Tagesordnungspunkt 13: Zweite Beratung: a) Größere Spielräume für Wissenschaft und Forschung - Finanzminister Möllring muss Wissenschaftstarifvertrag jetzt verhandeln! - Antrag der Fraktion der SPD Drs. 15/1908 - b) Ein eigenständiger Wissenschaftstarifvertrag für attraktive Rahmenbedingungen in Wissenschaft und Forschung - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1969 - c) Wissenschaftstarifvertrag vorantreiben - Blockadehaltung der Gewerkschaft gefährdet den Wissenschaftsstandort Niedersachsen Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP Drs. 15/2210 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur Drs. 15/2282
Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur lautet zu c) auf Annahme und zu a) und b) auf Ablehnung.
Die erste Wortmeldung liegt mir von Frau Graschtat von der SPD-Fraktion vor. Bitte schön, Frau Graschtat! Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die wichtigste Feststellung am Anfang: Die Verhandlungen über einen Wissenschaftstarifvertrag sind wieder in Gang gekommen. Am 27. September ist in einem Spitzengespräch zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgebern der Länder vereinbart worden, neben Arbeitsgruppen für Lehrkräfte und Krankenhauspersonal auch eine Arbeitsgrup
pe „Tarifliche Regelungen im Bereich der Wissenschaft“ zu bilden. Die SPD-Fraktion begrüßt diese Entscheidung außerordentlich. Damit ist die Blockadehaltung von Herrn Möllring als Führer der TdL jedenfalls in diesem Fall gescheitert.
Über die Motivation kann man spekulieren. Vielleicht hat man sich doch nicht getraut, allein mit dem Marburger Bund zu verhandeln, der für die von ihm vertretenen Krankenhausärzte Gehaltssteigerungen von 30 % fordert, ohne mit ver.di auch über das übrige Krankenhauspersonal zu sprechen.
Die Arbeitsgruppe Wissenschaft hat am 26. Oktober zum ersten Mal getagt. Die zweite Sitzung wird am 24. November stattfinden. Es gibt also endlich Bewegung bei einem Thema, das für die Hochschulen und die dort Beschäftigten von großer Bedeutung ist.
Durch unseren Antrag im Mai-Plenum haben wir zu dieser Entwicklung offenkundig beigetragen, auch wenn die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen - in diesem Falle in Person von Herrn Röttger und Herrn Professor Zielke - unseren Antrag - wie könnte es auch anders sein? - als überflüssig bezeichnet haben.
Auffällig ist allerdings, dass Finanzminister Möllring im Juni in der HAZ und Wissenschaftsminister Stratmann in der Reformzeit vom 7. Oktober plötzlich öffentlich dringenden Handlungsbedarf in Sachen Wissenschaftstarifvertrag bekundeten.
Meine Damen und Herren, wir reden heute nicht nur über unseren Antrag; denn zwei weitere Anträge sind hinzugekommen.
Der Antrag der Grünen unterscheidet sich in zwei Forderungen vom Antrag der SPD: Zum einen sind die Grünen der Auffassung, wissenschaftsadäquate tarifliche Regelungen seien nur in einem eigenständigen Tarifvertrag zu erreichen; nicht die Länder, sondern die HRK solle verhandeln. Dabei gibt es aber ein gravierendes Problem: Nicht die HRK finanziert die Hochschulen, sondern die Länder tun es. Deshalb gehen wir einen anderen Weg. Wenn man sich die Regelungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst, der seit dem 1. Oktober gilt, genau ansieht, muss man zu dem Schluss
kommen, dass er eine gute Grundlage darstellt, auf der man wissenschaftsspezifische Vereinbarungen treffen kann.
Außerdem müssen die Bundesländer ein Interesse daran haben, ihre Arbeitgeberfunktion zu behalten und sie nicht an die HRK abzugeben. Wir teilen in dieser Frage ganz ausdrücklich die Haltung des Geschäftsführers der TdL, Herr Rieger, und der Gewerkschaften. Dass die Hochschulen an den Verhandlungen beteiligt sein müssen, ist klar; das wird auch so gehandhabt. Mit der TdL und den Gewerkschaften sitzen für die Hochschulen am Tisch der stellvertretende Generalsekretär der HRK, Herr Weber, sowie die Vizepräsidenten der Uni Heidelberg, Frau Dr. Frost, und der Uni Hildesheim, Herr Dr. Grahl.
Die zweite Forderung der Grünen, den Beamtenstatus in der Wissenschaft abzuschaffen, findet zwar viele Unterstützer, z. B. Herrn Minister Stratmann, den Wissenschaftsrat und uns. Aber hier in Hannover würde dann eine neue Koalitionskrise drohen; denn wie wir aus den Ausschussberatungen wissen, sind Herr Professor Zielke und die FDP strikt dagegen. Die FDP will offenkundig die Beamtenuniversität behalten.
Bei diesem Thema müssen allerdings dicke Bretter gebohrt werden. Nur dann, wenn alle Bundesländer an einem Strang ziehen, wird es eine Lösung geben. Die Möglichkeit, Professoren im Angestelltenverhältnis zu beschäftigen, gibt es schon heute. Aufgrund der Konkurrenz der Bundesländer um die besten Köpfe setzt sich allerdings bisher die besondere Attraktivität des Beamtenstatus für die Betroffenen in der Regel durch.
Deshalb lautet unsere Position, dieses Thema zielstrebig, aber getrennt vom Wissenschaftstarifvertrag weiter zu verfolgen.
Nun zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP, der eine interessante Geschichte hat. Herr Röttger erklärte in der ersten Beratung, eine Befassung des Landtages mit diesem Thema sei überflüssig, Minister Möllring würde es schon richten. Am 9. Juni erfuhren wir dann im Wissenschaftsausschuss von Frau Trost, CDU und FDP wollten einen eigenständigen Tarifvertrag und kein Spartenfenster, dazu werde im Juni-Plenum ein eigener Antrag eingebracht. Darauf warteten wir
alle vergeblich. In der Ausschusssitzung im September wurde mitgeteilt, der Antrag sei schon in der Welt, würde aber noch beraten. Am 22. September war es dann endlich so weit. Wer allerdings erwartet hatte, dass vier Monate Beratungszeit in der CDU zu Ergebnissen geführt hätten, der sah sich getäuscht.
Was ist nun neben Allgemeinplätzen, Falschdarstellungen und völlig unsinnigen Schuldzuweisungen an die Gewerkschaften herausgekommen? Die zentrale Forderung des Antrags, der vermutlich, wie wir befürchten, gleich beschlossen wird, ist: Die Landesregierung wird - in Klammern sage ich: untertänigst - gebeten, sich im Rahmen ihrer Handlungsmöglichkeiten weiterhin für einen angemessenen Wissenschaftstarifvertrag einzusetzen. - Dieses Papier hätte man wahrlich sparen können.
Wir müssen feststellen: Die Ankündigung von Herrn Röttger und Herrn Professor Zielke in der ersten Beratung, CDU und FDP würden sich mit diesem Thema befassen, ist leider nicht umgesetzt worden.
Das ist zwar ein Armutszeugnis, schadet der Sache in diesem Falle aber nicht; denn wichtig ist, dass verhandelt wird. Wie man hört, besteht nach der ersten Runde in einigen Fragen durchaus Einigkeit. Allerdings gibt es auch noch viele Dissenspunkte.
Die neue Regelung sollte grundsätzlich für alle in einem Arbeitsverhältnis an den Hochschulen Beschäftigten gelten.
Trotz aller Notwendigkeit von Flexibilität darf es nicht dazu kommen, dass alle Risiken von den Hochschulen auf die dort Beschäftigten verlagert werden.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, wir können nur an Sie appellieren, auf den fahrenden Zug aufzuspringen und unserem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wohl wir alle hier im Hause sind uns einig, dass wir für den Wissenschaftsbetrieb eigenständige Tarifregelungen brauchen. Hochschulen stehen im internationalen Wettbewerb um Studierende, um Wissenschaftler und um die besten Ergebnisse in Lehre und Forschung. Daher brauchen sie zum einen eine leistungsbezogene Bezahlung statt einer Bezahlung nach formalem Ausbildungsbezug, wissenschaftsspezifische Anreizsysteme, die Aufnahme spezifischer Befristungsgründe und Beendigungsmodalitäten für die Beschäftigungsverhältnisse sowie wissenschaftsspezifische Arbeitszeitregelungen.
Der Dissens, um den es bei den vorliegenden Anträgen geht, besteht eigentlich nur darin: Regelt man diese Frage im Rahmen eines Spartentarifvertrags unter dem Dach des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst, oder löst man das Problem mit einem eigenständigen Wissenschaftstarifvertrag?
Meine Damen und Herren, wir Grüne sprechen uns eindeutig für einen eigenständigen Tarifvertrag aus. Bei den entsprechenden Verhandlungen sollen die Wissenschaftseinrichtung, die Hochschulvertretung, aber natürlich, liebe Frau Graschtat, selbstverständlich auch die Länder und der Bund mit am Tisch sitzen. Wir teilen ausdrücklich die Einschätzung der Hochschulrektorenkonferenz, dass man Hochschulangehörige nicht denselben tariflichen Bestimmungen wie Verwaltungsangestellte unterwerfen kann.
Auch wenn ein Spartentarifvertrag natürlich die Möglichkeit bietet, die Besonderheiten einzelner Berufe abzubilden, so bewegen sie sich aber immer unter dem Dach des jeweiligen Rahmentarifvertrags, in diesem Falle des TVöD. Ich meine, genau an dieser Stelle schaffen wir nicht die nötige Flexibilität, die wir im Hochschulbereich brauchen.
Die jüngsten Ergebnisse der Verhandlungsrunde zwischen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und den Gewerkschaften am 26. Oktober - Frau Graschtat hat es angesprochen - bestätigen aus unserer Sicht diese Einschätzung. Der Austritt des Marburger Bundes aus dem Tarifverbund mit ver.di, wie immer man ihn im Einzelnen bewerten
mag, macht aber doch deutlich, dass die Subsumierung der Interessen verwaltungsfremder Betriebe und ihrer Beschäftigten unter dem Stichwort „öffentlicher Dienst“ nicht mehr angemessen ist.
Meine Damen und Herren, zu einem flexiblen Tarifsystem, das sowohl der Wettbewerbssituation der Hochschulen als auch der hohen, grenzüberschreitenden Mobilität im Wissenschaftsbetrieb gerecht wird, gehört aus grüner Sicht allerdings auch ganz klar die Abschaffung des Beamtenstatus; denn Lehre und Forschung sind schlicht und ergreifend keine hoheitlichen Aufgaben.
Nun lagen, was die Beratung im Ausschuss angeht, beide Optionen - Spartentarifvertrag in Form eines SPD-Antrages und eigenständiger Wissenschaftstarifvertrag als Antrag der Grünen - auf dem Tisch. Aber anstatt sich für eine dieser beiden Positionen zu entscheiden, versuchen Sie, werte Kollegen von der CDU und FDP, sich mit Ihrem Antrag schlicht und ergreifend zwischen den Konfliktlinien hindurchzulavieren. Den Problemen helfen Sie damit aber nicht ab.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Ihre Bitte an die Landesregierung, „sich im Rahmen ihrer Einflussmöglichkeiten weiterhin für einen angemessenen Wissenschaftstarifvertrag einzusetzen“, ist - sorry - absolut nichts sagend. Außerdem: Was heißt denn hier „weiterhin“? Dass Sie schon die Kündigung bestehender Tarifverträge als Durchbruch feiern - das erwähnen Sie in der Begründung zu Ihrem Antrag -, ist angesichts des Reformstaus im Tarifrecht gerade auch im Hochschulbereich regelrecht peinlich.
Ich komme gleich zum Ende. - Meine Damen und Herren, wenn Sie Ihrer Verantwortung als Mehrheitsfraktionen gerecht werden wollen, dann ziehen Sie Ihren Antrag zurück, der nichts anderes als ein Persilschein für den Finanzminister ist. Bekennen Sie dann Farbe, ob Sie einen Spartentarifvertrag oder einen eigenständigen Wissenschaftstarifvertrag wollen; denn sonst geben Sie
den Hochschulen ein weiteres Mal nur das Signal, dass die hochschulpolitische Richtlinienkompetenz in diesem Lande beim Finanzminister liegt. - Danke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Graschtat, was lange währt, wird bekanntlich gut. Deshalb zeigt auch der Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP den richtigen Weg auf. Ihren Antrag haben wir im Mai ausreichend diskutiert. Sie haben hier nichts Neues darstellen können. Von daher gesehen braucht man sich damit überhaupt nicht zu befassen.