Protocol of the Session on January 24, 2002

Aber natürlich müssen nun auch Taten folgen. Der Kollege Oestmann von der CDU-Fraktion hat im Unterausschuss gesagt, dieser Kommissionsbericht sei, wenn ich Sie richtig zitiere, ein Steinbruch für parlamentarische Initiativen. Wir teilen diese Auffassung und wollen uns heute als erstes mit der Frage der Qualitätssicherung, die in dem Bericht eine zentrale Rolle spielt, befassen. Um den Verbraucherschutz und die Lebensmittelsicherheit nachhaltig zu verbessern, wird der Agrar- und Ernährungswirtschaft angeraten, die Eigenverantwortung für die Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelqualität künftig durch ein betriebs- und stufenübergreifendes Qualitätssicherungssystem wahrzunehmen, was – das sei ausdrücklich angemerkt – staatliche Kontrollen nicht erübrigt. Es wäre dennoch ein Paradigmenwechsel, wenn - entsprechend der Auffassung der Kommission – die Erstverantwortung für die Lebensmittelsicherheit zukünftig zur Grundverantwortung und Grundpflicht der wirtschaftlichen Akteure gehörte.

Wir begrüßen die in dem Bericht angeregte dynamische Funktionsfähigkeit einer neuen Qualitätssicherung, machen uns die Vorschläge zu Eigen und raten dem Parlament in seiner Gesamtheit, sie für Niedersachsen im Wesentlichen einzufordern. Diese dynamische Funktionsfähigkeit soll aus folgenden Teilen bestehen. Das von der Kommission

vorgeschlagene System des Qualitätsmanagements soll branchenübergreifend sein, betriebsübergreifend organisiert sein und auf allen Stufen der Wertschöpfungskette stattfinden. Es ist ausdehnbar, also modular, auf alle Lebensmittelsegmente. Es unterscheidet sich damit in einigen wesentlichen Punkten von dem System, das schon für Fleisch- und Wurstwaren gilt. Mit dem Q&SSystem - die Abkürzung steht für Qualität und Sicherheit – für Fleisch- und Wurstwaren gibt es bereits ein etabliertes Prüfsystem, das von Interessenvertretern der Landwirtschaft nicht nur befürwortet, sondern auch tatkräftig unterstützt wird. Gesellschafter der Q&S-GmbH sind neben der CMA der Deutsche Bauernverband, die fleischerzeugende Industrie und die Lebensmittelhandelsketten, also die gesamte Wertschöpfungskette. Mit diesem System konnte schon bewiesen werden, dass ein Qualitätssicherungssystem für Transparenz und Verbrauchervertrauen sorgen kann. Mit diesem System wird über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgegangen. Ausgehend von diesen Erfahrungen sollten nach den Vorschlägen der Kommission vor allem auch die Bereiche der Futtermittel, der Urproduktion, des Tierhandels, des Tiertransports, die Tierarztpraxen sowie der Einzelhandel und die Gastronomie in ein Qualitätssicherungssystem einbezogen werden.

Im Übrigen sieht der Kommissionsvorschlag keine starren Zertifizierungsräume vor. Die Prüfungen und Zertifizierungen erfolgen nach diesen Vorschlägen zukünftig bedarfsorientiert. Die Kommission ist bezüglich des Anspruchs, die gesamte Wertschöpfungskette einzubeziehen, der Meinung, dass Qualitätsmanagementsysteme in der Vorproduktionsstufe bislang am geringsten Verbreitung gefunden haben und deshalb in der Startphase die Vorproduktion besondere Aufmerksamkeit erfahren müsse. Die Beiräte bei der Qualitätssicherung für Fleisch und Wurst sind produktionsspezifische Beiräte, wie die Kommission formuliert.

Die Kommission schlägt in ihrer Mehrheit vor, für mehr Transparenz und Verbrauchervertrauen Beiräte zu bilden, die sich aus Vertretern von Wissenschaft und Anspruchsgruppen zusammensetzen, um so noch bessere Aussicht auf Transparenz in den jeweiligen Wertschöpfungsphasen zu organisieren.

Der Staat wird mit seinen Pflichten weiterhin eine wichtige Brückenfunktion wahrzunehmen haben. Er hat die Systemaufsicht und auch die Kontrolle über die Zertifizierer. Der Staat kann in dieser

Rolle, so die Regierungskommission, noch effizienter und effektiver im Sinne von guter Qualität und Sicherheit der Produkte einwirken. Aufgabe des Staates wird es weiterhin sein, Kontroll- und Monitoring-Programme durchzuführen sowie gezielte Verdachtsverfolgungs- und Beschwerdeproben in den Wertschöpfungsbetrieben zu nehmen.

Wir wären Ihnen sehr dankbar, meine Damen und Herren – ansonsten spricht unser Antrag für sich selbst und ist in sich schlüssig formuliert -, wenn wir uns bei dem Thema der Qualitätssicherung an die Umsetzung des Berichts der Regierungskommission machen würden.

Wir freuen uns auf eine hoffentlich konstruktive Debatte in den Fachausschüssen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

In der Aussprache hat zunächst Frau Kollegin Hansen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat haben wir im Unterausschuss Herrn Meyer hören können. Er hat uns den Kommissionsbericht erläutert. Ihr Antrag fußt auf diesem Bericht. Wir mögen heute darüber streiten, ob das eine oder andere richtig war, ob es besser war, eine Regierungskommission anstelle einer Enquete-Kommission einzusetzen. Wir haben aber keinen Maßstab, um dies zu belegen. Da es keine Enquete-Kommission gab, können wir auch keine Ergebnisse miteinander vergleichen. Ihre Behauptung bleibt somit im Raum stehen.

Ich gehe davon aus, dass es seit der BSE-Krise Ziel vieler Bemühungen ist, den Verbraucherschutz und die Lebensmittelsicherheit nachhaltig zu verbessern und das Vertrauen in die Produkte der heimischen Landwirtschaft in der Bevölkerung zurückzugewinnen. Insoweit stimmen wir sicherlich überein.

Ich stelle ebenfalls fest, dass sich die berufsständische Vertretung und die Wirtschaft in ihrem eigenen Interesse in der Q&S-GmbH zusammengeschlossen haben, um zu mehr Qualitätssicherheit zu kommen. Mit dem Q&S-System ist ein Schritt in die richtige Richtung getan worden. Ich fand es aber merkwürdig, dass Ministerin Künast anläss

lich ihrer Eröffnungsrede auf der Grünen Woche diese Bemühungen in der Form abqualifizierte, dass sie sagte: Die tun doch nur das, was sie ohnehin tun müssen. - Wieder fiel die Bemerkung „Klasse statt Masse“. Ich bin der Auffassung, die Masse der heimischen Produkte ist Klasse.

(Beifall bei der CDU)

Dieser Meinung sind ja auch Sie, Herr Minister; denn im Ausschuss haben Sie ausdrücklich gesagt, dass unsere Landwirtschaft hochwertige Nahrungsmittel produziere. Wenn Sie dieser Meinung sind, dann erwarte ich von Ihnen, dass Sie den andauernden Polarisierungen von Frau Künast im Bundesrat und auf Ministerebene vehement entgegen treten.

(Beifall bei der CDU)

Als Vertreter des Agrarlandes Nr. 1 in der Bundesrepublik sind Sie dazu sogar verpflichtet. Das soll nun nicht heißen, meine Damen und Herren, dass ich der Meinung bin, dass alles im alten Stil weitergehen kann und dass wir in alte Systeme zurückfallen. Nein, die Landwirtschaft muss sich weiter entwickeln. Sie hat sich eh und je weiter entwickelt; denn sonst wäre sie nicht auf dem heutigen Stand und nicht so dermaßen produktiv.

(Beifall bei der CDU)

Aber auch Sie, Herr Minister, sagen, das Wort „Agrarwende“ sei der falsche Begriff. Auch ich bin ganz ausdrücklich dieser Meinung. Ferner sagen Sie, wir dürften das Q&S-System nicht kaputt reden. Nein, wir wollen dafür werben, und zwar in aller Öffentlichkeit. Wenn wir aber darüber hinaus noch mehr Qualitätssicherung wollen, müssen wir uns im Ausschuss darüber unterhalten - zu diesem Zweck liegt ja dieser Antrag vor -, wie wir auf anderen oder auf zusätzlichen Wegen gehen können.

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion führt unter Abschnitt I ihres Entschließungsantrages Elemente auf, über die wir im Einzelnen noch zu diskutieren haben werden. Herr Groth ist darauf schon eingegangen.

Unter Abschnitt II schlagen Sie vor, dass für den Erfolg der Neuausrichtung der Maßnahmen im Verbraucherschutz ein Prüfzeichen in Betracht kommt. Ich gehe davon aus, dass Sie das Q&SPrüfzeichen meinen, das wir vielleicht weiter entwickeln und auf andere Produkte übertragen wer

den. Wenn wir uns darüber einig sind, befinden wir uns auf dem gleichen Weg.

(Beifall bei der CDU - Brauns [SPD]: Alle sind sich einig!)

Dass die Akzeptanz erst dann erreicht sein wird, wenn sich genügend Betriebe angeschlossen haben, ist selbstverständlich. Entsprechend gekennzeichnete Produkte müssen erst auf den Markt kommen, um überhaupt zu dieser Akzeptanz zu gelangen. Das ist sicherlich allen in diesem Hause hier klar.

Sie, meine Damen und Herren von der SPD, sagen:

„Der Landtag tritt diesen Vorschlägen der Regierungskommission im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Zukunftsfähigkeit der heimischen Landwirtschaft bei.“

Die praktische Umsetzbarkeit, so heißt es im Antrag weiter, soll bewertet und Handlungsmöglichkeiten sollen skizziert werden. - Das unterstützt meine Fraktion ausdrücklich.

Eine weitere Empfehlung der Regierungskommission lassen Sie aber völlig aus, nämlich die Empfehlung zur Finanzierung. Dazu kam von Herrn Groth kein Wort. Das Q&S-System - so ist mir bekannt - wird einzig und allein aus CMA-Mitteln und aus Mitteln der Wirtschaft, der Landwirtschaft und aller Verbände finanziert. So ist es doch richtig. Oder befinde ich mich hier auf einem falschen Weg?

Ich gehe davon aus, dass wir zur Finanzierung Ihres Modells noch etwas hören werden; denn für mich gilt hier: Ohne Moos nichts los.

(Beifall bei der CDU)

Die Kommission empfiehlt eine Anschubfinanzierung für höchstens drei Jahre. Danach müsse sich das System allein tragen. Diese Auffassung teile auch ich. Über entsprechende Umschichtungen müssen wir beraten.

Herr Minister Bartels, die konventionelle Landwirtschaft muss bei diesem Vorhaben unterstützt werden. Ob das aus GA-Mitteln, aus dem Einzelbetrieblichen Förderprogramm oder aus einbehaltenen Dieselrückerstattungen erfolgt, ist mir einerlei. Die Kommission hat hierzu unterschiedliche Vorschläge unterbreitet. Hauptsache ist, dass eine

politische wie auch finanzielle Unterstützung erfolgt, wenn Sie es denn ernst meinen mit Ihren öffentlichen Äußerungen. Verbrauchervertrauen durch Transparenz zum Wohle unserer Landwirtschaft darf nicht nur ein hehres Wort bleiben. Sie werden oft genug interviewt, Herr Bartels. Ich erwarte von Ihnen - in den letzten Tagen haben Sie sich hierzu ja geäußert, worüber ich informiert bin -, dass Sie für dieses Modell werben und wir es in den kommenden Jahren ausbauen.

Das Q&S-System hat gute Ansätze. Der Handel spricht von einer historischen Chance. Wir sollten diese Chance nicht verpassen, sondern beim Schopfe greifen. Ich erwarte von Ihnen, Herr Bartels, dass Sie auf das Wir-Gefühl setzen, damit wir hier gemeinsam zu guten Lösungen kommen. Wie der Kollege Groth hoffe auch ich auf eine erfolgreiche Beratung im Ausschuss. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt hören wir den Kollegen Klein. Bitte sehr!

(Oestmann [CDU]: Der kommt jetzt ganz groß raus!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bezüglich der Bewertung der Kommissionsarbeit kann ich mich im Wesentlichen den Ausführungen des Kollegen Groth anschließen. Insbesondere beeindruckt mich die starke Konkretisierung der Vorschläge der Kommission. Vor diesem Hintergrund bin ich allerdings ein bisschen enttäuscht über die parlamentarische Umsetzung im vorliegenden SPD-Antrag. Er ist ja doch sehr summarisch und arbeitet überwiegend mit Generalklauseln. Er ist eher nachvollziehend als vorantreibend. Naturgemäß gibt es keinen Grund, einen solchen Antrag abzulehnen, aber auch keinen Grund zur zustimmenden Begeisterung. Ich möchte ihn einfach als einen Anlass werten, die Ergebnisse der Kommission offen zu diskutieren und den Handlungsbedarf zu ermitteln.

Ein Handlungsbedarf, der ganz vorn ansteht und den Sie auch angesprochen haben, besteht angesichts des Verhältnisses der Berichtsvorschläge zu dem, was derzeit in Wirklichkeit parallel in Sachen Q&S läuft. Wir müssen schon feststellen, dass die Kommissionsvorstellungen maßgeblich über das hinausgehen, was Q&S im Moment plant und um

setzt. Die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen ist natürlich zu sichern. Das leistet Q&S im Moment. Das ist aber noch kein Qualitätsplus. Die 15 Kriterien, die dort benannt worden sind, liegen knapp über diesen gesetzlichen Bestimmungen.

Wenn es gelingt, ein dynamisches, innovationsfreundliches und modulares System einzurichten, wie es die Kommission vorschlägt, ist nichts dagegen einzuwenden, wenn man klein anfängt. Es darf dabei aber nicht der Eindruck entstehen, dass etwas, was selbstverständlich ist, nämlich die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen, schon eine besondere Qualität ist. Dann könnten die Verbraucherinnen und Verbraucher den Eindruck gewinnen, dass lediglich alter Wein in neuen Schläuchen verkauft wird. Das will in diesem Hause, glaube ich, aber niemand.

Wie Sie sicherlich wissen, sind wir der Meinung, dass das Kriterium „gentechnikfreie Futtermittel“ in dieses System mit aufgenommen werden muss.

Ein weiterer Bereich ist der Kreis der Mitwirkenden und der Mitverantwortung Tragenden im Q&S-System. Ich begrüße es deshalb außerordentlich, dass im SPD-Antrag der Gedanke der interessenpluralistischen Verantwortung für dieses System auch angesprochen worden ist. Wir haben bei Q&S im Moment reine Fachbeiräte als Lenkungsgremien. Das heißt, Q&S wird im Moment von Sektoren verantwortet - ich will jetzt niemandem zu nahe treten oder Angriffe starten -, die aber nicht so ganz unbescholten aus den Lebensmittelskandalen der letzten Jahre hervorgegangen sind. Ich glaube, dass die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in Q&S erheblich gesteigert werden könnten, wenn es gelingen würde, das magische Sechseck in seiner Gesamtheit einzubinden, d. h. auch Verbraucherverbände, Tier- und Umweltschützer mit hineinzunehmen. Ich glaube, das käme dem System sehr zugute.

Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen, der mir in diesem Zusammenhang am Herzen liegt. Das ist die Gefahr, dass wir mit deutscher Perfektion und Gründlichkeit ein System schaffen, das ausschließlich auf industrielle Arbeitsmethoden genormt ist. Das heißt, dass Hygiene und Sicherheit alleinige Parameter für Qualität werden. Ich glaube, dann unterliegen wir der Gefahr, dass wir das Kind der Vielfalt und des Genusses - so will ich es einmal nennen - mit dem Bade ausschütten. Basissicherheit für alle ist wichtig. Das ist richtig. Das soll auch so sein. Ich glaube aber, dass ein

System nicht dazu führen darf, dass es z. B nicht mehr möglich ist, eine handwerkliche Lebensmittelverarbeitung wirtschaftlich zu betreiben, sei es nun traditionelles Nahrungshandwerk oder seien es neue regionale Initiativen. Es muss weiterhin möglich sein, Direktvermarktung mit einem vertretbaren Aufwand durchzuführen. Es muss weiterhin den Metzger geben dürfen, der seine Schweine direkt beim Bauern abholt und am Montag drei Tiere schlachtet, um sie in der Woche über zu vermarkten.

(Kethorn [CDU]: Das wird doch auch gar nicht verboten!)

Weiterhin muss es möglich sein, regionale Köstlichkeiten genießen zu können. Ich möchte in diesem Zusammenhang einmal ein ganz problematisches Beispiel anführen. Ich möchte auch weiterhin gern einen Rohmilchkäse essen können, an dessen Geschmack ich den Keller erkennen kann, in dem er gereift ist. Ich weiß, dass dies schwierig ist. Ich glaube aber, dass es erforderlich ist.

Alte Obst- und alte Gemüsesorten sowie traditionelle Gerichte sind in Gefahr. Sie dürfen dadurch nicht verschwinden. Das heißt, Sicherheit und Vielfalt dürfen sich nicht ausschließen. Sie müssen es auch nicht, meine Damen und Herren. Ich verweise auf die Untersuchungen über Salmonellen bei Geflügel, in deren Rahmen man festgestellt hat, dass bei direktvermarktenden Kleinbetrieben weniger Salmonellen vorhanden waren als bei großen Schlachtbetrieben.

Ich verweise auf Differenzierungen wie Kleinerzeugerregelungen, die hier Abhilfe schaffen können. Nicht zuletzt verweise ich natürlich auf die Beispiele Frankreich und Italien, wo traditionelle, an die Region gebundene Verfahren vorbildlich geschützt werden. - Damit ich keinen Ärger mit den Tierschützern bekomme, will ich auch gerne noch anfügen, dass man darüber nachdenken kann, ob dieser Schutz bis zur gestopften Gänseleber gehen muss. Aber schlimmer als eine hundertprozentig sichere hygienische McDonald's-Einheitsnahrung finde ich diese Vorstellung auch nicht.