Protocol of the Session on March 22, 2006

Ein dritter Punkt erscheint mir sehr wichtig. Der Zugang zum Hochschulstudium wird in vernünftiger Weise verbreitert. Die Studienmöglichkeiten für Absolventen von Fachhochschulen werden denen von Abiturienten angenähert. Damit kommen wir auf dem Weg zu unserem Ziel, immer mehr jungen Menschen eine akademische Ausbildung zu ermöglichen, einen wesentlichen Schritt weiter. Das ist auch deshalb vernünftig, weil - unser niedersächsisches Hochschulzulassungsgesetz von 2004 war dabei ein Meilenstein - die Hochschulen sich ihre Studenten zunehmend selbst auswählen werden und dadurch die Gefahr abnimmt, dass jemand ein für sie oder ihn ungeeignetes Studium beginnt und womöglich scheitert. Viele andere Verbesserungen sind von Herrn Minister Stratmann schon dargestellt worden.

Ich will aber auch nicht unerwähnt lassen, dass es diverse Punkte von unterschiedlicher Bedeutung - von Details bis hin zu grundsätzlichen Fragen gibt, in denen wir noch Beratungsbedarf haben oder bei denen wir überzeugt sind, dass noch bessere als die vorgeschlagenen Regelungen gefunden werden können. Lassen Sie mich einige davon ansprechen.

In § 63 b heißt es:

„Die Medizinische Hochschule Hannover wird von einem Vorstand (zugleich Präsidium...)... geleitet.“

In Bezug auf den Vorstand der Universitätsmedizin Göttingen wird gesagt:

„... er tritt in Angelegenheiten der Universitätsmedizin Göttingen an die Stelle des Präsidiums.“

In § 63 c Abs. 6 - ich will hier niemanden langweilen; es ist aber nötig, dies zu zitieren - heißt es mit Bezug auf die MHH:

„Der Senat kann dem Hochschulrat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder... vorschlagen, dem Fachministerium die Entlassung eines Vorstandsmitglieds vorzuschlagen.“

Eine analoge Regelung ist auch für die Universitätsmedizin Göttingen vorgesehen. So weit, so gut - bis man auf die Idee kommt, zu § 40 zurückzublättern. Im alten, also noch gültigen NHG hatte er die Überschrift: Abwahl von Mitgliedern des Präsidiums. - Im Entwurf des neuen NHG heißt es lapidar: § 40 wird gestrichen. Als Begründung wird angeführt:

„Um während der Amtszeit der Präsidiumsmitglieder die gesetzlich festgelegten Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten klarer zur Geltung zu bringen, wird das Abwahlrecht gestrichen.“

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Juristisch sauber gearbeitet!)

Es ist mir völlig unerfindlich, warum die Vorstände in der Medizin abwählbar sein sollen, die Präsidien aber nicht. Geradezu kurios wird es im Falle der MHH. Wie hieß es doch gleich in § 63 b: Die MHH wird von einem Vorstand (zugleich Präsidium) geleitet. - Ist der Vorstand in seiner Eigenschaft als Präsidium nun unabwählbar, in seiner Eigenschaft als Vorstand aber abwählbar? Ein nicht abwählbares Präsidium - das ist schon merkwürdig. Wenn das Präsidium vom Volk direkt gewählt würde wie der Oberbürgermeister einer Stadt, dann mag es angehen, dass es nicht abwählbar ist. So aber assoziiert man eher einen von oben eingesetzten Statthalter, als dass einem Begriffe wie Demokratieprinzip, Selbstverwaltung oder gar Autonomie in den Sinn kämen.

(Beifall bei der SPD)

Ich will noch einen anderen, scheinbar weniger gravierenden Punkt ansprechen. Es geht um Zielvereinbarungen zwischen Land und Hochschulen. Wenn beide Partner sich einig sind, gibt es kein Problem. Wenn sie sich nicht einig sind, kann das Ministerium eine Zielvorgabe erlassen. „Zielvorgabe“ ist Neusprech aus der Sphäre der Unternehmen für Dienstanweisung. Zielvorgaben gibt es im

bisherigen NHG genauso wie im Entwurf. Es gibt aber einen Unterschied. Bisher kann die Zielvorgabe erfolgen, wenn „dies zur Gewährleistung und Umsetzung der Landeshochschulplanung geboten ist.“ Im neuen Entwurf heißt es: „wenn dies zur Sicherung der Hochschulentwicklung der jeweiligen Hochschule oder der Hochschulen in staatlicher Verantwortung geboten ist.“ Diese Regelung ist hinsichtlich der praktischen Konsequenz vielleicht nicht sehr bedeutend, aber sie zeigt durchaus einen Unterschied im Denkansatz. Bisher beschränkt sich das Ministerium ganz global auf die Landeshochschulplanung. Aber jetzt will sich das Land schon per Gesetz die Möglichkeit sichern, über Zielvorgaben die interne Entwicklung jeder einzelnen Hochschule zu steuern. Das ist das glatte Gegenteil von mehr Autonomie, das ist weniger Autonomie.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Bisher hieß es im NHG: „Gegenstände der Zielvereinbarungen sind insbesondere... die Einrichtung oder Schließung von Studiengängen“.

(Unruhe)

Einen Moment, bitte! - Meine Damen und Herren, ich kann mir zwar vorstellen, dass Sie sich freuen, aber das muss nicht notwendigerweise in dieser Lautstärke sein.

Im neuen Entwurf ist die Rede von der „Einrichtung, wesentlichen Änderung oder Schließung von Studiengängen“. Was ist eine wesentliche Änderung? Muss jetzt eine Hochschule, wenn sie in einem Studiengang eine Pflichtveranstaltung gegen eine Wahlveranstaltung tauschen will oder einen veralteten Lehrinhalt durch einen modernen ersetzen will, jedes Mal das Ministerium um sein Plazet bitten? - Auch hier wäre weniger mehr.

(Zustimmung von Prof. Dr. Hans- Albert Lennartz [GRÜNE])

Es ist manchmal nützlich, sich auf Grundsätzliches zu besinnen. Sinn und Aufgabe von Hochschulen ist es, Forschung und Lehre zu betreiben. Forschung bedeutet Suche nach Wahrheit und Erkenntnis auf wissenschaftlicher Grundlage, und Lehre ist Ausbildung auf wissenschaftlicher

Grundlage, zweckfrei oder mit dem Ziel, einen Beruf zu erlernen - einen wissenschaftsbasierten Beruf.

Die entscheidende Frage ist doch: Wie kommen unsere Universitäten und Fachhochschulen diesen Zielen am besten nahe? Welches Leitbild ist das geeignete? - In den 90er-Jahren hat vor allem unter dem Einfluss der Bertelsmann Stiftung mit ihrem Centrum für Hochschulentwicklung die Idee an Einfluss gewonnen, Hochschulen seien Wirtschaftsunternehmen nachzubilden. Bei dem jetzigen Entwurf beschleicht einen die Vision einer großen Holding namens University of Lower Saxony mit den einzelnen Hochschulen als Filialen der Zentrale MWK. Für Autonomie ist da wenig Raum.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Aber wie angemessen ist der Top-downApproach? Unsere Hochschulen haben bisher den Doppelcharakter von nachgeordneten Behörden und Körperschaften. Wäre es im Sinne der von allen beschworenen Autonomie nicht sachgerechter, das körperschaftliche Element der Hochschulen zu stärken, so, wie es das Hochschulfreiheitsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen vorsieht?

(Glocke der Präsidentin)

- Ich komme zum Schluss.

(Ursula Helmhold [GRÜNE] und Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Nein, bitte noch weiter!)

Wenn wir wirklich Autonomie und Wettbewerb der Hochschulen untereinander ernst nehmen, dann ist die Stärkung körperschaftlicher Elemente, der Unabhängigkeit der Hochschulen mit allen Risiken statt detailfreudiger Bildungsplanwirtschaft die Richtung, in der wir denken sollten.

Wir werden diesen Gesetzentwurf im Ausschuss mit großer Sorgfalt diskutieren. Wir werden eine ausführliche Anhörung durchführen, aus der wir sicherlich viele kluge Anregungen in die weitere Beratung mitnehmen werden. Und wie ich schon zu Anfang sagte: Gut Ding will Weile haben. - Vielen Dank.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion erteile ich jetzt Herrn David McAllister das Wort. Bitte schön, Herr McAllister!

(Heiterkeit bei der SDP und bei den GRÜNEN - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das machen Sie jetzt mal wieder heile, Herr McAllister! - Wolf- gang Jüttner [SPD]: Zieh deine Wort- meldung zurück!)

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit drei Jahren verfolge ich mit großem Interesse alle hochschulpolitischen Debatten in diesem Hause. Ich merke, es ist immer wieder lohnenswert, aufmerksam zuzuhören und die Argumente der Fraktionen zu gewichten. Das werden wir als CDU-Landtagsfraktion selbstverständlich auch tun.

Zwei Vorbemerkungen: Erstens. Frau Andretta, Sie sind nicht die Einzige hier im Hause, die eine Hochschule von innen gesehen hat, obwohl Sie manchmal versuchen, diesen Eindruck zu erwecken.

(Zuruf von der SPD: Na, na!)

Auf jeden Fall höre ich mir Ihre Wortbeiträge immer gern an. Was mir aber auffällt, ist: Egal, zu welchem Thema wir im Landtag sprechen, immer steht in Ihren Reden der Weltuntergang unmittelbar bevor.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich habe mich in der Vorbereitung meiner Rede eingelesen und kann nur feststellen, dass das heute nun wirklich ziemlich daneben war.

Zweitens zu Ihnen, lieber geschätzter Kollege Professor Zielke: Wenn die FDP in einigen kleinen Details noch Beratungsbedarf hat,

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

dann werden wir das selbstverständlich erörtern.

(Beifall bei der CDU)

Wir stehen am Beginn eines Gesetzgebungsverfahrens. Wir werden das im Ausschuss gründlich diskutieren. Wir werden eine Anhörung durchführen und selbstverständlich alle Argumente sorgfäl

tig abwägen, auswerten und dann zu einer guten Entscheidung im Sinne der Universitäten und Fachhochschulen in Niedersachsen kommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Ich habe ei- ne Zwischenfrage!)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Wissenschaftsminister hat den Entwurf der NHG-Novelle heute dem Landtag vorgestellt. Für uns als CDU-Fraktion ist völlig klar: Nach dem Hochschuloptimierungskonzept, dem Zukunftsvertrag und der Einführung von Studienbeiträgen ist diese NHG-Novelle ein weiterer wichtiger Baustein, um unsere Hochschulen in Niedersachsen zukunftsfähig zu machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr McAllister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wenzel?

Nein danke, ich möchte gern am Stück vortragen.