Protocol of the Session on January 26, 2006

(Zuruf von der SPD: Sie sind auch schlauer geworden!)

Er ist damals - insofern ist Herr Buß nur konsequent - an dem Widerstand des damaligen Ministers Schily gescheitert. Insofern ist die Haltung der SPD hier durchaus konsistent.

Allerdings schauen Sie nicht über den Tellerrand, meine Damen und Herren. Das muss man ganz deutlich sagen. Artikel 87 des Grundgesetzes gehört nicht zum Grundrechtskatalog des Grundgesetzes. Er ist durchaus änderbar. Es sind auch andere Möglichkeiten denkbar, zu einer solchen Zusammenarbeit zu kommen, die einheitliche und schlanke Entscheidungsstrukturen in einer Behörde zulässt.

Ich will es noch einmal ganz deutlich hervorheben: Es ist schlicht und ergreifend nicht nachvollziehbar, warum eine Vielzahl von Schiffen unterschiedlicher Behörden im niedersächsischen und angrenzenden AWZ-Küstenmeer herumdümpelt und jeder seine eigene Aufgabe wahrnimmt. Was spricht denn dagegen, gemischte Besatzungen einzurichten, um flächendeckend den gesamten Kontrollumfang wahrnehmen zu können? - Das ist bislang nicht der Fall.

Es geht hier auch nicht um eine Mammutbehörde, sondern es geht letztendlich nur darum, dass man die Vielzahl von Zusammenarbeitserlassen, von

Koordinationsstellen zu einer einheitlichen Leitung, zu einer einheitlichen Behörde zusammenführt. Das macht man an anderer Stelle auch. Oder aus welchen Gründen hat diese Landesregierung ein NLWKN unter einer einheitlichen Leitung geschaffen? Können Sie mir das mal verraten?

(Zuruf von Wolfgang Ontijd [CDU])

- Das ist mir ja völlig egal.

(Wolfgang Ontijd [CDU] lacht)

- Nein, Herr Ontijd, es geht ganz klar darum, zu einer sachlich vernünftigen Struktur zu kommen

(David McAllister [CDU]: Sie sind ein Zentralist!)

und das, was sich sozusagen in 50 Jahren Föderalismus entwickelt hat, auf das absolut inhaltlich notwendige Maß zurecht zu stutzen. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Stutzen, das wollt ihr, ja!)

Herr Riese, Sie haben eine halbe Minute Redezeit.

Es ist guter Stil, verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, dann, wenn Legenden entwickelt werden, denen an dieser Stelle sofort vorzubeugen, so wie man Unkraut immer möglichst früh ausrotten sollte.

Mit ihrem Antrag in der Drucksache 15/4847 vom 16. Februar 2005 beantragt die FDP im Deutschen Bundestag, ein Gutachten in Auftrag zu geben, das einen möglichen Aufbau und die zu erwartenden Effizienzgewinne einer nationalen Küstenwache als eigenständige Behörde untersucht. - Erst die Kenntnis, dann die Tat!

(Beifall bei der FDP)

So, jetzt schreiten wir zur Tat. Wir stimmen nämlich über die Ausschussüberweisung ab. Federführend soll sich der Ausschuss für Inneres und Sport und mitberatend der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie der Unterausschuss „Häfen und Schifffahrt“ mit diesem Antrag befas

sen. Wer möchte so verfahren? - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist einstimmig so beschlossen worden.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 29: Erste Beratung: Keine elektronischen Fußfesseln! Auch nicht für potenzielle islamistische Gewalttäter! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2534

Zu diesem Antrag findet antragsgemäß die erste Beratung statt. Ich erteile Herrn Professor Dr. Lennartz das Wort zur Einbringung. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sozusagen als Geschenk zum Fest des Friedens, nämlich zu Weihnachten, kam die Ankündigung von Innenminister Schünemann, in der Innenministerkonferenz 2006 eine Änderung des Aufenthaltsgesetzes mit der Einführung elektronischer Fußfesseln für so genannte islamistische Gewalttäter durchsetzen zu wollen. Offensichtlich wollte sich Herr Schünemann im CDU-internen Wettkampf des symbolischen Aktionismus nicht von Bundesinnenminister Schäuble abhängen lassen, der für den gleichen Personenkreis eine ebenfalls verfassungsrechtswidrige Vorbeugehaft fordert.

Markenzeichen der Konservativen im Bereich der inneren Sicherheit ist inzwischen die Rhetorik der Militanz. Neues Bekämpfungsrecht wird geschaffen. Es wird nicht mehr an das konkrete Tun der Person angeknüpft, sondern an die so genannte Gefährlichkeit einer Person.

Gegen diese bewusst inszenierte Demontage des Rechtsstaates muss an zwei elementare Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit erinnert werden. Auch im Bereich der Terrorismusbekämpfung gilt, dass der Staat die Freiheit eines Menschen nur nach einem ordentlichen Gerichtsverfahren wegen eines konkreten Gesetzesverstoßes oder vorübergehend zur Abwendung einer nachweislich unmittelbaren Gefahr durch einen Tatverdächtigen nach richterlicher Anordnung einschränken darf.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Mit dem Kriterium der Gefährlichkeit einer Person werden die Prinzipien des Ausnahmezustands in den Rechtsstaat implantiert. Das alles, von der Verfassungswidrigkeit einmal abstrahiert, hat in Niedersachsen auch schon deswegen keine Berechtigung, weil es hier eine islamistische Bedrohung nicht gibt.

(Zustimmung bei der SPD)

Schon auf meine Anfrage zur Bekämpfung islamistischen Terrorismus in Niedersachsen in der Drucksache 760 hat die Landesregierung vor zwei Jahren einräumen müssen, dass es außer einem Ermittlungsverfahren ohne eine konkrete Zuordnung zum Islamismus seit dem 11. September 2001 keine weiteren Verfahren gegeben habe. Auch in den Folgejahren 2004 und 2005 hat sich dieser Befund nicht geändert, sodass schon die umfangreichen seit 2003 vorgenommenen über 15 000 Personenkontrollen im Umfeld von Moscheen in Niedersachsen unverhältnismäßig und damit rechtswidrig waren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dem symbolischen Aktionismus des Innenministers entspricht auch seine Weigerung, zeitnah die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2005 durch Überarbeitung des niedersächsischen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes umzusetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Was soll das denn?)

Sie erinnern sich: Das Bundesverfassungsgericht hat § 33 a des niedersächsischen Polizeigesetzes für verfassungsrechtswidrig und nichtig erklärt.

(David McAllister [CDU]: Mit der ge- botenen Sorgfalt werden wir das ma- chen!)

Aus dieser Entscheidung müssen Konsequenzen gezogen werden - nicht nur in Bezug auf die Regelung des § 33 a, sondern auch auf eine ganze Reihe weiterer Tatbestände des Gesetzes.

Weder unser Antrag zur Korrektur schon vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum großen Lauschangriff vom Sommer 2004 noch der Gesetzentwurf der SPD zur Änderung des Polizeigesetzes im Gefolge der

eben erwähnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Sommer 2005, mit der die vorbeugende Telefonüberwachung für nichtig erklärt wurde, sind bislang überhaupt auch nur inhaltlich beraten worden.

Ich wundere mich schon, Herr Schünemann, dass Sie innerhalb des Kabinetts offensichtlich juristische Narrenfreiheit genießen. Ihr Ministerpräsident, der bekanntlich Jurist ist, also einschätzen können müsste, wie Ihr Agieren zu bewerten ist, nimmt die Richtlinienkompetenz aus Artikel 37 der Niedersächsischen Verfassung nicht wahr.

Meines Erachtens muss die Opposition in diesem Haus, wenn Sie, Herr Innenminister, nicht kurzfristig endlich einen Gesetzentwurf zur rechtsstaatlichen Korrektur des Polizeirechts vorlegen, die Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 40 der Niedersächsischen Verfassung - das ist die Anklage gegen Mitglieder der Landesregierung wegen vorsätzlicher Verfassungsverletzung - prüfen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Hartmut Möll- ring [CDU]: Herr Professor, Sie sind doch klüger! Sie wissen doch, wie man so etwas macht!)

Das Wort hat die Kollegin Merk für die SPDFraktion. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ganz offensichtlich gefällt sich der Niedersächsische Innenminister zunehmend in der Rolle als Buhmann. So lässt er über die Presse munter verkünden - insbesondere beim Thema Flüchtlingspolitik -: Ich habe keine Angst, der Buhmann zu sein. Herr Minister, mit Verlaub, das spüren wir, ja, das glauben wir Ihnen sogar. Nur, Herr Minister, weder hier noch bei der Frage der elektronischen Fußfessel für gewaltbereite Islamisten stellt sich die Frage des Buhmanns. Vielmehr stellt sich die Frage an den Verfassungsminister, wie er es mit der Verfassung hier in Niedersachsen hält.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Da wird uns - auch den meisten Innenministern der Länder, insbesondere aber auch den Verfassungs

rechtlern - nicht nur mulmig, sondern wir sind in Sorge um dieses Land.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Oh!)

Es wird immer klarer: Dieser Minister will mit dem Kopf durch die Wand. Er posaunt erst einmal heraus, was ihm handfeste Schlagzeilen liefert. Den Blick ins Gesetz scheut er wie der Teufel das Weihwasser. Aber er kennt auch nicht den Satz, der Blick ins Gesetz fördert die Rechtskenntnis ganz ungemein. Sonst hätte er einen solchen Vorschlag ja wohl nicht machen können.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, nun hätte er das ja wenigstens die ihm zur Seite sitzende Justizministerin machen lassen können. Aber auch sie übergeht er. Er übergeht sogar das gesamte Kabinett, die Fraktion der FDP als Koalitionspartner ebenso. Er fragt auch nicht den ehemaligen Rechtsanwalt und heutigen Ministerpräsidenten. Und so nimmt es auch nicht Wunder, wenn sich selbst der Nichtjurist Herr Umweltminister Sander ganz spitz dazu äußert. Er sagt: „Das ist ein lustiger Vorschlag. Er fällt in die nachrichtenarme Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr.“

(Ina Korter [GRÜNE]: Das ist typisch Sander! - Hans-Dieter Haase [SPD]: Ist der Sander denn jetzt für alles zu- ständig?)

Und der Fraktionsvorsitzende der FDP, auch Nichtjurist, aber auch geschärft im Verstand, sekundiert ihm: „Rechtsstaatlich bedenklich und zur Terrorismusbekämpfung ungeeignet.“ - Recht haben die Herren, meine Damen und Herren. Ich hoffe, dass sehen alle hier im Parlament so.