Kurzum: Demografie braucht mehr Planung. Da waren wir wieder bei der Überlagerung durch die Tagespolitik. In der Kommission wurde von Schwarz-Gelb peinlich genau darauf geachtet, den Enquete-Bericht auch mit den laufenden Planungen zur Novellierung des Landes-Raumordnungsprogramms kompatibel zu machen. Darin steht nämlich genau das Gegenteil: Die Entwicklung könne man getrost dem freien Spiel der Kräfte und dem gemeindlichen Bürgermeisterwettbewerb überlassen. - Meine Damen und Herren, so geht es nicht!
Da wundert es natürlich auch nicht, dass der demografische Wandel in den Programmen für die neue EU-Förderperiode überhaupt keine Rolle spielt. Das haben die Fondsverwalter wie beim Klimaschutz schlicht verschlafen.
Demografie braucht auch Zusammenarbeit, meine Damen und Herren. Schrumpfungsdefizite lassen sich ausgleichen, indem man zusammenarbeitet, zusammenfasst, Einzugs- und Handlungsbereiche vergrößert. Es gibt ein breites Spektrum von freiwilligen Maßnahmen bis zur institutionellen Zusammenarbeit im Aufgaben- und Projektbereich oder auch gebietsbezogen. Nur: Die institutionellen Formen kamen bei Schwarz-Gelb sofort auf den
Index. Dass Gebietskörperschaften auch fusionieren können und dass die Region Hannover keine Halluzination ist, kann der geneigte Leser dieses Berichts lediglich einem Sondervotum entnehmen.
Natürlich haben freiwillige Zusammenschlüsse auch ihre Berechtigung zum Üben - sage ich einmal -, um Vertrauen zu schaffen. Aber die Erfahrungen zeigen, dass sie zwei wesentliche Nachteile haben: zum einen eine mangelnde demokratische Legitimation, da die Menschen in den Gremien nicht gewählt sind, sondern mitunter sogar zufällig zusammenkommen. Dabei stellen wir fast immer eine starke Verwaltungslastigkeit fest. Zum anderen besteht - das weiß jeder, der sich länger mit diesen Zusammenhängen beschäftigt hat - eine mangelnde Arbeitseffizienz und eine mangelhafte Umsetzungskraft. Wer den Prozess um die Bildung von Metropolregionen verfolgt hat, kann das nur bestätigen. Deswegen überzeugt uns das nicht. Wir glauben, dass wir die institutionalisierte Regionalisierung der kommunalen Ebene brauchen genauso wie die Ertüchtigung der Gemeindeebene darunter - insbesondere bei den Samtgemeinden.
Meine Damen und Herren, Leistung - zumindest in der Physik - wird durch den Quotienten aus verrichteter Arbeit bzw. der dafür aufgewendeten Energie und der benötigten Zeit definiert. Über dem Bruchstrich stehen also 600 Seiten Papier oder 700 Handlungsempfehlungen. Unter dem Bruchstrich stehen zwei Jahre. Wenn man das ausrechnet, dann ergibt sich knapp eine Seite oder knapp eine Handlungsempfehlung pro Tag. Ich weiß nicht, ob Sie damit zufrieden sind. Das relativiert jedenfalls die bisher genannten Zahlen. Ich hoffe nur, dass es unabhängig von diesem Ergebnis gelingt, möglichst bald die wichtigsten Dinge und nicht die Banalitäten umzusetzen. - Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der demografische Wandel ist nicht zu stoppen. Es geht darum, ihn zu gestalten und ab
Die Frauen, die heute Kinder bekommen müssten, damit die demografische Entwicklung stabil bleiben könnte, wurden schon in der vergangenen Generation nicht geboren.
Lieber Heiner, das Hauptaugenmerk der Arbeit der Kommission lag also darauf, wie die Situation in Niedersachsen ist und wie sie sich zukünftig entwickelt. Wir haben untersucht, welche Maßnahmen geeignet sind, den demografischen Wandel abzufedern: beispielsweise eine verbesserte Familienfreundlichkeit und eine Erleichterung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Auf der anderen Seite haben wir darüber diskutiert, wie die Regionen mit einer schon heute schwierigen demografischen Entwicklung mit dieser Situation umgehen sollen, wie sie auch in Zeiten einer alternden und zugleich schrumpfenden Bevölkerung öffentliche Angebote aufrechterhalten können und wie die demografische Entwicklung im Zusammenspiel der örtlichen Kräfte gestaltet werden kann.
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich mich auch namens meiner Fraktion sehr herzlich bei den Sachverständigen bedanken, die sich stets konstruktiv und offen in die Arbeit der Kommission eingebracht haben. Es hat sehr viel Spaß gemacht, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Herzlichen Dank dafür!
Ferner möchte ich mich insbesondere bei den Mitarbeitern der Landtagsverwaltung bedanken, die mit uns eine nicht ganz leichte Aufgabe hatten, diese aber stets souverän gemeistert haben. Ich danke an dieser Stelle Frau Kammeier und Herrn Fuchs ebenso wie Frau Roth und Herrn Rasche.
Meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit diesem Enquete-Bericht ein Handbuch für die politische Arbeit der kommenden Jahre vorlegen. - Herr Kollege Klein, davon können Sie mich nicht abbringen. - Dieses Handbuch erklärt auf 500 Seiten, wie sich die demografische Entwicklung in Niedersachsen und in seinen Regionen darstellt und welche Handlungsmöglichkeiten es gibt. Diese haben wir auf einer Vielzahl von Seiten dargestellt.
Die Handlungsempfehlungen an das Land, aber auch an den Bund, die Kommunen, die Tarifparteien und die öffentlichen Institutionen sind sehr detailliert und sicherlich - das gebe ich gerne zu, Herr Kollege - von unterschiedlicher Wichtigkeit. Entscheidend ist allerdings aus meiner Sicht, dass diese Empfehlungen von der Kommission zu einem guten Teil einvernehmlich ausgesprochen werden. Dies unterstreicht die politische Bedeutung dieses Themas und auch dieses Berichts.
Gemeinsam mit meiner Kollegin Gesine Meißner habe ich intensiv an der Arbeit der Kommission mitgewirkt. Als besonders angenehm habe ich empfunden, dass alle Mitglieder der Kommission trotz unterschiedlicher Auffassungen bereit waren, über ihren Schatten zu springen - die einen mehr, die anderen weniger - und Kompromisse zuzulassen, zumindest in den Bereichen, die nicht so stark durch politische Kontroversen in diesem Hause geprägt sind, wie z. B. die Schulpolitik.
Als sehr unangenehm empfinde ich aber, dass hier versucht wird, mit Halbwahrheiten und verzerrten Darstellungen Zwietracht zu säen, die mir den Eindruck vermitteln, dass hier eher Seminare der Friedrich-Ebert-Stiftung besucht werden, als dass die Wirklichkeit in Betracht gezogen wird,
Ich muss deutlich sagen, dass gerade diese Art und Weise in der Diskussion in der EnqueteKommission dazu geführt hat, dass wir nicht mehr Gemeinsamkeiten herausgearbeitet haben, was bei diesem wichtigen Thema eigentlich dringend nötig gewesen wäre.
Ich möchte an dieser Stelle nicht so sehr auf die einzelnen Forderungen der Enquete-Kommission eingehen, die es im politischen Tagesgeschäft umzusetzen gilt. Die Kollegin Meißner wird gleich einige Beispiele herausgreifen. Ich möchte vielmehr herausarbeiten, welche gesellschaftlichen Herausforderungen aus meiner Sicht in besonderer Weise vor uns stehen.
Die erste Auswirkung des demografischen Wandels ist nicht der Bevölkerungsrückgang. Als erste Auswirkung des demografischen Wandels wird sich vielmehr das Altern der Bevölkerung einstellen. In einigen Regionen Niedersachsens kann man diese Entwicklung schon sehr gut beobachten. So liegt der Anteil der über 60-Jährigen an der Bevölkerung bereits in fünf Landkreisen über 30 %. Im Landkreis Goslar beispielsweise sind heute schon etwa 7 % der Bevölkerung über 80 Jahre alt. Diese Entwicklung ist im Grunde positiv. Wir freuen uns, dass wir so lange bei guter Gesundheit leben können. Für unsere Gesellschaft und für diese Region muss dies aber nachhaltige Änderungen mit sich bringen. Aus meiner Sicht müssen wir das Potenzial älterer Menschen stärker als bisher nutzen. Wir müssen den Wert älterer Arbeitnehmer in unseren Betrieben begreifen. Ebenso muss es uns gelingen, Rentner und Pensionäre für ehrenamtliche Arbeit in unserer Gesellschaft zu gewinnen. Die Leistungsfähigkeit unserer älteren Generation ist noch lange nicht ausgeschöpft. Ich weiß, wie viele Menschen dieser Generation sich einbringen können und es auch wollen. Dieses positive Alltagsbild gilt es zu fördern und zu unterstützen.
Auf der anderen Seite geht es aber auch darum, unseren öffentlichen Raum für ältere Menschen zugänglich zu halten - Stichwort „Barrierefreiheit“. Damit ist natürlich der Zustieg zum Bus ebenso gemeint wie die Lesbarkeit von Fahrplänen oder die Schaltung von Ampeln. Neulich gab es dazu in der Bild Hannover einen großen Bericht. Hier gilt der Satz: Barrierefrei ist menschengerecht. - Das müssen wir beherzigen, meine Damen und Herren.
Die zweite Entwicklung, die der demografische Wandel erzeugt, ist der Rückgang der Bevölkerung. Niedersachsen wird bis 2021 um gut 1 % schrumpfen. Das ist nicht dramatisch. Die Dramatik wird aber deutlich, wenn man die Entwicklungen in den Regionen miteinander vergleicht. Im gleichen Zeitraum wird der Landkreis Lüneburg um 16 % wachsen und der Landkreis Osterode um 17 % schrumpfen. Dies bringt insbesondere für öffentliche Einrichtungen, aber auch für die kommunale Infrastruktur große Herausforderungen mit sich. Aus meiner Sicht müssen wir als Land hier die Lösungsansätze unterstützen, die vor Ort entwickelt werden, aber keine Lösungen vorgeben. Nicht wir in Hannover wissen, was für die Menschen vor Ort am besten ist. Die Kraft, den demografischen Wandel zu bestehen und zu gestalten, muss vielmehr vor Ort erwachsen. Ich vertraue darauf, dass die Kommunen moderne Mittel wie öffentlich-private Partnerschaften und interkommunale Zusammenarbeit nutzen werden. Die Bildung eines mittelzentralen Verbundes mit oberzentraler Teilfunktion im Harz ist der beste Beweis dafür, dass die Akteure vor Ort zur Zusammenarbeit bereit sind. Wir müssen diese Akteure unterstützen und dürfen sie nicht bevormunden. Da bin ich dezidiert anderer Auffassung als die Kollegen von den Grünen.
Die dritte Herausforderung ist aus meiner Sicht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier hat Niedersachsen einen großen Handlungsbedarf. Mit dem Programm „Familien mit Zukunft - Kinder bilden und betreuen“ sind wir auf einem guten Weg. Aber auch hier ist mehr möglich. Kollegin Meißner wird näher auf die konkreten Empfehlungen eingehen. Ich möchte aber an dieser Stelle betonen, dass es bei dieser Diskussion nicht nur um Krippenplätze und Ganztagsbetreuung gehen kann,
nicht nur um Arbeitszeitmodelle und um Jobsharing. Aus meiner Sicht ist hier vielmehr eine gesellschaftliche Debatte um den Wert von Familie und um den Wert von Kindern notwendig. Hier gilt der alte Slogan der Jungen Liberalen: Kinderlärm ist Zukunftsmusik.
Dennoch wird es uns bei allen Anstrengungen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, nicht gelingen, das Geburtenniveau auf ein ausreichendes, höheres Niveau zu heben, um die Bevölkerungsverluste auszugleichen. Daher möchte ich an dieser Stelle betonen, dass wir Zuwanderung nach Deutschland brauchen.
Deutschland ist ein Einwanderungsland und hat schon heute einen hohen Bedarf an ausländischen Facharbeitskräften. Diese Arbeitskräfte müssen in unser Land integriert werden in sprachlicher, kultureller und rechtlicher Hinsicht. Dabei gilt, dass eine Vielfalt von Kulturen unser Land bereichert. Wir begrüßen jeden sehr herzlich, der in unserem Land sein Glück finden will und bereit ist, sich an unser Recht und unser Gesetz zu halten.
Das kontroverseste Thema unserer Arbeit war sicherlich die Bildungspolitik. Exzellent ausgebildete junge Menschen sind der Schlüssel zu einem zukunftsfähigen Niedersachsen. Dazu gehört, dass wir begabungsgerechte Schulstrukturen erhalten, indem wir individuell fördern.
Dazu gehört auch, dass wir auf den naturwissenschaftlich-technischen Bereich in der schulischen Ausbildung in der Zukunft größeren Wert legen.