Protocol of the Session on November 9, 2006

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Johannßen, wir alle wollen,

dass mehr Deutsche die Arbeit der ausländischen Saisonarbeitskräfte auf unseren Spargelfeldern, in der Apfelernte, bei der Weinlese oder auch im Tourismus übernehmen. Wir alle wollen das.

(Zustimmung von Hans-Werner Schwarz [FDP])

Das ist der richtige Ansatz. Daher wurde ja die Eckpunkteregelung geschaffen, die bewirken sollte, dass 20 % - so war das Ziel; wir erinnern uns der ausländischen Saisonarbeitskräfte durch deutsche Arbeitnehmer ersetzt werden. Dieses politische Ziel - das sage ich sehr deutlich - haben CDU und FDP unterstützt. Das war auch richtig, meine Damen und Herren.

(Zustimmung von Hans-Werner Schwarz [FDP])

Erlebt haben wir aber - Herr Kollege Johannßen, diese schlichte Wahrheit können auch Sie nicht ausblenden -, dass eine zu große Zahl deutscher Arbeitnehmer, die für solche Stellen vorgeschlagen wurde, entweder bei der Arbeit gar nicht erst erschienen ist oder aber schon nach kurzer Zeit schon wieder aufgehört hat, weil die Arbeit zu anstrengend war oder weil gesundheitliche Probleme aufgetreten sind. Das ist die Realität, die auf den Betrieben stattgefunden hat. Davor können Sie die Augen nicht verschließen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für Unternehmer, die in der Ernte darauf angewiesen sind, dass ihre Produkte „just in time“, also wenn die Frucht reif ist, geerntet werden, ist dies eine Katastrophe. Deswegen darf es so etwas nicht noch einmal geben.

Daher ist es gut, dass die Agrarminister einhellig festgestellt haben, dass sich die bisherige Eckpunkteregelung eben nicht bewährt hat. Gerade für das Agrarland Nummer eins, also für Niedersachsen, mit den zum Teil hoch spezialisierten Regionen - Obstanbau im Alten Land, Spargel in Nienburg, Gemüse im Kreis Vechta - ist es eine Existenzfrage, ob die Ernte gut klappt oder nicht. Deshalb sind die Felder unserer Bauern auch nicht der richtige Ort für soziologische Studien, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der Antrag, der Ihnen jetzt vorliegt, wird von uns zum jetzigen Zeitpunkt eingebracht, weil noch Ende dieses Jahres die Würfel dafür fallen, wie wir für

die nächste Ernte, wie wir für das Jahr 2007 aufgestellt sind. Wir brauchen jetzt die notwendigen Anpassungen auf Bundesebene, die unseren Landwirten einen reibungslosen Ablauf ermöglichen. Denn jetzt planen die Landwirte - das hat die Kollegin Philipps gesagt - für das kommende Jahr, und es ist keine Zeit mehr für langes Lamentieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Deswegen erwarte ich von der Bundesregierung und von der Agrarministerkonferenz, dass Regelungen gefunden werden, die uns ein Chaos wie in diesem Jahr in Zukunft ersparen, dass Regelungen gefunden werden, die für die Landwirte praxisgerecht sind, damit die Ernte ordentlich eingebracht werden kann.

(Beifall bei der FDP - Karin Stief- Kreihe [SPD]: Wo war denn das Cha- os?)

Wir werden aber sehen, Frau Kollegin Stief-Kreihe, wie die Vorschläge der Bundesregierung zu diesem Thema aussehen. Sollten wir ein „Weiter so!“ aus Berlin - z. B. von Herrn Müntefering - hören,

(Zuruf von der SPD: Ganz vorsichtig!)

dann sollte sich das Land Niedersachsen an die Spitze der Bewegung setzen, diese Eckpunkteregelung ganz abzuschaffen. Denn das, meine Damen und Herren, wäre die beste Regelung für unsere Bauern. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP - Karin Stief- Kreihe [SPD]: Immer nur Behauptun- gen!)

Vielen Dank. - Herr Kollege Klein hat jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Oetjen, wenn Sie das so wollen, warum schreiben Sie das dann nicht in Ihren Antrag?

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich habe mich eigentlich schon ein bisschen darüber gewundert, dass Sie sich überhaupt trauen, diese Problematik wieder auf die Tagesordnung zu

setzen, nachdem Sie ja im Frühjahr dieses Jahres mit dieser eilfertigen Unterstützung von SchwarzRot in Berlin kräftig auf die Nase gefallen sind. Jetzt tun Sie plötzlich so, als hätten Sie damit überhaupt nichts zu tun und als hätten Sie in diesem Frühjahr nicht genau dieser geltenden Eckpunkteregelung das Wort geredet, und zwar gegen unseren ausdrücklichen Rat.

(Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

Ich könnte es ja noch verstehen, meine Damen und Herren, wenn Sie jetzt einen Antrag schreiben würden, in dem Sie unsere Position vom Frühjahr aufnehmen würden, in dem ganz deutlich steht, dass es zu einer Abschaffung dieser Zwangsquote kommen soll, dass eben diese Eckpunkteregelung weg soll. Das ist doch das, was wir in diesem Zusammenhang brauchen. Das hat ja z. B. auch die FDP auf Bundesebene ganz deutlich gefordert.

Aber irgendwie scheint Ihnen dieses kleine Bürokratiemonster am Herzen zu liegen. Das ist vom Begriff her sicherlich nicht untertrieben. Schauen wir uns einmal dieses Konstrukt an: Da gibt es eine grundsätzliche Inländersollquote, die durch eine Inländermussquote modifiziert ist; dazu kommen eine Expansionsausnahmeregelung mit verschärftem Nachweis und außerdem eine Härtefallbestimmung nach erwiesener und bescheinigter Unwirksamkeit. Das ist diese Eckpunkteregelung und nichts anderes.

Wir haben ja von Herrn Johannßen gehört, welcher bürokratische Aufwand erforderlich war, um sie durchzuführen. Wie viele Arbeitsplätze sind allein dadurch geschaffen worden?

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Natürlich haben wir beim Ziel alle das Gleiche im Auge: Wir wollen ausreichend Erntehelfer haben und wollen, dass mehr inländische Arbeitslose auch als Saisonkräfte in der Landwirtschaft arbeiten. Nur, was da nicht hilft, ist doch die Zwangsrekrutierung von Arbeitslosen, die Androhung von Strafmaßnahmen nach dem Motto „Wenig Zuckerbrot und viel Peitsche“.

Meine Damen und Herren, was auch nicht hilft, sind solche windelweich gespülten Anträge. Darin steht, Sie wollen überprüfen und gegebenenfalls anpassen.

Meine Damen und Herren, diese Eckpunkteregelung wurde überprüft, und zwar mit der besten

Prüfung, die es überhaupt gibt, nämlich mit der Prüfung in der Praxis in diesem Erntejahr. Sie wissen doch auch, wie das ausgegangen ist.

(Zuruf von Friedhelm Biestmann [CDU])

Es hat sich das bestätigt, was sich in mehreren Jahren zuvor auch immer wieder bestätigt hat und was wir Ihnen im März von dieser Stelle aus auch prognostiziert haben. Sie kennen die Zahlen: Ganze 16 % der zugewiesenen Arbeitskräfte waren am Ende der Ernte noch auf dem Feld. Das kann es doch nicht sein!

Trotz Ausnahmen und trotz Härtefallregelung ist nicht die Arbeitslosigkeit gefallen, sondern der Spargel geschossen.

Wir kennen das Erfolgsrezept, meine Damen und Herren, das wir brauchen: Information, Qualifizierung und unbürokratische Vermittlung aus einer Hand über Personalserviceagenturen oder Beschäftigungspools - wie immer man sie nennen will. Wir brauchen nicht den kurzfristigen Einmaleinsatz, sondern wir brauchen eine weitergehende Perspektive für die Arbeitslosen, wir brauchen Perspektiven für eine möglichst ganzjährige Beschäftigung. Das ist auch möglich. Das ist auch zukunftsorientiert, weil wir wissen, dass die Landwirtschaft in Zukunft nicht nur Saisonkräfte, sondern auch vermehrt Fachkräfte in den grünen Berufen ganz generell braucht.

Das, was Herr Johannßen unterstrichen hat, will ich hier noch einmal deutlich sagen: Es erfordert auch einen Beitrag der Landwirtschaft, wenn das Ganze klappen soll. Sie müssen Löhne zahlen, die der schweren Arbeit entsprechen und von denen ein Mensch hier in Deutschland auch leben kann. Sonst kann das Ganze überhaupt nichts werden.

(Beifall von Stefan Wenzel [GRÜNE] - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, nachdem Sie aus dem ersten Antrag nichts gelernt haben, jetzt den zweiten Versuch zu machen - dazu sage ich: Aller guten Dinge sind drei. Vielleicht werden Sie ja im Ausschuss unserem Vorschlag folgen, den ich Ihnen jetzt schon ganz kurz darstellen kann.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Noch ein letzter halber Satz, Herr Präsident! - Wir werden Ihnen vorschlagen, Ihren Antrag zu verschlanken und zu entbürokratisieren, indem wir sechs Worte streichen. Das sind die Worte „... sie überprüfen und gegebenenfalls anzupassen“. Dann heißt das nämlich schlicht und einfach: „Dazu ist die eingeführte Kontingentierung der ausländischen Saisonarbeitskräfte aufzuheben.“ Das ist die Lösung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt der Herr Landwirtschaftsminister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Ziel - ich glaube, das ist hier aus den Wortbeiträgen schon klar geworden -, mehr inländische Arbeitsuchende für Tätigkeiten in landwirtschaftlichen Betrieben zu gewinnen und somit auch neue Arbeitsplätze für hiesige Erwerbslose zu schaffen, ist zu unterstützen. Ich glaube, darin sind wir uns sehr einig.

Die Niedersächsische Landesregierung hat deshalb die Umsetzung der Eckpunkteregelung von Anfang an konstruktiv begleitet. Sie hat dabei allerdings immer zum Ausdruck gebracht, dass es durch die verstärkte Einbeziehung inländischer Arbeitnehmer in den landwirtschaftlichen Betrieben nicht zu einer qualitativen Einbuße bei der Aufgabenerledigung kommen darf. Auch das ist hier angesprochen worden. Denn eines ist sicher, meine Damen und Herren: Das Erntegut richtet sich in der Abreife bei Spargel, Erdbeeren und Obst nicht danach, ob der Landwirt gerade Arbeitskräfte für die Ernte zur Verfügung hat oder nicht.

Die bisher bekannt gewordenen Ergebnisse der Eckpunkteregelung deuten darauf hin, dass diese Zielsetzung letztlich nicht erreicht worden ist. Wir haben ja eine Erhebung durch die Verbände gehabt, in die die bei der Weinlese eingesetzten Arbeitskräfte noch nicht eingeflossen sind. Ich will die Zahlen hier nicht vorlesen, weil Sie sonst nur sagen würden, ich würde bundesdeutsche Arbeitslose diskriminieren. Aber die Zahl 16 %, die Herr Kollege Klein genannt hat, stimmt. Ich habe das

eben nachgerechnet. Das war letzten Endes noch da. Das reicht aber nicht aus.

Deshalb meine ich auch, dass es wichtig ist, dann, wenn es nicht funktioniert, der Bundesregierung zu helfen, hier zu Regelungen zu kommen, damit es funktioniert.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Zahl der Erntehelfer aus dem Ausland ist um etwa 10 % zurückgegangen. Daraus lassen sich jedoch nicht unbedingt Schlüsse auf den Ermittlungserfolg ziehen. Ich habe das eben angesprochen.