Protocol of the Session on May 27, 2004

Jetzt hat Minister Schünemann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben wohl bis jetzt in jeder Sitzung über die Verwaltungsreform gesprochen. Das ist auch richtig und sinnvoll. Deshalb will ich Sie aber auch nicht mit den Details langweilen, weil sie hinlänglich bekannt sind. Ich will nur auf das antworten, wovon hier die Rede war. Einiges muss man natürlich auch richtig stellen.

Die Finanzlage ist völlig klar. Wir sind uns einig, wie dramatisch sie ist. Einig sind wir uns auch, dass wir bei der Personalkostenquote dringend etwas tun müssen. Insofern gibt es überhaupt keine Alternative zu einer umfassenden Verwaltungsreform. Meine Damen und Herren von der SPD, aber auch von den Grünen, weil Sie von 1990 bis 1994 Verantwortung getragen haben, Sie müssen sich Ihre Bilanz bei der Verwaltungsreform erst einmal vorrechnen lassen. Sie haben 10 089 Stellen geschaffen, 10 000 Stellen wieder gestrichen.

Das heißt, Sie haben bei so einer dramatischen finanziellen Situation gerade mal auf der Stelle getreten.

(Professor Dr. Hans-Albert Lennartz [GRÜNE]: Die Haushaltslage war von 1990 bis 1994 überhaupt nicht ver- gleichbar! In keinem Bundesland hat es vorher bereits Verwaltungsrefor- men aus Kostengründen gegeben!)

Fest steht, dass Sie nach den 13 Jahren 89 Stellen mehr in Ihrer Bilanz haben als vorher, und das bei dieser dramatischen Lage. Das ist die Bilanz. Das müssen Sie sich leider Gottes hier einmal erzählen lassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Schünemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein.

Keine Zwischenfrage.

(Heinrich Aller [SPD]: Bilanzfälscher sind Sie!)

- Nein, das ist die Wahrheit.

(Unruhe und Zurufe)

Herr Aller, für diese Äußerung erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

Sehr geehrter Herr Finanzminister a. D. Aller, dazu kann ich Ihnen nur sagen: Sie haben nicht nur eine negative Bilanz bei den Stellen. Wir haben heute noch das Problem, dass Sie auch, als Sie die Verwaltungsreform so richtig begonnen haben, es immer noch nicht geschafft hatten, diese Stellen tatsächlich in Abgang zu stellen, sodass kein Personal mehr auf diesen Stellen ist. Sie haben eben nicht den Mut zu unpopulären Maßnahmen ge

habt. Wir haben sofort gesagt, als wir die Regierung übernommen haben, wir machen einen Einstellungsstopp, damit wir so schnell wie möglich tatsächlich effektiv einsparen können. Das haben Sie nicht gemacht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Heinrich Aller [SPD])

- Aber nicht durchgängig. Sehen Sie sich doch einmal die Jobbörse an, die Sie geschaffen haben. Herr Lennartz, Sie haben uns gerade kritisiert, dass wir vorhaben, mehr Beweglichkeit hineinzunehmen. Die Jobbörse war unter Ihrer Verantwortung ein Flop. Da ist so gut wie nichts vermittelt worden. Das ist schlichtweg so.

Insofern müssen wir bei der jetzigen Situation handeln und müssen die Mitarbeiter dazu bringen, dass sie beweglicher sind, dass Stellen, die frei sind, von Mitarbeitern aus der Landesverwaltung besetzt werden. Deshalb müssen wir die Jobbörse ändern. Das machen wir, das gibt Kritik, aber es ist überhaupt kein anderer Weg möglich. Wie wollen Sie denn das der Öffentlichkeit erklären, wenn es Insolvenzen gibt, wenn Mitarbeiter auf der Straße stehen, arbeitslos sind? Hier müssen wir doch Beweglichkeit hinbekommen, damit wir zu einer Einsparung kommen und wir in anderen Bereichen handlungsfähig sind. Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, natürlich machen wir eine Kostenfolgeabschätzung. Das ist doch völlig klar. Der Landesrechnungshof hat zu Recht gesagt, dass das gemacht werden muss. Dies ist vorgeschrieben, und das wird erarbeitet.

Bei einem Blick auf das Gesamtvolumen gibt es doch überhaupt keinen Zweifel daran, dass es mittel- und langfristig zu einer starken Entlastung des Haushaltes kommt. Ich nenne einmal die Bruttozahlen: Das sind einmal die Personalkosten für rund 6 700 Stellen. Bei einem Ansatz im Schnitt bei A 11 macht das etwa 300 Millionen Euro aus.

(Professor Dr. Hans-Albert Lennartz [GRÜNE]: Ab wann?)

- Dazu komme ich gleich. - Wenn Sie dann noch die ganzen anderen Kosten, die dazukommen, also Arbeitsplatzkosten etc., nehmen, kommen Sie auf rund 100 Millionen Euro. Bei den Bruttokosten beträgt also hier die Entlastung 400 Millionen Euro.

Es ist klar, dass das erst nach und nach umgesetzt werden kann - keine Frage.

Was muss dagegen gerechnet werden? - Wir sind dabei, das im Detail zu überprüfen. Wenn wir kommunalisieren, dann muss festgestellt werden, was das kostet. Der Bericht ist erarbeitet worden und liegt vor. Die Zahlen kennen Sie. Wenn privatisiert werden muss, müssen wir auch etwas bezahlen. Das wird zurzeit errechnet. Aber bei den Aufgaben, die übertragen werden, liegt die Größenordnung insgesamt bei etwa 10 %. Bei Kammerlösungen wird das genauso errechnet. Insofern werden wir auch das im Juni-Plenum - auch wenn Sie meinen, dass wir das nicht schaffen; aber wir haben bisher alle Termine eingehalten, die wir angestrebt haben - vorlegen können. Das ist überhaupt keine Frage. Aber, meine Damen und Herren, wir machen eine sehr viel weitere Kostenfolgeabschätzung, als es alle anderen Bundesländer und als Sie es bei Ihrer Verwaltungsreform gemacht haben. Das ist notwendig, um Transparenz zu schaffen. Das werden wir machen, und zwar zum richtigen Zeitpunkt, nämlich wenn wir den Gesetzentwurf im Parlament einbringen. Das wird in der Juni-Sitzung sein. Darauf können Sie sich verlassen.

Meine Damen und Herren, um noch ein Beispiel zu nennen, weil wir in der ersten Stufe der Verwaltungsreform sind: Abschaffung der Bezirksregierungen. Etwa 1 250 Stellen können dadurch gestrichen werden. 175 Stellen werden kommunalisiert. Wenn Sie das gegenrechnen, dann können Sie die Einsparung allein schon an diesem Beispiel 100-prozentig sehen. Ein bisschen Mathematik muss man natürlich voraussetzen können, um festzustellen, dass diese Verwaltungsreform auch gerade unter finanziellen Gesichtspunkten zum Erfolg führt. Daran kann es gar keinen Zweifel geben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Allein für die Querschnittsaufgaben bei den Bezirksregierungen gibt es 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dann in der Form überhaupt nicht mehr gebraucht werden. Das heißt, schon allein durch diese Maßnahme können 600 Stellen gestrichen werden. Das haben Sie in keinem anderen Bereich geschafft.

Dann wird gesagt, wir müssen vor allem über Trennungsgeld usw. diskutieren. Das ist völlig richtig.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Was kostet das?)

Aber unsere Verwaltungsreform ist ganz anders angelegt, auch wenn Sie das nicht wahrhaben wollen. Denn wir haben parallele Strukturen in unserem Lande, die endlich abgeschafft gehören. Es gibt z. B. die Bezirksregierung in Braunschweig, parallel dazu erfüllen andere Landesbehörden teilweise sogar die gleichen Aufgaben.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Beispiele!)

Wenn die Bezirksregierung weg ist, übernehmen also andere Landesämter diese Aufgaben. Das ist eine einfache Struktur. Die Mitarbeiter, die wir nicht in den Abgang stellen - nicht die Stellen, die wir streichen -, werden in diesen Bereichen angesiedelt. Auch das Gewerbeaufsichtsamt ist ein Beispiel. Um ein zweites Beispiel zu nennen: Das Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben gibt es an fast allen Standorten. Wo es nicht angesiedelt ist, werden wir es sogar einrichten. Meine Damen und Herren, wir werden eben nicht große Umzugskarawanen in Gang setzen, weil das nicht sinnvoll ist. Das würde kosten und ist den Mitarbeitern im Prinzip nicht zuzumuten, wenn es vermeidbar ist. So ist unsere Verwaltungsreform angelegt.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Das stimmt doch nicht, Herr Minister Schüne- mann!)

Sie ist transparent und hat eine einfache Struktur. Das ist nicht nur ein Beispiel für eine gute Haushaltskonsolidierung, sondern es ist auch ein gutes Beispiel für eine gute Verwaltung, um den Wirtschaftsstandort Niedersachsen nach vorne zu bringen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich kann ja verstehen, dass Sie Probleme damit haben, dass diese Verwaltungsreform sehr schnell umgesetzt wird, weil Sie immer lange gezögert haben. Aber Sie haben uns nun wirklich etwas hinterlassen, aufgrund dessen wir schnell handeln müssen. Am 2. Februar 2003 ist übrigens auch über diese Verwaltungsreform abgestimmt worden.

(Zuruf von der SPD: Sie wiederholen sich!)

Deshalb werden wir sie 1 : 1 umsetzen, und sie wird für dieses Land erfolgreich sein. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Aller erhält zusätzliche Redezeit von bis zu drei Minuten.

(Zurufe von der CDU)

Ich möchte zwei Bemerkungen machen. Zum einen möchte ich zu dem Thema Bilanz von Stellen Stellung nehmen. Herr Schünemann, Sie müssen in sich schlüssig argumentieren. Wenn Sie der damaligen Regierung vorwerfen, dass sie in zwei Stellenabbauprogrammen 12 500 Stellen in Abgang gestellt hat und dagegen knapp 10 000 Stellen aufgebaut hat, dann müssen Sie sagen, welche Stellen aufgebaut worden sind. In der Tat sind - das hat uns der Staatsmodernisierer bestätigt von den 12 500 Stellen inzwischen tatsächlich weit über 11 000 weg, und das Geld ist in der Kasse dieser Landesregierung. Das ist die Wahrheit. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie gegen diese Stellen Einstellungen im Lehrerbereich rechnen, die damals in der Tat zusätzlich vorgenommen worden sind - auch mit den Grünen zusammen -,

(Reinhold Coenen [CDU]: Ohne Kos- tendeckung!)

dann gebietet die Logik, dass Sie in Ihrer jetzigen Programmatik zu den 6 743 Stellen, die Sie abbauen wollen, die immer wieder zitierten 2 500 Lehrerstellen und die 1 000 Polizeibeamtenstellen hinzuzählen. Denn dann müssen Sie am Ende 9 243 Stellen abbauen und nicht 6 743.

(Beifall bei der SPD)

Das ist der gerechte und richtige Vergleich, der immer wieder geklittert wird. Deshalb war mein Zwischenruf berechtigt, wenn auch die Wortwahl - das will ich ausdrücklich zugestehen - nicht ganz zutreffend war.

(Bernd Althusmann [CDU]: Kennen Sie den Begriff „Fluktuation“? - Zuruf von der CDU: Aber unanständig!)