Die BSE-Forschung wird sich darüber hinaus verstärkt der Bereiche der Tierproduktion und der Tierernährung annehmen. Wir werden die Kompetenz der Tierärztlichen und der Medizinischen Hochschule Hannover für entsprechende Projekte nutzen und bündeln.
Die Universität Göttingen wird jetzt als niedersächsische Koordinierungsstelle die bestehenden Aktivitäten aufeinander abstimmen und Fragestellungen für weitere Forschungsvorhaben erarbeiten. Die Landesregierung wird zusätzliche Mittel bereitstellen, wenn eine Verstärkung der Forschungsaktivitäten notwendig sein sollte.
Zusätzlich wird das Niedersächsische Landesgesundheitsamt umgehend eine Projektgruppe bilden, in der gemeinsam mit den medizinischen Fakultäten des Landes Niedersachsen kurzfristig eine Analyse über den Stand der Forschung zu Fragen der Prioneninfektion des Menschen erstellt werden soll. Daraus werden wir ableiten, wie in Niedersachsen Forschungsschwerpunkte errichtet bzw. gefördert werden können, die dann in Abstimmung mit anderen Forschungseinrichtungen so schnell wie möglich Ergebnisse erarbeiten können.
Das Landesgesundheitsamt wird weiterhin mit niedersächsischen Kinderkliniken und neurologischen Abteilungen ein Konzept für ein Überwachungs- und Erhebungssystem für Infektionen des Zentralnervensystems erarbeiten.
Meine Damen und Herren, die BSE-Krise macht deutlich, dass wir zur Verbesserung der Qualitätssicherung landwirtschaftlicher Produkte eine gläserne Produktion und geschlossene Produktionsund Vermarktungsketten brauchen. Sowohl der
Niedersächsische Landvolkverband als auch die Niedersächsische Landesregierung bemühen sich seit langem darum, diese Qualitätskette in Niedersachsen stärker wachsen zu lassen. Aber wir müssen zugeben, dass die Bereitschaft der Erzeugerseite nicht so ausgeprägt ist, wie dies notwendig wäre. Heute ist klar: Das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher kann nur zurückgewonnen werden, wenn wir geschlossene Kreisläufe in der Ernährungswirtschaft realisieren. Qualität in der Produktion zu steigern, aber auch zu sichern und vor allem für die Verbraucherinnen und Verbraucher nachvollziehbar zu dokumentieren, muss das zentrale Ziel sein.
Meine Damen und Herren, mich haben Aussagen von Fachleuten wie Herrn Schmalhofer nachdenklich gemacht. Er ist zuständig für den europaweiten Fleischeinkauf bei einem großen Nahrungsmittelkonzern, bei Unilever. Risiken wie BSE, Salmonellen oder EHEC-Bakterien finden nach seinen Erfahrungen weder in der Landwirtschaft in Deutschland noch bei den Schlachtbetrieben und Futtermittelherstellern ausreichendes Problembewusstsein.
Meine Damen und Herren, das hat zur Folge, dass einer großen deutschen Genossenschaft Lieferverträge gekündigt worden sind, da sie in diesem Fall Rückenspeck in der geforderten Qualität nicht zusichern konnte. Zunehmend weicht Unilever nach Dänemark aus.
Dort sichern sich die Genossenschaften durch absolutes Qualitätsdenken und bessere Marktstrategien deutlich höhere Marktanteile. Ich frage mich: Was hält eigentlich die deutschen Erzeuger davon ab, mit guter Qualität Märkte zu erobern und auch zu halten?
Es geht dabei in Dänemark nicht um ökologischen Landbau, sondern um die Verbesserung der Qualität in der konventionellen Landwirtschaft.
Ich bin der Überzeugung, dass dem Verbraucher die Entscheidung über Produkte aus den unterschiedlichen Produktionsformen ermöglicht werden muss, indem ein zertifiziertes Qualitätssiegel auch für Produkte aus konventionellem Landbau vergeben wird, wenn die Produktionsweise umwelt- und naturschonend ist, mit einer tiergerechten und flächengebundenen Tierhaltung verbunden
In der Bundesratsinitiative, die die Landesregierung gestern beschlossen hat, sind diese Forderungen nach Einführung eines Ökolandbaugesetzes und die Schaffung von Möglichkeiten zur Vergabe regionaler Gütesiegel bei Nahrungsmitteln enthalten. Ich glaube, dass wir damit beim Bund auf offene Ohren stoßen werden.
Ich habe auch die Kommission „Zukunft der Landwirtschaft - Verbraucherorientierung“ gebeten, sich schwerpunktmäßig mit der Frage zu befassen, wie wir die Sicherheit unserer Nahrungsmittel vom Stall bis zu Ladentheke so schnell wie möglich garantieren können.
Ich halte es für dringend geboten, dass die Behörden die Namen der Firmen, die in ihren Erzeugnissen nicht vollständig deklarierte Zutaten oder Produkte verwenden, auch öffentlich nennen dürfen,
jedenfalls dann, wenn wir bundeseinheitlich diese Kriterien auch definiert haben. Was nicht sein darf, meine Damen und Herren, ist, sozusagen auf Verdacht Spekulationen zu organisieren; denn dann, glaube ich, werden selbst die Landesbürgschaften nicht mehr ausreichen, um die entsprechenden Betriebe zu sichern.
Trotzdem gebietet es der Schutz der Verbraucher, dass wir auch bei Lebensmitteln zur offenen Deklaration kommen.
Die Regelungskompetenz liegt dabei allerdings, meine Damen und Herren, beim Bund. Wir wollen, dass Etikettenschwindel auch insoweit konsequent geahndet wird. Wir sind daher mit dem Bund über eine eindeutige rechtliche Regelung in Verhandlungen. Sollte diese Initiative auf Bundesebene scheitern, behalten wir uns vor, landesrechtlich sehr schnell selbst tätig zu werden.
Mit weiteren Maßnahmen werden wir entscheidende Verbesserungen des Verbraucherschutzes herbeiführen:
Untersuchungen im Rahmen der Lebensmittelüberwachung haben gezeigt, dass in mehreren Fällen durch nachträgliche Änderung oder zusätzliche Angaben auf dem Etikett mit der Abwesen
heit von Rindfleisch in einem Lebensmittel geworben wurde, ohne dass dies zugetroffen hätte. Ein solcher Verstoß gegen die LebensmittelKennzeichnungsverordnung ist nach bisherigem Recht lediglich eine Ordnungswidrigkeit. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass ein solcher Verstoß schärfer - und zwar als Straftat geahndet werden muss, wenn man den Schutz der Verbraucher vor Irreführung und Täuschung verbessern will.
Die Landesregierung hat deshalb gestern die Einbringung eines entsprechenden Entschließungsantrages beim Bundesrat beschlossen und um eine sofortige Sachentscheidung im nächsten Plenum gebeten.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung wird zum 1. Juli 2001 ein Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit einrichten. Wir haben entschieden, dass Sitz dieses Amtes Oldenburg sein wird.
Weil die Landesregierung dafür eintritt, dass die Produkte der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelindustrie zukünftig aus der Perspektive der Verbraucherinnen und Verbraucher beurteilt werden, werden wir die Kontrolle und Beratung intensivieren. Die Landesregierung greift damit eine Anregung der SPD-Fraktion auf. Das Landesamt wird dem Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten unmittelbar unterstellt.
Wichtigste Aufgabe des neuen Landesamtes wird es sein, von der Entstehung über die Verarbeitung bis an die Ladentheke die Qualität unserer Lebensmittel für die Konsumentinnen und Konsumenten kritisch zu überprüfen.
Wir werden ein Leitbild für den Verbraucherschutz in Niedersachsen entwickeln, das es allen Bürgerinnen und Bürger unseres Landes ermöglicht, die Ziele der Landesregierung in diesem Bereich zu erkennen und ihre Handlungen daran zu messen.
Diese Organisationsänderungen werden die Untersuchungs- und Überwachungskapazitäten des Landes bündeln und den Verbraucherschutz und die Lebensmittelüberwachung nachhaltig verbessern.
ich hier gerne zurückweisen möchte, nämlich den Vorwurf, wir hätten den Stellenbestand in der Lebensmittel- und Veterinäruntersuchung in den letzten Jahren abgebaut. Ich will darauf hinweisen, dass sich der Stellenbestand in der Lebensmittelund Veterinäruntersuchung von 1989 bis heute von ursprünglich 420 Stellen auf 504 Stellen, also um 84 Stellen, deutlich erhöht hat. Wir haben dann allerdings beschlossen, im Rahmen der Verwaltungsreform – wenn ich das richtig sehe, auch mit den Interessen des Landtages verbunden – 25 Stellen von den zusätzlichen 84 Stellen wieder einzusparen. Wir haben in der Landesregierung entschieden, dass wir im Rahmen der Bildung des neuen Landesamtes überprüfen werden, ob diese Verringerung um 25 Stellen – ich wiederhole: vorangegangen war ein Aufbau um 84 Stellen – beibehalten werden kann. Wir werden jedenfalls im Zweifel eher mehr Menschen im Bereich der Lebensmittel- und Veterinäruntersuchung beschäftigen als weniger.
Meine Damen und Herren, damit auch externer Sachverstand verfügbar wird, setzt die Landesregierung an der Seite des Landesamtes einen Beirat ein. Seine Mitglieder werden aus den Bereichen der Verbraucherschutzorganisationen, der Wissenschaft und der Erzeugerseite durch das Kabinett ernannt. Die Landesregierung erwartet sich hiervon einerseits einen unmittelbaren Wissenstransfer aus der Forschung in die Praxis und umgekehrt. Andererseits wird die Beteiligung der Verbraucherschutzorganisationen und der Erzeuger sicherstellen, dass die berechtigten Forderungen der Verbraucherinnen und Verbraucher und die Pflichten für die Erzeuger zügig und schnell und ohne bürokratische Umwege umgesetzt werden können.
Wir werden den Beirat mit Aufgaben ausstatten, die ihm ein Mitgestalten auch wirklich möglich machen. Aufgabenschwerpunkte des Amtes sind mit ihm abzustimmen. Bei der Öffentlichkeitsarbeit und der Versorgung der Verbraucherverbände mit Informationen werden ihm Mitsprachemöglichkeiten eingeräumt. Er wird die Landesregierung regelmäßig über seine Tätigkeit unterrichten, und selbstverständlich sind wir bereit, ebenfalls regelmäßig dem Niedersächsischen Landtag Bericht zu erstatten.
Meine Damen und Herren, die BSE-Krise ist über Krisenmanagement und Neuorganisation von Behörden hinaus Anlass für eine grundlegende
Neuausrichtung der Agrarpolitik. Eine umfassende Reform wäre meiner Ansicht nach auch ohne diese Krise notwendig gewesen. Ob wir die Notwendigkeit dieser Reform erkannt hätten - das müssen wir miteinander ehrlich zugestehen -, wäre allerdings zweifelhaft. Es geht dabei um einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel, um eine Änderung der Denkmuster, um einen Wandel in der Agrarpolitik.
Eine zukunftsweisende Agrarpolitik, die den Verbrauchern und den Landwirten gemeinsam dienen will, muss darauf ausgerichtet sein, Klasse statt Masse in der Lebensmittelherstellung zu schaffen, Qualität und Sicherheit für die Verbraucher sicherzustellen, den Menschen in der Landwirtschaft eine wirtschaftliche Perspektive zu geben und in den ländlichen Räumen eine Produktionsweise zu fördern, die eine gesunde und vielfältige Umwelt als das begreift, was sie ist, nämlich als unabdingbare Voraussetzung für alles Leben und Wirtschaften.
Die Agenda 2000 bietet eine Reihe von Instrumenten, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen, Schritte in diese Richtung zu gehen. Diese Spielräume, die dabei existieren, müssen uns vor allem vom Bund eröffnet werden. Ich erwarte von der Bundesregierung hier auch, die Neuorientierung dadurch zu nutzen, dass veränderte Spielräume im Rahmen der Agenda für die Landwirtschaftspolitik der Länder eröffnet werden.
Meine Damen und Herren, Sie alle wissen, dass wir mit unserem Förderprogramm PROLAND eine wichtige Chance haben, die niedersächsische Landwirtschaft für die künftigen Herausforderungen vorzubereiten und damit auch die wirtschaftliche und soziale Situation unserer ländlichen Räume zu stabilisieren. Mehr als 1 Milliarde DM EUMittel, zuzüglich die gleichen Beträge von Bund, Land und Kommunen, werden in den nächsten Jahren in die ländlichen Räume fließen. Wir müssen diese Finanzmittel abstellen auf die Ziele der Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik.
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang wende ich mich dagegen, konventionelle Landwirtschaft und ökologischen Landbau gegeneinander auszuspielen.
Auch wenn es gelingt, den Anteil der ökologisch wirtschaftenden Betriebe beträchtlich zu steigern - das wollen wir -, wird auf ca. 90 % der landwirtschaftlichen Flächen weiterhin konventionelle Landwirtschaft stattfinden. Das heißt: Der überwiegende Teil des Verbraucher- und Gesundheitsschutzes muss im Bereich der konventionellen Landwirtschaft stattfinden.
Umso wichtiger ist es, dass auch hier Chancen genutzt und neue Wege eingeschlagen werden. Wie ich bereits ausgeführt habe, wird die Kommission „Zukunft der Landwirtschaft“ einen umfangreichen Fragenkatalog abarbeiten. Hierzu zählen auch konzeptionelle Überlegungen über die Zukunft der Landwirtschaft. Ich habe die Hoffnung, dass die Ergebnisse der Kommission uns unterstützen werden, den Wandel zu gestalten.