Sie dagegen haben den Eltern und den Kindern Angst gemacht. Dass man in Niedersachsen völlig verloren wäre, das stimmt überhaupt nicht. Es nutzt gar nichts, so etwas zu sagen, sondern das verunsichert und hilft in keiner Weise, das Problem zu beheben. Deswegen finde ich es sehr gut, dass Frau Janssen-Kucz so anders reagiert hat.
Ansonsten hatten Sie, Frau Elsner-Solar, gesagt: keine Daten, keine Daten! - Das ist nicht richtig. Es gibt zwar einige Punkte - das stimmt -, bei denen die Frage, wie es mit dem Kriterium Migrationshintergrund oder sozialer Hintergrund aussieht, nicht beantwortet werden konnte. Das spielte aber auch nicht immer eine Rolle. Zum Beispiel bei
Kindern, bei denen die Behinderung schon durch die pränatale Vorgeschichte „eingefädelt“ wird, ist es eigentlich egal, wie der soziale Hintergrund aussieht. Wichtig ist es eben, diese Behinderung zu bekämpfen und mir ihr umzugehen, und es ist nicht so wichtig, zu wissen, aus welchem Umfeld sie kommt.
In anderen Fällen haben wir sehr wohl Daten. Ich nenne z. B. die Us und die Zahngesundheit. Dazu haben wir vieles beantworten können und haben auch richtig reagiert. Das haben Sie jetzt jedoch nicht benannt.
Auch das Beispiel Diabetes möchte ich hier aufgreifen. Dass die Zahl der Fälle von Diabetes - das ist ein ganz wichtiger Punkt, den auch Frau Janssen-Kucz ansprach - erheblich zunimmt, muss uns allen zu denken geben und tut es auch. Dem wird aber auch Rechnung getragen. Dabei gibt es zum einen den Typ 1, bei dem die Erkrankungszahlen zunehmen und die Kinder früher daran erkranken. Zum anderen gibt es den Typ 2, bei dem wir genau wissen, dass die Ursachen in Fehlernährung, Übergewicht und ähnlichen Dingen liegen. Dazu müssen wir aber gar nicht genau wissen, aus welchem Elternhaus dieses Kind kommt - dabei wissen wir das in vielen Fällen schon -, sondern wir müssen vor allen Dingen überlegen, wie wir versuchen können, das zu beheben. Es geht darum: Wie können wir sehr früh eine Aufklärung über richtige Ernährung, über Essgewohnheiten betreiben? Wie können wir die Eltern bilden? Wie können wir die Kinder im Kindergarten und in der Schule richtig erziehen? - Alles das machen wir doch schon. Das ist das Entscheidende, was man tun muss, um diesem Problem abzuhelfen.
Damit können wir längerfristig die Chancengerechtigkeit für die Kinder sichern und auch der Armut entgegenwirken.
Wir wissen doch, dass Armut mit schlechter Gesundheit und schlechter Ernährung zusammenhängt, woraus automatisch häufig schlechtere Chancen im ganzen Bildungsweg resultieren. Diese Spirale müssen, wollen und können wir aufbrechen, und das tun wir auch.
Ich will jetzt gar nicht so viel zu einzelnen Dingen sagen. Vieles ist ja auch schon von Frau Mundlos und von Herrn Busemann angesprochen worden. Ich gehe nur auf ein Beispiel ein, bei dem Niedersachsen hinsichtlich der Kriterien, die Sie gerade angefragt haben, vorangeht: Migrationshintergrund oder sozialer Status. Das ist bei der Sprachheilbehandlung so. Bisher war es nicht möglich, hierbei unabhängig von der Bundesdatenlage vorzugehen. In Zukunft werden wir aber diese Daten haben.
In vielen Fällen geht es um das Handeln vor Ort in der Kommune. Dort muss gehandelt werden, dort sitzen die zuständigen Stellen, und dort ist bekannt, wo der Schuh drückt und was gemacht werden muss. Das ist völlig ausreichend. Wir müssen auf Landesebene nicht immer alles wissen, wenn vor Ort zielgerichtet gehandelt werden muss und wenn man dort Bescheid weiß.
Jetzt komme ich auf die Frage zu sprechen, was wir denn brauchen. Die Schuleingangsuntersuchung ist natürlich ein wichtiges Kriterium. Wir haben vor die Schuleingangsuntersuchung den Sprachtest gesetzt, der schon benannt wurde und der viele positive Dinge mit sich gebracht hat. Hieran kann man nämlich sehen: Die vorige Landesregierung hatte das so nicht. Deshalb war die Sprachförderung nicht so ausgeprägt, wie es jetzt der Fall ist. Die Daten zeigen das eindeutig.
Seitdem wir uns seit 2003 um dieses Problem kümmern, werden mehr Kinder mit Sprachdefiziten erfasst, die dann auch entsprechend behandelt und in Kursen geschult werden. Das ist genau der Punkt, der für die Kinder wichtig und entscheidend ist.
Das beitragsfreie dritte Kindergartenjahr - das ist angesprochen worden - ist eine Reaktion darauf, dass man sehr wohl mitbekommen hat: Die Chancen in der Schule, auch die Chance auf gesundes Aufwachsen, auf Früherkennung und Ähnliches mehr - -
Einen kleinen Moment, bitte! - Es ist einfach zu unruhig im Saal. - Danke schön, dass sich das so schnell gelegt hat. - Frau Meißner!
Danke schön. - Chancengerechtigkeit ist von Gesundheit und vom Elternhaus abhängig. Gerade darum ist es wichtig, dass die Kinder dort, wo die Eltern das nicht können, anderweitig entsprechende Zuwendung und Hilfe bekommen, nicht nur durch das Hebammenprojekt, wobei ganz früh angefangen wird, sondern z. B. auch durch ein drittes Kindergartenjahr, wodurch mehr Kinder erfasst werden. Wir wollen versuchen, die Präsenz zu erhöhen.
Zu den Früherkennungsuntersuchungen, bei denen wir eine größere Intervalldichte, weitere Inhalte und mehr Teilnahme erreichen wollen, ist schon angesprochen worden, dass wir eine Bundesratsinitiative gestartet haben. Frau Elsner-Solar, Sie können ja einmal Ihre Bundestagsfraktion bitten, dafür zu sorgen, dass das, was auf Bundesebene geschehen muss, damit wir z. B. die Daten der Kassen bekommen können, umgesetzt wird. Das ist nämlich etwas, was Niedersachsen mit unterschrieben hat.
Wir tun sehr viel für Kinder: Im Sozialministerium gibt es eine ganze Menge von sehr guten Initiativen, die schon angesprochen wurden. Dazu muss ich gar nicht mehr viel sagen. Aber vielleicht sollte ich ergänzend erwähnen, dass die Sozialministerin die bundesweit erste Kinderschutzkonferenz durchgeführt hat, und sie hat in diesem Jahr vor, zur zweiten Kinderschutzkonferenz einzuladen. Auch auf diesem Gebiet ist Niedersachen wirklich vorbildlich.
Vom Kultusministerium wurden umfangreiche Ernährungsprogramme initiiert. Die Fitnesslandkarte, die Sie so fürchterlich miesgemacht haben und bei der Sie als Opposition nur gemeckert haben,
hat - das kommt in diesem Bericht zum Ausdruck eine ganze Menge an Erkenntnissen über die Fitness unserer Kinder erbracht.
(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Michael Albers [SPD]: Gar nichts! - Unruhe - Glocke der Präsi- dentin)
Materialien angeboten. Ich nenne dazu Informationen über Ernährung, Ernährungskurse und Bewegungseinheiten. Wenn wir das mehr genutzt und fortgeführt hätten, dann hätten wir eine ganze Menge an weiterem Info- und Datenmaterial, das man sehr gut benutzen könnte.
Das, was die Kinder brauchen, sind nicht unbedingt Daten, sondern Initiativen und Maßnahmen, damit ihnen eine bessere Chancengerechtigkeit gegeben wird, und zwar allen Kindern in Niedersachsen. Dafür braucht man eine frühe Förderung, dafür brauchen wir Früherkennung, und wir brauchen Prävention. Dafür sorgen wir auf allen Ebenen.
Zusammenfassend: Die Aufgabe ist uns klar - sicherlich uns allen -, aber wir haben uns Ziele gesetzt, die wir konsequent angehen. Von daher ist Niedersachsen im Hinblick auf Kindergesundheit und Kinderchancengerechtigkeit bestens aufgestellt.
Danke schön, Frau Kollegin Meißner. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Albers. Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Mundlos und Frau Meißner, das waren zwar schöne, nette Worte, aber komplett an der Realität vorbei.
Aus der Antwort der Landesregierung ergibt sich, dass sicherlich Erkenntnisdefizite vorhanden sind. Aber vor allen Dingen gibt es in Niedersachsen Handlungsdefizite dieser Landesregierung bei dem Thema Kinderarmut.
Kommen wir zum Sachstand: In einem Artikel der Neuen Presse mussten wir vorgestern lesen, dass die Kinderarmut in Niedersachsen im letzten Jahr erneut gestiegen ist. Herr Ministerpräsident Wulff, unter Ihrer Regierung ist die Anzahl armer Kinder unter 15 Jahren in Niedersachsen allein im letzten Jahr um 10,9 % auf über 201 000 gestiegen. Diese Zahl ist schon ein gesellschaftlicher Skandal für sich.
Spätestens mit dieser Zahl muss doch jeder und jedem in der CDU und der FDP aufgefallen sein, dass Armut kein Einzelfall und auch kein Schicksalsschlag ist. Unterversorgung ist kein individuelles Schicksal von Kindern, das in erster Linie von den Eltern abhängt. Insbesondere in Niedersachsen sind es oft die strukturellen Rahmenbedingungen, die geradezu verhindern, dass Kinder unter günstigeren Lebensbedingungen aufwachsen.
Bei unserer ersten Anfrage zu diesem Thema ging es uns u. a. um die soziale Einbindung und die Bildungschancen.
Hierzu musste die Landesregierung in ihrer Antwort bereits eingestehen, dass in Niedersachsen die Zukunftschancen für Kinder aus armen Familien wesentlich - ich wiederhole: wesentlich schlechter als für die aus wohlhabenden Familien sind.
Herr Kollege Albers, auch Sie muss ich unterbrechen. Die Geräuschkulisse ist so laut, dass ich Sie kaum verstehen kann. - Ich bitte Herrn Horn, Herrn Plaue und Herrn Bartling, der sich schon seit zehn Minuten in jener Ecke unterhält, entweder hinauszugehen oder ihrem Kollegen von der SPDFraktion, Herrn Albers, zuzuhören, der jetzt das Wort hat.
Meine Damen und Herren, folgende Schlüsse müssen aus der Antwort dieser Landesregierung gezogen werden:
Erstens. Kinder aus ärmeren Familien weisen mehr Defizite im gesundheitlichen Bereich auf als Kinder aus eher wohlhabenden Familien.
Zweitens. Familien mit sogenanntem niedrigen Sozialstatus nehmen die Vorsorgeuntersuchungen für die Kinder erschreckend viel weniger wahr als Familien mit höherem Sozialstatus.