Protocol of the Session on September 15, 2005

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das wäre ein sehr differenziertes Gespräch!)

In Richtung der FDP kann ich nur sagen: Auch in dem Beitrag von Herrn Rösler gestern ist deutlich geworden, dass in der FDP das Motto gilt: Jeder ist seines Glückes Schmied. Hast du Glück, in eine Familie geboren zu werden, in der genügend Geld vorhanden ist, dann wird das für dich schon ordentlich laufen. Wenn du dieses Glück nicht hast, dann musst du zusehen, wie du zurecht kommst.

Von daher will ich eine Anmerkung zum Thema Lernmittelfreiheit machen. Sie war, Herr Minister, noch nie ohne Elternbeteiligung. Die Eltern haben sich auch bei uns, als wir an der Regierung waren, immer an den Kosten des Lernens beteiligt. Von daher ist der Begriff der Lernmittelfreiheit ein bisschen kritisch zu sehen, weil Freiheit eigentlich bedeuten würde, dass die Eltern nicht beteiligt sind. Es hat sie nur einmal eine kurze Zeit nach dem Krieg gegeben, als die Amerikaner in ihrer Zone die Lernmittelfreiheit komplett angeordnet hatten. Die nachfolgenden Länderregierungen haben sie dann aufgehoben. Es hat die Elternbeteiligung immer gegeben, Herr Minister. In der Neuen Presse vom 25. August findet sich Ihre Aussage „Etwas Wertvolles wie Bildung sollte nicht ganz umsonst sein“. Lieber Herr Minister, das wissen die Eltern allemal schon ganz lange. Sie setzen sich nicht nur über die Beteiligung an den Unterrichtsmaterialien ein,

(Beifall von Ina Korter [GRÜNE])

sie arbeiten in Fördervereinen mit, sie nehmen an Schulfesten teil und Ähnliches. Diese Information war also nicht ganz in Ordnung.

Nun zu dem Thema, wie man so etwas gestalten soll. Frau Bertholdes-Sandrock, Sie haben davon gesprochen, wie ungerecht es ist, wenn man wohlhabenden Eltern und nicht wohlhabenden Eltern die Bücher gleichermaßen gibt. In diesem Zusammenhang möchte ich eine Anmerkung in Richtung des Ministers machen. Ich finde, es ist richtig, Herr Minister, dass Sie im Haushaltsplan Mittel für alle Bezieher von Arbeitslosengeld II eingestellt haben, desgleichen für alle, die Leistungen nach dem

Asylbewerberleistungsgesetz bekommen. Das ist ein richtiger Schritt, an dieser Stelle eine soziale Härte anzuerkennen. Die Pauschalierung zu ergänzen, die wir, CDU und SPD, im Bundesrat gemeinsam vorgenommen haben, ist völlig richtig. Das sind 4 Millionen. Das ist der richtige Schritt. Aber da ist dann der nächste Haken, Herr Minister: In dem Moment, zu dem nicht wenige Menschen knapp über dieser Summe liegen, müssen sie zahlen. Wenn sie das Geld für die Lernmittel aufwenden, fallen Sie sozusagen unter den finanziellen Status von Beziehern des Arbeitslosengeldes II. Von daher kann man erkennen, dass dieser Schritt zwar richtig, aber nicht ausreichend ist.

Nun zum Thema der sozialen Ausgewogenheit. Wenn wir Ihrer Logik folgen, Frau BertholdesSandrock, dann müssten wir beim Kindergeld sofort etwas ändern. Das Kindergeld ist für alle gleich, für alle. Wir müssten auch sofort bei der Schülerbeförderung eine Änderung vornehmen. Auch bei der Schülerbeförderung gilt, gleichgültig ob die Eltern wohlhabend sind oder nicht: Gleiches Geld. Wir müssen es gleichermaßen bei der Beteiligung an Schulgeldkosten machen. Deshalb kann man in der Sache darüber streiten: Macht man es für alle gleich - ich bin der Meinung, das ist richtig -, oder macht man es sozial gestaffelt? Aber ich würde es nie so hoch hängen, wie Sie es getan haben.

(Zurufe von der CDU)

Ich will dazu noch eine Anmerkung machen. Wir haben in Deutschland zum Glück immer noch ein progressiv gestaltetes Steuerrecht.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Noch!)

Bei dem progressiv gestalteten Steuerrecht ist doch klar, dass der Wohlhabende über die Einkommensteuer zu Recht erheblich mehr zum Steueraufkommen beiträgt. Daher ist auch die Logik zum Kindergeld völlig richtig. Man kann das also so oder so sehen.

Entscheidend ist ein ganz anderer Punkt: Wollen wir das so belassen oder nicht? - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin der Meinung, dass die Initiative mit den dahinter stehenden 160 000 Eltern allen Fraktionen im Landtag einen Auftrag gegeben hat: Setzt euch zusammen! Ist es nicht möglich, dass die Finanzpolitiker mit den Kultuspolitikern in einem Haushalt von über 20 Milliarden Euro einen Betrag mit einer ordentlichen Gegenfinanzierung finden, die noch nicht einmal 1 % be

trägt? Mein Appell ist: Wenn wir im Kultusausschuss - -

(David McAllister [CDU]: Herr Mein- hold, klagen Sie in Bückeburg? Wie war das jetzt? Das war nur eine Fra- ge!)

- Gehen Sie doch mal auf meinem Vorschlag ein! Noch einmal: Der Appell kann nur heißen, sich nach der Debatte im Kultusausschuss mit den Initiatoren dieser Initiative zusammenzusetzen und in diesem Haushalt und in den Folgehaushalten nachzusehen, inwieweit wir für noch nicht einmal 1 % des Gesamthaushaltes eine Lösung finden können.

(David McAllister [CDU]: Klagen Sie in Bückeburg?)

Ich kann Ihnen nur sagen: Es gibt manchmal Elemente in der Politik, da kann man statt des Weges des Gegeneinanders den Weg des Miteinanders beschreiten. An dieser Stelle sage ich in aller Klarheit: Diejenigen, die diese Unterschriftensammlung betrieben haben, haben es verdient, dass das Parlament in seiner Gesamtheit mit dieser Frage anders umgeht. Wenn ich mich richtig erinnere, hat Frau Korter keinen anderen Vorschlag als ich gemacht.

Ich sage noch einmal: Für die SPD bleibt das Ziel der Lernmittelfreiheit klar. Wir wollen nach wie vor einen chancengleichen Zugang zum Bildungssystem offen halten und eine ordnungsgemäße, für alle gleichmäßige Schulbuchversorgung gewährleisten.

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. Ihre Redezeit ist weit überschritten.

Ja, ich komme zum Ende. - Frau Bertholdes-Sandrock, Sie haben von der Schülerbeförderung gesprochen. Dabei besteht eine Gefahr, auf die die Initiatoren nicht ganz zu Unrecht hingewiesen haben, nämlich dass die Verantwortung bei den Landkreisen im eigenen Wirkungskreis liegt und dass dort im Zusammenhang mit der einen oder anderen Haushaltsnot gedreht werden könnte. Von daher richtet sich der Appell an uns alle, mit dazu beizutragen, dass die Schülerbeförderung so, wie sie zurzeit läuft, weiterhin im Lande gestaltet wird,

damit alle angemessen zu ihren Schulorten kommen. Das ist völlig richtig. Allerdings haben Sie Recht: Dort geht es nicht um die Abschaffung, sondern es gibt die Bitte an uns alle: Bleibt dabei! Lasst es nicht ändern!

Vielen Dank, Herr Meinhold.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, liebe Frau Präsidentin, sollten wir die Anhörung im Kultusausschuss machen und nicht anders. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Werner Schwarz von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gut gefallen hat mir, Herr Meinhold, was Sie zu Anfang gesagt haben, nämlich dass wir ergebnisoffen diskutieren wollen. Nicht gefallen hat mir hingegen, dass Sie nur Frau BertholdesSandrock angesprochen haben. Ich fand Frau Korter in der Denkweise so starr wie einen Amboss;

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Karin Bertholdes-Sandrock [CDU])

denn Sie hat auch ihre vorgefassten Meinungen. Es gehört zur Fairness, dass man das dementsprechend sagt. Ich bin Frau Bertholdes-Sandrock wirklich dankbar dafür, dass sie an dieser Stelle das eine oder andere gerade gerückt hat.

Was Ergebnisoffenheit betrifft, stimme ich Ihnen zu. Am 23. September werden wir im Kultusausschuss die Vertreter der Volksinitiative zu Gast haben. Ich glaube, auch hier gebietet es die Fairness, dass man eine solche Anhörung zunächst einmal nur stattfinden lässt und danach eine Bewertung vornimmt.

Die Volksinitiative zur Lernmittelfreiheit und zur freien Schülerbeförderung macht deutlich, dass die finanzielle Belastung für die Familien spürbar ist.

Das darf man nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern das ist eine ernste Angelegenheit. Gleichwohl darf man festhalten, dass niemand von uns, die Entscheidungen getroffen haben, erwartet hat, dass man uns für diese Entscheidungen, die Kürzungen betreffen, auch noch auf die Schultern klopft.

(Zustimmung von Karin Bertholdes- Sandrock [CDU])

Es ist doch klar: Kein Mensch gibt gerne Vorteile auf, wenn man sie einmal erworben hat. Die Lernmittelfreiheit ist nun einmal zur Selbstverständlichkeit geworden. Immer wieder begegnen wir im Alltag Situationen, an denen man deutlich machen kann, dass wir in der Vergangenheit über unsere Verhältnisse gelebt haben. Wir sind jetzt in diesem Landtag dabei, die finanziellen Trümmer der Vergangenheit aus dem Weg zu räumen, wie es der Kollege McAllister gestern deutlich gemacht hat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von Wolfgang Jüttner [SPD])

- Es ist einfach so, Herr Jüttner. Gewöhnen Sie sich daran. Wir sagen es immer wieder. Dazu gehört eigentlich noch intensiver als bisher, dass wir für Verständnis werben müssen, dass wir alles das, was wir jetzt tun, mit Blick auf die folgenden Generationen tun müssen. Es ist schade, dass Sie sich dieser Frage nicht öffnen, Herr Jüttner. Während die Opposition kräftig drauflos hauen kann - Sie gehören dazu - und einfach nach dem Motto lebt „Ich lebe heute! Was interessiert mich das Morgen?“, ist es die Pflicht und Schuldigkeit derjenigen, die in der Verantwortung stehen, vorausschauend zu handeln. Wenn man will, dass dieses Land wieder auf die Beine kommt, wird es nicht ausbleiben, sich von lieb gewonnenen Gewohnheiten zu trennen. Wenn wir nicht zu einem Umdenken kommen, werden wir weiter auf Kosten der nächsten Generationen leben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nach der gestrigen Diskussion zu Klassenfahrten, verehrte Frau Eckel und verehrte Frau Korter, hatte ich nicht den Eindruck, dass Sie diesen Weg verantwortungsbewusst mit uns gehen wollen.

(Isolde Saalmann [SPD]: Na, na!)

Ich hatte ausgeführt, dass sich manche Eltern teure Klassenfahrten leisten können. Ich bin der Auffassung, dass es sich diese Eltern auch leisten

können, ihren Kindern Lehr- und Lernmittel zur Verfügung zu stellen. Ich verzichte hier in der Argumentation auf Details und möchte gerne die Anhörung abwarten.

Tatsache ist: Diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben Bildung zu ihrer Priorität gemacht. Sie ist die Grundlage für die persönliche Entwicklung und unser finanzielles Auskommen im Alltag. Der Staat erfüllt seine Aufgabe in einem öffentlichen Schulwesen, das mit hoch qualifizierten Lehrkräften besetzt ist. Die Kommunen stellen Räumlichkeiten und Ausstattung zur Verfügung. Wir werden aufgrund der Volksinitiative erneut darüber zu reden haben, inwieweit es vertretbar erscheint, die Eltern an den sächlichen Kosten zu beteiligen, oder ob vielleicht für alles und jedes der Vater Staat herhalten muss.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Wort hat jetzt Herr Minister Busemann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Volksinitiative, über die wir heute diskutieren, setzt sich für die Lernmittelfreiheit und für die freie Schülerbeförderung ein. Mit Blick auf die freie Schülerbeförderung darf ich hier zunächst feststellen: Die Landesregierung beabsichtigt keine Einschränkungen. Auf weitere Ausführungen dazu kann man insofern verzichten.

Damit bleibt die Forderung nach der Wiedereinführung der Lernmittelfreiheit. Meine Damen und Herren, die Lernmittelfreiheit in Niedersachsen ist durch den Haushaltsbeschluss dieses Hauses vom 12. Dezember 2003 abgeschafft worden. Die Gründe sind bekannt. Bei der Lernmittelfreiheit waren die Bücher an den Schulen häufig veraltet und in einem kaum noch vertretbaren Zustand.

(Beifall bei der CDU)

Die Lernmittelfreiheit kostet das Land zudem eine ganze Menge Geld. Der Haushaltsansatz von 2003/2004 sah für Lernmittel, bereinigt um gewisse Nebenkosten, immerhin noch restliche 18 Millionen Euro vor. Das reichte dann immer noch nicht. Gemessen am Wiederbeschaffungsbedarf, den es an den Schulen gab, war das sogar ein jämmerlicher Betrag. Im Übrigen kam das Geld im Zuge der Lernmittelfreiheit nach dem Gießkannenprinzip

gleichmäßig allen zugute. Ich muss sagen, dass sich daraus eine Ungerechtigkeitsproblematik ergab, weil auch diejenigen von der Lernmittelfreiheit profitiert haben, die sie gar nicht nötig hatten.

(Beifall bei der CDU)

Eine solche Lernmittelfreiheit war nicht mehr finanzierbar und deshalb aus vielerlei Gründen nicht mehr zu verantworten. Mit Beginn des Schuljahres 2004/2005 hat die Landesregierung die entgeltliche Ausleihe von Lernmitteln eingeführt. Die Lernmittelausleihe ist ein Angebot an alle Eltern in Niedersachsen. Wer dieses Angebot annimmt, kann dadurch eine deutliche Entlastung bei den Kosten für die Schulbücher seiner Kinder erreichen. Die Lernmittelausleihe ist auch eine sozialverträgliche Lösung - Sie wissen es -, sogar mit Kinderrabatt, die vor allem denjenigen hilft, die Hilfe besonders nötig haben. Die Lernmittelausleihe ist inzwischen schon zweimal durchgeführt worden. Gerade in den letzten Wochen haben die Schulen und auch die Eltern immer berichtet, dass das Verfahren reibungslos funktioniert habe. Zahlreiche Berichte in der Presse haben das bestätigt. Bei einem großen System mag es immer vorkommen, dass es hier und dort einen Einzelfall gibt, bei dem nachgebessert werden muss. Wo das erforderlich war, ist dies schnell und unbürokratisch geschehen.