Das Forschen an Stammzellen aus abgetriebenen Föten, sofern die Mutter zustimmt, ist zugelassen, meine Damen und Herren. Das Forschen an Stammzellen aus Embryonen dagegen nicht. Dem Embryo wird allerhöchster Schutz zugesprochen; gleichwohl wird – darauf ist schon hingewiesen worden – z. B. mit der Pille danach die Schwangerschaft unterbrochen.
Es ist also Vorsicht bei der Debatte über ethische Maßstäbe in der Gen-Debatte geboten, jedenfalls wenn nicht gleichzeitig geprüft wird, ob in anderen Teilen der gesellschaftlichen Realität heute und nach einem langen Prozess diese Maßstäbe im Abwägungsprozess bereits entschieden worden sind. Wir müssen aufpassen, das wir nicht den Eindruck vermitteln, wir wollten die Debatte wieder zurückdrehen.
Ich meine, in dem Ringen um Lösungen sollten wir auch die Rahmenbedingungen nicht aus dem Blick verlieren. Das hat nichts mit Pragmatismus zu tun, sondern mit der Frage, ob man eigentlich eine politische Debatte mit Zielvorstellungen führen darf, von denen alle im Alltagsgeschäft wissen, dass sie sich am Ende nicht realisieren lassen. Eine Lösung, die z. B. weder in Frankreich, Dänemark, in den Niederlanden und in Großbritannien praktiziert wird, wird sicherlich auch in Deutschland nicht lange Bestand haben. Ich habe absichtlich nicht die USA in den Vordergrund der Argumentation gezogen, sondern Europa.
Meine Damen und Herren, wir kennen oder kannten einen Tourismus beim Schwangerschaftsabbruch. Ich meine nicht, dass wir eine Lösung herbeiführen dürfen, bei der wir eine neue Form des Tourismus schlicht über die inzwischen geöffneten Grenzen innerhalb Europas zum einzigen Ausweg für Frauen machen.
Wir werden das Nutzen von Forschungsergebnissen aus dem Ausland auch hier nicht untersagen können. Wir werden erst recht nicht Medikamente, die den Menschen nachweislich helfen, hier verbieten können, nur weil sie im Ausland hergestellt worden sind. Dass aus der Forschung an Stammzellen ein therapeutischer Nutzen zu erwarten ist, bestreitet übrigens kaum jemand. In den 60er- und 70er-Jahren sind Frauen, wie gesagt, einseitig unzumutbar belastet worden, indem sie ins Ausland geschickt worden sind. Wir sollten aufpassen, dass das nicht wieder passiert.
Eine Entwicklung allerdings wage ich heute vorauszusagen. Unsere gesamte Diskussion wird ihre Richtung verändern, wenn es den Forscherinnen und Forschern gelingt, kurzfristig mit Hilfe der Stammzellenforschung unheilbare Krankheiten heilbar zu machen. Ein Beispiel ist das günstige Schicksal der Familie des Adam Nash aus Colorado in den Vereinigten Staaten. Durch die Anwendung der PID konnte Adam gesund geboren werden – nicht getötet, sondern geboren. Seine Schwester, die nur eine kurze Lebenserwartung hatte, konnte überraschenderweise mit Stammzellen aus dem Bauchnabel geheilt werden. Was kann man eigentlich dem Lächeln von zwei gesunden Kindern in der Debatte entgegenhalten?
Gestatten wir uns dennoch, die Dinge eine Zeit lang offenzuhalten. André Gide hat gesagt: Wer nicht bereit ist, für einige Zeit das Ufer aus den Augen zu verlieren, wird niemals neue Länder entdecken. Von daher glaube ich, dass wir gar nicht gefordert sind, sofort alle Antworten zu liefern. Aber die Nachdenklichkeit, die in den Debatten der Parlamentarier und Regierungen in den vergangenen Wochen und Monaten eingetreten ist, ist sicherlich gut. Es gibt bei den Themen, die wir heute diskutieren, ein Recht und sogar eine Pflicht, zu zögern. Wir müssen nicht hier und heute Entscheidungen treffen. Lassen wir uns doch die Zeit, die wir brauchen, um die Beiträge – übrigens auch unseres eigenen Landes Niedersachsen – in die Diskussion einzubringen.
Ich möchte, dass unsere Universitäten und Hochschulen einen wirklich universellen Dialog über diese Fragen führen – und zwar nicht nur innerhalb der Hochschulen, sondern auch mit der Bevölkerung. Wo, wenn nicht in Göttingen, in Braunschweig, in Hannover, kann diese Diskussion qualifiziert und breit geführt werden, auch und gerade weil dies die Standorte sind, die gleichzeitig enor
Meine Damen und Herren, klar ist aber auch: Für mich haben die wirtschaftlichen Interessen, die in den letzten Wochen wirklich manchmal im Vordergrund gestanden haben, Herr Kollege Gansäuer, nicht den gleichen Stellenwert wie die hier diskutierten ethischen Fragen. Leben darf nicht mit ausschließlich ökonomischen Aspekten abgewogen werden. Menschen sind Subjekte. Die Grenze, die wir suchen müssen, muss so gezogen werden, dass verhindert wird - übrigens auch durch das Handwerkszeug, das wir beherrschen, durch Gesetzgebung, durch Beratung, durch Kontrollmechanismen -, dass Menschen endgültig zum Objekt jedweden wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Fortschrittszwangs werden. Menschen sind Subjekte, und in ihrer Subjektivität wollen wir sie wahrnehmen. Dazu gehört auch das zu Beginn meiner Rede geschilderte Abwägungsgebot, das Gebot der Abwägung zwischen dem Schutz ungeborenen Lebens und dem Schutz des Lebens der Frau. Ich setze jedenfalls auf das Verantwortungsbewusstsein der Menschen hier in Deutschland.
Wenn wir über das Menschenbild reden, Herr Kollege Gansäuer, reden wir natürlich auch über die Frage, wie weit man Menschen zu Objekten machen darf. Bei der Lösung dieser Frage geht es auch um ein Menschenbild, nämlich um das Menschenbild, ob wir uns zutrauen, solche Fragen zu lösen, ob wir in der Lage sind, verantwortungsbewusst damit umzugehen.
Mich kann eine Praxis, die sich in den USA oder in Russland entwickelt haben mag, für Deutschland jedenfalls nicht per se erschrecken. Wir haben bislang immer Gesetze erarbeiten können, deren Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten Wirkung entfaltet haben, wenn auch nicht absolut. Wir sind doch nicht in einem Land, in dem chaotische und anarchische Zustände, ausgelöst durch sozusagen völlig freien Kapitalismus und wirtschaftliches Interesse, die Realität wären. Wir sind ein Land, das sich zutraut, mit seinen Möglichkeiten - mit seiner Verfassung, mit Parlamentariern, mit der Exekutive und mit Gerichten - das Leben in diesem Land zu steuern und für es Rahmenbedingungen zu setzen.
Ich wünsche mir eine Diskussion, die neben dem Menschenbild im Zusammenhang mit der Frage, wie man mit PID und anderen Fragen umgeht, auch ein Menschenbild beinhaltet, bei dem wir von
verantwortungsbewusst handelnden Menschen ausgehen - im Parlament, aber auch in der Bevölkerung. Das bezieht sich dann natürlich auch auf die Praxis und die Anwendung bei denjenigen, die davon betroffen werden.
Ich glaube also, dass alle die Recht haben, die sagen: Wir haben zurzeit mehr Fragen als Antworten. - Ich bin aber auch zuversichtlich, dass wir in der Lage sind, verantwortungsbewusst Antworten zu geben. Ich möchte kein Bild malen, nach dem wir uns sozusagen frei den ökonomischen Interessen hingeben, als hätten wir keine Möglichkeiten, auch mit schwierigen Fragen umzugehen und darauf angemessene und auf der Grundlage unserer Verfassung entstandene Antworten zu geben. - Herzlichen Dank.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum heutigen Zeitpunkt der Diskussion, die jetzt seit zwölf Jahren, seit In-Kraft-Treten des Embryonenschutzgesetzes, in Deutschland und in der Welt geführt wird, stehen für mich - damit kennzeichne ich meine Position - drei Dinge im Raum. Wir brauchen erstens ein forschungsfreundliches Klima, weil Forschung und Neugier zum Menschen dazugehören und weil diese viele Segnungen über uns bringen können.
Wir brauchen zweitens klare politische Grenzziehungen, Grenzsetzungen, möglichst weltweit, am besten europaeinheitlich, notfalls aber auch im nationalen Alleingang.
Drittens brauchen wir - das ist für mich ebenso wichtig - eine leidenschaftliche Debatte über die Frage, ob behindertes Leben in unserer Gesellschaft, in unserem Leben tatsächlich den gleichen Wert wie jedes andere Leben mit anderer Gestaltung, anderen Veranlagungen und Neigungen hat.
Ich finde, dass uns durchaus vor Augen geführt werden muss, dass es unendlich viele Menschen mit Leid gibt: mit Erkrankungen, etwa mit Nieren
versagen, in der Erwartung einer Transplantation, mit Parkinson, Diabetes, Multipler Sklerose, und dass diese Menschen zu Recht darauf setzen, dass ihre Heilungserwartungen auch ausgelebt werden können, dass die Auswirkungen auf die Familien in solchen Fällen begrenzt werden können, und dass deshalb die Schlüsseltechnologie unseres Jahrhunderts, die Bio- und Gentechnik, auch tatsächlich genutzt werden muss.
Für mich ist es nicht korrekt, wenn das Christentum in diesen Tagen in die Richtung des Fatalismus gestellt wird und gesagt wird, man müsste Schicksal als unabänderlich hinnehmen. Für den Christen gehört der Einsatz für das Heilen konstitutiv dazu. Deswegen, so meine ich, dürfen wir sehr wohl sagen, dass Hilfestellung durch alle Verfahren grundsätzlich erst einmal eröffnet werden sollte. Wir sollten in Niedersachsen stolz darauf sein, dass wir eines der Zentren für Forschung und Entwicklung in der Bio- und Gentechnik sind. In Göttingen, Braunschweig und Hannover - ich möchte Einbeck ergänzend hinzufügen - und anderswo arbeiten Forscher mit Weltruf in diesem Bereich. Wir sollten diese Forscher auch in der Forschung an fetalen oder adulten Stammzellen unterstützen, insbesondere auch in der Forschung mit Zellen aus dem Nabelschnurblut, um zu neuen Erkenntnissen, zu neuen Möglichkeiten zu kommen.
Ich glaube allerdings auch, dass es ohne Stoppschilder, auf denen steht "Bis hier und nicht weiter", nicht wird gehen können.
Mich beunruhigt sehr die Verlagerung von Verantwortung auf einen Ethikrat. Mich verunsichert sehr das Schaffen von Fakten gegen das Bündnis für Menschenwürde, welches sich parteiübergreifend im Deutschen Bundestag zusammengefunden hat. Mich verunsichert, wenn in England über das Thema allein unter dem Aspekt der ökonomischen Weltspitzenstellung diskutiert wird oder wenn in Amerika der Präsident davon spricht, man habe die Sprache Gottes entziffert. Ich glaube, niemand wird es dem Parlament abnehmen können, zu sagen, wo die erwähnten Stoppschilder aufzustellen sind, die dann auch von jedermann zu beachten sind.
Deswegen ist für mich ein Embryo kein Zellhaufen, der zur Selbstachtung nicht fähig sei und deshalb nicht den vollen Schutz der Menschenwürde
habe. Wer sich auf diesen Pfad begibt, ist nach meiner Meinung in der großen Gefahr, dann auch beim Alzheimer-Patienten, beim Koma-Patienten, beim Schlafenden möglicherweise zu dem Ergebnis zu kommen, dass in diesem Moment des Lebens keine Möglichkeit zur Selbstachtung bestünde.
Für mich ist die Unantastbarkeit der Würde eines jeden Menschen zu achten und konstitutiv, dass jeder Mensch, so wie er geschaffen ist, so wie er geht und steht, seine ihm eigene Würde hat. Man muss hier nicht nur christlich argumentieren. Man kann auch aus ganz anderen Motiven heraus - ich beziehe mich auf die Artikel 1 und 2 unseres Grundgesetzes - zu gleichen Ergebnissen kommen. Jeder hat die ihm eigene Würde, unabhängig vom Alter, von Begabungen, Neigungen, Hautfarbe, Behinderungen oder Befähigungen. Diese Würde ist ihm gegeben. Ich teile die Meinung des Zukunftsforschers Fukoyama, der gesagt hat: Liberale Gesellschaften begründen sich gerade auf dieser Annahme, dass es eine universelle Gleichheit aller Menschen gibt, eine Essenz, die allen den gleichen Respekt zusichert, und das hat Konsequenzen für Menschenrechte.
Forscher und Wissenschaftler lassen sich im Übrigen in ihrer Forschung nie einschränken, es sei denn, dass es klare Ge- und Verbote gibt. Deshalb muss sich die Politik biotechnologisches Wissen aneignen, um intelligente Entscheidungen treffen zu können.
Nach dieser Art von Menschenbild verbietet sich aus meiner Sicht jede Art von Differenzierung mit Blick auf das Alter am Ende des Lebens oder den Entwicklungsstand des Lebens. Es darf nicht zu Nützlichkeitskriterien kommen. Der Mensch darf nicht zu einem Objekt von Wirtschaftsinteressen werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass Kinder nach ihren genetischen Codes, nach ihren genetischen Eigenschaften ausgewählt werden, weil dies aus meiner Sicht die Diskriminierung der lebenden Behinderten zur Folge hätte. Ich habe ein Beispiel aus der Werkstatt für Behinderte in Osnabrück vor Augen, wo ein Behinderter dem Werkstattleiter, Herrn Windmöller, gesagt hat, er hätte gelesen, seine Eltern hätten ihn nach hiesigem Recht abtreiben lassen können, und ihn dann gefragt hat: Wer hätte denn dann heute hier meine Arbeit gemacht, wenn ich abgetrieben worden wäre?
Ich habe das Bild eines glücklichen, fröhlichen Mädchens vor Augen, dessen Eltern bei mir in der Sprechstunde waren und mir vortrugen, dass ihnen die Abtreibung nach Fruchtwasseruntersuchung von der Medizinerin anempfohlen, ja aufgedrängt worden sei. Die Eltern sagten, sie täten sich schwer und bäten um Hilfe. Ich habe den Kontakt zu Professor Dr. von Mühlendahl, dem Sprecher der deutschen Kinderärzte, hergestellt, der auf diesem Felde forscht. Er hat gesagt, welche Folgen eine Chromosomensatzstörung haben könne. Die Eltern haben sich zum Austragen des Kindes entschieden. Das Kind ist nicht als behindert erkennbar.
Niemand außer den Eltern, mir und dem Arzt weiß, dass dieses Kind nach der Fruchtwasseruntersuchung eine Chromosomensatzstörung haben könnte.
Damit bin ich bei dem, was auch der Ministerpräsident gesagt hat: Auf der einen Seite das Bild der strahlenden Augen des gesund gewordenen und dann sein ganzes Leben lang gesund lebenden Kindes und auf der anderen Seite das Bild des behinderten Kindes, das nicht mehr leben würde, wenn wir im Bereich der Forschung alles zuließen, was möglich wäre. Ich finde es schrecklich, das behinderte Kind als Schaden - so formulieren es die Juristen - zu bezeichnen. Dies öffnet der Diskriminierung gefährlich Türen und Tore.
Ich habe häufig erlebt, wie uns gerade Behinderte mehr geben können als nicht Behinderte - vielleicht sind wir sogar alle irgendwie an bestimmter Stelle behindert - und dass gerade behinderte Kinder, häufig viel mehr als nicht behinderte Kinder, geliebt werden. Wir sollten die Stellungnahmen der Lebenshilfe und der Behindertenbeauftragten ernst nehmen. Ich möchte, genauso wie Herr Gansäuer, Karl Finke für das Werk über die medizinisch-ethischen Aspekte der Debatte ausdrücklich danken. Denn wenn die Debatte dazu führen würde, dass wir endlich begreifen, dass behindertes Leben genau die gleiche Würde, den gleichen Nutzen und den gleichen Stellenwert hat wie nicht behindertes Leben, dann wäre das ein unglaublich bereichender Gewinn. Ich möchte nicht Behinderung als ein aus der Welt zu schaffendes Übel ansehen. Ich möchte nicht das Leitbild von Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Fitness und den normierten Menschen, wie er im Roman „Schöne neue Welt“ beschrieben ist. Deswegen
komme ich für mich zu ganz bestimmten Ergebnissen, die ich mit in die Debatte einbringen wollte. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute ein Thema, das die Menschen zu Recht zutiefst bewegt, nämlich den Einsatz gentechnischer Methoden in der Reproduktionsmedizin, die Präimplantationsdiagnostik und die Forschung an bzw. mit embryonalen Zellen. Wie steht es hier mit der Akzeptanz und der Absehbarkeit der Auswirkungen auf den Menschen selbst, aber auch auf Moral und Ethik unserer Gesellschaft?
In den USA wurde 1997 als Werbegag für einen Sciencefiction-Thriller in Zeitungen eine Anzeige mit dem Titel „Kinder zu bestellen“ veröffentlicht. Angegeben waren die wählbaren Eigenschaften der Kinder, eine Telefonnummer und eine Webadresse. Es gab Proteste. Aber Tausende von Paaren meldeten sich, die an dem Angebot sehr interessiert waren. Das ist eine Vorstellung, meine Damen und Herren, die einem Angst machen muss Kinder auf Bestellung mit gewünschten Eigenschaften.
Nachdem auch ich mich wie viele andere in diesem Raum mit der Bio- und Gentechnik beschäftigt habe, stellen sich mir immer noch viele Fragen, die ich mit in die Diskussion einbringen möchte. Ebnet die PID den Weg genau zu diesem Horrorszenario, oder handelt es sich um einen zwangsläufigen Fortschritt in der Medizin, dem sich unsere Gesellschaft gar nicht entgegenstellen kann, zumal damit Menschen geholfen wird, ihren Kinderwunsch zu erfüllen?
Der Ausgangspunkt aller Überlegungen zu PID ist der Kinderwunsch. Dieser Kinderwunsch richtet sich auf das genetisch eigene und auf das genetisch gesunde Kind, wobei zu bedenken ist, dass genetische Gesundheit an sich ein illusionärer Anspruch ist und die PID nur bestimmte genetische Krankheiten nachweisen kann. Es geht bei der PID also nicht um die Behandlung von Kinderlosigkeit. Biologisch unfruchtbar sind Paare, die wegen ihrer
genetischen Belastung eine PID anstreben, nicht. Rechtfertigt die Erfüllung des Wunsches nach einem eigenen genetisch gesunden Kind den Verbrauch, die Auslese und Verwerfung derjenigen Embryonen, die nicht den Zuschlag bekommen haben, und was soll mit diesen selektierten Embryonen geschehen? - Wenn sie schon einmal da sind, könnte man damit doch auch Forschung betreiben. Hier kommen wir in den Bereich der Embryonalforschung, der Züchtung von Ersatzorganen aus embryonalen Stammzellen, der Linderung, vielleicht Heilung schrecklicher Krankheiten - das ist heute schon gesagt worden -, z. B. Parkinson oder Alzheimer. Sind das nicht auch große menschliche Forschungsziele? Welchem Betroffenen könnte man es übel nehmen, dass er auf medizinische Fortschritte hofft, die sein Leiden lindern? Aber, meine Damen und Herren, wie weit sind wir dann noch von Klonen und eventuell eiskalter Menschenzüchtung entfernt?
Der Wunsch nach einem gesunden Kind ist verständlich und berechtigt. Für Paare, deren Kinder mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer gravierenden Erbkrankheit werden leben müssen, stellt die PID eine Möglichkeit dar, dieses Risiko weitestgehend auszuschließen.
Meine Damen und Herren, die PID soll Paaren mit schwerer genetischer Belastung helfen, ein gesundes eigenes Kind bekommen zu können. Welches Gewicht ist diesem durchaus verständlichen Wunsch beizumessen? - Blendet das Angebot der PID andere annehmbare Alternativen aus? Denn, meine Damen und Herren - auch das möchte ich einwerfen -, alternativlos ist die PID nicht. Als Alternativen nenne ich Adoptionen, Pflegschaft und den Entwurf eines anderen Lebensplanes, der eine Elternschaft aufgrund der problematischen Voraussetzungen ausschließt. Die Frage ist auch, ob sich Eltern, denen PID angeboten wird, tatsächlich im Klaren darüber sind, auf welches ethischmoralisch problematische Terrain sie sich begeben. Für manches Paar kann sich daraus ein großer Gewissenskonflikt entwickeln.
Aufgrund der Pränataldiagnostik, die ursprünglich nur für einen begrenzten Kreis von Fällen angewendet werden sollte und mittlerweile zur üblichen Diagnostik gehört, gibt es sicherlich manche Frau, die durch ein Untersuchungsergebnis, das auf eine Behinderung hinweist, in schwerste Gewissensnöte kommt. Nicht immer ist es hilfreich, viel zu wissen, um Einfluss nehmen zu können. Bereits bei der Indikationsstellung für eine PID und damit der
Definition dessen, was eine schwere genetische Belastung ist, wird es problematisch. Wer definiert, welche Behinderungen oder Krankheiten eine Indikationsstellung für eine PID rechtfertigen? Nach welchen Maßstäben wird entschieden, was als schwere genetische Belastung gilt, und werden im Laufe der Jahre nicht immer mehr Kriterien hinzukommen? Sind wir damit auf dem Weg, eine behindertenfreie Gesellschaft gestalten zu wollen? Wird es irgendwann gesellschaftlich als Zumutung angesehen werden, ein behindertes Kind auf die Welt zu bringen angesichts der vielen Möglichkeiten, die es gibt, dieses zu vermeiden? Meine Damen und Herren, und wie fühlen sich Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung eigentlich gar nicht leben dürften?
Schon jetzt finde ich es problematisch für Menschen mit jenen Behinderungen, die mittels PID ausgeschlossen werden sollen und als Argument für PID angeführt werden. Wie fühlt sich ein an Mukoviszidose erkrankter Mensch, wenn er hört, dass er mithilfe von PID nicht geboren worden wäre, weil diese Krankheit angeblich ein lebenswertes Leben unmöglich macht?