gegenüber dem Bund und gegenüber Europa zurückgreifen konnte, die bereits in der Vergangenheit auf den Weg gebracht wurden und mit denen eine andere Landwirtschaftspolitik entworfen wurde.
Ministerpräsident Sigmar Gabriel hat mit der Einberufung einer hochrangigen Kommission „Zukunft der Landwirtschaft – Verbraucherorientierung“ unter der Leitung von Prof. Dr. Führ eine Expertengruppe beauftragt, Perspektiven für eine Neuorientierung in der niedersächsischen Agrarpolitik zu erarbeiten und sich mit verschiedenen Konzeptionen und Fragestellungen des Verbraucherschutzes zu befassen. Diese Kommission setzt sich interdisziplinär zusammen. Ihr gehören Menschen an, deren Fach- und Sachverstand völlig außer Zweifel steht. Wer sich die Liste der Experten ansieht, die ihre Bereitschaft bekundet haben, mit uns zusammenzuarbeiten, der kann deutlich erkennen, welche hohe Meinung von der Ernsthaftigkeit der niedersächsischen Landespolitik und deren Bereitschaft, wirklich umzusteuern, dort vorhanden ist.
Die SPD-Fraktion begrüßt diesen Schritt ausdrücklich ebenso wie die Einrichtung eines Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.
Lassen Sie mich nun noch ein Wort zum Thema Enquete-Kommission sagen. Wer wissend, dass bereits eine Kommission auf dem Weg ist - hochkarätig besetzt -,
nichts anderes weiß, als eine Enquete-Kommission zu fordern, und dann, wenn die SPD-Fraktion, vertreten durch ihren Vorsitzenden, sagt „Lasst uns doch Doppelarbeit vermeiden, lasst uns doch zunächst einmal diese Kommission, die schnell arbeiten und schnell Ergebnisse bringen soll, anhören, was sie uns zu sagen hat, um dann zu entscheiden, ob wir darüber hinaus eine parlamentarische Kommission brauchen“, dies zu einer Grundsatzfrage macht, wie dies Herr Wulff getan hat, der macht deutlich, dass es ihm nicht um das Thema, sondern um den Klamauk geht, von dem ich gerade gesprochen habe.
Wir brauchen, Herr Kollege, keinen Aktionismus, und wir brauchen auch keine Doppelarbeit. Die Menschen draußen erwarten Reaktionen im Bereich des Fiskalischen schnell und zielgerichtet, damit sie ihre betrieblichen Existenzen sichern können. Sie erwarten von uns, dass wir als Parlament, aber auch mit Wissenschaftlern sorgfältig über die Zukunft der niedersächsischen, der bundesweiten und auch der europäischen Agrarpolitik diskutieren. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das erste Ziel, nicht aber die Frage, wer das einrichtet und wer sich daran beteiligt.
- Das ist eine gute Frage. Wir werden sehen, wie Sie sich persönlich an dieser Debatte beteiligen werden. Die Gelegenheit dazu werden Sie bekommen.
Meine Damen und Herren, ich hoffe wirklich, an dieser Stelle für alle Fraktionen im Landtag sprechen zu können. Wir erwarten von der Landesregierung, dass wir zeitnah und ausführlich über die Arbeit der Kommission, über die von ihr gewonnenen Erkenntnisse und über die daraus resultierenden Vorschläge unterrichtet werden. Wir werden dann - dafür brauche ich den Popanz, den Herr Wulff gemacht hat, nicht - entscheiden, ob wir darüber hinaus eine Enquete-Kommission für vernünftig halten.
Ein Punkt allerdings, meine Damen und Herren das möchte ich hier bereits anregen -, sollte parlamentarische Konsequenzen haben. Um den notwendigen Entwicklungen auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes Rechnung zu tragen - das installierte Landesamt ist eine unserer Forderungen gewesen - und um eine umfassende Beteiligung des Parlaments in dieser Fragestellung zu gewährleisten, schlagen wir vor, zunächst zeitlich befristet bis zum Ende der Wahlperiode einen Unterausschuss für Verbraucherschutz des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einzurichten. Das ist die probate parlamentarische Antwort auf die Probleme, denen wir uns hier zu stellen haben.
Meine Damen und Herren, nichtsdestotrotz dürfte schon jetzt klar sein, dass wir, um die angestrebte Korrektur in der Agrarpolitik zu vollziehen, einige zum Teil tiefgreifende Veränderungen vornehmen müssen. Diese Veränderungen dürfen nicht nur in Niedersachsen oder bundesweit greifen. In einem offenen europäischen Binnenmarkt müssen auch die anderen Mitgliedsländer mitziehen. Die Verbraucher müssen im Zweifel in den Stand versetzt werden, Low-Standard-Produkte zu erkennen und durch Kaufenthaltung vom Markt zu vertreiben.
Meine Damen und Herren, wer offenen Markt so interpretiert, dass jeder alles anbieten darf, der macht einen groben Fehler. Die Europäischen Union muss begreifen, dass derjenige, der glaubt, dass der erste Schritt zu mehr Qualität und als Beitrag dazu, die Vertrauensverluste bei den Verbrauchern und Verbraucherinnen abzubauen, nämlich die Verfütterung von Tiermehl zu verbieten, nach einem halben Jahr klammheimlich aufgehoben werden kann, in die falsche Richtung greift. Wir werden uns diesem Versuch mit Nachdruck widersetzen.
Wo muss nach unserer Auffassung umgesteuert werden? - Lassen Sie mich dazu einige Punkte aus dem Entschließungsantrag herausgreifen, den wir heute zur Debatte stellen und in den nächsten Tagen und Wochen im Parlament bereden werden. Das in der Lebensmittelproduktion verwendete Futter hat in fast allen Lebensmittelskandalen der vergangenen Jahre eine entscheidende Rolle gespielt. Wir müssen auf Bundes- und Europaebene unbedingt zu einheitlichen Regelungen im Futtermittelrecht kommen. Wir treten für eine offene Deklaration aller Inhaltsstoffe von Futtermitteln ein. Übrigens: Ich habe gehört, dass das sozusagen ein Vorhalt von Herrn Wulff gewesen ist, was wir unbedingt machen müssten.
Vielleicht können Sie, meine Damen und Herren, als Landwirtschaftsexperten, die Sie hier sitzen, Herrn Wulff daran erinnern, dass wir so etwas schon einmal hatten. Wir hatten schon einmal eine Positivliste bei den Futtermitteln.
Diese ist von einer CDU-FDP-Regierung, nämlich von der von Helmut Kohl, aufgehoben worden. Hier wäre ein Adressat vorhanden. Sie hätten zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle ein vernünftiges Ergebnis erzielen können.
Futtermittel müssen - darüber sind wir uns hoffentlich einig - gewisse Qualitätsstandards im Hinblick auf ihre Zusammensetzung erfüllen. Auch die jüngsten Antibiotikavorfälle zeigen dies. In der gesamten Nahrungsmittelproduktion müssen alle Stufen mit für die Verbraucherinnen und Verbraucher leicht erkennbaren Qualitätsmerkmalen gekennzeichnet werden. Die gesamte Produktionskette muss transparent und offen gestaltet werden. Diese Stufen von der Futtermittelindustrie über die Mastställe und Verarbeiter bis hin zum Lebensmittelhandel müssen durch wirkungsvolle Kontrollmechanismen begleitet werden.
Auch das ist eine Aufgabe der Politik: Wenn wir über die Frage der Kostenreduzierung und der Reduzierung des Anteils der Personalkosten am niedersächsischen Landeshaushalt diskutieren, dann dürfen wir nicht vergessen, dass bestimmte Kontrollen auch Man- and Womanpower erfordern und dass dann der eine oder andere Stellenabbau nicht so schnell vollzogen werden kann, wie wir es uns wünschen. Es nützt allerdings nichts, in den Haushaltsberatungen auf der einen Seite die Absenkung der Nettoneuverschuldung zu fordern, keine eigenen Vorschläge hierzu zu unterbreiten und auf der anderen Seite zusätzliche Kontrollen zu fordern. Das ist Oppositionslyrik, die sich Regierungshandeln nicht entgegenstellen kann, meine Damen und Herren.
Ich sage ganz klar, dass wir in diesem Zusammenhang auch über das Instrument der gegenseitigen Produkthaftung nachdenken müssen. Nur so kann das verloren gegangene Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher wiederhergestellt werden. Die SPD-Fraktion begrüßt deshalb ausdrücklich die von Landwirtschaftsminister Bartels zusammen mit der Futtermittelindustrie getroffenen Vereinbarungen, die bestehenden Kontrolluntersuchungen auf Produkte tierischer Herkunft, wie z. B. Tierfette, zu erweitern. Nur über eine völlige Offenlegung von Futtermitteln bzw. deren Kontrolle lässt sich die oft diskutierte gläserne Produktion zusammen mit weiter zu ergreifenden Maßnahmen
einrichten. Das ist eine Forderung, die im Übrigen auch vom Präsidenten des Niedersächsischen Landvolkverbandes, Herrn Niemeyer, mit Nachdruck vertreten wird. Wir müssen dazu kommen, dass an Futtermittel grundsätzlich die gleichen hohen Qualitätsstandards gelegt werden wie an Lebensmittel, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind.
Es ist ebenso notwendig - diesbezüglich hat das Kabinett gestern eine wichtige Entscheidung getroffen -, die Fleischhersteller, die ihre Produkte falsch deklarieren - diese Fälle hat es in Niedersachsen leider gegeben -, hart zu bestrafen. Insofern tragen wir das, was das Kabinett gestern beschlossen hat, eindeutig mit.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Bemerkungen zum ökologischen Landbau machen. Es ist ein weiterer zentraler Aspekt in der Diskussion um eine Neuausrichtung der deutschen bzw. niedersächsischen Agrarwirtschaft, ob das Thema „ökologischer Landbau" hierfür eine bedeutende Rolle spielen kann. Ich sage, dass das Ziel, das wir uns ausweislich unseres Antrages gesetzt haben, nämlich bis zum Jahre 2010 den Anteil des ökologischen Landbaus an der Produktion von derzeit 1,5 % auf 10 % zu steigern, ein sehr ehrgeiziges Ziel ist. Ich hoffe, dass es uns gelingt, dieses Ziel zu erreichen. Ich finde, dass die neue Ministerin für Verbraucherschutz und Landwirtschaft mit ihrem Ansatz, den Anteil auf 20 % zu erhöhen, zu optimistisch ist. Aber wenn wir uns denn in den Wettbewerb um die höchste Zahl begeben wollen, dann sind wir dazu gern bereit.
Unabhängig davon, welche Zahl wir uns zum Ziel setzen: Es bleibt dabei, dass 90 oder 80 % der Produkte auf herkömmliche Art und Weise erzeugt werden. Diesen Menschen und diesen Betrieben können wir nur helfen, wenn wir Qualität, Qualität und noch einmal Qualität fordern und nicht versuchen, auf Alternativen zu verweisen, die für sie zumindest wirtschaftlich nicht tragbar sind.
Das Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher an ökologisch erzeugten Produkten steigt. Bei einer Steigerung dieser Produktion - auch das ist eine marktwirtschaftliche Binsenweisheit - werden die Kosten und damit die Preise für diese Produkte sinken. Dadurch werden die Preise nicht so hoch sein, dass die Menschen die Produkte nicht mehr bezahlen können.
Maßnahmen, die mehr Landwirte zur Umstellung ihrer Betriebe veranlassen, und die zwingend notwendige Akzeptanz von Öko-Produkten beim Verbraucher müssen nachhaltig gestärkt werden.
Wir müssen dafür langfristig greifende Instrumente entwickeln. Wir fordern deshalb u. a. in unseren Anträgen vor allen Dingen einen Ausbau der Beratungs- und Marketingmechanismen.
Sie wissen, meine Damen und Herren, dass in den niedersächsischen Betrieben in den vergangenen Jahren ein Strukturwandel vollzogen und vor allem ein hoher Spezialisierungsgrad erreicht worden ist, der nur wenig Platz für Ökobetriebe gelassen hat. Trotzdem ist die Zahl der geeigneten Betriebe jedenfalls derer, die zum Ökolandbau geeignet sind - hoch genug. Wir müssen deshalb für alle die, die bereit sind, auf den ökologischen Landbau umzustellen, flächendeckend kostenlose Beratungsangebote organisieren. Wenn derjenige, der bereit ist, seinen Betrieb umzuorganisieren, zunächst mit der Zahlung eines hohen Beratungshonorars belastet wird, dann ist insbesondere bei den Kleinbetrieben die Grenze des Machbaren schnell erreicht. Deshalb muss dieses Angebot flächendeckend entstehen und kostenlos angeboten werden.
Wir müssen zusammen mit den Verbraucherschutzverbänden neue Vermarktungsstrategien für ökologische Produkte entwickeln.
Doch bei allen zu treffenden Maßnahmen zum Ausbau und zur Stärkung des ökologischen Landbaus sollten wir uns keinen Illusionen hingeben. Die derzeit in Niedersachsen existierenden rund 1 000 Ökobetriebe und die hoffentlich noch zahlreichen zusätzlichen können die Zukunft der niedersächsischen Landwirtschaft nicht allein bestimmen. So ehrlich müssen wir schon sein.
Insbesondere die Betriebe, die nicht unter dem Ökosiegel produzieren, aber dennoch eine ordentliche landwirtschaftliche Produktion betreiben wollen, benötigen Antworten auf die Frage, wohin der Weg führen soll. Diese Antwort kann nur
lauten: mehr Qualität und mehr Transparenz. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen ein Label „Produkt aus Niedersachsen“ als ein Qualitätsmerkmal ansehen und diesem Label auch vertrauen können. Ich stimme dem Herrn Kollegen Wulff also ausdrücklich zu, wenn er sagt, dass es nicht das Allheilmittel sein könne, ausschließlich den Ökolandbau zu fördern. Ich finde aber, dass sein in sehr polemischer Form vorgetragener Hinweis, dass Landwirte angeblich als Agrarindustrielle und Massentierhalter verteufelt und zu Sündenböcken gestempelt worden seien, nicht zur Versachlichung der Debatte beiträgt, meine Damen und Herren. Das war falsch!
(Beifall bei der SPD - Ehlen [CDU]: Das war Herr Gerhard Schröder! - Wojahn [CDU]: Zwei Tage, und dann hat er seine Meinung geändert!)
-Sehen Sie, Herr Kollege, das Schreien nützt doch überhaupt nichts. Es geht nicht darum, einzelne Zitate hochzuziehen. Es geht um die Frage, ob eine sich umstrukturierende Politik auf den richtigen Weg führt. Das erwarte ich von Ihnen, meine Damen und Herren, und nicht den Versuch, die Leute durch solche Kampfparolen gegeneinander aufzuhetzen. Das kommt bei den Leuten im Übrigen gar nicht mehr an.
Meine Damen und Herren, die Umgestaltung der Agrarförderung wird einen bestimmenden Anteil an der niedersächsischen Landespolitik der nächsten Jahre einnehmen. Neuakzentuierungen müssen z. B. im Bereich der Agrarförderung gesetzt werden. Vorstellbar ist beispielsweise die stärkere Verknüpfung der Agrarförderung an die Einhaltung von noch festzulegenden Umwelt-, Naturschutz- und Verbraucherschutzauflagen oder beispielsweise die stärkere Bindung der Prämienzahlungen an die Fläche. Auch über die Einführung einer Grünlandprämie zur Sicherung einer flächendeckenden Landbewirtschaftung bei gleichzeitigem Verzicht auf Silomaisprämie muss nachgedacht werden.
Allerdings können wir als Land diese Problematik nicht allein lösen. Abgesehen von den vorhin schon erwähnten Einflüssen, die ein liberalisierter Binnenmarkt auf den freien Transfer von Waren und Dienstleistungen hat, sind auch viele Programme der EU genehmigungs-, also notifizierungspflichtig und werden von der Kommission in
Brüssel argwöhnisch bewacht. Deshalb müssen die entsprechenden Weichenstellungen auf EU-Ebene vorgenommen werden. Ich finde es positiv - das zeigt aber auch deutlich, wie ernst wir dieses Thema nehmen -, dass die Niedersächsische Landesregierung die Erste gewesen ist, die bei der EU vorstellig geworden ist, um genau dies zu erreichen. Wenn ich die Signale, die Uwe Bartels von Herrn Fischler mitgebracht hat, richtig verstanden habe, dann besteht auch dort die Bereitschaft, genau in diese Richtung zu gehen. Herr Minister, Sie haben dort nicht nur für die Niedersachsen, sondern meines Erachtens für die Bundesrepublik Deutschland einen wichtigen Beitrag geleistet, für den wir Ihnen an der Stelle nur danken können.