Protocol of the Session on June 22, 2005

4 Milliarden Euro investiert der Bund für den Aufbau und den Ausbau der Ganztagsschulen, und Niedersachsen nimmt das Geld gern. Das ist eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, dass in der Föderalismuskommission die unionsgeführten Länder verhindern wollten, dass es solche Bildungsprogramme vom Bund überhaupt gibt.

(Zuruf von der CDU: Das wäre auch richtig gewesen!)

400 Millionen Euro erhält Niedersachsen. Es erhält dieses Geld, um zu helfen, dass Deutschland im Bildungswesen wieder den Anschluss bekommt, dass es wieder in die Spitzengruppe kommt. Es erhält das Geld dafür, dass in den Schulen nicht mehr soziale Herkunft und Schulerfolg voneinander abhängig sind. Dies soll abgebaut werden.

(Zuruf von der FDP: Sind Sie da si- cher, dass in Mauern investiert wird, in Steine?)

Das alles braucht aber pädagogische Netze, es braucht die Zuschüsse des Landes, damit in den Schulen die Qualität verbessert werden kann. Die Ganztagsschulen light à la Busemann erreichen keine Qualitätsverbesserung.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Herr Busemann, Ihre Verfahrensweise ist, den Rahm abzuschöpfen, und den Rest der Suppe müssen andere auslöffeln.

(Zuruf von Ursula Körtner [CDU])

Andere, das sind die Kollegien. Viele Lehrerinnen und Lehrer sind bereit, sich enorm ins Zeug zu legen, um ohne Extralehrerstunden und ohne zusätzliches Budget das Nachmittagsprogramm überhaupt aufstellen zu können und zumindest

einen Teil ihres pädagogischen Anspruchs umsetzen zu können.

Andere, das sind auch die von mir schon genannten Vereine und Verbände. Das sind die Jugendhilfe der Kommunen und die Kirchen. Nur wenn sie in die Bresche springen, sind diese Ganztagsschulen überhaupt funktionsfähig.

Wer bezahlt das eigentlich? Wer bezahlt diesen Vereinen und Verbänden die Personalkosten? - In einem Wolfsburger Sportverein kostet ein Übungsleiter 9,20 Euro. Wird das Geld für diese Kosten jetzt auf die Schülerinnen und Schüler umgelegt, oder müssen alle Schüler jetzt Vereinsmitglieder werden? Auch die Musikschulen müssen für ihre Musikschulklassen natürlich Gebühren erheben; sonst vernichten sie ihre Existenz. Sollen die Schulen demnächst Rechnungen an die Eltern für dieses nachmittägliche Programm weitergeben?

Dabei führen Sie die Eltern noch hinter das Licht; denn diese haben ganz andere Erwartungen an Ganztagsschulen. Sie erwarten eine Veränderung. Sie erwarten eine Verbesserung des Unterrichts. Sie erwarten, dass sich die Atmosphäre in unseren Schulen verändert und dass es ein anderes Miteinander gibt. Sie erwarten auch die Förderung ihrer Kinder. Mit einer Ganztagsschule light ist das alles nicht zu machen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Waren Sie einmal da, Frau Körtner, und haben sich eine Schule angeguckt? Kom- men Sie mal nach Varrel im Landkreis Diepholz!)

Aus der Werbung kennen wir den Slogan: "... und ich habe keinen Cent dazugetan". Einem Kultusminister, der sagt, ich habe 130 neue Ganztagsschulen genehmigt und habe keinen Cent dazugezahlt, dem nimmt niemand ab, dass er wirklich Interesse an einer qualitativen Ganztagsschularbeit hat.

(Beifall bei der SPD)

Herr Busemann, mit diesem Sparmodell erweisen Sie dem Ganztagsschulgedanken einen Bärendienst.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Ich habe 130-mal den Wunsch der Schulen erfüllt!)

209 Schulen waren bereit, im Schuljahr 2005/2006 Ganztagsschulen zu werden. 124 Schulen haben gesagt, sie wollen dies auch ohne zusätzliche Lehrerstunden und ohne zusätzliches Budget bewerkstelligen. Aber ich hoffe, dass die Schulträger auch das Kleingedruckte gelesen haben; denn im Bundesprogramm steht: Eine Ganztagsschule, die in den ersten fünf Jahren ihren Ganztagsbetrieb einstellen muss, muss die Sachkostenzuschüsse zurückzahlen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist in Ordnung!)

- Das ist in Ordnung, aber es kommt auf die Schulen zurück.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ja. Ich möchte nur noch einen letzten Satz sagen.

Die SPD möchte Ganztagsschulen, die diesen Namen verdienen, die wirklich Lebens- und Lernorte sind. Sie wird den Finger immer wieder in die Wunde legen, dass Sie Ganztagsschulen light machen wollen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Der Kollege Albrecht hat jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aufregung der SPD-Fraktion bei dem von ihr beantragten Thema der Aktuellen Stunde zur Ganztagsschule ist schon verwunderlich und nur als Neidreflex auf die Erfolge der CDU/FDP-Koalition in unserer Bildungspolitik zu erklären.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Ihr seid ein- fach klasse!)

Dem Wunsch nach Einrichtung weiterer Ganztagsschulen stehen wir genauso aufgeschlossen gegenüber wie Sie von der SPD oder von Bündnis 90/Die Grünen. Wir unterscheiden uns in Be

zug auf die Ganztagsschulen in einigen Punkten allerdings positiv von Ihnen. Vor zwei Jahren haben wir mit der Verabschiedung des neuen Schulgesetzes eine neue, eine bessere Form von Ganztagsschule auf den Weg gebracht,

(Lachen bei der SPD)

nämlich die Ganztagsschule mit freiwilligen und zusätzlichen Förder- und Freizeitangeboten, die den normalen Unterricht ergänzen und auf der freiwilligen Teilnahme der Schülerinnen und Schüler basieren.

Wir haben die Schulen angeregt, geeignete pädagogische Konzepte zu entwickeln. Dies haben nun - offensichtlich zu Ihrem Leidwesen, liebe Kolleginnen und Kollegen auf der linken Seite - hunderte von Schulen zum Anlass genommen, um sich in den verschiedenen Schulgremien und auch in den Elterngremien mit entsprechenden Ganztagskonzepten zu beschäftigen.

(Beifall bei der CDU)

Siehe da: Sie waren von der Idee der freiwilligen Ganztagsschulform so begeistert, dass sie solche Konzepte für ihre Schulen beschlossen und auch entsprechende Anträge bei der Schulbehörde gestellt haben.

(Beifall bei der CDU)

Es ist niemand gezwungen worden. Auch die Eltern waren davon begeistert. Außerdem leben wir von der Koalition nicht wie Sie in einem Finanzwolkenkuckucksheim, sondern wir haben das Finanzdesaster, das Sie uns im März 2003 hinterlassen haben, zum Anlass genommen, andere Lösungen für die Finanzierung der Notwendigkeiten und Wünsche z. B. im Bereich der Schulen zu entwickeln.

(Vizepräsidentin Silva Seeler über- nimmt den Vorsitz)

Das sind intelligentere Lösungen als die von Ihnen während Ihrer Regierungszeit angestrebten Lösungen, in der Ihnen nichts, aber auch gar nichts anderes einfiel, als immer nur neue Schulden zu machen.

(Beifall bei der CDU)

Oder Sie haben schlicht die Finanzierung vergessen. Auch dieses Problem haben wir gelöst. Für die 700 Lehrer, die Sie eingestellt haben, und für

die Sozialpädagogen, die Sie eingestellt haben, fehlte schlicht die weitere Finanzierung. Das aber ist nicht unser Stil.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen zwar neue Ganztagsschulen, haben aber kein zusätzliches Geld für die bisherige Form der Finanzierung dieses schulischen Zusatzangebotes. Da wir nicht auf weitere Ganztagsangebote verzichten wollten, mussten wir neue Finanzierungsideen entwickeln. Für die Finanzierung der neuen Ganztagsschulen haben wir eine sehr gute Lösung gefunden, wie Sie im Erlass des Kultusministers zur Arbeit in der öffentlichen Ganztagsschule vom 16. März 2004 in Absatz 8.2 nachlesen können, nämlich die Zusammenarbeit der Schulen mit außerschulischen Kooperationspartnern.

(Axel Plaue [SPD]: Ohne Geld!)

Das Intelligente an dieser guten Idee ist nicht nur die Tatsache, dass das Land dadurch für den Ganztagsschulbetrieb kein zusätzliches Geld ausgeben muss, was wir sowieso nicht haben, sondern die Brillanz dieser Idee ist darüber hinaus daran erkennbar, dass alle Kooperationspartner von diesem Modell Vorteile haben.

(Beifall bei der CDU)

Mit großem Engagement und großem Interesse haben sich diverse Träger der Jugendhilfe, Sportvereine, Kunstschulen, Musikschulen und andere Organisationen an den Kooperationen beteiligt. Sie alle profitieren von dieser Zusammenarbeit auch selbst.

(Beifall bei der CDU)

Am meisten aber profitieren die betreffenden Schülerinnen und Schüler, die im Rahmen dieser Kooperationen ein höheres soziales Engagement entwickeln, ihre künstlerisch-musikalische Kreativität ausleben oder sich noch mehr sportlich betätigen können.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPDFraktion, mit dem Titel Ihres Antrags zur Aktuellen Stunde sprechen dem Minister in der heutigen Zeit doch ein ganz großes Lob aus. Mein Eindruck ist, Sie bewundern insgeheim diese tolle Idee, ohne zusätzliches Geld ein so fantastisches Angebot zu kreieren. Mit ein bisschen innerer Größe können Sie dies auch ruhig öffentlich zugeben.