Wir führen die Habilitation wieder ein. Auch dies hatte die SPD 2002 im Handstreich abgeschafft. Übrigens war Niedersachsen dadurch das einzige deutsche Land, das die Habilitation nicht mehr
Ferner sorgen wir dafür, dass Akademische Räte wieder im Beamtenverhältnis auf Zeit eingestellt werden können. Ich habe hier nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich eigentlich die Auffassung vertrete, im Hochschulbereich sollte ein völlig neues Dienstrecht installiert werden, was bedeutet, sich vom Beamtenverhältnis zu verabschieden. Dies funktioniert aber nur, wenn sich alle 16 Länder in dieser Frage einig sind. Solange dies nicht der Fall ist, brauchen wir das Instrument der Akademischen Räte im Beamtenverhältnis, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Wir wollen die Altersgrenze für Professoren von 65 auf 68 Jahre anheben, weil nicht mehr einzusehen ist, warum ein 67- oder 68-jähriger Professor bzw. eine 67- oder 68-jährige Professorin ihre Erfahrungen und ihr Know-how nicht weiter in die Hochschule und damit zum Wohl der Forschung sowie unserer Studentinnen und Studenten einbringen sollen.
Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Wissenschaft und Wissenschaftspolitik sind langfristig angelegt. Auch Investitionen in die Wissenschaft sind langfristig angelegt; denn sie werden in Wissenschaft als „Erwartung des Unerwarteten“ investiert. Sie rechnen sich nicht - um den Präsidenten der Alexander von Humboldt-Stiftung, Professor Dr. Wolfgang Frühwald, zu zitieren - in Quartalsbilanzen. Sie rechnen sich auch nicht in Legislaturperioden. Entscheidungen, die heute getroffen werden, betreffen die Absolventinnen und Absolventen der Jahre 2010 und 2011, die in der nächsten Legislaturperiode liegen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen heute die Straßen bauen, auf denen die nächsten Generationen fahren können.
Diese Langfristigkeit muss Wissenschafts- und Hochschulpolitik kennzeichnen. Hier handeln wir nicht nur für das heute Bestehende, sondern für Einrichtungen, die für die Zukunft Deutschlands und Niedersachsens entscheidend sind.
standswahrer und Bedenkenträger durchzusetzen, die nur die Gegenwart, nicht aber die Zukunft im Kopf haben. Für uns geht es darum, die Zukunft zu gestalten, damit Niedersachsen im Konzert der Länder den Stellenwert erhält, der ihm zusteht. Wir wollen ganz vorne und ganz oben stehen und nicht das Schlusslicht sein. Hochschul- und Wissenschaftspolitik ist dafür eines der Schlüsselthemen. Die Regierungsfraktionen habe dies verstanden; bei der Opposition bin ich mir nicht so sicher.
Den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion bringt Frau Dr. Andretta ein. Ich erteile ihr das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Noch keine vier Jahre ist es her, dass das neue Niedersächsische Hochschulgesetz in Kraft trat - ein Gesetz, das wie keines zuvor die Hochschulen veränderte und vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft zu Recht als das reformfreudigste und modernste Landeshochschulgesetz ausgezeichnet wurde.
Vom Staatsbetrieb zur Stiftung - so war die Reformrichtung vorgegeben: Zielorientierung statt Dirigismus, Eigenverantwortung statt Gängelung. Den Instrumentenkasten kennen Sie: Globalhaushalte statt Einzelzuweisungen, Verzicht auf Detailsteuerung zugunsten von Ziel- und Leistungsvereinbarungen bis hin zur Möglichkeit der Umwandlung von staatlichen Hochschulen in Stiftungen. Nicht nur das Verhältnis von Hochschule und Staat wurde neu bestimmt, auch die innere Hochschulverfassung wurde geändert: Das Präsidium wurde für das operative Geschäft zuständig. Die Senate wurden die kontrollierende und normgebende Instanz, und die neu geschaffenen Hochschulräte sollen die Hochschulen besser in der Gesellschaft verankern. Keine Frage, das Gesetz bildete einen Paradigmenwechsel in der Hochschulpolitik ab, der sicherlich - wir erinnern uns an die Debatten - nicht unumstritten war. Heute wissen wir, dass sich das Gesetz als praxistauglich erwiesen und längst Schule gemacht hat.
Andere Länder folgten dem niedersächsischen Weg. Sogar Bayern hat sich mittlerweile vom Staatsdirigismus verabschiedet. Warum jetzt in Niedersachsen wieder ein neues Hochschulgesetz gemacht werden soll, kann Ihnen niemand beantworten, die Hochschulen am allerwenigsten.
Dort hat niemand nach einem neuen Gesetz gerufen; die Hochschulen in Niedersachsen haben andere Sorgen.
Meine Damen und Herren, offenbar hat das NHG aus dem Jahre 2002 nur einen Makel: Es ist nicht von dieser Landesregierung.
Was macht ein erfolgloser Minister, wenn er nichts vorzuweisen hat? - Er macht eine Gesetzesnovelle.
Was bringt dieses Gesetz wegweisend Neues? Hörte man Minister Stratmann reden, so soll es um die Stärkung der Hochschulautonomie sowie um mehr Eigenverantwortlichkeit und Wettbewerb gehen. Vielleicht glauben Sie das sogar, Herr Minister. Im Gesetz steht davon leider wenig. Auch wenn der jetzt vorliegende Entwurf dicke Klopfer wie die Entmachtung des Senats durch den Hochschulrat, die Degradierung der Privatdozenten oder die politische Entmündigung der Studierenden nicht mehr enthält - der Geist des Gesetzes ist der gleiche geblieben: obrigkeitsstaatliches Denken gepaart mit tiefem Misstrauen gegenüber den Hochschulen.
Ihr Gesetz, Herr Minister, weist nicht den Weg nach vorn. Ihr Gesetz bedeutet Rückschritt für unsere Hochschulen.
Vier solcher Rückschritte nenne ich: Erstens. Das Verhältnis von Hochschule und Staat wird neu justiert; es gibt wieder mehr Gängelung und Detailsteuerung, was das Gegenteil von mehr Eigenverantwortung ist. Zweitens. Das Kräfteverhältnis von Präsidium und Senat wird zuungunsten des Senats verschoben. Drittens. Die Gruppenuniversität wird abgebaut, die Rückkehr zur Ordinarienuniversität wird eingeleitet.
Zum ersten Punkt, dem Verhältnis von Hochschule und Ministerium: Die erkennbare Neujustierung beginnt damit, dass die Beschränkung bei der Beschreibung von Sinn und Zweck von Zielvereinbarungen auf - wie es jetzt im Gesetz heißt „strategische Entwicklungs- und Leistungsziele“ für die Hochschule entfällt. Damit entfällt auch die gesetzte Grenze für die Detailtiefe der Regelungen. Zielvereinbarungen sind keine Rahmenvereinbarung mehr, sondern erinnern an das früher gern genutzte Instrument ministerieller Erlasse. Selbst Änderungen von Studiengängen müssen zukünftig genehmigt und durch Verfügung des Ministeriums beschlossen werden. Dazu passt, dass bei renitenten Hochschulen das Instrument der Zielvorgaben leichter eingesetzt werden kann, nämlich immer dann - so heißt es im Gesetzentwurf -, wenn es „zur Sicherung der Entwicklung der jeweiligen Hochschule geboten ist“, also § 1 Abs. 4 Satz 4. Damit, meine Damen und Herren, schafft sich der Minister jederzeit ein Einfallstor zur Bevormundung der Hochschulen. Von gleicher Augenhöhe und Partnerschaft kann da keine Rede mehr sein.
Punkt 2: Kräfteverhältnis Senat - Präsidium. Zunächst ist es sehr erfreulich, Herr Minister, dass Ihre Pläne zur Entmachtung des Senats durch den Hochschulrat nach massiven Protesten aus den Hochschulen zu den Akten gelegt wurden. Doch war die Vernunft nur von kurzer Dauer; denn jetzt steht im Gesetzentwurf, dass das Präsidium in Zukunft überhaupt nicht mehr abgewählt werden kann. Ihre Begründung im Gesetzentwurf, Herr Minister, dass die Leitungspositionen befristet seien, ist absolut lächerlich. Auch in Zukunft muss es dem Senat möglich sein, bei Verlust seines Vertrauens den Hochschulpräsidenten sofort abzuberufen.
Hier muss das Gleiche gelten wie im Verhältnis des Parlaments zur Landesregierung. Oder wollen Sie auch das Misstrauensvotum des Parlaments mit der Begründung abschaffen, die Regierung sei nur auf Zeit eingesetzt? - Ich bin mir sicher: Die geplante Neuregelung wird vor dem Bundesver
fassungsgericht keinen Bestand haben. Aber Gesetze gegen verfassungswidrige Regelungen gehören mittlerweile zum Kerngeschäft dieser Landesregierung.
Punkt 3: Neupositionierung der Gruppenuniversität. Klare Regelungen zum Abbau der Gruppenuniversität sind die Wiedereinführung des Prinzips der doppelten Mehrheit der Hochschullehrerstimmen in den Gremien bzw. das abschließende Votum der Hochschullehrergruppe. Doktorandinnen und Doktoranden zählen nicht mehr generell zur Gruppe der Mitarbeiter. Als Studiendekan oder -dekanin ist zukünftig nur noch ein Mitglied der Hochschullehrergruppe wählbar.
Nicht eine Frage der Gruppenuniversität, aber der Beteiligung, ist der Rückschritt in der Gleichstellungspolitik.
Frauen sind die klaren Verliererinnen im Gesetzentwurf. Die Verpflichtung der Hochschulen, an der Gleichstellung mitzuwirken, wird abgeschwächt.
Die LNHF wird nicht mehr im Gesetz erwähnt, und die Mitwirkungsrechte der Gleichstellungsbeauftragten werden eingeschränkt.
Ich komme zu Punkt 4, dem eigentlichen Sündenfall des Gesetzentwurfes: Ihr Umgang mit der Idee der Stiftungshochschule. Wir alle wissen: Die CDU hat die Stiftungshochschule nie gewollt. Viele von uns haben noch das Zeter und Mordio von Frau Mundlos im Ohr.
(Reinhold Coenen [CDU]: Was? - Hans-Christian Biallas [CDU]: Was ist das für eine feminine Streitkultur?)
Schlimm genug, dass Sie die Stiftungshochschulen mit bürokratischen Exzessen wie dem Erstellen von doppelten Wirtschaftsplänen traktieren. Schlimmer aber ist, dass § 56 einen neuen Absatz 4 enthält, wonach sich die Finanzhilfe zukünftig „nach Maßgabe des Haushalts“ bestimmt. Meine Damen und Herren, das bedeutet das Ende jeder Berechenbarkeit und Planungssicherheit. Da lässt die Landesregierung - Herr Minister, Sie haben es erwähnt - die Hochschulen den Zukunftsvertrag mit viel Pomp unterschreiben, ein Vertrag, der den Hochschulen weiteres Geld abpresst, ihnen dafür aber für fünf Jahre Planungssicherheit verspricht. Und jetzt, noch keine drei Monate später, legen Sie einen Gesetzentwurf vor, der es zulässt, dass der Finanzminister jederzeit in die Kassen der Stiftungshochschulen greifen kann. Meine Damen und Herren, das ist nicht nur schlechter Stil, das ist auch die endgültige Kapitulation des Wissenschaftsministers vor dem Finanzminister.