Protocol of the Session on December 10, 2003

(Beifall bei der SPD)

Herr Wiese, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Antrag von Bündnis 90/Die Grünen wurde gestellt, als uns allen der jüngste CASTORTransport noch bevorstand. So könnte man sagen: Über diesen Antrag ist im wahrsten Sinne des Wortes der Zug der Zeit hinweggegangen.

(Beifall bei der CDU)

Aber, meine Damen und Herren, nicht nur das. Der vorliegende Antrag war aus Sicht der CDULandtagsfraktion von Anfang an inhaltlich verfehlt und überflüssig. Selbstverständlich ist das Demonstrationsrecht ein Grundrecht. Das stellt niemand in Frage. Genauso selbstverständlich ist: Jedes Grundrecht hat Grenzen. - Oder um es anders auszudrücken: Der Rechtsstaat braucht die Möglichkeit, gegen diejenigen einzuschreiten, die eine andere Sprache eben nicht verstehen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag zielt insbesondere auf das polizeiliche Mittel der Ingewahrsamnahme ab. Lassen Sie mich deshalb sagen: Die Ingewahrsamnahme ist als polizeitaktisches Mittel zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung - dazu haben wir im Laufe des heutigen Tages ja schon vieles gehört - unverzichtbar. Und: Ingewahrsamnahmen dienen im Ergebnis auch einer friedlichen Abwicklung von Einsätzen bei CASTOR-Transporten. Eine Ingewahrsamnahme erfolgt nicht wahllos, sondern auf der Basis gesetzlicher Grundlagen. Die Rechtsgründe sind dafür auch festgelegt. Unter anderem, wenn es unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Gefahr für die Allgemeinheit zu verhindern.

Meine Damen und Herren, wir wissen aufgrund verschiedener Urteile aus den letzten Monaten und

Jahren, dass es für ganz bestimmte Einzelfälle differierende Auffassungen auch zwischen den Gerichten gibt. Keine Frage. Mir ist es dabei wichtig, festzustellen und noch einmal zu unterstreichen, dass es hinsichtlich der im Antrag angesprochenen Einzelfälle keine richterlich abgeschlossene Maßgabe gibt. Es handelt sich vielmehr um laufende Verfahren.

Insofern möchte ich anschließen an das, was schon einige Vorredner gesagt haben. Wenn man diesen Antrag liest, fragt man sich ernsthaft: Was soll das alles überhaupt?

(Beifall bei der CDU)

Wir wissen, dass es innerhalb der Protestszene rund um Gorleben leider Teile gibt, denen die Ingewahrsamnahme vom Grundsatz her ein Dorn im Auge ist, weil hiermit Straftaten und Ordnungswidrigkeiten effektiv verhindert werden können. An dieser Stelle stellt sich dann schon die Frage, ob sich die Grünen hier nicht vor einen Karren spannen lassen von denjenigen, denen es von Anfang an nicht darum geht, dass dieser Transport nur friedlich abläuft. Möglicherweise gehört es auch zur obligatorischen Begleitmusik, dass man immer kurz vor oder kurz nach CASTOR-Transporten entweder Anträge schreibt oder Mündliche Anfragen stellt. Mit diesem Phänomen werden wir uns ja am Freitag noch auseinander setzen müssen.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Das soll- ten Sie verbieten!)

Ich habe dabei so ein bisschen das Gefühl, Frau Harms, dass erstens ein bestimmtes Klima erzeugt werden soll, indem man zwischen den Zeilen sagt, dass Polizei und Justiz möglicherweise etwas in die Ecke gerückt werden sollen,

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Das sind Gerichtsurteile, die da zitiert werden! Dann müssen Sie das ja den Richtern vorwerfen!)

oder zweitens - das wird insbesondere in den letzten Tagen immer wahrscheinlicher - dass die ganze Scheindiskussion über die Abwicklung des CASTOR-Transports hier in Niedersachsen in erster Linie dazu dienen soll, von dem rot-grünen Chaos bei der Energiepolitik in Berlin abzulenken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Sie von Bündnis 90/Die Grünen haben - nach der Rede des Kollegen

Schlüterbusch beziehe ich da auch die SPDFraktion mit ein - ein echtes Glaubwürdigkeitsproblem, von dem Sie abzulenken versuchen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich zitiere stellvertretend aus einem Leserbrief. Frau Harms, Sie sind eifrige Leserin der ElbeJeetzel-Zeitung. Ihnen wird der Leserbrief vom 28. November nicht entgangen sein. In ihm heißt es unter anderem:

„Die Politiker, die vormals mit den Demonstranten auf der Straße waren, die gegen Atomenergie und Atomnutzung demonstrierten, wie Schröder und Trittin, verraten heute die, die sie um dieser Gemeinschaft willen gewählt haben.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der CDU: So ist es!)

Die Schwierigkeiten der rot-grünen Bundesregierung werden in der öffentlichen Diskussion um das Atomgeschäft mit China ja deutlich erkennbar. Oder doch nicht mit dem Atomgeschäft? Kein Mensch versteht, wie und wo diese Diskussion läuft. In diesem rot-grünen energiepolitischen Chaos kommt natürlich jede Ablenkung recht, auch wenn es ein Entschließungsantrag ist, der am Thema völlig vorbei geht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn sich die Menschen vor Ort von dieser Bundesregierung aus den unterschiedlichsten Gründen verraten fühlen, dann stellt man halt verschiedene Anträge, um zu versuchen, damit von den eigentlichen Problemen abzulenken. Wir, meine Damen und Herren, sind froh darüber, dass es uns gelungen ist,

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Sie bauen neue Atomkraftwerke und nehmen die Leute in Gewahrsam!)

den CASTOR-Transport gemäß des Auftrags und im Verhältnis zu den Vorjahren insgesamt friedlich abzuwickeln. Wir danken allen, die hierzu beigetragen haben, sowohl denjenigen, die friedlich demonstriert haben, als auch denjenigen, die als Einsatzkräfte vor Ort ihre Frau bzw. ihren Mann gestanden haben. Der vorliegende Antrag allerdings hat hierbei keine Hilfe geleistet. Im Gegenteil. - Danke.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Lehmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wiese hat eben schon zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser Antrag normalerweise dem Grunde nach erledigt sein müsste, weil er sich auf den letzten CASTORTransport bezieht, der hinter uns liegt.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Grund- rechte erledigen sich nie, Herr Kolle- ge!)

- Okay, es hat keinen Zweck, Frau Harms. Deshalb fahre ich lieber fort.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

- Sie lassen mich ausreden. Dann kommen wir zum Ende. Ansonsten kann ich nicht weitermachen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

In der Sache ändert es nichts. Wenn ich den Kollegen Briese richtig verstanden habe, ist es so, dass nach wie vor unterstellt wird, dass das in dem Antrag beschriebene rechtswidrige Verhalten der Polizei fortbestehe.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Das sind Zitate aus einem Gerichtsurteil, Herr Kollege! Das ist nicht eine Erfindung des Kollegen!)

Frau Harms, wir möchten hier keine Dialoge.

Es spielt keine Rolle, ob Sie das auf den CASTORTransport in diesem Jahr oder auf den vorangegangenen Transport beziehen. Ich sage ganz klar: Ich halte den Antrag, wie Sie ihn formuliert haben und in dem Sie der niedersächsischen Polizei rechtswidriges Verhalten unterstellen, für eine Un

verschämtheit. Es gibt keinen Anlass, unserer Polizei ein rechtswidriges Verhalten vorzuwerfen oder gar die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze einzufordern.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Das ist Richterschelte, was Sie da treiben!)

- Jetzt seien Sie doch mal ruhig und lassen mich ausreden, Frau Harms:, dafür wäre ich Ihnen sehr verbunden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die niedersächsischen Polizistinnen und Polizisten beachten getreu ihres Diensteides Recht und Verfassung. Ich meine, das will hier niemand ernsthaft bestreiten. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der Grünen, Ihr Antrag ist durch nichts begründet. Weder sind Rechtsverletzungen bisher rechtskräftig festgestellt worden, noch gebietet das bisherige Verhalten der Polizei einen Initiativantrag wie den Ihrigen.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Wir ha- ben diese Gerichtsurteile geträumt?)

Sie haben doch selbst in Ihrem Antrag geschrieben, dass die Verfahren zurückverwiesen worden sind, damit noch einmal der Sachverhalt aufgeklärt wird. Aber es ist noch nicht entschieden worden, ob es tatsächlich eine falsche Entscheidung in der Sache gewesen ist. Das ist doch der entscheidende Unterschied.

Meine Fraktion hat sich während des diesjährigen CASTOR-Transports vor Ort ein Bild vom Gesamtaufwand, der zur Sicherung und Abwicklung des Transports betrieben wird, gemacht. Gerade in Bezug auf die Ingewahrsamnahmen ist deutlich geworden, dass alle Vorkehrungen für die Abwicklung eines rechtstaatlich einwandfreien Verfahrens getroffen wurden. - Sie waren auch da. Wir haben Sie kurz getroffen, als wir dort unterwegs waren. Das fängt bei der Einrichtung einer Außenstelle des Amtsgerichtes Dannenberg einschließlich der Container für Rechtsanwälte an und endet mit der Unterbringung in Neu Tramm. Diesmal gab es sogar einen 24-Stunden-Dienst für die eingesetzten Richter. Das heißt, man ist dabei - das hat der Minister angesprochen -, die Verfahren immer mehr zu optimieren. Das konnte man dieses Mal sehr gut nachvollziehen.

Bei den Gesprächen mit den Einsatzkräften wurden der Wille und das Bemühen um eine Optimie

rung der Verfahrensabläufe, vor allem auch unter dem Aspekt einer einwandfreien rechtstaatlichen Vorgehensweise, sehr deutlich. Wenn Sie einen anderen Eindruck haben, so haben Sie ihn eben schon dargestellt.