Protocol of the Session on November 9, 2006

dass es heute mehr Lebenswirklichkeiten gibt als 1958. - Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt hat Herr Hilbers von der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben eben die Position der Grünen zum Ehegattensplitting gehört. Kernpunkt unserer Überlegungen ist nach wie vor, die Wahlfreiheit der Lebensgestaltung, was Ehe, Familie und Erwerbstätigkeit angeht, zu bewahren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In verschiedenen Legislaturperioden haben die Grünen versucht, derartige Anträge hier einzubringen, zuletzt auch im Bundestag in diesem Jahr. Sie sind immer in der Sache gescheitert, weil die Experten deutlich gemacht haben, dass es unsinnig ist und politisch auch keinen Sinn macht, dem hohen Gebot des Schutzes von Ehe und Familie zu widersprechen.

(Beifall bei der CDU)

Im Grundgesetz heißt es: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.“ Das unterstreiche ich in aller Deutlichkeit. Ehe als das Institut, das auf Dauer angelegt ist, unterscheidet sich eben grundsätzlich von anderen Lebensformen, die wir in unserem Land vorfinden, die wir auch anerkennen und respektieren, aber eben nicht in der gleichen Weise steuerlich fördern worden, wie das beim Ehegattensplitting der Fall ist. Deswegen hat der Ausschuss für Haushalt und Finanzen zu Recht Ablehnung empfohlen.

Ich will hier eines sagen. Das Erste, wo Sie falsch liegen, ist die Frage, ob das eine steuerliche Subvention ist. Das ist eben keine steuerliche Subvention.

(Beifall bei der CDU)

Ehe ist die Bereitschaft zur gemeinsamen Verantwortung, zur wirtschaftlichen Einheit, und sie arbeitet quasi aus einem Topf zusammen. Das berücksichtigen wir bei allen unseren Sozialsystemen, wenn wir Bedarfsgemeinschaften bilden. Das rechnen wir bei Hartz IV an. Das wird bei der Sozialhilfeberechnung angerechnet. Wenn es darum geht, Pflegebedürftigkeit abzudecken, wird zunächst die Familie herangezogen. Es wäre unsinnig, bei allen Lasten die Familie als Einheit zu sehen, und da, wo es um die Besteuerung geht, die Familie auseinanderfallen zu lassen.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen ist es eben keine Steuervergünstigung, sondern notwendiger Ausdruck einer Lebens- und Fürsorgegemeinschaft. Gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels müssen wir alles tun, die Bedingungen für Ehe und Familie zu stärken. Durch Ihren Antrag schwächen Sie Ehe und Familie, weil 80 % der Kinder in den alten Bundesländern nach wie vor in ehelichen Gemeinschaften geboren werden.

(Beifall bei der CDU)

Das Ehegattensplitting ist Grundlage dafür, dass sich die Ehepartner frei entscheiden können, wie Erwerbsarbeit und Familienarbeit aufgeteilt werden, ob beide diese Arbeit wahrnehmen, ob die Arbeit zwischen beiden aufgeteilt wird oder ob der eine Partner sich für die Familienarbeit und der andere Partner sich für die Erwerbsarbeit entscheidet.

(David McAllister [CDU]: So ist es!)

Wenn Sie dieses lösen, haben Sie diese Entscheidungsfreiheit nicht mehr. Die Grundlage dafür ist das Ehegattensplitting.

(Beifall bei der CDU - David McAllister [CDU]: Wenzel, das wollt ihr nämlich nicht!)

Deswegen schwächen Sie mit Ihrem Antrag die Familien. Streichung, Kürzung und Umwandlung des Ehegattensplittings treffen nämlich weitgehend Familien mit Kindern. Es ist eben falsch, dass nur die Gutverdienenden, Alleinerziehenden oder die gut verdienenden Ehepartner ohne Kinder getroffen werden. Sie treffen in 80 % bis 90 % der Fälle Familien mit Kindern. Das hat das DIW festgestellt. Das können Sie eindrucksvoll in den entsprechenden Ausführungen nachlesen.

Ebenso liegen Sie falsch mit Ihrer steuerlichen Einschätzung, man könne dort 5 Milliarden Euro generieren. Das ist nicht leistbar, weil Sie genau wissen, dass die Einkunftsarten wie Vermietung und Verpachtung, Kapitaleinkünfte so gestaltbar sind, dass man sie auch unter den Partnern aufteilen könnte. Dann werden Sie nicht zu den Ergebnissen kommen, zu denen Sie meinen kommen zu müssen.

Dann will ich etwas zur Betreuungsstruktur sagen, von der Sie gesprochen haben, Herr Wenzel. Ich will ausdrücklich festhalten: Niemand zieht die Notwendigkeit zum Ausbau von Betreuungs- und Bildungseinrichtungen gerade im Kindesalter in Zweifel. Jeder weiß, dass das nicht umsonst zu haben ist und dass wir dort große Anstrengungen unternehmen müssen. Was ich allerdings nicht verstehen kann, dass Sie, wenn Sie schon erkennen, dass wir mehr für Kinder tun müssen, dann auf der einen Seite das Geld, das Sie dazu mobilisieren wollen, auf der anderen Seite den Familien wegnehmen wollen. Sie schwächen die Familien, Sie ziehen es ihnen aus der linken Tasche heraus

und wollen es in Form von Sachleistungen in die rechte Tasche wieder hineinstecken. Die Familien brauchen beides und eben nicht dieses Gegeneinander-Ausspielen.

(Beifall bei der CDU)

Sie streben eine Lösung für die Kinderbetreuung an, wollen die Verbesserung der Betreuungseinrichtungen dadurch erreichen, indem Sie den Familien erst etwas wegnehmen, in staatliche Instanzen packen, die Staatsquote erhöhen und dann großzügig Mittel des Staates verteilen und Sachleistungen anbieten. Das ist grundsätzlich der falsche Weg. Der wird von uns auch nicht mitgetragen und kann nicht richtig sein.

Nun lassen Sie mich einiges zum Änderungsantrag der SPD sagen. Ich begrüße es, dass sich die SPD grundsätzlich zum Ehegattensplitting bekennt. Dennoch will sie es in einer Form tun, die uns nicht weit genug geht und bei der das Ehegattensplitting maßgeblich eingeschränkt werden soll. Deswegen ist der Antrag in sich widersprüchlich, weil dort viele Zustände zementiert werden sollen und andere nicht ordentlich durchdacht sind.

Diesen Antrag kann man nur ablehnen, zumal dort auch enthalten ist, den Kinderfreibetrag abzuschaffen. Der Kinderfreibetrag ist nur Ausdruck dessen, dass wir Einkommensverhältnisse haben, in denen wir die steuerliche Freistellung einmal entweder über den Steuerfreibetrag machen oder über das Kindergeld. Beim Kindergeld kommen die Geringverdiener besser weg, als wenn wir das steuerliche Existenzminimum freistellen würden.

Wenn Sie das aber grundsätzlich machen wollen, dann müssen Sie nach Verfassungsgerichtsurteil ein Kindergeld von 200 Euro in jedem Monat anwenden. Dann haben Sie die Mehrausgaben, die wir nicht finanzieren können. Sonst können Sie den Freibetrag dort nicht entsprechend streichen. Insofern ist fachlich falsch, was Sie dort anführen, und letztendlich nicht durchzuführen. Daher müssen wir diesen Antrag ablehnen.

Was Sie zu den Lohnsteuerklassen ausführen, muss rechtlich noch durchdacht werden, muss noch erarbeitet werden. Das ist sicherlich ein interessanter Aspekt, allerdings auch datenschutzrechtlich fraglich, weil man dann eben dem Arbeitgeber das Einkommen seines Partners mitteilen muss, was in Einzelfällen durchaus problematisch sein kann.

Ich will zum Schluss sagen, dass die Diskussion um das Ehegattensplitting auch in der Frage mündet, welches Gesellschaftsbild wir haben wollen, wo die Schwerpunkte unserer Förderung liegen. Hier sehen die Grünen offensichtlich ein Instrument hin zu einer anderen Gesellschaft, die den bisher konsensualen besondere Schutz von Ehe und Familie zugunsten eines anderen Gesellschaftsbildes und vor einem anderen Gesellschaftsbild infrage stellen und schwächen wollen.

Es muss Wahlfreiheit geben. Es muss nach wie vor so sein, dass wir Kinder und Familien stärken, aber auch eheliche Gemeinschaften, die auf Dauer angelegt sind, stärken. Deshalb wollen wir - das hat Herr Wenzel richtig bemerkt - im Rahmen der Grundsatzdiskussion das Ehegattensplitting als partnerschaftliche Verantwortungsgemeinschaft von Ehe und Familie weiterentwickeln und dafür eintreten, dass Kinder stärker gefördert werden. Aber das Ehegattensplitting muss als Kernbestandteil in ein neues Familiensplitting integriert werden und erhalten bleiben. Das Ehegattensplitting ist wichtiger Bestandteil unserer Steuergesetzgebung und unseres Gesellschaftsbildes. Von daher kann man diesen Antrag heute hier nur ablehnen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Hilbers. - Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Wenzel gemeldet.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Hilbers, was Sie hier erzählen, kann man ja nun wirklich nicht so stehen lassen.

Unser Antrag stärkt Familie. Die Frage ist nur, was Sie unter Familie verstehen. Sie fördern mit dem heutigen Modell die Ehe. Das kann man auch machen. Das ist auch im Grundgesetz so verankert. Aber viele Menschen, die verheiratet sind, haben nicht unbedingt Kinder. Die Frage ist, was denn dann Familie ist. Für mich ist Familie dort, wo Kinder sind.

Deshalb geht es darum, die Förderinstrumente, die der Staat hat, so zielgerichtet wie möglich dafür einzusetzen, wirklich Familien zu fördern, Leben mit Kindern zu fördern. Das ist heute nicht nur ein Ort, wo zwei Ehegatten miteinander kirchlich ge

traut und standesamtlich verheiratet sind, sondern das sind auch Alleinerziehende, das sind auch Paare, die oft über Jahrzehnte hinweg zusammenleben, ohne verheiratet zu sein, aber Kinder großziehen; oder das sind auch PatchworkFamilien. Alle die dürfen wir nicht vergessen.

Deshalb wollen wir nicht in eine andere Gesellschaft, sondern wir wollen, dass das, was heute Realität in der Gesellschaft ist, vom Staat anerkannt ist und dass jeder gleichberechtigt behandelt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Wenzel. - Herr Hilbers wird jetzt antworten.

Frau Präsidentin! Herr Wenzel, um die Frage, wen man damit stärkt und wen man schwächt, beantworten zu können, muss man erst einmal klären, wen man mit einer gesetzlichen Änderung treffen würde. Ich habe ausgeführt, dass 80 % der Kinder in Familien mit ehelichen Gemeinschaften leben. Das sind überwiegend Familien, in denen sich ein Partner verstärkt um das Familieneinkommen und der andere verstärkt um die Familienarbeit kümmert. - Wenn ich das Ehegattensplitting also abschaffe, ziehe ich genau dort das Geld ab.

Von dem Ehegattensplitting profitieren die Familien mit einem Einkommensbezieher. Wenn Sie es kürzen, kürzen Sie es denen. Wenn Sie es denen kürzen, um es für Betreuung wieder auszugeben, dann geben Sie es nicht denen, denen Sie es bislang auch nicht geben. Also schwächen Sie Familien!

(Beifall bei der CDU und Zurufe von den Grünen)

Das ist doch die Konsequenz. Sie wollen zusätzlich 5 Milliarden Euro einnehmen und diese dann staatlich verteilen. Herr Klein, da brauchen Sie sich gar nicht so aufzuregen; das steht in dem Antrag.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wir wollen das für die Kinderbetreuung tun!)

Wenn Sie das wollen, dann schauen Sie hin, woher Sie es nehmen. Ich finde, man sollte es den Familien mit Kindern nicht wegnehmen. Sie wollen es doch bewusst den Familien mit Kindern weg

nehmen, um es dann denen zu geben, die die Betreuung brauchen.

(Lebhafte Zurufe von den Grünen)

Das ist eben falsch. Wenn Sie mehr für die Kinderbetreuung tun wollen, ist es richtig, Geld aus allgemeinen Steuermitteln zu nehmen, also nicht Geld, das den Familien weggenommen wird.

Herr Hilbers, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Abg. Reinhold Hilbers (CDU)

Ich sage noch einmal: Das DIW hat festgestellt, dass 80 % der Kinder nicht in Patchwork-Familien leben, sondern in Familien, in denen die eigenen Eltern in ehelichen Verhältnissen leben.