- Ich will noch einmal darauf hinweisen: Selbst wenn sich einige durch das Klingeln nicht gestört fühlen, möchte ich sagen, dass wir uns durch das sehr viele Reden außerordentlich gestört fühlen. Wenn hier oben geklingelt wird, dann nicht zum Spaß oder um Farbe in das Geschäft zu bringen, sondern um die nötige Ruhe herzustellen, damit wir beraten können. Dafür bitte ich Sie um Ihre Aufmerksamkeit.
Tagesordnungspunkt 10: Einzige (abschließende) Beratung: Verfassungsgerichtliches Verfahren - Verfahren über die Anträge 1. festzustellen, dass der Antragsgegner dadurch gegen Artikel 4 Abs.1, 38 Abs. 1 GG verstoßen hat, dass er es unterlassen hat, Beweis zu erheben zum Untersuchungsauftrag des Antragsgegners, insbesondere zu Ziff. IV, 2. festzustellen, dass bestimmt bezeichnete Beschlüsse des Antragsgegners gegen Artikel 44 Abs. 1, 38 Abs. 1 GG verstoßen, 3. bis zur Entscheidung in der Hauptsache im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass der Antragsgegner verpflichtet ist, die Beweisaufnahme unverzüglich fortzusetzen und innerhalb einer vom Gericht festzusetzenden angemessenen Frist benannte Zeugen zu vernehmen und Beweise zu erheben Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 14.12.2001 - 2 BvE 2/01 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 14/3079
Für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer werden die Anträge anhand der Paragrafen zwar nicht deutlich. Aber ich nehme an, dass die Abgeordneten die Unterlagen gelesen haben.
Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen in der Drucksache 3079 liegt Ihnen allen vor. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.
Im Ältestenrat waren sich die Fraktionen darin einig, dass über diesen Punkt ohne Besprechung abgestimmt wird. - Ich höre keinen Widerspruch und lasse daher gleich abstimmen.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen in der Drucksache 3079 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich frage nach Gegenstimmen. - Nun frage ich nach Stimmenthaltungen. - Ich stelle Einstimmigkeit fest.
Tagesordnungspunkt 11: Zweite Beratung: Abitur nach zwölf Schuljahren mit einem achtjährigen Gymnasium landesweit zum nächsten Schuljahresbeginn einführen Einheit des Gymnasiums und Freiheit des Elternwillens sicherstellen Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2836 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses Drs. 14/3081
Dieser Antrag wurde an den Kultusausschuss zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen, sodass wir gleich in die Beratung eintreten können. Das Wort hat Frau Kollegin Mundlos.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Entschließungsantrag, über den heute abgestimmt wird, enthält die Forderung nach einem modernen Gymnasium ohne Orientierungsstufe, nach größerer Effizienz und Leistungsfähigkeit, nach einem Abitur nach zwölf Jahren und nach der Freiheit des Elternwillens. Wie soll das aussehen?
Abitur nach zwölf Jahren ist auch immer mit einer inhaltlichen Reform verbunden. Zur Leistungssteigerung des Bildungswesens ist es auch erforderlich, dass sich die Schule vom Prinzip der Beliebigkeit der Bildungsinhalte löst und mehr Orientierung bei der wachsenden Informations- und Wissensflut anbietet. Auf der Basis eines soliden Bildungsfundaments, vorbereitet durch den Kindergarten und erarbeitet durch die Grundschule, kommt den Jahrgängen 5 und 6 eine besondere fördernde Funktion zu: die Jahrgänge 5 und 6 als Bestandteil des Gymnasiums bei größtmöglicher Durchlässigkeit mit dem Beginn der zweiten Fremdsprache in Klasse 6.
Um die Vorgaben der KMK zu erfüllen, müssen von den Jahrgängen 5 bis 12 mindestens 265 Wochenstunden in der Stundentafel organisiert werden. Das heißt, ein Abitur nach zwölf Jahren geht nicht einher mit Einsparungen von Lehrerstunden. Die vorhandenen und erforderlichen Lehrerstunden werden nur anders verteilt. Das kann dazu führen, dass mitunter auch einmal in einer Woche mehr als 30 Wochenstunden erteilt werden müssen. Weil
das der Fall ist, fordern wir mit Nachdruck für das Gymnasium ein Ganztagsangebot, und zwar gleichberechtigt gefördert,
also nicht nur die integrativen Systeme fördern, Herr Kollege Wulf, sondern natürlich auch das Gymnasium.
Unter Verzicht auf die jetzige Orientierungsstufe könnte so künftig statt sieben sogar acht Jahre kontinuierlich gymnasial unterrichtet werden. Grundlagenfächer würden gestärkt, Spezialisierung würde in gebotenem Umfang greifen, mehr naturwissenschaftlicher Unterricht würde realisiert werden. Das alles soll in ein Gesamtkonzept eingebunden werden, harmonisch und sachgerecht aufeinander abgestimmt.
Die Landesregierung dagegen eiert. Sie liefert Stückwerk. Ein bisschen will sie schon so tun, als würde sie die Orientierungsstufe abschaffen. Zumindest versucht sie das denen vorzugaukeln, die die Orientierungsstufe nicht mehr wollen. Gleichzeitig versucht die Landesregierung, den Befürwortern der Orientierungsstufe gerecht zu werden und die Orientierungsstufe ohne differenzierte Förderung - genannt: Förderstufe - einzuführen. Dabei werden alle Schüler, also Hauptschüler, Realschüler und Gymnasiasten, von allen Lehrern, also Hauptschullehrern, Realschullehrern, Gymnasiallehrern und Grundschullehrern, undifferenziert, ohne Rücksicht auf individuelle Leistungsfähigkeit, ohne individuelles Fördern und Fordern von Schülerinnen und Schülern unterrichtet. Da frage nicht nur ich mich, was hier eigentlich gefördert werden soll. Unsere Kinder sind das jedenfalls nicht.
Die Jahrgänge 5 und 6 so organisiert, wie sich die Landesregierung das vorstellt, sind jedoch eine schlechte Basis für ein Abitur nach zwölf Jahren. So jedenfalls sind Qualitätsverluste vorprogrammiert. Das belegt auch die Art und Weise, wie hier ein so genanntes Turbo-Abitur eingeführt werden soll - ein Modell, das eigentlich schon gescheitert ist, bevor es überhaupt richtig greifen kann, denn sage und schreibe ganze vier Gymnasien haben sich mit 58 Schülerinnen und Schülern auf den Weg gemacht, um das einmal auszuprobieren,
mehr nicht. Der Vorschlag der Landesregierung, der Ministerin oder von wem auch immer - das ist auch egal - wirft jedenfalls mehr Fragen auf, als es Antworten gibt. Die Vorstellung der Landesregierung, ein Abitur der zwei Geschwindigkeiten mit kollektivem Springen, ist eine Abkehr von der schulpolitischen Vernunft.
Denn hier wird mit maximalem organisatorischem Aufwand ein minimaler Nutzen bei größtmöglicher Verwirrung produziert. Sicher ist nur, TIMSS und PISA haben Probleme und Missstände aufgezeigt. Deshalb ist es höchste Zeit, den Kern ursprünglicher Schulreform freizulegen. Dazu gehören erstens die Herstellung höchstmöglicher Chancengerechtigkeit und zweitens optimale Förderung jedes einzelnen Kindes.
Diese Prinzipien sind ein unverzichtbarer Teil der demokratischen Legitimation unseres Schulwesens. Deshalb muss eine Antwort auf PISA und TIMSS bei gleichzeitig gewachsenem globalem Wettbewerb lauten: transparente nachvollziehbare Strukturen im Bildungswesen, landesweit das achtjährige Gymnasium einführen mit Abitur nach zwölf Jahren unter Abschaffung der Orientierungsstufe, gymnasialer Unterricht ab Jahrgang 5, gleichberechtigte Ganztagsangebote an Gymnasien, Elternwillen respektieren und sicherstellen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ein Drittel aller Bundesländer handelt bereits danach. Die haben bereits den Weg für mehr Effizienz und Zukunftschancen ihrer Kinder beschritten. Heute soll unser Antrag abgelehnt werden. Auch das ist ein Zeichen dafür, dass diese Landesregierung die Zeichen der Zeit immer noch nicht erkannt hat.
Die Niedersächsische Landesregierung schläft mal wieder. Dass es kein hundertjähriger Dornröschenschlaf für Niedersachsens Schulen wird, dafür werden die Eltern, die betroffenen Lehrer und die abnehmende Wirtschaft mit Sicherheit sorgen. Ihr Konzept jedenfalls wollen wir alle gemeinsam nicht.
Danke schön, Frau Kollegin Mundlos. - Der nächste Redner, meine Damen und Herren, ist Herr Kollege Wulf.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geschätzte Frau Kollegin Mundlos, es ist ganz deutlich geworden: PISA hat Recht. Das sinnergreifende Lesen ist keine Tugend, die die CDU erfunden hat. Offensichtlich haben Sie nämlich die Erkenntnisse der PISA-Untersuchung in keiner Art und Weise für sich richtig antizipiert.
Das CDU-Modell, das Sie vorschlagen, ist in keiner Art und Weise ein Hit. Wenn Sie das DIPFGutachten einmal durchlesen, werden Sie feststellen, dass mehr als 70 % der Eltern ein solches Modell, wie Sie es vorschlagen, nicht annehmen wollen. Ihr Modell heißt nämlich, die Kinder bereits nach Klasse 4 in das dreigliedrige Schulsystem zu sortieren und den Entscheidungsdruck wieder in die Grundschulen zu verlagern. Von Durchlässigkeit ist bei Ihnen nur verbal das Wort. De facto findet sie nicht statt.
Sie, meine Damen und Herren von der CDU, drücken sich vor den entscheidenden Fragen. Sie fordern die Abschaffung der Orientierungsstufe und
Leider ist auch der Vorschlag der Grünen mit der sechsjährigen Grundschule kein Vorschlag, der den Interessen und Bedürfnissen der Eltern entspricht. In dem DIPF-Untersuchung wurde deutlich, dass 60 % der Eltern diesen Vorschlag als eher schlecht oder als schlecht ansehen. Außerdem wird auf die finanziellen und pädagogischen Probleme dieses Modells hingewiesen. Es ist festzustellen: Die DIPF-Untersuchung hat deutlich gemacht, dass sowohl das CDU-Modell als auch das Grü
Die übergroße Mehrheit der befragten Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte hat sich hingegen für die gemeinsame Beschulung der Kinder bis einschließlich Klasse 6 ausgesprochen.
Das sollten Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen und nicht permanent die Wahrheit verdrehen. Die Tatsache, dass die Orientierungsstufe Probleme hat, wird dabei natürlich nicht zu verschweigen sein. Das sagen wir eindeutig, und wir stehen auch dazu. Die starke Auslesefunktion der Orientierungsstufe gegenüber der Beratungs- und Förderfunktion ist deutlich geworden. Die zu defensive Schullaufbahnempfehlung, vor allem der Orientierungsstufen, die an Hauptschulen angeboten worden sind, ist deutlich geworden. Die Abbildung des dreigliedrigen Schulsystems durch die äußere Fachleistungsdifferenzierung ist ebenfalls deutlich geworden und bedeutet
eine zu geringe Durchlässigkeit in diesem Schuljahrgang. Positiv ist u. a. der integrative Ansatz gewesen. Positiv ist z. B. der Aspekt der wohnortnahen Beschulung gewesen. Genau das werden wir wieder aufgreifen, aber nur diese Punkte.