Protocol of the Session on January 25, 2002

fall zu einer Haftungsreduzierung bis auf Null führen kann, von einer Haftung befreit bleibt. Etwas anderes gilt insoweit nur bei Beteiligung von Kindern bis zum vollendeten 10. Lebensjahr, die künftig von einer (Mit-)Haftung im motorisierten Straßenverkehr generell freigestellt sind. Bei Unfällen, an denen nur motorisierte Verkehrsteilnehmer beteiligt sind, wird auch künftig bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile die Gefährdungshaftung gegenüber (grobem) Verschulden häufig zurücktreten und damit gegenüber der geltenden Rechtslage zu keinen wesentlich anderen Ergebnissen führen.

Zu 3: Ja. Die Landesregierung begrüßt die mit dem Gesetzentwurf beabsichtigte grundlegende Neuordnung des Anspruchs auf immateriellen Schadenersatz. Damit wird der Opferschutz maßgeblich verbessert. Mit der Einführung eines einheitlichen Schmerzensgeldanspruchs, der vom Haftungsgrund und Verschulden unabhängig ist, wird eine gerade für Opfer besonders schwerer Verletzungen nicht mehr hinnehmbare Haftungslücke im geltenden Recht geschlossen. Erlittene Verletzungen von Körper, Gesundheit, Freiheit oder sexueller Selbstbestimmung verlangen nach einem Ausgleich auch des immateriellen Schadens nicht nur dann, wenn sie schuldhaft herbeigeführt worden sind. Dementsprechend stellt auch die Rechtsprechung die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgelds gegenüber seiner Genugtuungsfunktion zunehmend in den Vordergrund. Angesichts der Ausweitung des Schmerzensgeldanspruchs ist es andererseits gerechtfertigt, den Ersatz von Schmerzensgeld in Fällen leichter und nicht vorsätzlich zugefügter Verletzungen auszuschließen.

Anlage 14

Antwort

des Justizministeriums auf die Frage 19 des Abg. Schünemann (CDU):

Anwendung von Brechmitteln zur Aufklärung von Rauschgiftdelikten in Niedersachsen

Nach der StPO ist es zulässig, gegen Personen, die der Begehung von Rauschgiftdelikten, insbesondere des Rauschgifthandels, verdächtig sind, den Einsatz von Brechmitteln anzuordnen, um Zugriff auf im Körper verschlucktes Rauschgift zu erhalten.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie beurteilt sie den zwangsweisen Einsatz von Brechmitteln zur Aufklärung von Rauschgiftdelikten?

2. Inwieweit ist es in Niedersachsen in der Vergangenheit zur zwangsweisen Anwendung von Brechmitteln bei der Aufklärung von Rauschgiftdelikten gekommen?

3. Unter welchen Voraussetzungen kommt aus Sicht der Landesregierung der zwangsweise Einsatz von Brechmitteln zur Aufklärung von Rauschgiftdelikten in Niedersachsen in Betracht?

Die Mündliche Anfrage geht von der Auffassung aus, dass es nach der StPO zulässig sei, gegen Personen, die der Begehung von Rauschgiftdelikten verdächtig seien, den Einsatz von Brechmitteln anzuordnen. Diese Rechtsauffassung verdient nur eingeschränkt Zustimmung.

Sicherlich zulässig nach der StPO ist die Anordnung des Einsatzes von Brechmitteln zur Aufklärung von Rauschgiftdelikten, sofern der Beschuldigte mit der Einnahme des Brechmittels einverstanden ist, wobei vorweg der Beschuldigte auf die mit der Einnahme von Brechmitteln möglichen Gesundheitsgefährdungen hinzuweisen ist. Aus medizinischer Sicht wird der Beschuldigte im Übrigen regelmäßig auch darauf hingewiesen, dass ohne die Verabreichung von Brechmitteln erhebliche Gesundheitsgefahren für den Fall bestehen, dass sich das im Körper transportierte Rauschgift noch im Körper auflöst.

Gegen die zwangsweise Verabreichung eines Brechmittels bestehen jedoch erhebliche juristische Bedenken. So hat beispielsweise das OLG Frankfurt den Einsatz von Brechmitteln für rechtswidrig erklärt (OLG Frankfurt, NJW 1997, 2437). In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall war zunächst das Brechmittel Ipecacuanha verabreicht worden, sodann das Brechmittel Apomorphin. Das Bundesverfassungsgericht hat anlässlich des tragischen Todesfalls aus Hamburg im Dezember, in dem das Brechmittel Ipecacuanha zur Anwendung gekommen ist, in einer Pressemitteilung vom 13. Dezember 2001 klargestellt, dass sich seine Entscheidung vom 15. September 1999 (NStZ 2000, 381) , die vielfach anders interpretiert worden ist, nicht auf eine zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln bezog. In der Pressemitteilung hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass mit dem Beschluss vom 15. September 1999 eine Verfassungsbeschwerde zum Einsatz von Brechmitteln aus formalen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen worden sei. Eine Entscheidung des

Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Verfassungsmäßigkeit eines Brechmitteleinsatzes steht also noch aus.

Im Einzelnen:

Zu 1: Die Landesregierung ist der Auffassung, dass die zwangsweise Vergabe von Brechmitteln nach derzeitigem Kenntnisstand unverhältnismäßig und damit gerade nicht mit der StPO vereinbar ist. Dies gilt sowohl für das in Hamburg zur Anwendung gekommene Brechmittel Ipecacuanha als auch für das Brechmittel Apomorphin.

Die zwangsweise Verabreichung von Ipecacuanha erfolgt über eine Magensonde, die durch die Nase eingeführt wird. Bei dieser Einführung kann es, wenn der Beschuldigte sich heftig wehrt, zu Verletzungen im Nasenbereich, am Schlundkopf, im Kehlkopfbereich und der Speiseröhre kommen. Außerdem besteht die Gefahr, dass der Schlauch unbemerkt in die Lunge statt in den Magen eingeführt wird, oder dass sensible Nervenzellen im Hals so sehr gereizt werden, dass ein Herzversagen ausgelöst werden kann.

Das Brechmittel Apomorphin wird gespritzt. Es liegen bereits seit längerem medizinische Stellungnahmen vor, wonach Apomorphin zu Kreislaufstörungen führen kann.

Nach einer Stellungnahme von Prof. Dr. Steib, Zentrum für Pharmakologie der Universitätskliniken Frankfurt, gibt es bei der Anwendung von Apomorphin in mehr als der Hälfte der Fälle Nebenwirkungen. Dazu gehören Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem und Beeinträchtigungen des Herz-Kreislauf-Systems bis zur Gefahr eines Kreislaufzusammenbruchs.

Bei der Verabreichung beider Brechmittel gegen den Willen des Beschuldigten sind diese gesundheitlichen Gefahren zu berücksichtigen. Zwar gibt es auch andere medizinische Stellungnahmen, insbesondere zur zwangsweisen Verabreichung von Ipecacuanha, die eine solche unter Heranziehung eines geübten Arztes für risikolos halten. Die Landesregierung ist jedoch der Auffassung, dass auch ein nur möglicherweise lebensgefährlicher körperlicher Eingriff zur Sicherstellung von Betäubungsmitteln unverhältnismäßig ist. Dabei ist es auch unerheblich, ob die Lebensgefahr von dem Eingriff selbst ausgeht oder aus der Tatsache herrührt, dass der Beschuldigte sich - möglicherweise in Panik - heftig wehrt und es deshalb zu lebensbedrohlichen Komplikationen kommt.

Durch den Verzicht auf den Einsatz von Brechmitteln sind die Strafverfolgungsbehörden auch keinesfalls aller Mittel zur Bekämpfung des Straßenhandels mit Rauschgift beraubt. Es besteht nämlich die Möglichkeit, den - auch beschleunigten - Abgang auf natürlichem Wege abzuwarten. Gegebenenfalls kann in solchen Fällen ein Haftbefehl beantragt werden. Ein Haftgrund (Verdunke- lungsgefahr) liegt in solchen Fällen nämlich in der Regel vor.

Zu 2: Das Niedersächsische Innenministerium hat bereits 1995 durch Erlass geregelt, dass ein Brechmitteleinsatz in der Regel aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zu unterbleiben hat. Ausgenommen sind Fälle, in denen der Einsatz von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht angeordnet wurde oder in denen der Einsatz aus medizinischen Gründen indiziert ist.

Dementsprechend ist seither von der Polizei in Niedersachsen kein Brechmitteleinsatz angeordnet worden.

Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft ist ein Brechmitteleinsatz in der Vergangenheit nur in vereinzelten Fällen und nur im Landgerichtsbezirk Osnabrück durchgeführt worden. Gegen den Willen des Beschuldigten ist von Sommer 1995 bis Oktober 2001 dort das Brechmittel Ipecacuanha insgesamt in ca. zehn Fällen, im Jahre 2001 ferner in acht Fällen das Brechmittel Apomorphin eingesetzt worden. In den anderen Landgerichtsbezirken ist es nicht zu einem zwangsweisen Brechmitteleinsatz gekommen.

Vom Justizministerium wurde der Hamburger Todesfall zum Anlass genommen, die medizinischen Risiken, die mit dem zwangsweisen Einsatz von Brechmitteln verbunden sind, neu zu bewerten. Seitdem wird auch von den Staatsanwaltschaften davon Abstand genommen, die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln anzuordnen.

Zu 3: Wie sich bereits aus den Ausführungen zu 1. ergibt, hängt die Beurteilung der Zulässigkeit des zwangsweisen Einsatzes von Brechmitteln entscheidend von der medizinischen Beurteilung einer solchen Verfahrensweise ab. Die Landesregierung ist bemüht, weitere medizinische Stellungnahmen zum Brechmitteleinsatz einzuholen. Sollten sich eindeutige neue medizinische Erkenntnisse ergeben, wonach die gesundheitlichen Risiken eines zwangsweisen Brechmitteleinsatzes zu vernachläs

sigen sind, wäre die Frage des Brechmitteleinsatzes neu zu überdenken.

Anlage 15

Antwort

des Kultusministeriums auf die Frage 20 der Abg. Frau Vockert (CDU):

Sozialpädagogische Angebote an Hauptschulen; Aufnahme der Hauptschule Langen in das Förderprogramm

Nachdem an der Hauptschule in Langen aus eigener Kraft eine Person eingestellt wurde, die anerkannt gute Sozialarbeit an der Hauptschule leistete, hatte die Schule den Antrag gestellt, in das Förderprogramm für die Einrichtung sozialpädagogischer Angebote im Rahmen regionaler Konzepte an Hauptschulen aufgenommen zu werden. Seitens der Bezirksregierung Lüneburg war das Langener Konzept als vorbildlich bezeichnet worden. Ferner wurde mitgeteilt, dass einer Aufnahme in das Landesförderprogramm nichts im Wege stünde. Im August erhielten die Lagener dann allerdings eine Absage ohne Begründung.

In einem persönlichen Gespräch zwischen der Ministerin und dem stellvertretenden Schulleiter sowie dem Personalratsvorsitzenden aus Langen Ende September „zeigte sie (die Mi- nisterin) sich ganz angetan und räumte ein, dass eventuell ein Fehler passiert sei.“ (Nord- see-Zeitung vom 28. Dezember 2001).

Seit Ende September habe man dann allerdings nichts mehr gehört, so der Personalratsvorsitzende: „Offenbar schiebt dort einer das Problem auf den anderen.“ (Nordsee-Zeitung vom 28. Dezember 2001).

Ich frage die Landesregierung:

1. Warum ist die Hauptschule Langen bei der Vergabe der Fördermittel im August 2001 nicht berücksichtigt worden, obwohl die Bezirksregierung Lüneburg das Langener Konzept als vorbildlich bezeichnet und auch mitgeteilt hatte, dass einer Aufnahme in das Landesförderprogramm nichts im Wege stünde?

2. Wird die Hauptschule Langen - nachdem bereits acht weitere Schulen nachträglich in das Förderprogramm aufgenommen worden sind - ebenfalls noch in das Förderprogramm aufgenommen werden?

3. Warum ist die Hauptschule Langen nicht bereits bei den acht Schulen, für die Nachgenehmigungen ausgesprochen worden sind, mit berücksichtigt worden?

Für die Teilnahme am Förderprogramm zur Stärkung der Hauptschule im Rahmen regionaler Kon

zepte haben sich insgesamt 289 niedersächsische Hauptschulen beworben. Die Bezirksregierungen haben diese Anträge auf Vollständigkeit und Übereinstimmung mit der Förderrichtlinie überprüft. Im Anschluss daran hat eine Auswahlkommission meines Hauses einen Vorschlag dafür erarbeitet, wie die Zuwendungsmittel möglichst effektiv und unter pädagogischen Aspekten sinnvoll genutzt werden konnten.

Die Auswahlentscheidung ist im Einzelfall nicht einfach gewesen. Es hat eine sorgfältige Abwägung der Gründe stattgefunden, die für oder gegen eine Berücksichtigung eines Schulstandortes sprachen. Bei der Auswahl der zu fördernden Schulen hat die gleichmäßige Verteilung der Standorte die ausschlaggebende Rolle gespielt, um eine möglichst flächendeckende, landesweite Förderung benachteiligter Schülerinnen und Schüler der Hauptschule zu erreichen.

Es wurde zweitens die Anzahl der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt, denen die Förderung zugute kommt. Deshalb sind Hauptschulen mit einer höheren Schülerzahl vorrangig berücksichtigt worden.

Dabei ist außerdem die Überlegung einbezogen worden, ob durch gemeinsam entwickelte Konzepte mehrerer Schulen in einer Region gute Voraussetzungen für den Aufbau eines auch gemeinsam zu nutzenden Betreuungsnetzwerkes durch die Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe, mit Betrieben und Beratungsinstitutionen in der Region geschaffen werden konnten.

Unter diesen Gesichtspunkten wurden 191 Schulen für die Teilnahme am Förderprogramm ausgewählt.

Im Landkreis Cuxhaven haben 13 der 17 vorhandenen Hauptschulen einen Antrag auf Zuwendungen im Rahmen des Förderprogramms gestellt. Aus dieser Gruppe wurden neun Schulen für die Förderung ausgewählt, auf die die oben genannten Kriterien zutreffen.

Die Hauptschule Langen gehörte zu den Schulen, die einen Antrag gestellt haben, aber aufgrund ihrer geografischen Lage und der geringeren Schülerzahlen nicht berücksichtigt wurde. Die Schulbehörde hat die Hauptschule Langen zwischenzeitlich beraten.

Zu 1: Siehe Vorbemerkungen.

Zu 2: Die Hauptschule Langen kann mit der benachbarten Hauptschule Dorum für die Haushaltsjahre 2002 und 2003 einen Ergänzungsantrag stellen, der eine Kooperation mit der Hauptschule Dorum beinhaltet (Sammelantrag).

Zu 3: Für die nachträgliche Genehmigung von Anträgen lag in jedem Einzelfall eine schulfachliche Begründung vor, die sich auf gemeinsame Anträge von Schulen in einer Region (Sammelan- trägen) oder auf Besonderheiten des pädagogischen Konzepts zuwendungsberechtigter Schulen bezog. Diese Kriterien trafen bisher auf die Hauptschule Langen nicht zu.

Anlage 16