Protocol of the Session on June 23, 2005

Die politische Aufgabe der Reform lautet, auf der einen Seite Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu sichern, auf der anderen Seite den Ländern der Dritten Welt Entwicklungsmöglichkeiten einzuräumen und drittens die Stellung Deutschlands als Exportweltmeister nicht zu gefährden. Das ist ein Zieldreieck, das sich nur schwer und nur, wenn alle Abstriche machen, verwirklichen lässt, das außerdem noch international durchsetzbar sein muss.

Wir haben uns deshalb gemeinsam auf eine Quotenlösung geeinigt. Aber ich fordere bei dieser Lösung Ehrlichkeit ein. Wer hier den Eindruck erweckt, als sei alles nur halb so schlimm, als bleibe alles mehr oder weniger beim Alten, und das auch noch, Herr Kollege, mit unsinnigen Schuldzuweisungen an die Bundesregierung verknüpft,

(Clemens Große Macke [CDU]: Die sind nicht unsinnig!)

der handelt nicht aus Sorge um die heimische Landwirtschaft, sondern der betreibt plumpen Wahlkampfpopulismus und sonst nichts.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Aber was viel schlimmer ist, Herr Oesterhelweg: Er betrügt die Betroffenen um die Wahrheit und lässt sie ins offene Messer laufen. Im Fußball heißt es, dass der Gefoulte den Elfmeter nicht selbst schießen soll. Ich halte es durchaus für erwägenswert, einmal zu hinterfragen, ob ein Rübenbauer zu diesem Thema sprechen sollte.

(Anhaltende Zurufe von der CDU - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, zur Wahrheit gehört doch, dass auch bei der Quotenlösung am Ende das Ziel steht, Menge und Preis in ein Marktgleichgewicht zu bringen und Angebot und Nachfrage auszugleichen. Auch dieser Weg ist mit einem drastischen Produktionsrückgang in der EU verbunden. Anders ist das Ziel nicht zu erreichen.

Wir müssen sagen, dass unser Antrag ein niedersächsischer Wunschzettel ist, der darüber hinaus mit großen Realisierungsrisiken verbunden ist. Wir müssen doch sagen, dass eine Neuverhandlung des EBA-Abkommens eher unwahrscheinlich ist.

(Zurufe von der CDU)

- Hören Sie doch einmal zu! - Man muss doch sagen, dass man bei einem gedeckelten Agrarhaus

halt dem einen nur dann etwas geben kann, wenn man dem anderen etwas wegnimmt. Es ist doch klar, dass vor diesem Hintergrund die Forderungen nach Ausgleichszahlungen ihre Grenzen finden. Wir müssen sagen, dass eine EU-weite Handelbarkeit der Quote in der EU keine Mehrheit finden wird.

(Präsident Jürgen Gansäuer über- nimmt den Vorsitz)

Wir müssen außerdem sagen, dass die Berücksichtigung unserer Wünsche, z. B. des Wunsches eines weiteren Außenschutzes, durch die WTO eher eine vage Hoffnung ist. Tatsache ist - das haben wir gestern gehört -: Frau Fischer Boel hat sich für den harten Weg, für die 40-prozentige Preissenkung entschieden. Wir werden zu beobachten haben, ob diese Vorgaben Bestand haben werden. Das wird natürlich auch davon abhängig sein, wie einig sich die Agrarminister sind. Da es darum zurzeit nicht besonders gut bestellt ist, hat die Kommission eine starke Stellung. Wenn es so bleibt, werden vor allem die Entwicklungsländer, die gehofft hatten, mithilfe gut bezahlter Zuckerimporte Devisen erwirtschaften zu können, die Verlierer sein.

(Zurufe bei der CDU: Das sind sie jetzt schon!)

Meine Damen und Herren, bei einem 60-prozentigen Ausgleich, der zusätzlichen Ackerprämie aufgrund der Agrarreform und bei den hier bestehenden guten Produktionsbedingungen wird Niedersachsen in der Summe eher zu den - ich sage deutlich - relativen Gewinnern dieser Liberalisierung gehören. Lassen Sie uns bei der Wahrheit bleiben. Lassen Sie uns

(Hermann Eppers [CDU]: Das ist Poli- tik der Großgrundbesitzer! - Zuruf von Frank Oesterhelweg [CDU])

- Herr Oesterhelweg - weiter - -

Lassen Sie uns vor allem bei der Geschäftsordnung bleiben. Sie haben nämlich Ihre Redezeit erheblich überschritten.

Lassen Sie uns gemeinsam niedersächsische Interessen vertreten - ohne Horrorszenarien und ohne

dabei die ärmsten Länder der Welt zu vergessen. Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Frank Oesterhelweg [CDU]: Wofür?)

Vielen Dank. - Herr Kollege Oetjen hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen, nachdem gestern Frau Kommissarin Fischer Boel ihren Legislativvorschlag im Agrarausschuss des Europäischen Parlaments eingebracht hat, gewinnt nun die seit 2003 in der Diskussion befindliche Reform der Zuckermarktordnung Konturen. Im Gegensatz zu anderen Parteien war die FDP stets von der Notwendigkeit einer Reform überzeugt. Dies, weil erstens die alte Zuckermarktordnung am 1. Juli 2006 endet und weil zweitens eine negative Panel-Entscheidung bei der WTO absehbar war und weil drittens eine Integration des Zuckermarkts in die Gemeinsame Agrarpolitik aus unserer Sicht notwendig ist. Das wissen auch die Rübenbauern. Davor, Herr Kollege Oesterhelweg, kann man die Augen nicht verschließen.

(Beifall bei der FDP - Rolf Meyer [SPD]: Wollt ihr keine Koalition mehr mit der CDU?)

Herr Meyer, zu den aktuellen Vorschlägen der EUKommission ist festzustellen, dass sie sich in dem Rahmen bewegen, der bereits seit längerem in der Diskussion ist. Dennoch sage ich hier: Einschnitte in Höhe von 39 % bei weißem Zucker respektive 43 % beim Rübenpreis sind massiv und für viele Betriebe nicht zu verkraften.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen unterstützt die FDP-Landtagsfraktion hier ganz klar die Bemühungen von Minister Ehlen, Nachbesserungen im Sinne unserer niedersächsischen Bauern und im Sinne der Arbeitsplätze in der niedersächsischen Zuckerindustrie zu erreichen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Clemens Große Macke [CDU]: Jetzt wirst du besser!)

Realistisch, Herr Kollege Große Macke, bleibt allerdings anzumerken, dass ich persönlich keine

weit reichenden Abweichungen von den Vorschlägen der EU-Kommission erwarte. Aus niedersächsischer Sicht ist meines Erachtens die Frage der Handelbarkeit der Zuckerquoten näher zu erörtern. Hier weicht die EU-Kommission aus meiner Sicht von markwirtschaftlichen Grundsätzen ab. Das muss dringend korrigiert werden. In volkswirtschaftlicher Hinsicht ist es wünschenswert, wenn die Zuckerrübe auf den für sie am besten geeigneten Standorten angebaut wird. Um es auf den Punkt zu bringen: Wir setzen uns dafür ein, dass es in der Hildesheimer Börde und im Braunschweiger Land weiterhin Rüben gibt. In Finnland oder Griechenland hingegen ist der Anbau aus volkswirtschaftlicher Sicht völliger Unsinn.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Preiskürzungen in Höhe von etwa 40 % sind ein harter Schlag für viele Betriebe. Das ist nur verkraftbar, wenn eine angemessene Ausgleichsregelung für die Rübenbauern erreicht wird. Unter „angemessen“ verstehe ich einen Ausgleich von 60 %; nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.

(Zustimmung von Dr. Philipp Rösler [FDP])

Diese Ausgleichszahlungen sollen betriebsindividuell ausgezahlt werden. Aus meiner Sicht ist im Sinne der Konformität innerhalb des EUAgrarsystems das Umlegen der Direktzahlungen auf die Flächenprämie unausweichlich. Das heißt im Klartext: Am Ende der folgenden Zuckermarktperiode, also 2014/2015, wird es keine betriebsindividuellen Ausgleichszahlungen mehr geben. Diese sind dann auf die Fläche umgelegt. Ich erwarte von Heiner Ehlen, dass er sich selbst und seiner Idee einer einheitlichen Flächenprämie treu bleibt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Lassen Sie mich abschließend noch etwas zu unserem Entschließungsantrag sagen: Ich finde es gut, dass wir gemeinsam ein Signal für unsere Betriebe und für die Arbeitsplätze in der Zuckerindustrie setzen. Lassen Sie uns gemeinsam für eine marktwirtschaftliche Reform, die die Bauern nicht überfordert und die Strukturen auf dem Zuckermarkt nicht zerstört, arbeiten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Minister Ehlen, bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Legislativvorschlag liegt auf dem Tisch. Die Überlegungen, die zu diesem Ergebnis geführt haben, werden seit 2003 diskutiert und sind jetzt in die entscheidende Phase gelangt. Allerdings gibt es eine Ausnahme. Das betrifft den Punkt, der mit dem Ausdruck „Restrukturierungsfonds“ beschrieben ist. Bis auf diesen Punkt ist alles das, wovon wir schon im Vorfeld gehört hatten, letztlich unverändert geblieben. Das bedeutet, dass die Vorgaben, die diesem gemeinsamen Antrag zugrunde liegen, noch den Erwartungen entsprechen, die wir damals gehabt haben. Die Landesregierung wird sich nach wie vor dafür einsetzen, dass sich die Entwicklungen auf dem Zuckermarkt auf Niedersachsen und Deutschland nicht so schlimm auswirken werden.

Meine Damen und Herren, der Kommissionsvorschlag enthält einige Punkte, die uns nicht gefallen. Zum einen bereitet uns der Zeitfaktor große Sorgen; denn hier soll innerhalb kürzester Zeit etwas übers Knie gebrochen werden. Zum anderen ist das für die Rübenanbauer in Niedersachsen wichtig, die aufgrund der in Deutschland geltenden höheren Standards größere Probleme als die Rübenanbauer in anderen Ländern haben, diese Bedingungen zu erfüllen. Weiterhin ist es die eklatant starke Preissenkung, die viele Betreibe in finanzielle Bedrängnis und Finanznot bringt, wenn nicht gar zur Aufgabe zwingt. Diese Preissenkung um 43 % - das sind 6 % mehr, als im vergangenen Jahr in Aussicht gestellt wurde - können unsere Anbauer so nicht verkraften.

Nachdem feststand, dass das Panel verloren gegangen war, und wir merkten, dass wir keine Chance hatten, in den WTO-Verhandlungen europäische Gedanken zum Zuckermarkt durchzusetzen, ist uns klar geworden, dass wir eine Reform brauchen. Zu einer Reform gehört dann aber auch, dass wir die Punkte, die uns bedrücken, einbringen. Die Vorstellungen der Landesregierung sind sehr eindeutig formuliert. Die EU-Zuckermarktordnung mit ihren Grundpfeilern Außenschutz, Quotenregelung und Mindestpreis muss auch über 2006 hinaus Bestand haben. Ich meine, dass dann

die Möglichkeit besteht, den deutschen und den niedersächsischen Rübenanbauern eine Zukunft zu bieten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Anpassungen, die wir jetzt zum Teil vornehmen müssen, müssen auf ein Mindestmaß begrenzt werden und auch in zeitlicher Hinsicht günstiger gestaffelt werden.

Was die Frage nach dem Abkommen „Everything but Arms“ - alles außer Waffen - mit den ärmsten der armen Länder betrifft, bin ich der Ansicht, dass wir noch eine Chance haben, für unsere Anbauer etwas mehr herauszuholen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich etwas ansprechen, das unsere Bundesministerin ganz nach vorn gestellt hat. Sie hat sich ja nicht um unsere Zuckerrübenanbauer Gedanken gemacht,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

sondern um die Entwicklungsländer. Ersteres wäre sicher besser gewesen. Ich glaube, dass gerade die Entwicklungsländer - Herr Kollege Klein, ich denke, dass Sie damit selber ein Problem haben -, wenn dieses Abkommen sozusagen nicht wieder aufgemacht wird, wahrscheinlich zuallererst herausfallen werden und nicht am Zuckermarkt in Europa teilnehmen können, weil sie höhere Produktions- und Transportkosten haben. Hier hat Frau Künast also gewissermaßen auf dem falschen Fuße stehend Hurra geschrieen und gerade denen, denen sie helfen wollte, einen Bärendienst erwiesen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass ich durch diesen Antrag fraktionsübergreifend Rückendeckung bekomme. Ich werde das Anliegen auch weiter verfolgen. Wenn das Anliegen von der Bundesebene aus nicht in dem gewünschten Umfang verfolgt wird, werde ich im Auftrage der Bundesländer auch weiterhin für unsere deutschen Zuckerrübenanbauer, für die Fabriken und die Mitarbeiter eintreten und dafür streiten, dass wir die Zuckerproduktion in Niedersachsen und in Deutschland letztendlich behalten.

Herr Steinecke, Sie hatten vorhin gefragt, welche Vorstellungen die CDU und auch ich hätten, wenn es darum geht, weniger Geld nach Europa einzuzahlen. Es ist eigentlich eine sehr einfache Rechnung. Wenn wir drei Teile einzahlen und nur einen