Protocol of the Session on November 14, 2007

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion hat jetzt die Kollegin Bockmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Juristin Bockmann meldet sich zu Wort und muss zunächst einen Widerspruch aufzeigen, Herr Dr. Noack, der hier entstanden ist. Wir brauchen eine vernünftige Juristenausbildung. Wir brauchen auch eine Reform dieser Ausbildung. Darüber wird schon mehr als 100 Jahre diskutiert, aber im Wesentlichen hat sich nichts geändert. Da sind wir d’accord. Aber eine Spartenausbildung, wie sie in diesem Antrag bezeichnet wird, lehnen wir ab.

Der Kollege Herr Dr. Zielke hat vorhin ausgeführt, es gibt Anträge, die, wenn sie gestellt sind, nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind. So qualifizieren wir diesen Antrag; denn die Bundesrechtsanwaltskammer geht von dem Spartenmodell ab. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, darf ich aus der neuesten Presseerklärung der Bundesrechtsanwaltskammer zitieren:

„Die Bundesrechtsanwaltskammer

spricht sich daher für eine Integration der beiden Staatsexamina in ein Modell nach den Vorgaben von Bologna aus.“

Das entspricht ja nicht der Spartenausbildung, wie Sie sie in Ihrem Antrag favorisieren. Und ich zitiere weiter:

„Dabei soll die universitäre Ausbildung in einen dreijährigen Bachelorab

schnitt und in ein zweijähriges Masterstudium aufgeteilt werden.“

Das heißt, die gewünschte Reform, die Sie mit diesem Antrag anschieben wollen, geht in die falsche Richtung.

Richtig ist, dass wir mit der jetzigen Ausbildung eine mangelnde Vorbereitung auf die Herausforderungen der Praxis haben: Lange Gesamtstudiendauer, alles oder nichts in den Examina, geringe Bedeutung und daher Vernachlässigung der Leistungen an der Uni gegenüber der Examensvorbereitung beim Repetitor und, last, but not least, Tauchstation im Referendariat, weil die Vorbereitung auf das zweite Staatsexamen wichtiger ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, so etwas kann man ohne Frage effektiver gestalten.

Der Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen favorisiert jedoch die Spartenausbildung. Das aber wäre eine Reform mit Schlaglöchern. Schließlich ist die Spartenausbildung auch eine knallharte Konkurrenzvermeidung für die Anwaltschaft; denn die Juristenschwemme, die eigentlich eine Anwaltsschwemme ist, wird durch eine überschaubare Zahl an Anwaltsausbildungsplätzen einge

dämmt. Da sich dies aber erst im nachuniversitären Bereich, also nach einem vollendeten Jurastudium, abspielt, halten wir dies in persönlicher und volkswirtschaftlicher Hinsicht für eine Vergeudung von Lebensarbeitszeit.

In Spanien, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist dies bereits so. Dort erhalten Nachwuchsjuristen einen Ausbildungsplatz in den Kanzleien dann, wenn sie einen Anwalt kennen, wenn sie bereit sind, Geld dafür zu bezahlen, oder wenn sie bereit sind, ohne Geld zu arbeiten. Genau das wollen wir hier aber nicht einführen. Junge Menschen mit einem Studium ohne einen Abschluss im Regen stehen zu lassen, das können und wollen wir nicht verantworten.

Lassen Sie uns über den Bologna-Prozess diskutieren, lassen Sie uns ein maßgeschneidertes Jurastudium einführen! Aber das Motto des Deutschen Anwaltsvereins „Klasse statt Masse“ ist uns zu kurzfristig gedacht. Wer studiert, muss auch die Möglichkeit für einen berufstauglichen Abschluss haben. Das Scheitern darf durch eine Reform nicht vorprogrammiert sein. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Briese das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ja nicht nur so, wie der Kollege Noack gesagt hat, dass der Ministerpräsident dieses Landes und der CDU-Fraktionsvorsitzende Juristen sind, sondern das halbe Kabinett besteht aus Juristen. Und trotzdem sind die Gesetze in Niedersachsen so schlecht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Da muss man sich die Frage stellen: Liegt das daran, dass wir in diesem Land zu viel oder zu wenig juristischen Sachverstand haben?

Ich neige ja nicht zu Destruktivität. Aber ich erinnere mich an eine Stellungnahme von David McAllister, der einmal gesagt hat, die Plenarsitzungen dauern immer viel zu lange, weil die Grünen so viele überflüssige Anträge stellen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Jörg Bode [FDP]: Richtig!)

Der inhaltsleerste Antrags des heutigen Tages ist allerdings Ihr Antrag, meine sehr verehrten Damen und Herren von CDU und FDP; denn darin steht nun wirklich nichts, aber auch gar nichts drin.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Hans-Christian Biallas [CDU]: Dafür redest du aber schon ganz schön lange!)

Ich will nicht negieren, dass die Frage der Juristenausbildung eine wichtige Frage ist. Darüber kann man lange diskutieren. Aber das, was in dem Antrag steht, ist unwichtig und nichtig: Die Landes

regierung solle prüfen, ob die Juristenausbildung in irgendeiner Art und Weise umgestellt werden soll oder nicht. Das ist ein wachsweicher Prüfauftrag für die Justizministerkonferenz, die ungefähr so wichtig ist wie die Kultusministerkonferenz.

Bei der Einbringung dieses Antrags hat der von mir sehr geschätzte Kollege Biester gesagt: Das ist ein sehr wichtiges Thema, dazu wollen wir eine große Anhörung im Rechtsausschuss durchführen und uns die einzelnen Modelle anschauen. - Tatsächlich ist der Antrag nur ungefähr 30 Sekunden lang beraten worden. So viel zu der Wichtigkeit des Themas „zukünftige Juristenausbildung in Niedersachsen“.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihr Antrag ist mehr als mager. Wir wissen, dass es verschiedene Modelle gibt. Einige davon wurden hier bereits skizziert, z. B. das Modell des Deutschen Anwaltsvereins. Es gibt auch ein Modell des Deutschen Richterbundes. Ich verweise im Übrigen auf die Position von Beate Merk, ihres Zeichens Justizministerin in Bayern. Sie hat gesagt: Das mit der Spartenausbildung ist großer Schwachsinn. Das wollen wir nicht. Wir wollen beim Volljuristen bleiben. - Normalerweise finden Sie die bayerische Rechtspolitik ja immer ganz vorzüglich, insbesondere dann, wenn es um Strafverschärfung geht. In dieser Sache scheint das nicht der Fall zu sein.

Meine Damen und Herren, über die Juristenausbildung kann man sehr wohl streiten. Aber bitte füllen Sie die Diskussion mit Inhalten!

Lassen Sie mich noch zwei Sätze sagen, da ich gerade den Wissenschaftsminister dieses Landes vor mir sehe. Herr Stratmann, wenn ich mich recht erinnere, waren Sie es, der gemeinsam mit der Mehrheit des Hauses gesagt hat: Wir brauchen in Niedersachsen Studiengebühren; Studiengebüh

ren sind gut und richtig. - Ich sage Ihnen: Sorgen Sie im Blick auf die Juristenausbildung endlich dafür, dass der große Skandal des Repetitoriums abgeschafft wird!

(Lutz Stratmann [CDU]: Das machen wir doch!)

Es ist wirklich eine große Ungerechtigkeit, dass Sie von den Studierenden Geld nehmen, dass diese aber nach wie vor zusätzlich einen Nachhilfelehrer anstellen müssen, um überhaupt durch das Examen zu kommen.

(Lutz Stratmann [CDU]: Das ist doch alles Vergangenheit!)

Damit sollten Sie sich beschäftigen. Aber mit solchen windelweichen, lahmen Anträgen wie dem vorliegenden sollten Sie den Landtag verschonen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Das weise ich zu- rück!)

Herr Kollege Zielke hat für die FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Jurist ist ein Jurist ist ein Jurist. - Vielleicht nicht mehr lange!

(Heiterkeit bei der FDP und bei der CDU)

Die einheitliche Juristenausbildung ist manchem eine Selbstverständlichkeit, bewährt und durch Tradition geadelt, anderen erscheint sie reformbedürftig, ineffizient und veraltet.

Einmal abgesehen von Bologna - oder Bolognese gibt es die zwingenden, zum Himmel schreienden Missstände im bisherigen System, die seine Zerschlagung geradezu als Befeiung erscheinen lassen.

Oder ist die einheitliche Juristenausbildung ein eherner Pfeiler, ein implizites Konstituens unserer freien, auf Gewaltenteilung basierenden Rechtsordnung?

Vermutlich weder das eine noch das andere. Sicherlich gibt es gute Gründe, an der einen oder anderen Stelle der bisherigen Ausbildung etwas zu ändern. Es mag auch gute Gründe geben, nichts Grundsätzliches zu ändern. Vielleicht sind diese ähnlich denen, weswegen bisher auch kaum jemand die einheitliche Ausbildung zum Arzt bis zur Approbation ernsthaft infrage gestellt hat.

Diesen Antrag haben die Koalitionsfraktionen vor fast genau zwei Jahren eingebracht, weil wir damit der Landesregierung - Herr Briese hat das richtig dargestellt - einen Prüfauftrag geben wollten, sogar einen eingehenden Prüfauftrag, ob denn eine Spartenausbildung für Juristen die Ausbildungs

qualität erhöhen würde. Wir werden diesen Antrag heute beschließen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Herr Zielke, wir können die Sitzung noch ein bisschen in die Länge ziehen, wenn hier in den Bänken so viel geredet wird.

So viel Zeit habe ich nicht mehr.

Wir warten einmal ab, bis hier richtig Ruhe ist. Jetzt kann es weitergehen.

Einerseits bin ich sicher, dass die Landesregierung sozusagen im vorauseilenden Entgegenkommen gegenüber dem Parlament sich in der Zwischenzeit schon Gedanken gemacht hat. Andererseits besteht kein Grund zur Eile; denn die Konferenz der Justizminister der Länder hat praktisch zeitgleich mit der Einbringung unseres Antrages beschlossen, sich mit der Frage der Spartenausbildung erst wieder 2008 zu befassen, wenn der Bericht einer Unterkommission, an der Niedersachsen federführend beteiligt ist, vorliegt und dann - vielleicht - etwas zu beschließen.

Wir haben vollstes Vertrauen, dass die Unterkommission alles Für und Wider der Spartenausbildung der Juristen sorgfältig abgewogen hat und abwägt und einen guten Vorschlag vorlegen wird. - Vielen Dank.