Protocol of the Session on December 12, 2007

„Mein politischer Gegner im Land heißt Wulff und nicht Dehm.“

Herr Jüttner: All das sind solche Anzeichen, die wir sehr genau registrieren.

(Zurufe von der SPD: Genau!)

Sie haben sich wochen- und monatelang um eine Aussage gedrückt, ob Sie eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei in irgendeiner Weise definitiv ausschließen können. Sie haben wochenlang geschwiegen, bis der Druck von den Vernünftigen in Ihrer Partei zu groß war. Dann haben Sie zum ersten Mal etwas bekannt.

Sie haben dann gesagt, Sie könnten sich keine ernsthaften Koalitionsverhandlungen mit den Linken vorstellen. Ich frage Sie: Was sind denn unernsthafte Koalitionsverhandlungen? - Nein, es bleibt ein mehr als begründeter Restzweifel. Wir trauen Ihnen nicht über den Weg. Wenn es nicht anders klappt, würden Sie ohne mit der Wimper zu zucken versuchen, gemeinsam mit den Kommunisten hier eine Mehrheit im Landtag hinzubekommen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb geht es in 46 Tagen, am 27. Januar, nicht um die Fragen, die Sie, Herr Jüttner, gestellt haben, sondern schlicht und ergreifend um die Frage: Kommen die anderen dran, Rot-Grün mit Unterstützung einer dritten Kraft, in welcher Form auch immer? Geht es zurück zum Marsch in den Schuldenstaat? Kommt die Zerschlagung von Hunderten von Schulen - Gymnasien, Realschulen und Hauptschulen - zugunsten der Gesamtschule? Und kommen wir wieder zu einer ideologischen Verkehrs-, Energie- und Wirtschaftspolitik? Oder bleibt dieses Land Niedersachsen ein Land der Mitte mit einer Landesregierung der Mitte aus CDU und FDP und einem zuverlässigen Ministerpräsidenten Christian Wulff? - Dafür lohnt es sich zu streiten. Das werden wir die nächsten 46 Tage tun. Jeden Tag und jede Stunde und bei jeder Gelegenheit: Wir halten Kurs, damit es in Niedersachsen weiter aufwärts geht. - Herzlichen Dank.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nächster Redner ist der Kollege Wenzel für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege Wenzel, Sie haben jetzt das Wort. Ich bitte die anderen, ihm zuzuhören.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme hier ohne Schaubild. Dafür muss man sich schon fast schämen. Ich möchte hier aber auch nicht über die Vergangenheit, sondern über die Zukunft reden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2008 malt die Zukunft Niedersachsens ja sehr rosig, fast so grellrosig wie die quietschlila Krawatte unseres Finanzministers.

(Zuruf von der CDU: Er hat eine!)

Aber, meine Damen und Herren: Obwohl die Steuereinnahmen sprudeln, ist von einem Ausgleich des Haushalts nur wenig zu sehen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Ist das ein besonderer Schal, den Sie da tra- gen?)

Der Handlungsbedarf für die kommenden Jahre, die Verwendung von Kreditermächtigungen der Vorjahre, steigende Pensionszahlungen und fortbestehende Schattenhaushalte machen deutlich, dass bei Ihnen nichts in trockenen Tüchern ist. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, lassen im Moment doch nur ein wahlkampfpolitisches Zwischenhoch durchziehen, und fast jedem Wahlkreisabgeordneten haben Sie noch ein kleines Weihnachtsgeschenk mit auf den Weg gegeben.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Ich habe noch keins gekriegt!)

Dabei hören auch Sie schon im Hintergrund das Donnergrollen. Die Krise an den Finanzmärkten kostet nicht nur einige Banken die Existenz; sie beeinträchtigt auch die wirtschaftlichen Erwartungen und die Steuereinnahmen der Zukunft. Die privaten Haushalte spüren die Teuerung, und die Inflationsrate liegt über der Reallohnentwicklung. Die einzigen Einkommen, die rasant steigen, sind offenbar die Managergehälter.

Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen zwei Anträge vorgelegt; einen für die kurz- und mittelfristigen Perspektiven und einen Änderungsantrag zum Haushaltsplanentwurf der Landesregierung. Wir fordern mehr Transparenz, ein neues Rechnungswesen, eine Offenlegung des Vermögensabbaus, eine Offenlegung der verdeckten Verbindlichkeiten und eine Beteiligung des Landtags bei der Festlegung der Haushaltseckdaten und der Mipla. Wir wollen den Investitionsbegriff modernisieren und die Verengung auf Sachinvestitionen beenden. Investitionen in Bildung und Nachhaltigkeit müssen endlich auch als solche begriffen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In der Konsequenz dieser Überlegungen fordern wir strengere Grenzen für die Neuverschuldung, eine Schuldenbremse mit einem festen Prozentsatz, die an der Finanzkraft des Landes ansetzt, und Zweidrittelmehrheiten oberhalb der verfassungsgemäßen Grenzen. Die heutigen Instrumente haben sich als untauglich erwiesen, um die Schuldenberge der Vergangenheit abzuschichten.

Um die Pensionslasten zu begrenzen, wollen wir sicherstellen, dass die Ressorthaushalte künftig für jeden neuen Beamten 33 % der Vergütung zusätzlich an das Finanzministerium abführen - dafür haben wir in unserem Änderungsantrag auch Vorsorge getroffen -, um den Anstieg der verdeckten Verschuldung zu beenden. Sie, Herr Finanzminister, wedeln hier mit einem Pensionsfonds - irgendwann in der Zukunft. Dabei haben Sie immer dann, wenn es möglich war, selber Beamte eingestellt und so Lasten in die Zukunft verschoben. In Ihrer Amtszeit ist das sicherlich ein Volumen in Höhe von 250 Millionen Euro. Wir dagegen haben alle unsere Forderungen finanziert, auch unser Konzept zur Senkung der Pensionslasten, und wir senken die Neuverschuldung um weitere 50 Millionen Euro.

Herr Wulff, der sich um diese Diskussion hier offenbar drückt, hört vielleicht im Hinterzimmer zu.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das stimmt nicht! Wir wissen, wo er ist!)

Ich frage mich, und ich frage vor allem Sie, Herr Wulff: Was feiern Sie eigentlich heute, so kurz vor dem Ende Ihrer Amtszeit? - Sie feiern doch vor allem sich selbst. Sie feiern Ihre Stimmungserfolge, und Sie feiern Ihre persönliche Popularität. Aber politische Erfolge gibt es nicht zu feiern, Herr

Wulff. Um die wirklichen Herausforderungen drücken Sie und Ihre Regierung sich herum. Am Ende geht es immer um Sie selbst und um die Fragen, wo die Mitte ist und wem die Mitte angeblich gehört. Was für ein Blödsinn!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war schon bei Herrn Schröder so. Es ist genauso dumm und töricht, wie sich seinerzeit Gerhard Schröder angestellt hat, als er die politische Mitte quasi zu seinem Privateigentum erklärte. Es stimmt: In der CDU steigt das Bemühen, den Muff und den Moder ihrer spießigen Vorgängergenerationen abzuschütteln.

(David McAllister [CDU]: Was?)

Aber es ist doch peinlich, wie Sie jetzt versuchen, allen weiszumachen, dass die CDU in Niedersachsen von Christian Wulff vielleicht in einen Zaubertrank geschubst wurde, der über Nacht alle modern, tolerant, fortschrittlich, solidarisch, chancengerecht, klimabewusst, migrationsfreundlich und am Ende noch erdkabelverbunden macht.

(David McAllister [CDU]: Danke, Ste- fan!)

Das ist lächerlich, meine Damen und Herren. Sie möchten Ihre Leute, als gute Hirten verkleidet, durch das vorweihnachtliche Niedersachsen schicken und frohe Botschaften über den Haushalt verkünden lassen. Aber wissen Sie, Herr McAllister, was das Problem ist? - Ihr dreigliedriges Schulsystem.

(David McAllister [CDU]: Das geglie- derte!)

Das ist nicht modern, das ist schlicht und einfach mittelalterlich.

(Beifall bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Stefan, sage doch mal „Steinzeit“!)

Eine Gesamtschule aus Hildesheim durfte Herr Busemann jetzt als bundesweiten Schulsieger auszeichnen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ausge- rechnet eine Gesamtschule!)

Herr McAllister, Ihre Bleiberechtspolitik ist nicht migrationsfreundlich. Sie ist nicht integrationsfreundlich. Sie ist schlicht ausländerfeindlich. Es ist inhuman, wenn nach einem Jahr Härtefallkommis

sion nur 5 von rund 100 Anträgen genehmigt worden sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr McAllister, Ihr Festhalten an Atomkraft und an Steinkohle ist nicht klimabewusst. Es ist schlicht und einfach umweltzerstörend, und es ist lebensbedrohlich, wie die jüngste Studie zum erhöhten Krebsrisiko von Kindern beweist.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Niedersachsen ist von zehn atomaren Anlagen umzingelt, und Sie wollen noch mehr.

(Zuruf von der CDU: Wo denn noch?)

Wahrlich, ich sage Ihnen: Die guten Hirten haben es nicht mit dummen Schafen zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN - Joachim Albrecht [CDU]: Sie verbreiten Un- wahrheiten!)

Meine Damen und Herren, das Jahr 2007 wird in die Geschichtsbücher als das Jahr eingehen, in dem das Bewusstsein über die Grenzen des Wachstums und die Bedrohung durch die Klimakatastrophe national und international breiteste Kreise der Menschheit erfasste. Jawohl, breiteste Kreise der Menschheit, aber in der Kabinettsrunde in der Planckstraße hapert es hin und wieder doch noch.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Da helfen wir aber gerne!)

Schon vergessen? - Noch im Mai, während 1 000 Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse zum Anstieg des Meeresspiegels erläuterten, mussten wir uns durch Ihre Landesregierung, Herr Wulff, hier im Plenum erklären lassen, dass das Meer in den kommenden Jahren nicht mehr ansteigen wird als in den vergangenen 100 Jahren. Dann hat eine neue Ausgabe der Zeitschrift GEO Klartext über Ihre Politik hier in Niedersachsen gesprochen. Zitat - ganz deutlich und ganz kurz und knapp -: