Protocol of the Session on November 14, 2007

Wir haben vollstes Vertrauen, dass die Unterkommission alles Für und Wider der Spartenausbildung der Juristen sorgfältig abgewogen hat und abwägt und einen guten Vorschlag vorlegen wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Landesregierung hat jetzt Frau Ministerin Heister-Neumann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Berufsfeld für Juristinnen und Juristen wird immer komplexer. Früh erlangtes Fachwissen und Spezialisierung sind daher verstärkt gefragt. Gleichwohl bilden wir unseren juristischen Nach

wuchs nach wie vor mit der Vorstellung aus, am Ende einer langen und schweren Ausbildung sei er für alle Berufszweige gleichermaßen befähigt.

Hinzu kommt die tradierte Vorstellung, mit der zweiten juristischen Staatsprüfung in der Tasche finde man schon irgendwie einen Arbeitsplatz.

Unterhält man sich mit Absolventinnen und Absolventen, berichten diese von erheblichen Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche und dass sie sich eine beschränkende Auswahl sehr wohl schon früher gewünscht hätten. Mit 22 oder 23 Jahren hätten sie noch etwas anderes anfangen können.

(Dr. Harald Noack [CDU]: Sie hätten Oppositionsführer werden können!)

Jetzt, mit 28 Jahren, seien sie für eine weitere Ausbildung - Herr Dr. Noack, ein bisschen Disziplin, bitte! - zu alt.

(Heiterkeit bei der CDU)

Wer nach einem Studium der Rechtswissenschaften, einer Referendarzeit und zwei Staatsexamina keine Anstellung in tradierten juristischen Berufen findet, stellt darüber hinaus auch noch ein Weiteres fest. Er stellt fest, dass er für Berufe, die mit Jura zu tun haben, aber kein Examen erfordern, als überqualifiziert angesehen wird. Zu Bewerbungsgesprächen wird der erst gar nicht eingeladen.

Dies ist für die Betroffenen nach sieben bis acht Jahren anspruchsvoller Ausbildung und entsprechenden Prüfungen im wahrsten Sinne des Wortes eine persönliche Katastrophe. Man führe sich vor Augen, dass dies nicht nur die Zeit ist, um nach der Schul- und Hochschulausbildung sowie dem Referendariat endlich auch einmal ins Erwerbsleben einzutreten - und das, meine Damen und Herren, in europäischer Konkurrenz. Häufig wird dann auch der Wunsch bestehen, eine Familie zu gründen, und wegen der berechtigten Zukunftssorgen stellen viele dies zurück.

Diese Situation ist auch volkswirtschaftlich betrachtet unverantwortlich. Wir bilden in der Bundesrepublik Deutschland jährlich etwa 10 000 Frauen und Männer bis zum zweiten Staatsexamen aus, von denen ein erheblicher Anteil seine Kenntnisse, realistisch betrachtet, niemals beruflich wird anwenden können. Ich habe Ihnen bei der Antragseinbringung beispielhaft die Zahl der zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte des Jahres 2004 genannt, weil die meisten Absolven

tinnen oder Absolventen versuchen, erst einmal in diesem Bereich unterzukommen. Zur Erinnerung: 2004 gab es in Deutschland rund 127 000 zugelassene Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Für den 1. Januar 2007 gibt die Statistik der Bundesrechtsanwaltskammer die Zahl mit 142 830 an. Das sind schon wieder fast 16 000 mehr als vor drei Jahren.

Meine Damen und Herren, wir dürfen einfach nicht die Augen vor der Frage verschließen, wohin uns diese weitere Entwicklung für die Juristen führt. Die jungen Menschen können nicht dauerhaft ihren Lebensunterhalt sicherstellen, wenn sie auf diesen immer enger werdenden Markt drängen. Das

braucht wohl nicht näher erläutert zu werden.

Mit dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP geht es um eine verantwortungsvolle Gestaltung der Zukunft für die Betroffenen und für die Gesellschaft insgesamt. Vor dem Hintergrund ist es wichtig und richtig, über hergebrachte Strukturen zu diskutieren, sie zu hinterfragen und auch über neue Wege zu sprechen. Wir dürfen uns für die Frage nach der Entwicklung von zukünftig leistungsfähigen Ausbildungsstrukturen keine Denkverbote auferlegen.

Fragen gibt es viele, z B.: Haben wir mit dem Bild vom sogenannten Einheitsjuristen nicht ein Ideal vor Augen, das angesichts der Komplexität der Materie heute vielleicht nicht mehr zeitgemäß ist? Die Arbeitswelt hat sich in einem Maße diversifiziert, dass es den Alleskönner, der nach entsprechender Ausbildung anschließend in der Praxis nur noch den letzten Feinschliff bekommt, womöglich nicht mehr geben kann, zumindest nicht mit dem in früheren Jahrzehnten erzielbaren Gewinn.

Ich bin davon überzeugt, dass die gute Juristin, der gute Jurist auch in einem Hochschulstudium und in einer anschließenden Praxisausbildung in Berufssparten qualifiziert ausgebildet werden kann.

Meine Damen und Herren, in der Justizministerkonferenz wurde deshalb bereits im Jahr 2005 veranlasst, dass eine Arbeitsgruppe ein realisierbares Modell für die Spartenausbildung entwickelt. Dass man das im Hinblick auf die Diskussion dann auf den Zeitpunkt 2008 verlegt hat, hat damit zu tun, dass tatsächlich erst einmal ein realisierbares Diskussionsmodell erarbeitet werden soll. Bislang wird über diese Dinge rein theoretisch und frei schwebend diskutiert - das gilt auch für den Bologna-Prozess -, ohne zu hinterfragen, auf welchem

Markt die Bachelors denn tatsächlich nachher auch arbeiten können.

Genau das, sowohl die Spartenausbildung als auch die Übertragung des Bologna-Prozesses auf die Rechtswissenschaften, wollen wir intensiv diskutieren und Modelle für 2008 vorlegen. Deshalb lassen Sie mich zum Schluss, lieber Herr Briese, noch eines sagen:

Im Gegensatz zu den Entschließungsanträgen, über die wir vorher gesprochen haben - die, wie Herr Professor Zielke so schön gesagt hat, eher den Eindruck erwecken, als versuche man, auf einem toten Pferd immer weiter voranzukommen -, handelt es sich hier um ein Thema, das in der aktuellen Diskussion ist und wobei es sich lohnt, auch hier in Niedersachsen, ein Bild zu schaffen, das wir in die Konferenz und in die tatsächliche Entscheidung auf Bundesebene mit einbringen können.

Deshalb kann ich für den Antrag nur danken. Wir werden uns des Themas sehr intensiv weiter annehmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Heister-Neumann. - Weitere Wortmeldungen gibt es nicht.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit.

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der heutigen Sitzung.

Schluss der Sitzung: 19.11 Uhr.