Herr Präsident! Meine Damen und Herren! KarlHeinz Klare, ich kann nur sagen: Willkommen im Club! Ich finde es gut und richtig, dass Sie diese Vorschläge für ein Ganztagsangebot – Ganztagsunterricht ist das nicht, um Betreuung handelt es sich auch nicht; schließlich sollen auch ältere Schülerinnen und Schüler davon Gebrauch machen können; darüber müssen wir noch einmal sprechen - an Schulen unterbreitet haben. Die CDU-Fraktion
hat aufgelistet, was meine Fraktion bereits seit Jahren fordert, was wir auch im Zusammenhang mit unseren Vorstellungen zur Halbtags- bzw. Ganztagsgrundschule hier im Plenum eingebracht haben. Von daher erhalten Sie Unterstützung von unserer Seite. Wir können an dieser Stelle vielleicht gemeinsam versuchen, so etwas durchzusetzen.
Ich habe nicht in Erinnerung, dass die SPDFraktion bzw. die Landesregierung beabsichtigt, Ganztagsschulen im Sekundarbereich verpflichtend oder zwingend einzuführen, also alle Kinder und Jugendlichen zu verpflichten, bis zum späten Nachmittag in der Schule zu bleiben.
Vielleicht sagt der Sprecher der SPD-Fraktion noch etwas dazu. Es gibt bereits solche Modelle, wie sie die CDU-Fraktion hier vorschlägt. Einige Schulen in Niedersachsen haben sich bereits eigenständig, aus eigener Initiative auf den Weg gemacht. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur eine Schule in Gronau nennen - ich meine, sie heißt „Am Wildfang“ -, die mit dem benachbarten Jugendzentrum schon vor Jahren eine Kooperation eingegangen ist. Die Betreuer der Jugendlichen aus dem Jugendzentrum kommen vormittags in die Schule, und am Nachmittag gehen die Kinder und Jugendlichen bzw. die Lehrerinnen und Lehrer in das Jugendzentrum, oder man ist gemeinsam in der Schule. Das ist eine Kooperation, die sehr, sehr gut funktioniert. Alle Beteiligten sind sehr zufrieden. Selbstverständlich handelt es sich dabei um ein freiwilliges Angebot. Schulen haben also auch jetzt schon die Möglichkeit, so etwas zu tun, wenn sie die Notwendigkeit dafür sehen und sich auf den Weg begeben möchten.
Zwei Forderungen werde ich höchstwahrscheinlich nicht zustimmen können. Ich meine nicht, dass ich mich damit einverstanden erklären kann, den Ganztagszuschlag an Lehrerinnen- und Lehrerstunden für Gymnasien wegfallen zu lassen. Das ist etwas, was wir erst einmal eingehend prüfen müssen, um zu sehen, ob das tatsächlich zu verantworten ist. Nach meinen ersten Recherchen gehe ich davon aus, dass so etwas nicht zu verantworten ist.
Die CDU-Fraktion sollte an dieser Stelle einmal überlegen, was denn mit den Hauptschülerinnen und Hauptschülern geschehen soll, die Schulen besuchen, in die nur noch 7 bis 11 % eines Schuljahrgangs eingeschult werden.
- Herr Wulff, ich glaube, dass es nicht zu vergleichen ist, ob 5 % eines Schuljahrgangs auf das Gymnasium gehen oder 7 % auf die Hauptschule.
Ich meine, dass es für viele dieser kleinen Hauptschulen, die keine Angebote mehr für ihre Schülerinnen und Schüler unterbreiten können, weil es viel zu wenige Schülerinnen und Schüler sind, sinnvoll ist, dass es zum Wohle der Kinder und Jugendlichen ist, sich mit einer benachbarten Realschule zu einer Sekundarschule zusammenzutun. Das ist die einzige Möglichkeit, diese Hauptschülerinnen und Hauptschüler adäquat zu fördern, wenn sie in größeren Verbänden auch mit potentiellen Realschülerinnen und Realschülern unterrichtet werden können.
Die CDU sollte so viel soziales Bewusstsein haben, sich dem nicht zu verschließen. Auch ich will nicht, dass von Hannover aus dem Land befohlen wird, was sein Glück zu sein hat. Ich will nicht, dass die Sekundarschule übergestülpt wird, und zwar insbesondere nicht in jenen Bereichen, in denen die Hauptschule anerkannt ist und gut funktioniert, was in vielen ländlichen Bereichen unseres Landes der Fall ist.
(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Die sollen alle plattgemacht werden nach Herrn Gabriel! - Gegenruf von Meinhold [SPD]: Das ist nicht wahr, Herr Wulff!)
klappt, sollten wir den Schulen die Möglichkeit geben, sich für eine Sekundarschule zu entscheiden, damit man den Hauptschülerinnen und Hauptschülern gerecht werden kann.
Vielen Dank. - Da der Kollege Fasold schon ganz unruhig ist, erteile ich ihm schnell das Wort. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion! Die Forderung nach vielen, vielen Ganztagsschulen im Lande hat bei uns zwei Auswirkungen gehabt. Zum einen hat sie Verblüffung ausgelöst, und zwar tiefe Verblüffung, zum anderen aber auch Genugtuung, die von Freude darüber überlagert wird, dass Sie sich von Ihrer bisherigen Position der Abkehr gegenüber der Ganztagsschule offenkundig gelöst haben
(Eveslage [CDU]: Entweder Sie ha- ben das nicht gelesen, oder Sie haben nicht zugehört oder beides! - Frau Pawelski [CDU]: Das ist das Klischee in seinem Kopf!)
und die ablehnende Haltung der Vergangenheit korrigieren wollen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die diskreditierenden Aussagen über die Ganztagsschule, die mit Stichworten wie „Aufbewahrungsschule“ oder „familienersetzend“ im Sinne von „familienzersetzend“ verbunden waren.
Offensichtlich haben Sie jetzt eine neue Sprachregelung gefunden, indem Sie von „familienergänzend“ sprechen.
Verwunderung ist deswegen entstanden, weil Sie - ich blicke einmal zurück - am 24. Mai 1997 in Bückeburg das Konzept einer Bildungsreform vorgelegt und beschlossen haben, in dem das Wort Ganztagsschule überhaupt nicht auftaucht. Das war
1997 in Bückeburg. Sie entsinnen sich: Das war die Beschlussfassung u. a. zur Kürzung der Lehrerbesoldung, über das Streichen von Verlagerungsstunden und die Kürzungen bei Fortbildungsmaßnahmen.
Das bildungspolitische Landeswahlprogramm enthielt vor der Landtagswahl an keiner Stelle das Wort Ganztagsschule.
Verwunderung zweiter Teil. Ich mache einmal einen Zeitsprung. Nach drei Jahren, am 16. August 2000, haben Sie, von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, ebenfalls wieder ein Bildungskonzept mit dem Anspruch „Lernen für die Zukunft“ vorgelegt.
Im Wesentlichen besteht es aus der Wiederaufarbeitung hier im Parlament abgelehnter Entschließungsanträge.
Ganz nebenbei taucht dort die Forderung nach ein paar Ganztagsbetreuungsangeboten vor allem für die Hauptschule sozusagen als programmatische Zielsetzung auf. Also noch vor einem halben Jahr, im Sommer 2000, kein Wort zur Ganztagsschule in Ihrem bildungspolitische Grundsatzprogramm.
Es gibt natürlich eine Erklärung. Vorsorglich hat Herr Klare schon darauf hingewiesen. Sie liegt in dem Vorschlag der Landesregierung, der fast zeitgleich im Sommer letzten Jahres zur Weiterentwicklung der Schulstruktur in Niedersachsen unterbreitet wurde. Darin enthalten war zentral das zukunftsgerichtete Projekt, Ganztagsschulen im Sekundarbereich I zu entwickeln. Das ist in der Öffentlichkeit spontan angenommen worden, auf Zustimmung gestoßen und hat damit auch Ihre Aufmerksamkeit gefunden. Das hatten Sie am 16. August noch nicht gelesen. Es muss Sie aber so beeindruckt haben, dass Sie es dann unverzüglich einfach abgekupfert haben.
Zunächst einmal zur Form der Ganztagsschule. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass wir das, was Sie dort fordern, gar nicht neu erfinden müssen, sondern dass es das seit mehr als einem Jahrzehnt gibt. Ausweislich des von Kultusminister Horrmann - -
Nein, jetzt nicht; sonst komme ich mit meiner Redezeit wieder nicht zurecht – Ausweislich des von Kultusminister Horrmann herausgegebenen Grundsatzerlasses von 1989 und ausweislich der Antwort auf eine Große Anfrage der Fraktion der SPD vom 16. Januar 1989 ist eine von drei Grundvarianten der Ganztagsschule in Niedersachsen die offene Ganztagsschule. Sie bestätigen damit im Grunde genommen, dass Sie diese Variante zur Grundlage machen. Angesichts der bisherigen erfolgreichen Arbeit der Ganztagsschule in Niedersachsen finden wir das auch in Ordnung.
Wenn man sich die Einzelheiten Ihres Antrags näher ansieht, dann erkennt man auch dort das Original und die Kopie. Sie haben abgeschrieben; dazu folgendes Beispiel: Vorschlag der Landesregierung:
„Ganztagsschule ist ab Klasse 5 die richtige bildungs- und familienpolitische Antwort auf den gesellschaftlichen Wandel.“
„Vor dem Hintergrund veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen sind ganztagsschulische Angebote auch in Niedersachsen erforderlich. Familie und Beruf sind miteinander zu verbinden.“