Protocol of the Session on May 16, 2001

Sie haben ja jetzt gerade mit Ihren Regionalkonferenzen sozusagen eine Armada der Fettnäpfchen in

Niedersachsen organisiert. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele Briefe bei uns eingetroffen sind. Da kam ein Brief aus dem Osnabrücker Raum, wo Sie eine Regionalkonferenz mit dem Titel „Zukunftsperspektiven der Osnabrücker Region“ gemacht haben. Der Referent war der Oberkreisdirektor der Grafschaft Bentheim. Die Osnabrücker Repräsentanten haben der Grafschaft Bentheim dann die Unterlagen geschickt - nach dem Motto: Dann könnt ihr auch etwas zu dem Thema sagen; denn Grafschaft Bentheim und Osnabrücker Land sind nun einmal zwei verschiedene Dinge, so ähnlich wie Friesland und Ostfriesland. Jetzt haben Sie nach Lüneburg und Uelzen eingeladen, lassen dort über das Wendland reden und lassen hinterher keinen einzigen Wendländer zu Wort kommen. Das ist die Sorge der Menschen, nämlich dass letztlich über Interessen örtlicher Regionen Leute reden, die davon keine Ahnung haben und keine Zuständigkeit besitzen.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage Ihnen, weil wir das Wendland hier auch in anderen Zusammenhängen diskutiert haben: Ihnen fehlt der Respekt vor den jeweiligen Eigenarten auch kleiner Strukturen, kleiner Einheiten und regionaler Besonderheiten.

(Beifall bei der CDU)

Wir machen eine erneute Kreis- und Verwaltungsreform im Sinne einer Gebietsreform in Niedersachsen nicht mit. Sie finden unseren entschiedenen Widerstand gegenüber diesen Ansätzen neuer Grenzziehungen vor.

(Beifall bei der CDU)

Kleine Landkreise wie der Landkreis Vechta oder der Landkreis Cloppenburg gehören zu den erfolgreichsten Landkreisen in Deutschland. Das ist unbestreitbar. Große Landkreise wie das Emsland sind besonders erfolgreich. Deshalb gilt nicht der Grundsatz, dass Fusion und Konzentration immer besser sind als Dezentralität und Subsidiarität, die wir vertreten.

Es sollte schon nachdenklich stimmen - das zeigt auch wieder, wie unbedeutend Verwaltungsstrukturen sind -, dass von den zehn bezüglich der Arbeitslosigkeit erfolgreichsten Landkreisen neun mit einem CDU-Landrat und von den zehn erfolglosesten Landkreisen in Niedersachsen neun mit einem SPD-Landrat ausgestattet sind. Es sind große dabei, und es sind kleine dabei. Der messba

re Erfolg von Politik hat also offensichtlich andere Ursachen als die Verwaltungsstruktur.

(Beifall bei der CDU)

Das zeigt auch, dass man die Leute machen lassen, in Ruhe lassen und arbeiten lassen muss. Vor Ort gibt es Kräfte, die sich entwickeln können, und man sollte die Leute nicht von oben ständig daran hindern und behindern.

Für uns ist die Region Hannover - deswegen stimmen wir ihr heute zu - ein singulärer Vorgang, ein Einzelfall, und kein Beispielsfall, kein Präzedenzfall für das ganze Land.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt in ganz Deutschland nur fünf Kreise, die mehr als 500 000 Einwohner haben. Natürlich wird eine solche Region Hannover auf kleine Landkreise wie Uelzen oder Wittmund gewisse Auswirkungen haben. Die wollen wissen, wie die Auswirkungen für Uelzen, Wittmund oder Lüchow-Dannenberg aussehen können. Dort braucht man nämlich heute schon eine Stunde, um das Kreisgebiet zu durchfahren, und zwar nicht mit dem Fahrrad, sondern mit dem Auto. Der Landkreistag erwartet hierzu eine Antwort.

Der Städte- und Gemeindebund hat die Landesverträglichkeit der Region Hannover eingefordert, hat ein Grobkonzept zur Auswirkung der Region auf andere Landesteile gefordert, und diese Aufgabe haben Sie schlicht und einfach nicht angepackt, nicht gepackt, sondern sind eine Lösung schuldig geblieben. Wir wollen, dass das gesamte Land gefördert wird, dass es zu unterschiedlichen Formen regionaler Zusammenarbeit kommt. Wir befürchten aber eine Politik des goldenen Zügels, also dass Sie mit bestimmten landespolitischen Entscheidungen die Leute dazu drängen und zwingen werden, zusammenzuziehen und zusammenzukommen. Ich halte diese Politik für eine falsche Politik für unser gesamtes Land. Das ist ein programmatischer Unterschied. Sie faszinieren Fusionen und Konzentrationen. Wir sind Anhänger des Subsidiaritätsprinzips. Wir meinen, dass die Bürgergesellschaft, die Zivilgesellschaft, leichter entsteht, wenn es überschaubare Einheiten gibt, als wenn es große, machtvolle Organisationen gibt.

Wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen wollen, dann brauchen wir Kooperation auf freiwilliger Basis, dann brauchen wir eine verstärkte Zusammenarbeit, wie sie eben im Nahverkehr, in der

Abfallwirtschaft, im Marketing und bei Kulturveranstaltungen funktioniert, also bei Dingen, Herr Inselmann, die in Hannover nie funktioniert haben oder nur teilweise funktioniert haben. Sie funktionieren in anderen Räumen unseres Landes, wo man sich schneller einig geworden ist, ohne die Grenzen zu überwinden.

(Beifall bei der CDU)

Sie kommen mit dem Widerspruch nicht zurecht, dass Herr Plaue in der Argumentation für die Region Hannover gerade nur Argumente angeführt hat, die gleichermaßen beispielsweise zu einer Region Osnabrück führen müssten, weil ja gesagt wurde: Dieses und jenes Problem endet nicht an der Stadtgrenze und macht vor dem Landkreis nicht Halt; deswegen muss es zur Zusammenarbeit kommen. Diese Regionen entscheiden das für sich aber gerade anders.

Ein wichtiger Schritt dafür ist eine Korrespondenz mit der Landespolitik. Wir erwarten, dass die Bezirksregierungen, die regional tätig sind, abgeschafft werden und an den Standorten der Bezirksregierungen durch landesweite Kompetenzzentren für die wichtigsten Landesaufgaben ersetzt werden. Hierbei hätte man am Beispiel der Bezirksregierung Hannover vorangehen können, die Chance nutzen können, aber auch dabei haben Sie nichts zustande gebracht.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen, dass sich die Region Hannover durch die heutige Beschlussfassung im Wettbewerb der Ballungsräume besser behaupten kann. Wir haben dazu auch in den vergangenen Jahren wegweisende Entscheidungen von der CeBIT bis zur EXPO, vom Flughafen Langenhagen bis zur Sanierung des Hauptbahnhofs oder der ICE-Trasse über Hannover vorangebracht. Dies ist ein weiterer Meilenstein dafür, Hannover und die Region zu profilieren. Wir wollen aber eben auch die Entwicklung des gesamten Landes, der anderen 37 Landkreise sowie der acht kreisfreien Städte, die ab heute verbleiben. Wir wollen, dass diese Verwaltungseinheiten ihre spezifischen Chancen bekommen, und das ist politisch auszutragen - ob beim Finanzausgleich, bei der Behördenstruktur, bei Bahnanbindungen, ÖPNV oder Landesstraßenbau, ob bei Krankenhäusern, wo sie den Kleinen mit Ihrer Politik den Garaus machen, bei der Ausstattung von Schulen oder, wie in den letzten Tagen, bei der Gefährdung von Heim-Volkshochschulen. All das

sind Einrichtungen in der Fläche unseres Flächenlandes, des zweitgrößten Landes der Bundesrepublik Deutschland. Sie sollten aufhören, immer nur die Ballungsräume zu sehen, sondern Sie sollten auch die Fläche zu ihrem jeweiligen Recht kommen lassen.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Sie reden da einen Unsinn, der kaum noch zu steigern ist!)

Wir wollen durch eine Funktionalreform in Niedersachsen erreichen, dass die Abschaffung der Bezirksregierungen dazu führt, dass Aufgaben auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen werden, damit diese dann so gestärkt und stabilisiert werden, dass sich unser Land gut entwickelt,

(Plaue [SPD]: Keine konstruktiven Beiträge! Nur Gelaber!)

und nicht, dass Sie eine weitere regionale Konzentration bewirken, wie Sie sie vorhaben.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Null konstruktiv!)

Vielen Dank. - Das Wort hat der Kollege Hagenah.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf Initiative des Landkreises und der Stadt Hannover, Herr Wulff, beschließen wir heute eine bundesweit beachtete Regionalreform für 1,1 Millionen Menschen in Niedersachsen. Für mich persönlich ist das auch ein erfolgreicher Abschluss von acht Jahren intensiver Überzeugungsarbeit und Vertrauensbildung in der Region. So einfach ist es nämlich gar nicht, dass solch ein Wunsch gemeinsam formuliert wird, aber man kann dafür arbeiten.

Wir wollen damit die Wettbewerbsfähigkeit der Region stärken. Wir wollen die Dienstleistungsqualität der Verwaltung weiter verbessern, mehr Bürgernähe erreichen und gleichzeitig Kosten sparen. Wir wollen damit eine ressourcenschonende Planung und Entwicklung fördern, und wir wollen damit einen regionalen Lasten- und Vorteilsausgleich schaffen.

(Zustimmung von Frau Harms [GRÜNE])

Niedersachsen braucht eine wettbewerbsfähige Region Hannover. In der Region Hannover werden 20 % der Wertschöpfung des Landes erbracht. Hier befinden sich 18 % der niedersächsischen Arbeitsplätze. Von dieser Wirtschaftskraft profitiert das Land. Es ist sicherlich für das übrige Land von Bedeutung, wenn der zweitgrößte Landkreis Deutschlands und die Landeshauptstadt eine neue Form der Kooperation finden. Starke Städte und Gemeinden sollen ein Qualitätsmerkmal der neuen Region Hannover werden. Möglichst viele Aufgaben sollen deshalb ortsnah von den Städten erledigt werden. Das ist, Herr Wulff, ganz in Ihrem Sinne.

Das größte Problem bei der Stadt-Umland-Beziehung ist aber die soziale Polarisierung. Die Abwanderung von einkommensstarken Bevölkerungsgruppen in das Umland verstärkt die Konzentration von sozialen Problemgruppen in den Kernstädten, nicht nur in Hannover. Dieser Trend lässt sich in den Haushaltsplänen nachlesen. So sind fast 70 % der in der Region Hannover anfallenden Aufwendungen für Sozial- und Jugendhilfe bisher im Etat der Landeshauptstadt vorhanden gewesen. Ein solidarischer Lastenausgleich zwischen dieser Großstadt und ihrem Umland ist deswegen notwendig.

Die Regionalreform ist aber nicht nur ein Lasten-, sondern auch ein Vorteilsausgleich, weil auch die Umlandgemeinden von der wirtschaftlichen Anziehungskraft der Landeshauptstadt profitieren und die Einwohnerinnen und Einwohner der Kreisgemeinden nicht nur viele Arbeitsplätze, sondern auch z. B. Kultur- und Sporteinrichtungen der Stadt Hannover nutzen.

Leider gibt es aber aus grüner Sicht in dem Gesetzentwurf auch noch einige Defizite. Die Bezirksregierung gibt nicht genug Kompetenzen ab. Darin bin ich ganz Ihrer Meinung, Herr Kollege Schwarz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Uns fehlen bei der Region die überörtliche Trägerschaft der Sozial- und Jugendhilfe sowie die Funktionen der Gesundheits- und der Straßenverkehrsbehörde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch die bisher bei der Bezirksregierung angesiedelte Bauaufsichtsbehörde, die Denkmalschutzbehörde und die Landesplanungsbehörde könnten im Sinne der Kompetenzbündelung und der Subsidia

rität besser von der Region wahrgenommen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Von der Kompetenz und auch von der demokratischen Kontrolle her sehe ich kein Problem; denn die Region hat eine größere Nähe zum Parlament als die Bezirksregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Das stimmt!)

Die Aufnahme eines Regionsrates in das Gesetz als Wunsch der regionalen Partner wäre sinnvoll gewesen.

(Zuruf von Plaue [SPD])

- Sie haben sich ja auch gern darauf bezogen, dass Sie das, was aus der Region kommt, aufgenommen haben. Umso mehr wundert es mich, dass Sie den Regionsrat so stark ablehnen – übrigens genauso wie die Kolleginnen und Kollegen von der CDUFraktion.

(Frau Pawelski [CDU]: Aber nicht so sehr!)

Aus unserer Sicht wäre ein Regiongsrat sinnvoll gewesen. Die Landesregierung hatte es in Artikel 2 im dritten Teil auch vorgeschlagen.

(Zuruf von Plaue [SPD])