Wir haben die Fälle hier vorgetragen, mehrfach, Sie haben alle abgelehnt. Diese Menschen sind enger und sehr deutlicher Bestandteil unserer Gesellschaft geworden. Es gibt einen gesellschaftlichen Konsens und eine klare rechtliche Basis: Solche Menschen haben in unserem Land ein Recht auf Bleibe. Meine Damen und Herren, das muss klar sein, und daran lassen wir auch nicht rütteln!
Wir messen die Mehrheit von CDU und FDP und diese Landesregierung an ihrem humanitären Umgang mit diesen wenigen, aber gravierenden Schicksalen. Meine Damen und Herren, die Eiseskälte, mit der Sie Härtefälle behandeln,
Es gibt Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Flüchtlingsorganisationen und zum Glück eine gut organisierte Zivilgesellschaft in diesem Land. Auf die bin ich besonders stolz, meine Damen und Herren, weil sie aus denjenigen besteht, die das Zuwanderungsgesetz kennen und die sehr genau wissen, dass es bei der Anerkennung von Härtefällen nicht mehr um rechtliche Entscheidungen geht, sondern um etwas, was außerhalb des rechtlichen Entscheidungsbereiches liegt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein Beispiel von den vielen nennen, die wir hier erlebt haben. Dabei gehe ich nicht nur auf die Härtefälle,
sondern auf die Flüchtlingspolitik insgesamt ein. Ich gebe einen Fall zum Besten, und dann beurteilen Sie Ihr Verhalten bitte selbst!
Frau S. kam im Alter von acht Jahren nach Deutschland, Herr S. im Alter von sechs Jahren. Die beiden heiraten, bekommen Kinder. Der Mann erhält ein Bleiberecht. Seine Frau - im dritten Monat schwanger - wird am 10. Februar 2005 mit ihrer einjährigen Tochter abgeholt, während der Ehemann die größeren Kinder gerade zur Schule bringt. Sie wird nach Istanbul abgeschoben. Das Kind wird dort geboren. Sie lebt seither unter erbärmlichsten Umständen getrennt von ihrer gesamten Familie in Izmir.
(Bernd Althusmann [CDU]: Izmir? Das liegt doch in der Türkei! Sie wollen doch, dass die Türkei in die Europäi- sche Union kommt!)
Deshalb fordern wir Sie auf: Kehren Sie um, und geben Sie dem Land ein humanitäres Gesicht zurück! Das ist das, was wir von Ihnen erwarten. Ich hoffe, Sie haben es eingesehen, nachdem Sie bereits jetzt beginnen, innezuhalten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland ist ein Einwanderungsland. Wir brauchen die Einwanderung wegen unserer demografischen Entwicklung. Daher ermöglicht das Zuwanderungsgesetz auch die Einwanderung nach Deutschland. Die Zuwanderer können für Deutschland einen wertvollen Beitrag leisten.
Das Zuwanderungsgesetz funktioniert in dem Bereich der Zuwanderung von außen. Allerdings trifft es keine besonderen Regelungen für die Zuwanderung von innen. Das heißt, auch wer sich seit Jahren als Bürgerkriegsflüchtling im Rahmen eines Asylverfahrens oder auf andere Art und Weise in Deutschland aufhält, muss die gleichen Auflagen erfüllen wie jemand, der erst noch von außen zu uns kommen möchte und natürlich noch gar nicht integriert sein kann. Dies hat der Bundesgesetzgeber bedauerlicherweise so gewollt. Genau dies führt zu den problematischen Situationen, die wir
auch hier in Niedersachsen erleben. Tragische Einzelschicksale scheitern an diesen Zuwanderungshürden des Bundesrechts. Genau hier sollte man ansetzen, wenn man den Menschen, die davon betroffen sind, helfen will.
Der Weg, auf Länderebene über Härtefälle oder anderes das Bundesrecht zu umgehen, ist falsch. Gerade als Rechtsstaatspartei ist man an Recht und Gesetz gebunden. Wenn man das geltende Recht allerdings für falsch hält, muss man alle Anstrengungen unternehmen, um es an die tatsächlichen Erfordernisse anzupassen.
(Beifall bei der FDP - Christa Elsner- Solar [SPD]: Das kann man gar nicht, so vielfältig, wie das Leben ist!)
Wir halten es für falsch, Einzelfälle mit allen persönlichen Details in der Öffentlichkeit zu thematisieren.
Natürlich ist die Versuchung groß, aus menschlichen Schicksalen, die uns genauso ans Herz gehen wie Ihnen, politische Vorteile zu ziehen. Aber es ist niemandem damit gedient, wenn dann auch andere Aspekte, die vielleicht für den Rest der Familie zu privat sind, in der Öffentlichkeit debattiert werden müssen. Zumindest für uns ist es klar, dass es im Zusammenhang mit Straftaten oder Betrug bei Sozialleistungen eine Grenze gibt, die niemand überschreiten sollte.
Auch ist es nicht fair, auf Landesebene mit Bedenken zu argumentieren, die im Herkunftsland begründet sind. Es gibt im Zuwanderungsgesetz eine klare und auch richtige Aufgabenteilung zwischen Land und Bund. Wir haben hier in Niedersachsen zu prüfen, ob es bei uns begründete Härten gibt, die dazu führen können, dass wir von feststehenden Regeln des Zuwanderungsgesetzes abweichen.
Wenn wir Bedenken haben, die im Herkunftsland oder im Rückkehrland begründet sind, so kann diese nur der Bund prüfen und auch beurteilen. Wir haben hier in Niedersachsen nun einmal kein Auswärtiges Amt, sondern beziehen unsere Erkenntnisse aus den Medien, aus anderen Berich
ten oder vielleicht im Einzelfall aus persönlichen Erfahrungen. Derartige Eingaben sollten deshalb vom Bundesamt bzw. vom Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages geprüft werden, wo die Fachkompetenz auch vorhanden ist. Entscheiden wir hier in Niedersachsen über die Punkte, die wir wirklich beurteilen können - das sind menschliche Härten, die in Niedersachsen entstehen!
Aber lassen Sie uns bitte nicht nur über die Ausnahmen oder die Härtefälle reden. Wir halten es für dringend erforderlich, dass wir das Problem im Grundsatz angehen. Wir wollen, dass Menschen, die schon lange in Deutschland leben, die hier integriert sind und sich nichts haben zuschulden kommen lassen, nicht länger die gleichen Hürden überwinden müssen wie Menschen, die erst noch zu uns kommen wollen. Ich habe schon öfter in der Öffentlichkeit gesagt und wiederhole es hier im Plenum gern für die gesamte FDP-Fraktion: Wir wollen, dass diese Menschen die Möglichkeit bekommen, einen dauerhaften Arbeitsplatz anzunehmen, um selber für ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Dann wird auch niemand ernsthaft erklären können, warum in solchen Fällen eine Rückkehr erforderlich sein sollte. Wir wollen in diesen Fällen ein dauerhaftes Bleiberecht.
Ich freue mich, dass dieser Weg immer mehr Unterstützer findet. In der Ausgestaltung kann man natürlich über Details reden. Das Bundesland Hessen hat bereits Vorschläge zur Öffnung des Arbeitsmarktes gemacht. Diese Bewegung begrüßen wir sehr.
Lassen Sie uns aber auch über die jungen Erwachsenen nachdenken. Es ist in meinen Augen absolut unverständlich, warum wir nicht eigene Aufenthaltstitel für junge Erwachsene haben. Es kann doch immer Fälle geben, in denen wir alle sagen würden, dass aufgrund des Verhaltens der Eltern ein Bleiberecht absolut unvertretbar ist. Warum sollen in solchen Fällen die jungen Erwachsenen nicht selber entscheiden können, was für sie das Beste ist, ob sie hier studieren, eine Ausbildung machen oder, falls sie eine Ausbildung haben, einen Arbeitsplatz antreten wollen.
Politik und Gesetze können nicht jeden Einzelfall regeln. Wir wollen aber jedem Einzelnen die Möglichkeit einräumen, sich selber frei entscheiden zu können.
Ich bitte Sie eindringlich: Lassen Sie uns gemeinsam auf Bundesebene für eine Änderung im Zuwanderungsrecht werben! Der Bund ist in der Verantwortung. Lassen Sie es uns gemeinsam in einer fraktionsübergreifenden Initiative tun und diese nach Berlin tragen. Es geht nicht darum, hier als Sieger aus einem politischen Streit hervorzugehen. Es geht darum, den Menschen zu helfen. Die FDP ist hierzu bereit. - Vielen Dank.
Sie muss berechenbar sein für diejenigen, die als Flüchtlinge Schutz benötigen, berechenbar aber auch für diejenigen, die Flüchtlingen Schutz gewähren und dafür persönlich und finanziell einstehen. Sie muss nicht zuletzt berechenbar sein auch für diejenigen in den Behörden, die nach den gesetzlichen Vorgaben festzustellen haben, wer schutzbedürftig ist und bleiben darf oder aber wer nicht schutzbedürftig ist und deshalb ausreisen muss.
Meine Damen und Herren, diese Berechenbarkeit beruft sich auf einen breiten Konsens, der auch in diesem Haus immer geherrscht hat, nämlich das Zuwanderungsgesetz,
Wer schutzbedürftig ist, muss auch Schutz erhalten. Deshalb wurde mit dem Zuwanderungsgesetz auch gesetzlich klargestellt, dass Schutz nach der Genfer Konvention auch Flüchtlingen gewährt wird, denen Gefahr durch nichtstaatliche oder geschlechtsspezifische Verfolgung droht. Im Zuwanderungsgesetz ist aber genauso geregelt, dass wir Zuwanderung steuern und begrenzen müssen. Und daraus folgt: Wer unerlaubt eingereist und nicht wegen der Verhältnisse in seinem Herkunftsstaat schutzbedürftig ist, muss auch wieder ausreisen.
Es war bisher breiter Konsens, insbesondere auch bei meinen Vorgängern Herrn Glogowski und Herrn Bartling: Wer nach Deutschland kommt und sich wegen falscher Angaben zu seiner Person hier aufhält oder seine Ausreise verhindert hat und in nicht unerheblicher Höhe - meistens geht es sogar um mehrere 100 000 Euro - öffentliche Leistungen kassiert hat, muss wieder ausreisen, und wenn er das nicht freiwillig tut, muss er im Extremfall auch abgeschoben werden, so schwer einem eine solche Entscheidung auch fällt.