Protocol of the Session on January 23, 2002

(Beifall bei der CDU)

Eine geradezu unvorstellbare Benachteiligung für den Bereich der Kindergartenarbeit und –pädagogik wäre es, wenn die betreffende Stelle des Hörgeschädigtenpädagogen abgeschafft würde. Eine Strukturänderung durch Schaffung einer neuen Abteilung Soziale Dienste, die mit einer A 14-Planstelle ausgestaltet ist, lässt immer noch die Frage offen, wo die zweite Stelle bleibt. Darüber hinaus wird aus der Antwort der Landesregierung nicht deutlich, ob diese Stelle weiterhin ausschließlich mit einem Hörgeschädigtenpädagogen besetzt wird, um die hörgeschädigtenspezifische

Förderung in den Kindergärten der LZBH zu sichern.

Die Eltern hörgeschädigter Kinder benötigen ständig Hilfe, Unterstützung und Anleitung durch Fachpädagogen. Bislang haben sie diese immer von den Landesbildungszentren erhalten, gerade auch in Oldenburg. Hier sollen aber Leistungen eventuell eingeschränkt werden. Ich bitte Sie ganz herzlich, treten Sie weiter für diese Leistungen ein. Die Eltern dieser Kinder mit Behinderung, speziell im Hörgeschädigtenbereich, dürfen nicht allein gelassen werden.

(Beifall bei der CDU)

Weshalb spart das Land Niedersachsen jetzt bei behinderten Kindern? Weshalb gibt die neue Sozialministerin, Frau Dr. Trauernicht, nicht die Zusage, dass alle Leistungen bestehen bleiben, wie dies ihre Vorgängerin, Frau Merk, im Mai 2000 getan hat? Leben wir in einem behindertenfeindlichen Land?

(Beifall bei der CDU - Frau Schlie- pack [CDU]: Scheint so!)

Bisher hat Niedersachsen im Bereich der Hörgeschädigtenpädagogik auch durch freiwillige Leistungen relativ gut dagestanden. Die Eltern von hörgeschädigten Kindern haben allerdings die große Sorge, dass durch Veränderung des Aufgabenzuschnitts, wie beabsichtigt, die freiwilligen sozialen Leistungen des Landes generell abgebaut werden. Jedes betroffene Kind hat bisher regelmäßig Sprachtherapie durch einen Spezialhörgeschädigtenpädagogen erhalten. Wenn dieser bei der Sprachtherapie nunmehr durch einen Logopäden ersetzt wird, der nicht speziell für pädagogische Audiologie ausgebildet wurde bzw. studiert hat, werden die Kinder nur noch Mindestleistungen erhalten können. Welche Konsequenzen dies für die Entwicklung der Kinder haben wird, können Sie sich sicherlich vorstellen.

Rein finanzielle Überlegungen, nämlich die Abrechnung der Kostenpauschale, dürfen nicht der Grund sein, um Kindern mit Hörschädigung die Möglichkeit zu nehmen, in die hörende Gesellschaft eingegliedert zu werden, und dies zu einem möglichst frühen Zeitpunkt.

(Beifall bei der CDU)

Die Landesregierung will keine verbindliche Erklärung dafür abgeben, dass für die fachspezifische

Förderung von Kindern mit Hörschädigung ausnahmslos speziell ausgebildete Pädagogen eingestellt werden. Sie hält eine nachträgliche Qualifizierung für denkbar. Dies wird aus unserer Sicht den Anforderungen für den Bereich des Schwerhörigenunterrichts durch ausgebildete, qualifizierte Pädagogen nicht gerecht. Die Landesregierung hat darauf zu achten, dass es genügend Schwerhörigenpädagogen gibt. An dieser Stelle besteht eindeutig ein Widerspruch zur Antwort auf die Frage 5.

Als dramatisch für Eltern von Kindern mit Hörschädigung ist der Vorschlag des Landesrechnungshofs zu betrachten, Höchstaufnahmezahlen für die Landesbildungszentren festzulegen. Die Eltern haben große Angst, dass ihr Kind vielleicht nicht in ein Landesbildungszentrum aufgenommen werden kann, weil die Höchstgrenze bereits erreicht ist. An dieser Stelle müssen wir fragen: Was macht die Landesregierung mit den Kindern, die nicht aufgenommen werden? Müssen sie auf eine Regelschule gehen? Wer legt den Bedarf überhaupt fest? Soll dann, wie in der Antwort auf Frage 10 beschrieben, eventuell doch eine Einrichtung geschlossen werden? Da wird doch ein Widerspruch deutlich: Es wird dargelegt, dass die Schülerzahlen zurückgehen. Insgesamt ist zwar ein Rückgang der Schüler an allgemein bildenden Schulen festzustellen, aber gerade im Bereich von Kindern mit Behinderungen, speziell auch was Hörschädigungen betrifft, ist eine Zunahme festzustellen. Ich meine, derartige Äußerungen sollten uns dann auch statistisch belegt werden, damit man sie nachvollziehen kann.

(Beifall bei der CDU)

Die CDU-Fraktion sieht einen dringenden Handlungsbedarf, Regelschulen, die hörgeschädigte Kinder aufnehmen, sächlich und finanziell besser zu stellen. Hierzu ist leider keine Stellungnahme erfolgt.

(Vizepräsidentin Goede übernimmt den Vorsitz)

Frau Ministerin Trauernicht, Ihre Antworten auf die Fragen zum bisherigen Wahlrecht der Eltern lassen befürchten, dass Kinder künftig irgendwann zwangsweise in einer Regelschule mit sonderpädagogischer Förderung - vorausgesetzt, die sächliche Ausstattung ist vorhanden - beschult werden müssen. Eine derartige Zuweisung von Kindern darf es gegen den Willen der Eltern und der Kinder nicht

geben. Sobald die hörgeschädigten Kinder Schulkinder werden, möchten die Eltern frei entscheiden können, ob die Kinder eine Hörgeschädigtenschule oder eine Regelschule besuchen sollen. Deshalb muss auch die Hörgeschädigtenschule in Oldenburg weiterhin mit der Möglichkeit aller Abschlüsse bis zum Realschulabschluss für Gehörlose und Schwerhörige erhalten bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Weder die Eltern noch wir als Oppositionspolitiker möchten, dass den Eltern irgendwann einmal vorgeschrieben wird, wohin ihre Kinder zu gehen haben. Das Wahlrecht muss erhalten bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden gemeinsam mit den Eltern und mit den Verbänden mit ganzer Kraft für das Wahlrecht kämpfen. Es kann doch wohl nicht angehen, Frau Ministerin, dass unter dem allumfassenden Begriff der Integration die spezielle, audiologische Hörgeschädigtenpädagogik nach und nach ausschließlich deshalb eingeschränkt wird, um Kosten zu sparen.

Darüber hinaus kann ein Vergleich mit Einrichtungen von Trägern der freien Wohlfahrtspflege überhaupt nicht vorgenommen werden, weil in den einzelnen Bereichen unterschiedliche Anforderungen bestehen. Die Anforderungen in den Landesbildungszentren sind ganz andere als in den Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege. Einen Vergleich dahin gehend, in Zukunft für Kinder mit Hörschädigung nur die Kosten zu übernehmen, die im Rahmen der Zahlungen der Landesregierung an die Einrichtungen der Träger freier Wohlfahrtspflege fließen, kann man nicht akzeptieren. Wir halten diese Entscheidung, nur nach dieser Beurteilung zu zahlen bzw. Leistungen zu erbringen, für behindertenfeindlich.

(Beifall bei der CDU)

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, das sonderpädagogische Gesamtkonzept für die Landesbildungszentren in der Hand eines hauptverantwortlichen Leiters zu belassen. Die Landesregierung sieht aus fachlicher Sicht keine Notwendigkeit hierzu. Auch wenn die Überlegungen zur Neuregelung der Leitungsstrukturen der Landesbildungszentren noch nicht abgeschlossen sind, fordern wir die Landesregierung auf, keine Veränderung des Führungssystems an der Spitze der Landesbildungszentren vorzunehmen.

(Frau Elsner-Solar (SPD): Schwachsinn hoch zehn!)

Der Landesrechnungshof hat dies in dieser Form auch nicht gefordert.

Für die ganzheitliche schulische, soziale und auf die Berufsausbildung bezogene spezifische Förderung muss es für die betroffenen Eltern einen Ansprechpartner geben. Unter dem Aspekt der Vereinheitlichung von Strukturen ist es überhaupt nicht nachvollziehbar, drei Ebenen für die einzelnen Bereiche zu schaffen. In allen Bundesländern sowie in Österreich, in der Schweiz und in verschiedenen anderen Staaten werden die Bildungseinrichtungen für Gehörlose und Schwerhörige von Hörgeschädigtenpädagogen geleitet, die die alleinige Verantwortung für alle pädagogischen Bereiche, also Audiologie, Frühförderung und Beschulung hörgeschädigter Kinder und Jugendlicher sowie die Schülerinternate, tragen, alleinige verantwortliche Leiter sind. Es kann nicht sein, dass in diesem Bereich eine Zersplitterung vorgenommen wird, die aus einer gleichberechtigten Dreiergruppe besteht.

Bei einer Bildungseinrichtung für Hörgeschädigte hat die Hörgeschädigtenpädagogik auch in einem multiprofessionellen Team mehrere Aufgaben zu erfüllen. Da auch ein multiprofessionelles Team einer Leitung bedarf, kann auf einen Hörgeschädigtenpädagogen als Leiter der Bildungszentren nicht verzichtet werden.

Es trifft zwar zu, dass die Förderschwerpunkte in den Landesbildungszentren eine Einheit bilden müssen; fraglich ist jedoch, warum es dann keine Leitung für diese Einheit mehr geben soll. Wie kann eine sinnvolle pädagogische Arbeit erfolgen, wenn das Personal drei unterschiedliche Vorgesetzte hat?

Die Behauptung der Sozialministerin, dass den Eltern ein verantwortlicher Ansprechpartner nicht fehlen wird, ist geradezu zynisch; denn wenn betroffene Eltern drei verschiedene Ansprechpartner für die unterschiedlichen Bereiche haben, führt dies zu erheblichem zusätzlichen Aufwand.

(Groth [SPD]: Ist das in Krankenhäu- sern auch so?)

- Ich meine, man muss es unterschiedlich beurteilen, ob ich mit einem Kind mit Hörschädigung von einem Ansprechpartner zum anderen rennen muss

oder ob ich mit einem Kind in ein Krankenhaus gehe.

Gerade der zusätzliche Aufwand an Gesprächen und Beratungen führt letztendlich zu einer Zermürbung der betroffenen Eltern. Das, meine Damen und Herren und insbesondere Frau Sozialministerin, lassen wir nicht durchgehen.

(Beifall bei der CDU)

Sehen Sie sich einmal ein Landesbildungszentrum nicht nur nach Feierabend an, wenn die Kinder die Einrichtung bereits verlassen haben, sondern sehen Sie sich diese Einrichtung an, wenn die Kinder da sind, damit Sie beurteilen können, welch intensive Fördermöglichkeiten es dort für die Kinder gibt. Nehmen Sie ihnen nicht die Chance auf eine gleichberechtigte Teilnahme am Leben. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Für die Landesregierung spricht jetzt Frau Ministerin Trauernicht. Bitte schön, Frau Ministerin!

(Fischer [CDU]: Sie wollte gar nicht!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die hier generell formulierte Große Anfrage der Fraktion der CDU „Keine Sparmaßnahmen bei Kindern mit Behinderungen“ bezieht sich auf die vier niedersächsischen Landesbildungszentren für Hörgeschädigte. Der Landesrechnungshof hatte im Jahre 1999 eine Querschnittsprüfung durchgeführt und Vorschläge zur Umstrukturierung mit dem Ziel größerer Wirtschaftlichkeit unterbreitet. Diese Vorschläge wurden in den vergangenen zwei Jahren intensiv diskutiert, und zwar im politischen Raum, bei den betroffenen Eltern sowie bei den Bediensteten der Landesbildungszentren selbst.

Meine Damen und Herren, alle Vorschläge des Landesrechnungshofs wurden in einem sehr trans

parenten Verfahren erörtert. In einer ressortübergreifenden Projektgruppe unter Beteiligung von Vertreterinnen und Vertretern der Landesbildungszentren und der Personalvertretung wurden Entscheidungen sorgfältig vorbereitet. Die gewählten Elternvertretungen waren über die Vorschläge und die Beratungsergebnisse stets informiert. Ich selbst habe mehrere Gespräche mit den Eltern geführt, auch dann, wenn aufgrund externer Informationen erneut Beunruhigung in den Kreis der Eltern hineingetragen wurde.

Im Wesentlichen waren es drei Fragen, die die Diskussion zum Schluss bestimmt haben. Diese drei Fragen haben wir intensiv mit den Eltern erörtert.

Erstens. Welche Maßnahmen sind erforderlich, um mehr Wirtschaftlichkeit für die Landesbildungszentren zu erreichen?

Zweitens. Sollen die Landesbildungszentren weiter an vier Standorten aufgrund der Schülerinnen- und Schülerzahlentwicklung bleiben?

Drittens. Welche Veränderungen innerhalb der Organisationsstrukturen müssen auf den Weg gebracht werden?

Bis zum Zeitpunkt der Beantwortung der schriftlichen Anfrage war von diesen Fragen die erste geklärt worden, die zweite und die letzte befanden sich noch im Diskussions- und Prüfungsprozess. Auch hier sind wir inzwischen zu weiteren Ergebnissen und Entscheidungen gekommen, über die ich Ihnen gerne berichten möchte.

Zunächst zur Frage der Wirtschaftlichkeit. Zu Beginn des Jahres wurde - das war im Einvernehmen aller Beteiligten - bei den Landesbildungszentren für Hörgeschädigte die Kosten- und Leistungsrechnung eingeführt. Seitdem werden die Kosten und Leistungen der einzelnen Förderbereiche transparent und auch vergleichbar mit anderen Anbietern aufgeführt. Hier gibt es nun einen Grundsatz, meine Damen und Herren, der im Prinzip auch politisch geteilt wird. Wir können unsere landeseigenen Einrichtungen nicht besser stellen als freie Träger, die Leistungen für das Land erbringen. Das Land als übergeordneter Sozialhilfeträger kann also für gleiche Leistungen grundsätzlich nur das gleiche Entgelt zahlen.

(Frau Jahns [CDU]: Das sind ja keine gleichen Leistungen, das sind unter- schiedliche Leistungen!)

Auch andere Rehabilitationsträger, wie z. B. die Bundesanstalt für Arbeit, die in den Landesbildungszentren Leistungen nachfragt, werden die Dienste nur dann in Anspruch nehmen, wenn dieses Prinzip gilt. Deswegen ist es wichtig, dass sich die Landesbildungszentren mit der Kosten- und Leistungsrechnung auf diese Vergleiche einstellen können.