Protocol of the Session on January 25, 2007

(Zustimmung bei der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Stärkung der Grundschule als Ort, an dem Kinder individuell gefördert, Stärken und Schwächen an- und aufgenommen werden können, sollte doch unser gemeinsames Ziel sein, damit unsere Grundschulen nach dem Motto arbeiten können: Kein Kind bleibt zurück.

Wir alle wissen, dass vor allem Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Schichten in der Förderschule Lernen zu finden sind, Kinder, die im Elternhaus keine sprachliche und kognitive Förderung erfahren, die wenig familiäre Anteilnahme erleben und häufig sich selbst überlassen sind. Der Zusammenhang zwischen Förderschule Lernen und sozialer Herkunft kann gebrochen werden, wenn wir die Schulen in ihrer Kompetenz der individuellen Förderung stärken.

Herr Minister, Sie haben im Schulverwaltungsblatt vom Oktober 2006 geschrieben: Die sonderpädagogische Förderung ist immer in Bewegung. Veränderungen in der Schülerschaft und in der Erziehungswirklichkeit, der demografische Wandel und anderes fordern uns bildungspolitisch und pädagogisch heraus. Die Fragen nach Angemessenheit und Wirksamkeit der Hilfen sind immer wieder neu zu beantworten. - Herr Minister, sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie uns auf diese Fragen doch diesmal gemeinsam antworten! Die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und uns geforderte Anhörung hätte die Möglichkeit geboten, gleichzeitig eine Bestandsaufnahme der sonderpädagogischen Förderung in Niedersachsen und Gestaltungshinweise für eine Weiterentwicklung zu erhalten. Der Streit um diesen Anhörungswunsch, der mit einem Eklat endete, zeigt, dass es verschiedene Erwartungen an eine Expertenanhörung gibt. Uns lag an einer Beratung und am Aufzeigen von Handlungsnotwendigkeiten und Handlungsmöglichkeiten. Wir haben weder Profilierung noch Angriff im Sinn gehabt, sondern ein Forum, das Perspektiven in allen sonderpädagogischen Bereichen aufzeigt.

Der Erlass von 2005 beschreibt Konzepte für alle sonderpädagogischen Schwerpunkte. Deswegen sieht die SPD-Fraktion nicht die Notwendigkeit, in drei Monaten neue Konzepte vorzulegen, wie es die Grünen in ihrem Antrag fordern. Aber auch wir möchten insgesamt eine Weiterentwicklung in diesem Bereich. Um darin voranzukommen, ist gesellschaftliche Aufgeschlossenheit nötig. Es gilt, diese Aufgeschlossenheit zu befördern und nicht zu überfordern. Ein zu schnelles Vorgehen nimmt die Betroffenen womöglich nicht mit und führt nicht zur Akzeptanz. Deswegen wird sich meine Fraktion bei der Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Grünen der Stimme enthalten.

Ich möchte nicht missverstanden werden: In der Zielsetzung sind wir uns mit den Grünen einig. Wir wollen weitestgehend eine Integration. Voraussetzung dafür sind Geduld, Sorgfalt und Überzeugung. Das ist ein langwieriger Prozess, der aber mit den jetzt möglichen Organisationsformen der sonderpädagogischen Förderung in der Grundschule und in der Sek I fortschreiten kann. Wir brauchen eine ernsthafte Umsetzung. Wir brauchen natürlich auch die Bereitstellung der entsprechenden Ressourcen.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Rednerin ist Frau Körtner von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn kurz auf die von Frau Korter und Frau Eckel angesprochene angebliche Weigerung zu einer Anhörung eingehen. Ich befleißige mich äußerster Höflichkeit und sage: Hierzu gibt es eine gewisse Wahrnehmungsstörung. Denn wir sind dem Wunsch nach einer Anhörung zum damaligen Zeitpunkt nicht nachgekommen.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]:So war das!)

Wir haben das argumentativ begründet und gesagt, dass wir Wert darauf legen, erst einmal abzuwarten, welche Erfahrungen mit den bereits entstandenen und noch entstehenden Konzepten der mobilen Dienste, die in Niedersachsen flächendeckend erweitert werden, gemacht werden. Wir haben weiterhin gesagt, dass wir im zweiten Halbjahr des Jahres 2007 in den Dialog mit allen zu beteiligenden Verbänden einsteigen werden, um daraus eine Menge zu lernen; denn sonderpädagogische Förderung entwickelt sich immer weiter. Dann kam es zu dem merkwürdigen Auszug der Fraktionen der SPD und der Grünen. Das hat die Arbeitsweise des Ausschusses allerdings nicht nachhaltig beeinflusst;

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Son- dern positiv verbessert!)

denn die Kolleginnen und Kollegen entfernten sich drei Minuten vor dem regulären Ende der Kultusausschusssitzung. Ich fand das ganz gut, weil es

Ihnen zumindest das Hereinkommen erspart hat, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben bereits in der ersten Beratung klar dargestellt, dass seit der Übernahme der Regierungsverantwortung durch die Fraktionen der CDU und der FDP gerade für den Bereich der sonderpädagogischen Förderung sehr viel getan worden ist. Für alle Formen der sonderpädagogischen Förderung in Niedersachsen gibt es einen Erlass, also eine rechtliche Grundlage. Das hat es vorher nie gegeben, meine Damen und Herren. Dieser Erlass ist unter Einbeziehung allen fachlichen Sachverstands - intern und extern, beispielsweise im Dialog mit dem Verband Sonderpädagogik - erarbeitet worden.

Meine Damen und Herren, gerade den Fraktionen der CDU und der FDP - Sie sehen das ja immer in den Haushaltsberatungen - ist dieser von Ihnen früher sehr vernachlässigte Bereich wirklich ein Herzensanliegen gewesen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben es ressourcenmäßig unterstützt. Gerade in dem Bereich haben wir unglaublich viel getan.

Meine Damen und Herren, ein Grundsatz - das ist der Gegensatz zu Ihnen - stand für uns immer am Anfang und ganz vorne: Jedes Kind, jeder Jugendliche hat einen Anspruch auf angemessene Förderung, auf Unterstützung und auf Hilfe bei der Entwicklung seiner persönlichen Stärken und Fähigkeiten. Das heißt, wir denken vom Kind her und beziehen uns auf jedes einzelne Kind.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sind auf Systeme fixiert. Was wollen Sie eigentlich? - Sie wollen die Primarstufe der Förderschulen, also den Grundschulbereich der Förderschulen, in die allgemeinen Grundschulen überführen. Das heißt, alle Kinder, die einen Förderbedarf im Bereich Lernen haben, besonders verhaltensauffällige Kinder, Kinder mit emotional-sozialen Entwicklungsstörungen und Kinder mit Förderbedarf im Bereich motorischer und geistiger Entwicklung, sollen in allgemeinen Grundschulen unterrichtet werden, obwohl sie völlig unterschiedlicher Hilfen und einer völlig unterschiedlichen Unterstützung bedürfen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Kinder, gerade die Kinder mit Förderschwerpunkt motorische und geistige Entwicklung, werden jetzt in kleinen Klassen, meist in Zehnerklassen, unterrichtet. Sie sagen in Ihrem Antrag, man müsse sich über die Klassenfrequenzen unterhalten. Meine Damen und Herren, das ist wirklich verantwortungslos. Ich habe erst gar nicht glauben können, dass Sie einen solchen Antrag einbringen.

(Ina Korter [GRÜNE]: Das geht in ganz Europa, nur hier nicht!)

Für ein Flächenland wie Niedersachsen haben wir hervorragende regionale Konzepte. Die Schulträger entwickeln gemeinsam mit den Schulen, den Eltern und allen Betroffenen flexible, maßgeschneiderte, der Region und den regionalen Gegebenheiten gemäße Konzepte für jedes einzelne Kind. Mit dieser Vielfalt, die wir in Niedersachsen anbieten, sind alle sehr glücklich.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wie bereits gesagt, habe ich es nicht glauben können, dass Sie einen solchen Antrag stellen. Ich habe mich immer gefragt: Warum machen Sie das? - Sie ziehen den Antrag vermutlich nur deshalb nicht zurück, weil Sie auch diesen Bereich für die Entwicklung Ihrer Einheitsschule brauchen, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ich weiß, dass Sie sich dafür nicht schämen, aber ich schäme mich wirklich dafür, dass Sie aus diesem Grund auch diesen Bereich opfern wollen.

Frau Korter, Sie beklagen, die Integrationsklassen seien in Niedersachsen die Ausnahme und nicht die Regel. Sie sollten sich nur ein bisschen erkundigen, und ich fordere ein bisschen Redlichkeit. Es gibt in Niedersachsen nicht einen einzigen Antrag auf eine Integrationsklasse, der nicht genehmigt worden ist. Es gibt keine Warteschleife wie in früheren Zeiten.

Dann beziehen Sie sich in wirklich unredlicher Weise auf den Bereich Autismus.

(Zuruf von Ina Korter [GRÜNE])

- Doch, das steht in Ihrem Antrag. Lesen Sie einmal Ihren eigenen Antrag und auch Ihren Rede

beitrag in der ersten Beratung zu diesem Thema durch! - Der Bereich Autismus ist für ganz Deutschland ein neu zu definierender Bereich. Wir haben eine Arbeitsgruppe mit externen und internen Fachleuten sowie mit betroffenen Eltern eingerichtet und sind damit bundesweit führend. Diese Arbeitsgruppe wird uns demnächst Ergebnisse ihrer Beratungen übermitteln.

Meine Damen und Herren, auch wenn Sie das Thema jetzt noch aus Wahlkampfzwecken verfolgen und vielleicht auch als Argument für Ihre Einheitsschule brauchen, habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass Sie sich gerade vor dem Hintergrund des Kindeswohls und im Interesse der breiten Vielfalt von Fördermöglichkeiten noch eines Besseren besinnen. Ich gebe Ihnen einmal die im Dezember 2006 herausgegebene neue Broschüre, in der auf etwa 20 Seiten die breite Palette der Förderung im sonderpädagogischen Bereich im Flächenland Niedersachsen dargestellt wird. Was wir in diesem Bereich anbieten, findet bundesweite Beachtung und ist in großer Verantwortung einem jeden einzelnen Kind geschuldet, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile jetzt Herrn Professor Zielke für die FDPFraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei manchen Anträgen der Oppositionsfraktionen ist alles eigentlich schon vor der ersten Beratung im Landtag klar: reich an Ideologie und krummen Behauptungen, arm an Realitätsbezug und konstruktiven Vorschlägen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Meist sind bei diesen nur auf kurzfristige öffentliche Wahrnehmung gerichteten Anträgen nach der ersten Beratung alle Argumente ausgetauscht, und die Beratung in den Fachausschüssen bringt nichts Neues. Leider fallen auch die beiden Anträge von Grünen bzw. SPD in diese Kategorie. Schon die Überschrift des Antrags der Grünen war angetan, beim unvoreingenommenen Leser falsche Assoziationen auszulösen.

(Zuruf von Ina Korter [GRÜNE])

Die Überschrift lautet: „Erstellung eines Konzeptes für die Integration von Schülern und Schülerinnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in die allgemeinen Schulen“. Das legt nahe, dass es ein solches Konzept noch nicht gäbe, was natürlich völlig falsch ist.

(Zuruf von Ina Korter [GRÜNE])

Mit dem Erlass zur sonderpädagogischen Förderung hat diese Landesregierung im Jahr 2005 - zum ersten Mal überhaupt in Niedersachsen - ein umfassendes Programm entwickelt, und zwar unter Einbeziehung aller Schulformen und aller existierenden Vernetzungen und gewachsener bewährter Strukturen. Dieses Programm umfasst ausführlichst Integrationskonzepte.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Das ist eine sehr vielschichtige Materie, die sich grobschlächtigen Eingriffen entzieht. Fragen Sie einmal die Fachleute vor Ort! Es gibt völlig unterschiedliche Förderbedarfe und Fallkonstellationen. Lassen Sie mich das für die Kollegen, die nicht speziell mit der Thematik vertraut sind, anschaulich machen, indem ich nur einmal die unterschiedlichen Schulformen aufzähle, die es in diesem Bereich in Niedersachsen gab, bevor abstraktere Bezeichnungen gebräuchlich wurden. Es gab Schulen für Lernbehinderte, geistig Behinderte, Sprachbehinderte, Verhaltensgestörte, Körperbehinderte, Schwerhörige, Gehörlose, Sehbehinderte, Blinde und Taubblinde. All diese Typen von Behinderungen gibt es heute so wie ehedem, plus Autismus. Allein im Unterabschnitt „Förderschwerpunkt Hören“ des Erlasses sind acht unterschiedliche Handlungsfelder und dazu korrespondierende Hilfen von pädagogisch-audiologischen Beratungszentren bis hin zum Erwerb von deutscher Gebärdensprache aufgelistet.

(Ursula Körtner [CDU]: Das alles wol- len sie zusammenpacken!)

Es ist klar, dass man schon allein wegen der relativen Seltenheit mancher Behinderungen, dazu noch Mehrfachbehinderungen, eine Vielzahl unterschiedlicher Angebote und Lösungen in einem Flächenland wie Niedersachsen braucht.

Natürlich ist die Integration von Kindern mit besonderem Förderbedarf ein anzustrebendes Ziel. Zu Recht heißt es in der Begründung des Antrages der SPD:

„Ziel muss es sein, alle Kinder in der Gemeinschaft mit anderen aufwachsen zu lassen. Anderssein kann dann zur Normalität werden.“