Protocol of the Session on September 17, 2003

schnürt. Jetzt entscheiden wir in den nächsten Monaten in den Haushaltsberatungen und handeln dann in 2004.

Ich schließe mit Ulrich Neufert, dem Chefredakteur der Neuen Presse, vom 3. September 2003:

(Thomas Oppermann [SPD]: Das ha- ben wir uns gedacht!)

„Die Opposition im Niedersächsischen Landtag kann eigentlich weiter in den Ferien bleiben. Die Landesregierung macht zurzeit alles richtig. Ministerpräsident Christian Wulff hat die historisch einmalige Chance genutzt, in der Finanzpolitik des Landes Pflöcke einzurammen, nachdem der Haushalt im Schwemmsand SPDgeführter Landesregierungen unterzugehen drohte.“

Dem haben wir nichts hinzuzufügen. - Herzlichen Dank.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile jetzt dem Abgeordneten Herrn Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt, der dem französischen König von seinem Finanzminister Calonne im Jahre 1788 vorgelegt wurde, sah noch deutlich schlechter aus als der Ihrer, Herr Minister Möllring. Damals lagen die Ausgaben 20 % höher als die Einnahmen des Staates, 50 % der Ausgaben wurden für Zins und Tilgung aufgewendet. In der Folge kam es zur Einberufung der Generalstände, und die Ereignisse nahmen den bekannten Lauf. Das Beispiel zeigt die Brisanz einer finanzpolitischen Kamikazepolitik.

Sehr geehrte Damen und Herren, mit dem Haushaltsentwurf, den Sie uns heute vorlegen, werden ca. 11 % der Ausgaben durch neue Kredite finanziert. Gleichzeitig stellen Sie eine ganze Reihe von verfassungswidrigen Landeshaushalten in Aussicht. Herr Möllring, Sie legen uns einen Plan vor, der im Jahr 2004 die dritthöchste Neuverschuldung aller Bundesländer in absoluten Zahlen ausweist.

Außerdem wird, wie auch schon von Herrn Aller praktiziert, eine globale Minderausgabe auf höchstmöglichem Niveau eingestellt - eine Vorgehensweise, die Sie, Herr Möllring, in der Vergangenheit immer scharf kritisiert haben.

Die mittelfristige Finanzplanung enthält, soweit sie uns heute schon bekannt ist, erhebliche Risiken, unsichere und auch unwahrscheinliche Annahmen. Ein Novum ist zudem die verspätete Vorlage der mittelfristigen Finanzplanung. Das ist eindeutig ein Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung, Herr Möllring. Damit machen Sie es sich zu einfach.

Sie haben im Haushalt 2005 2 500 neue Lehrerstellen vorgesehen. Herr McAllister, als Sie mit Ihrer Rede angefangen haben, dachte ich: Haben Sie dieselbe Rede wie die zum Nachtragshaushalt hervorgekramt, als Sie damals die schöne Story mit dem Horoskop vorgetragen hatten? Sie haben im Haushalt 2 500 neue Lehrerstellen vorgesehen, aber Sie haben auch die Wiedereinführung des dreigliedrigen Schulsystems beschlossen, was den größten Teil der Lehrerstellen wieder auffrisst.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie kassieren in der Mipla 700 von den neuen Lehrerstellen gleich wieder ein.

Die Steigerung der Zahl der Kinder, die mit der Hochschulzugangsberechtigung abschließen, werden Sie so nicht erreichen. Das zeigt letztlich auch das Beispiel Bayern, das Sie sich ein Stück weit zum Vorbild genommen haben. Sie haben in Kabinett und Fraktion eine Kürzung bei den niedersächsischen Hochschulen beschlossen, die die Hochschulen, was die Qualität angeht, teuer zu stehen kommt. Wenn künftig keine renommierten Professoren mehr berufen werden können, werden die Hochschulen im Ranking weiter zurückfallen. Herr McAllister, Maßstab der niedersächsischen Hochschulen darf doch nicht die Hochschule Vechta, sondern müssen die weltweit besten Fakultäten sein. Bei den Stiftungshochschulen werden Sie vertragsbrüchig, indem Sie die Finanzausstattung der Gründungsverträge einseitig aufkündigen. Die Gelder, die für 2003 zugesagt worden sind, holen Sie nachträglich zurück.

Sehr geehrte Damen und Herren, seit gestern haben wir es schwarz auf weiß: Zu wenig Abiturienten und mittelmäßige Hochschulen wirken sich negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung aus. Die

OECD ist in ihren Aussagen mehr als deutlich geworden.

Herr Möllring, der Investitionsbegriff, den Sie Ihrem Haushaltsentwurf zugrunde legen, ist überholungsbedürftig. Münchhausen hatte die Gründung der Universität Göttingen als ein Projekt der Wirtschaftsförderung betrieben. Heute werden die Universitäten nicht mehr als Investitionen in die Zukunft begriffen, sondern bei Ihnen nur noch als Kostenfaktor. Wenn Sie von Wirtschaftsförderung reden, dann schütten Sie die Gelder wie mit der Gießkanne aus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDUund der FDP-Fraktion, der Landesrechnungshof hat Ihnen das ebenso wie Ihrer Vorgängerregierung ins Stammbuch geschrieben. Jetzt weigern Sie sich aber sogar in großkoalitionärer Verbundenheit, eine Evaluation der Wirtschaftsförderung vorzunehmen. Mitnahmeeffekte von 50 % hat der Landesrechnungshof bei dieser Form der Wirtschaftsförderung zur Kenntnis nehmen müssen.

Noch eines zur GA-Förderung: Herr Minister Hirche hat die Mittel für die GA-Förderung, für die Gemeinschaftsaufgabe, bereits aus der Mipla gestrichen. Insofern ist es nicht richtig, Her McAllister, dass Sie diese Mittel in den Haushalt eingestellt hätten. Ganz offensichtlich haben Sie die Mittel vorauseilend für Ihre eigenen Kürzungsmaßnahmen vereinnahmt.

Zu den Radwegen. Im Nachtragshaushalt haben Sie 3 Millionen draufgelegt. Aber in dem Haushaltsplan, den Sie uns jetzt vorgelegt haben, haben wir nur 5,1 oder 5,2 Millionen gefunden

(David McAllister [CDU]: Richtig! 5,3!)

Das ist die Summe, die man uns auch im Wirtschaftsministerium genannt hat. Dies ist keine Steigerung gegenüber dem Stand, den wir vorher hatten.

(David McAllister [CDU]: Das ist mehr als null!)

Wir hatten im Nachtragshaushalt einen kurzen Buckel. Jetzt gibt es eine schöne Presseerklärung von Herrn Hirche – das ist in der Sache auch richtig -, aber was das Geld angeht, ist es beileibe nicht so, wie Sie das ausgeführt haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die niedersächsischen Häfen weisen einen Kostendeckungsgrad

von nur 33 % auf. Leider steht zu befürchten, dass die von Ihnen vorgesehene Finanzierung des Tiefwasserhafens zusätzliche große Löcher in den Haushalt reißt. Das Zauberwort heißt „ppp“, so hat der Ministerpräsident das in diversen Interviews dargestellt; ppp soll public-private-partnership heißen. Dieses Zauberwort wird hier arg strapaziert. Public pays plus, so würde ich lieber sagen: Die Öffentlichkeit zahlt drauf. So müsste das eigentlich genannt werden, was Sie hier vorhaben.

(Minister Hartmut Möllring [CDU]: „Plas“ wird das ausgesprochen! Das ist nämlich englisch!)

- Man kann das englisch oder deutsch aussprechen. „Plus“ versteht man besser. Ich würde also sagen: Public pays plus. Das ist das Finanzierungskonzept für Ihren Hafen.

Mittlerweile liegen recht weitgehende Vorschläge zur Zukunft des Föderalismus auf dem Tisch. Wenn man die Vorschläge des Vorsitzenden Richters am Bundesverfassungsgericht ernst nehmen würde, wären auch das Thema der Hafenkooperation und die parallele Subventionierung von Infrastrukturprojekten nur noch Schnee von gestern. Das ist aber sicherlich noch ein weiter Weg.

Fakt ist, dass Niedersachsen, Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein ein gemeinsames Landesamt für Statistik, einen gemeinsamen Verfassungsschutz, eine gemeinsame Katasterverwaltung, ein gemeinsames Amt für Bezüge oder vielleicht auch noch die eine oder andere zusätzliche gemeinsame Institution betreiben könnten.

Herr Wulff – er ist jetzt leider nicht da -, Ihr Kollege Ole von Beust macht es Ihnen zusammen mit Schleswig-Holstein vor. Drei Landesämter sind verknüpft, und bei 15 weiteren wird das geprüft.

(David McAllister [CDU]: Richtig!)

Sie brauchen aber erst eine Einladung, um dieses Einsparpotenzial zu nutzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die CDU- und die FDP-Fraktion setzen nach eigenem Bekunden einen Schwerpunkt im Bereich der Sicherheit. Sie wollen trotz Verfassungswidrigkeit des Haushalts noch 1 000 neue Polizisten einstellen. In einem Punkt haben Sie Recht: In einer Zeit, in der mit Angst vor Terrorismus, Gewalt, sozialem Abstieg und Krankheit immer mehr Politik gemacht wird, fühlen sich viele Menschen verunsichert. Die

Sehnsucht nach Sicherheit und Geborgenheit ist ein sehr tief sitzendes menschliches Bedürfnis. Aber die Einstellung von 1 000 neuen Polizisten ist im bestem Fall Placebo-Politik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir Grünen setzen der Politik der Angst eine Politik der sozialen Sicherheit und der Geborgenheit entgegen. Wir wollen das bürgerschaftliche Engagement und zivilgesellschaftliche Strukturen stärken. Wir wollen den Menschen, die sich für ihr Gemeinwesen engagieren, wieder Mut machen und sie in diesem Engagement unterstützen. Deshalb ist es falsch, wenn Sie die kleinen sozialen Projekte zusammenstreichen, die ganz oft auf ehrenamtlichem Engagement basieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das sage ich ausdrücklich auch den Ideologen von der FDP.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Ideo- logen von der FPD?)

- Sie haben richtig gehört. Das sage ich ausdrücklich auch den Ideologen von der FDP, die ihre Klientel der besserverdienenden Männern einmal mehr im Blick haben.

(Minister Walter Hirche [FDP]: Die sind längst bei den Grünen!)

Der Chef der FDP-Fraktion verkündet drastische Kürzungsvorschläge seiner Fraktion bei Mädchenhäusern und Frauenprojekten. Er behauptet, dies sei mit dem Ministerium abgestimmt, Frau von der Leyen. Aber das war wohl ein Missverständnis. Die Sozialministerin ist überrascht und lehnt die zusätzlichen Kürzungen in ihrem Sozialetat erst einmal strikt ab.

Aber so ist das offensichtlich mit der FDP hier im Landtag. Sie kündigt an, sie behauptet, heraus kommt am Ende aber doch nichts – so ähnlich wie gestern beim Fußball. In der Presseerklärung konnte man nachlesen, Herr Rösler würde spielen, würde auf den Platz kommen. Hinterher musste man aber feststellen: Fehlanzeige, kein Rösler, nur Presseerklärung.

(Zuruf von der SPD: Er hat geguckt, wie groß der Ball ist! – David McAl- lister [CDU]: Lehmann war da! Die FDP war gut vertreten! Den Elfer hat Voigtländer verschossen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, soll noch mehr gespart werden, oder sollen noch mehr Schulden gemacht werden? Mit dieser Frage wollten der Ministerpräsident und der Vorsitzende der CDUFraktion angesichts der Debatte über das Vorziehen der Steuerreform die Opposition in Mithaftung nehmen. Einen wichtigen Punkt haben Sie aber ausgespart, meine Herren. Das Gesprächsangebot haben Sie auch schon wieder halb zurückgenommen. Zumindest musste ich Ihre Äußerungen so interpretieren. Das müssen wir vielleicht noch klären.

Wir wollen endlich wissen, welche Position Sie im Bundesrat vertreten. Der Abbau von Subventionen wird sich in den nächsten Jahren ganz wesentlich auf die Einnahmeentwicklung des Landes auswirken.

Ich will zwei Punkte ansprechen: die Eigenheimzulage und die Kilometerpauschale. Allein die Abschaffung der Eigenheimzulage wird den Landeshaushalt langfristig um ca. 250 Millionen Euro jährlich entlasten. Beide Subventionen fördern die Zersiedelung. Beide Subventionen schwächen die historischen Zentren unserer Städte und Dörfer.

Wir sind für jede Diskussion offen, in der Sie uns nachweisen, wo die wirtschaftliche Relevanz der Eigenheimzulage heute ist und wo sie sozusagen in der Schärfe, in der Tiefenschärfe das bewirkt, was ursprünglich damit geplant war.

(David McAllister [CDU]: Eigentum bilden!)