die Landwirte, sondern die Politiker müssen sich an die eigene Nase fassen. Durch den Eingriff in Marktmechanismen haben wir die Landwirte dorthin gebracht, wo sie heute sind. Es ist schmerzhaft, diesen Weg wieder zurückzugehen.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Karin Stief-Kreihe [SPD]: Dann gehen Sie doch mal rückwärts!)
Leider hat auch die jüngste Agrarreform auf europäischer Ebene, deren Ziel es eigentlich war, alles einfacher und besser zu gestalten, dazu beigetragen, dass es noch schlimmer und komplizierter wird.
- Natürlich ist es schlimmer geworden, als es vorher war. Herr Kollege Klein, denken Sie doch einmal daran: Prämienhandel, Prämienaktivierung mit den Flächen, Cross Compliance drohen auszuufern und stellen unsere Landwirte vor neue Probleme. Das können Sie nicht wegdiskutieren.
Natürlich wird es immer Bürokratie geben. Wer eine transparente landwirtschaftliche Produktion will - vom Stall bis an die Ladentheke -, der wird nicht umhinkommen, diese Produktion zu dokumentieren. Darin sind wir uns völlig einig. Wenn wir Pflanzenschutzauflagen und Tierschutzstandards haben, dann ist es notwendig, diese zu kontrollieren. Darin sind wir uns völlig einig. Deswegen geht es aus meiner Sicht auch nicht darum, jedwede Bürokratie abzuschaffen, sondern darum, die notwendige Bürokratie auf ein Mindestmaß zu beschränken und vorhandene Regelungen auf ihre Effektivität und Sinnhaftigkeit zu überprüfen.
Meine Damen und Herren, da ist auf allen Ebenen anzusetzen. 80 % bis 90 % der landwirtschaftlichen Regelungen kommen aus Brüssel. In Europa geht es zunächst darum, lieber weniger als mehr neue Vorschriften zu erlassen.
In der nationalen Umsetzung geht es darum, das europäische Recht nicht noch weiter zu verschlimmbessern, so, wie wir es in der Vergangenheit immer wieder erlebt haben und wie wir es heute z. B. beim Antidiskriminierungsgesetz erleben. Es muss endlich Schluss sein mit nationalem Draufsatteln.
Aber wir haben auch in Niedersachsen Ansatzpunkte. Wir wollen erhobene Daten mehrfach nutzen und Kontrollen auf den Betrieben zusammen
fassen, damit nicht so oft jemand rausfahren muss. Wir wollen uns beim Bund für die Abschaffung der unsinnigen OGS-Zahlungsansprüche und für die Einführung praxisgerechter Bagatellgrenzen einsetzen.
Meine Damen und Herren, Sie haben gefragt, was wir in den letzen Jahren gemacht haben: Wir haben vieles erreicht. Die Schweine- und Legehennenhaltungsverordnungen sind im Bundesrat verabschiedet. Zwar nicht 1 : 1, wie wir uns das gewünscht haben, aber nach der jahrelangen Hängepartie haben wir das endlich hinter uns. Ich bin froh, dass wir eine praxisgerechte Regelung auf den Weg gebracht haben.