- Meine Damen und Herren, Herr Busemann möchte jetzt anfangen. Vielleicht können Sie Ihre Privatgespräche einstellen. Dann werden wir mit unserer Tagesordnung schneller fertig.
- Sehen Sie? - Um Sie bei der jetzt einsetzenden guten Laune zu halten, möchte ich mich bei allen Rednern für die sachliche Auseinandersetzung bedanken. Es ist weiß Gott ein schwieriger Bereich. Hier ist wirklich Handlungsbedarf angesagt. Es geht um junge Leute, um Einzelschicksale, bei denen wir gucken müssen, ob wir besser als bisher werden können. Das lohnt meiner Meinung nach eine gemeinsame Anstrengung. Vielleicht sage ich am Ende noch etwas dazu.
Frau Korter, ein kleiner Seitenhieb muss sein. Sie haben einen schönen Satz in eine Rede eingebaut: Alte Rezepte helfen nicht weiter. - Ja, dann kommen Sie doch nicht mit der Gesamtschule und so etwas! Das hilft bei dem Problem doch nicht weiter.
Vielleicht können wir das Thema einmal frei von Schulstrukturdebatten führen und prüfen, wie wir das Problem eingrenzen und vielen jungen Leuten helfen können. „Eingrenzen“ heißt natürlich auch zu gucken, was auf dem Ausbildungsmarkt los ist. Insbesondere der Kollege Albrecht hat hierzu schon einiges an Zahlen gebracht. Wir müssen jedenfalls sehen, wie wir das Problem eingrenzen können.
Wahrheit ist, dass die Situation auf dem Ausbildungsmarkt in Deutschland und damit auch in Niedersachsen seit Jahren angespannt ist. Das ist unstreitig. In den letzten Jahren fehlen Ausbildungsmöglichkeiten, und die Schülerzahlen steigen an, gerade im berufsbildenden Bereich. Dadurch ist eine Enge auf dem Ausbildungsmarkt entstanden. Das müssen wir alle zur Kenntnis nehmen.
Die vorgelegten Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der SPD-Fraktion versuchen - das ist meine Wahrnehmung -, mithilfe statistischer Werte der Vergangenheit die auftretenden Probleme der betrieblichen Ausbildung zu referieren, um auf dieser Basis die Notwendigkeit zusätzlicher Maßnahmen im schulischen Bereich zu begründen. Dass zusätzliche Maßnahmen notwendig sind, unterschreibe ich. Aber das Zahlenmaterial, das Sie dazu heranziehen, ist in der Tat etwas veraltet. Gleichwohl will ich mich einmal mit der Vergangenheit auseinandersetzen.
Wenn Sie den Rückgang der Zahl von betrieblichen Ausbildungsplätzen in den Jahren 1990 bis 2005 referieren - Sie können ihn bedauern; dazu haben Sie auch allen Grund -, dann müssen wir feststellen, dass 41 000 betriebliche Ausbildungsplätze verloren gegangen sind. Wenn wir es einmal auf die Zeit von 1990 bis 2003 herunterbrechen - wir wissen, wer in diesen Jahren regiert hat -, dann ist ein Rückgang um rund 40 800 auf gut 147 000 Ausbildungsplätze zu konstatieren. Auch der Kollege Albrecht hatte diese Zahl genannt. Das war ein Minus von 21,7 %. Sie können die Weltwirtschaft mit in Haftung nehmen; aber irgendwo scheint dies auch etwas damit zu tun zu haben, wer in dieser Zeit in Niedersachsen regiert hat. Das sage ich nur, damit man einmal weiß, von welcher Ausgangslage wir reden.
Wenn Sie die Zahl 147 000 durch 3 teilen, dann kommen Sie auf etwa 49 000 Ausbildungsplätze pro Jahr, die wir bis 2002 noch hatten. Im Zeitraum von 2003 bis 2005 ist in der Tat noch einmal ein Rückgang zunächst um 1 485 Ausbildungsplätze - das entspricht 1 % - zu verzeichnen gewesen. Bezieht man nun aber die noch unveröffentlichten Zahlen des Jahres 2006 in die Betrachtung ein, so haben wir jetzt gegenüber 2003 eine Trendwende; es ist durchaus eine Verbesserung, eine Steigerung sichtbar. Im Jahre 2006 wurden 54 277 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. Das ist gegenüber dem Vorjahr immerhin eine Steigerung um 2 747 Ausbildungsplätze oder um 5,3 %. Wir sind noch längst nicht wieder da, wohin wir wollen. Trotzdem muss man sehen - konjunkturelle Belange kommen hinzu -, dass offenbar eine Trendverbesserung geschafft ist. Man hat die Entwicklung der letzten 15 Jahre gestoppt, es geht wieder ein Stückchen aufwärts. Der Ausbildungspakt, mit dem Sie ja weiß Gott nichts anfangen können und der vielleicht nicht die Wunderwaffe allein ist, hat auch dabei geholfen. Die positiven Zahlen können mit der Anstrengung aller - auch der Wirtschaft und der Regierung - ursächlich in Zusammenhang gebracht werden.
Diese durchaus positive und erfreuliche Entwicklung der letzten drei Jahre wird weder im Antrag der SPD-Fraktion noch im Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aufgegriffen. Gleichwohl sollten Sie auch diese Entwicklung betrachten. In beiden Anträgen wird mit Daten gearbeitet, die nur eine begrenzte Aussagekraft haben und dadurch die Realität im Ausbildungsbereich nicht oder nur
unzureichend widerspiegeln. Mit alten Zahlen können Sie das Problem nicht in den Griff bekommen. Außerdem ist es grundsätzlich problematisch, mit den Zahlen der Agentur für Arbeit zu argumentieren, da nicht alle ausbildenden Betriebe ihre Ausbildungsplätze der Agentur für Arbeit melden und nicht alle Schulabgänger als Ausbildungsplatzbewerber erfasst werden. Aufgrund der eingeführten Betriebs- und Praxistage, die jetzt ganz aktuell unsere Politik im Lande sind, werden beispielsweise im erhöhten Maße Ausbildungsverträge abgeschlossen, von denen die Agentur für Arbeit keine Kenntnis erlangt. Die Wirtschaft sagt uns, in den Betrieben würden junge Frauen und Männer eingestellt, die man über die Betriebs- und Praxistage kennengelernt habe. In diesen Fällen melden sie sich gar nicht erst bei der Agentur für Arbeit.
Diese Diskrepanz ist durchaus zu merken. Am 30. September 2006 meldete die Agentur für Arbeit 44 624 Berufsausbildungsstellen. Damit wäre rechnerisch ein Verlust an Ausbildungsstellen gegenüber dem Vorjahr in Höhe von 2 034 eingetreten. Nach der amtlichen Statistik des Bundesinstituts für berufliche Bildung wurden aber im letzten Ausbildungsjahr in der Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 30. September 2006 54 277 Ausbildungsverträge abgeschlossen, also 2 747 oder 5,3 % mehr, bei denen die Bundesagentur offenbar nicht dahinter gekommen ist. Das ist auch eine generelle Kritik in Richtung Bundesagentur. Sie muss sich offenbar die wahren Verhältnisse eher und schneller vergegenwärtigen. Ansonsten ist sie kein wirksamer Partner, wenn es um statistische Erfassungen geht. Daher sollten wir miteinander auch auf Bundesebene dafür sorgen, dass diese Situation verändert wird.
Setzt man die Zahl der tatsächlich abgeschlossenen Ausbildungsverträge - es waren 54 277 - zur Zahl der Bewerberinnen und Bewerber ins Verhältnis - es waren zuletzt rund 71 000 -, so ergibt sich in der Tat ein theoretischer Handlungsbedarf im Hinblick auf ca. 17 000 junge Leute. Bei dieser
großen Zahl junger Leute kann man politisch nicht zur Tagesordnung übergehen und sagen: Dies regelt sich schon. Wir haben es im Griff, weil die Konjunktur anzieht. - Hier sollten wir gar keinen Streit entstehen lassen. Wir stellen uns nicht hin und sagen: Es ist alles in Ordnung.
Sämtliche im Land Niedersachsen angebotenen Schulformen im berufsbildenden Bereich - wir sind ja am Thema dran - sind im Gegensatz zu der Situation in vielen anderen Bundesländern mit Ausnahme des Berufsvorbereitungsjahrs schon seit 1980 so gestaltet, dass eine anrechenbare berufliche Qualifikation bzw. ein höherwertiger allgemeinbildender Abschluss erreicht werden kann, sodass wir über BGJ, BVJ und anderes mehr durchaus entsprechende Angebote machen. Dies sollten Sie in diesem Zusammenhang auch einmal zur Kenntnis nehmen. Die Berufsfachschule Q ist erwähnt worden; hier tun wir seit 2004 etwas. Im Rahmen des Schulversuchs wird z. B. eine Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf durchgeführt und auch mit einer Kammerprüfung abgeschlossen. Landesweit - das war bedauerlich; wir hätten gerne 3 300 Plätze angeboten - konnten, wie es der Kollege bereits gesagt hat, nur 50 Plätze auf freiwilliger Basis besetzt werden. Das war nicht das, wohin wir wollten. Hier müssen wir uns noch einiges miteinander überlegen.
Nun ist von der SPD eine Initiative zur Schaffung von 10 000 zusätzlichen Ausbildungsplätze vorgeschlagen worden. Dazu sage ich Ihnen grundsätzlich: Bringen Sie erst einmal Ihre Basiswerte in Ordnung; denn die Zahlen, die Sie dazu ermittelt haben, stimmen einfach nicht. Ihre Aussage, dass im Ausbildungsjahr 2006 21 578 Ausbildungsplätze fehlten, eignet sich nicht als Begründung für vollzeitschulische Ersatzangebote. Ersatzangebote können, wie Sie richtig feststellen, immer nur der zweitbeste Weg sein.
Nun habe ich hier - so habe ich Sie jedenfalls verstanden - von allen Seiten ein Bekenntnis zum dualen System vernommen. Wäre es ehrlich gemeint ist, handelt es sich um eine gemeinsame Grundposition, und wir müssten darüber nicht mehr streiten. Dass wir zusätzliche Angebote auch in Richtung auf Vollzeitangebote machen müssen, ist in Ordnung. Ich weise Sie jetzt schon darauf hin - Sie wissen ja, was wir angedacht haben -, dass
bis 2009 eine Ersatzregelung für das auslaufende BGJ anzubieten ist. Dazu habe ich schon einige Vorschläge gemacht, die mit den Partnern der Berufsausbildung im Landesausschuss für Berufsbildung diskutiert werden. Solche Lösungsmodelle - darüber besteht hoffentlich Einigkeit - dürfen aber nicht zum Ersatz von betrieblichen Ausbildungsplätzen führen.
Damit die über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen der Berufsbildung nicht auf Dauer beschädigt werden - dies ist mir ein wichtiger Grundsatz, meine Damen und Herren -, müssen wir auf jeden Fall eine Entkoppelung von Ausbildungs- und Arbeitsmarkt vermeiden. Wir brauchen also auf der Basis des dualen Systems eine breite Palette von zusätzlichen Angeboten, um das Problem in den Griff zu bekommen.
Nun könnte ich mit Leidenschaft über die Vorstellungen der SPD und über den Vorschlag von Herrn Jüttner herfallen: Die 10 000 zusätzlichen Plätze sind nicht finanziert. Die Bundesagentur für Arbeit weiß auch nicht, woher sie das Geld nehmen soll. Von Herrn Müntefering habe ich noch nicht gehört, dass er den Vorschlag gut fände und Geld schicken wollte. Es ist auch immer etwas schwierig, Verträge zulasten Dritter zu machen und zu sagen: Das würden wir gerne machen, aber jemand anders - die Bundesregierung oder die Bundesagentur für Arbeit - soll bezahlen.
Wenn wir uns über die Beibehaltung des dualen Systems und mit unterschiedlichen Zahlenvorgaben über einen gewissen Behandlungsbedarf einig sind - ProReKo, Herr Kollege Voigtländer, war immer eine Erfolgsstory -, dann sollten wir es doch hinbekommen, gemeinsam passende Modelle anzubieten, um das Richtige für die vielen jungen Menschen zu tun. Hier ist nicht unbedingt Streit angesagt, sondern gemeinsame Kreativität. - Danke schön.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Heiner Bartling [SPD]: Normalerweise ist es das Achtfache! - Jörg Bode [FDP]: Normalerweise ist es das Sechsfache!)
Zunächst zu Tagesordnungspunkt 46: Federführend soll der Kultusausschuss und mitberatend sollen der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit tätig sein. Wer so verfahren möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Das ist so beschlossen.
Jetzt kommen wir zur Ausschussüberweisung zu Tagesordnungspunkt 47. Federführend soll ebenfalls der Kultusausschuss sein, mitberatend sollen der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, der Ausschuss für Haushalt und Finanzen sowie der Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz tätig werden. Wer möchte so verfahren? - Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Das ist so entschieden worden.
Meine Damen und Herren, die Fraktionen sind übereingekommen, den Tagesordnungspunkt 49 „Staatliches Wettmonopol erhalten - ohne Wenn und Aber!“ im April-Plenum zu behandeln und über den Tagesordnungspunkt 34 „Niedersächsischer Anti-Doping-Aktionsplan für einen sauberen Sport“ ohne Aussprache abzustimmen. Damit wird jetzt nur noch der Tagesordnungspunkt 33 beraten.
Bevor ich den Tagesordnungspunkt 33 aufrufe, muss ich auf unsere gestrige Sitzung zurückkommen, und zwar auf den Tagesordnungspunkt 35 „Rechtsextremismus an der Wurzel bekämpfen!“. In diesem Zusammenhang zitiere ich aus dem vorläufigen Stenografischen Bericht. Danach ist folgender Zuruf erfolgt:
Dieser Zuruf kam von der Kollegin WörmerZimmermann. Ich erteile ihr hierfür nachträglich einen Ordnungsruf.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Heinz Rolfes [CDU]: Sie soll sich mal entschuldigen! Darüber lacht sie noch! - Weitere Zurufe von der CDU - Unruhe - Glocke der Präsiden- tin)