Protocol of the Session on December 15, 2000

Anlage 16

Antwort

des Umweltministeriums auf die Frage 21 des Abg. Schwarzenholz (fraktionslos):

Will Umweltminister Jüttner Unterbringung von abgebrannten Brennelementen auf Lagerplätzen für Störfälle im Atomkraftwerk Stade erlauben?

Umweltminister Wolfgang Jüttner plant nach diversen Presseberichten, dem Antrag des Betreibers des Atomkraftwerkes Stade, der EON, stattzugeben, abgebrannte Brennelemente zukünftig auf Stellplätzen im Abklingbecken zwischen zu lagern, die für Störfälle freigehalten werden müssen. Die EON will durch diese Lösung erreichen, dass trotz des gegenwärtigen faktischen Transportstopps für Brennelemente in die Wiederaufbereitungsanlage in Frankreich und trotz des Umstandes, dass alle regulären Standplätze für Brennelemente im Reaktor belegt sind, der Reaktor mit Volllast weiter gefahren werden kann.

Minister Jüttner soll erklärt haben, dass er gegen die Belegung der Störfalllagerplätze keine fachlichen Bedenken habe, die Genehmigung aber von der Zustimmung durch Bundesumweltminister Trittin abhängig mache.

Von Umweltverbänden, Bürgerinitiativen und der PDS wurden die Pläne der EON als eine nicht verantwortbare weitere Erhöhung der Sicherheitsrisiken des Betriebes dieses im Volksmund als „Schrottreaktor“ bezeichneten ältesten Atomkraftwerkes in Niedersachsen bezeichnet. Der Rückgriff auf die Störfallstellplätze könne dramatische Folgen haben, wenn diese Plätze im Falle des Versagens des Reaktors für die notwendige Schnellentladung des Reaktorkerns benötigt würden. Dieses Risiko wolle Umweltminister Jüttner aber in Kauf nehmen, weil er bereit sei, die Zusage von Bundeskanzler Schröder an die EON einzulösen, den Weiterbetrieb von Stade auf jeden Fall sicher zu stellen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Aus welchen atomrechtlichen und sicherheitstechnischen Gründen ist die Benutzung der so genannten Störfalllagerplätze im Abklingbecken für die Einlagerung von Brennelementen nicht gestattet?

2. Welche sicherheitstechnischen Standards mit welchen Folgen im Falle eines Störfalles würden bei Genehmigung des Antrages des Betreibers beeinträchtigt?

3. Welche Auswirkungen würden sich für den Weiterbetrieb des AKW Stade ergeben, wenn die Landesregierung dem Antrag des Betreibers nicht folgen würde?

Nach den – nach wie vor noch geltenden – Entsorgungsgrundsätzen des Bundesministers des Innern aus dem Jahre 1980 muss gewährleistet sein, dass die während des Betriebes im Reaktordruckbehälter befindliche Kernladung jederzeit zusätzlich im Brennelementbecken aufgenommen werden kann. Von dieser Forderung kann nach diesen Vorgaben nur bei Reaktortypen abgewichen werden, für die diese Reservepositionen sicherheitstechnisch nicht notwendig sind.

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hatte den atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden der Länder und den Energieversorgungsunternehmen Ende Oktober vergangenen Jahres vorgeschlagen, zur Vermeidung der seinerzeit aktuellen Engpässe bei der Entsorgung der Kraftwerke auch die Nutzung der bislang für eine Kernladung freizuhaltenden Stellplätze in den Brennelementbecken in Betracht zu ziehen, und Sachverständige beauftragt, die sicherheitstechnische Notwendigkeit der Freihaltung dieser Plätze zu prüfen. In der Studie sollte auch dargestellt werden, welche Hintergründe zu der Forderung führten, die Positionen frei zu halten.

Über diesen Sachverhalt hat das Niedersächsische Umweltministerium in der Antwort auf die Mündliche Anfrage Nr. 15 der Abgeordneten Harms (GRÜNE) in der 37. Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 12. November 1999 bereits umfassend informiert.

Mitte November dieses Jahres hat die E.ON Kernkraft GmbH dem Niedersächsischen Umweltministerium mitgeteilt, dass aufgrund der bislang nicht möglichen Wiederaufnahme der Abtransporte nach Frankreich und der nunmehr bis zum Jahresende auf der Ebene der französischen Regierung und der Bundesregierung vorgesehenen Klärungen der bilateralen Transportfragen eine Entscheidung anstehe. Das Anfahren des Kernkraftwerks Stade nach dem im Frühjahr 2001 geplanten Brennelementewechsel könne nur erfolgen, wenn ein Teil der bisherigen Freihaltepositionen im Brennelementbecken mit abgebrannten Brennelementen belegt ist.

Das Betreiberunternehmen verweist hierzu auf die Ergebnisse der im Auftrage des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit erfolgten Beratungen der Reaktorsicherheitskommission zu diesem Thema, denen zu entnehmen sei, dass vorübergehend – unter Inkaufnahme von Verfügbarkeitsbeschränkungen – aus sicherheitstechnischer Sicht auf die Vorhaltung der Freihaltepositionen verzichtet werden könne.

Das Unternehmen habe daher die Gegebenheiten bei der Anlage Stade nochmals überprüft. Basis dieser Überprüfung sei die den Beratungen der Reaktorsicherheitskommission zugrunde liegende und im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit erstellte Studie gewesen, über die bereits in der Antwort auf die oben genannte Landtagsanfrage berichtet wurde. Es sei dabei, wie die Reaktorsicherheitskommission, zu dem Ergebnis gelangt, dass keine erkennbaren sicherheitstechnischen Gründe vorlägen, für den nächsten Betriebszyklus Freihaltepositionen vorzuhalten. Es sei deshalb beabsichtigt, nach dem Brennelementewechsel beim Anfahren der Anlage vorübergehend auf die Vorhaltung von Freihaltepositionen für eine vollständige Kernbeladung zu verzichten.

Das Niedersächsische Umweltministerium ist gegenwärtig an Abstimmungen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zur Fortführung der auf der Bundesebene bereits im vergangenen Jahr eingeleiteten Prü

fungen zur Frage des sicherheitstechnischen Erfordernisses der freizuhaltenden Positionen beteiligt. Wegen der anlagen- und länderübergreifenden Bedeutung der Entsorgungsgrundsätze des Bundes, aus denen sich die in Rede stehende Forderung ergibt, ist bei der Beurteilung dieser Frage ganz entscheidend das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit maßgeblich.

Bei den anstehenden Prüfungen haben die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung für das Niedersächsische Umweltministerium absoluten Vorrang vor allen anderen Erwägungen. Das Niedersächsische Umweltministerium wird auch in dieser Frage keine Erhöhung der Sicherheitsrisiken zulassen. Anders lautende Behauptungen sind völlig abwegig.

Unzutreffend ist auch die in der Anfrage in den Raum gestellte Behauptung, es handele sich hier um Stellplätze, die für Störfälle freigehalten werden müssten. Zutreffend ist vielmehr, dass die nach den gesetzlichen Bestimmungen erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch den Betrieb der Anlagen ohne eine Entladung des Kernes getroffen ist. Die Freihalteplätze haben im Wesentlichen eine Funktion, wenn der Reaktordruckbehälter für Inspektions- oder Reparaturarbeiten vollständig ausgeladen werden müsste. Wie bereits der oben genannten Antwort auf eine Kleine Anfrage zu entnehmen ist, ist die Bedeutung der in den Entsorgungsgrundsätzen enthaltenen Anforderung für die Sicherheit auch nach Auffassung des Bundes, der diese Grundsätze aufgestellt hat, eine noch unter Zuziehung von Sachverständigen zu klärende Frage. Vor dem Hintergrund dieser bereits seit einem Jahr vorliegenden Informationen ist der in der Anfrage vorgetragene Hinweis auf Szenarien mit dramatischen Folgen in keiner Weise nachvollziehbar.

Dies vorangestellt, beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt:

Zu 1: Es existieren keine „so genannten Störfalllagerplätze“. Wegen der Einzelheiten wird auf die Vorbemerkung verwiesen.

Zu 2: Keine. Das Vorhaben der Betreiberinnen würde nicht gestattet werden, wenn sich bei den anstehenden Prüfungen zeigen würde, dass damit sicherheitstechnische Standards beeinträchtigt würden.

Zu 3: Siehe Vorbemerkung.

Anlage 17

Antwort

des Umweltministeriums auf die Frage 22 der Abg. Frau Steiner und Schröder (GRÜNE):

Lagerung und Beseitigung von Tiermehl in Niedersachsen

Nach dem gesetzlichen Verbot der Tiermehlverfütterung vom 2. Dezember 2000 müssen in Niedersachsen 50.000 bis 70.000 Tonnen Tiermehl entsorgt werden; wöchentlich ist mit weiteren 5.000 Tonnen Tiermehl zu rechnen. Bisher sind Überlegungen bekannt geworden, Tiermehl in niedersächsischen Hausmüllverbrennungsanlagen wie Hameln oder Buschhaus beziehungsweise in Kraftwerken und Zementwerken verbrennen zu lassen. Vorher soll das anfallende Tiermehl zwischengelagert werden, möglicherweise an der Unterweser in Nordenham. Laut Erklärung des Umweltministers stellen Tiermehl und damit vermischte Futtermittel „eindeutig“ keine gefährlichen Abfälle dar. Aus Großbritannien ist bekannt, dass gelagertes Tiermehl bei Sauerstoffeintrag fault und gärt sowie Ratten, Mäuse und Tauben anzieht, die eine potenzielle Verbreitungsquelle für Seuchen darstellen. Festzustellen ist auch, dass die Tierkörperbeseitigungsanstalten, die bisher ca. 500 DM pro Tonne Tiermehl erhielten, nun erhebliche Summen für die Entsorgung bezahlen müssen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wo und unter welchen Bedingungen soll das bereits vorhandene und weiterhin anfallende Tiermehl gelagert werden?

2. In welchen Anlagen in Niedersachsen und mit welchen Verfahren ist die Verbrennung von Tiermehl vorgesehen?

3. Wie wird die Landesregierung sicherstellen, dass Tiermehl nicht als Gewerbemüll deponiert oder illegal ins Ausland verbracht wird?

Das Umweltministerium hat sich umgehend der Problematik der sich abzeichnenden Entsorgungsfragen angenommen. Dabei wurden Hilfestellungen für die Tierkörperbeseitigungsanlagen und die Futtermittelhersteller in den Vordergrund gestellt. Schon am 28. November 2000 fand im Umweltministerium eine Krisensitzung unter Beteiligung von Vertretern maßgeblicher Tierkörperbeseitigungsanlagen, der Futtermittelhersteller, der Bezirksregierungen, des Niedersächsischen Landkreistages und Vertretern der niedersächsischen Hausmüllverbrennungsanlagen statt. Eingeladen waren auch

Vertreter des Niedersächsischen Städtetages und der Länder Bremen und Hamburg.

Aus Vorsorgegründen im Hinblick auf die Übertragungswege der BSE-Krankheit werden die Deponierung von Tiermehl und die Entsorgung über Vergärungsanlagen, Kompostierungsanlagen, Unterpflügen etc. ausgeschlossen.

Aufgrund der Systematik des Europäischen Abfallkatalogs ist das Tiermehl unter Schlüssel 020102, Abfall aus Tiergewebe, einzustufen. Weiterhin ist festzustellen, dass mit einer Ausnahme alle Landkreise in Niedersachsen die Entsorgung des Tiermehls von ihrer Entsorgungspflicht schon vor einigen Jahren ausgeschlossen hatten. Damit bleiben die Besitzer der Abfälle entsorgungspflichtig und zunächst auch für die Entsorgungskosten verantwortlich.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu 1: Eine witterungszugängliche Lagerung z. B. auf den sogenannten SOG-Flächen bei den Siedlungsabfalldeponien wird inzwischen nicht mehr als erforderlich angesehen. In allen Bezirksregierungen werden Hilfestellungen für die entsorgungspflichtigen Besitzer der Abfälle erarbeitet. Ausreichende Lagermöglichkeiten unter Dach und in geschlossenen Räumen sind nach bisherigen Erkenntnissen in Industrieanlagen, Hafenanlagen und in Gebäuden, die der Bundesvermögensverwaltung unterstehen, vorhanden.

Zu 2: Für die Entsorgung der Futtermittel und des Tiermehls kommen grundsätzlich nur thermische Verfahren z. B. in Abfallverbrennungsanlagen, Kraftwerken, Zementwerken in Betracht. Aus Kostengründen sind Kraft- und Zementwerke vorzuziehen. Wegen des hohen Heizwertes des Tiermehls - genannt werden Werte, die bei 15.000 kJ und mehr liegen, was dem halben Heizwert von Steinkohle entspricht - kann dieses den Einsatz von fossilen Brennstoffen substituieren. Vorteile im Umgang gegenüber festen fossilen Brennstoffen entstehen dadurch, dass Tiermehl nicht zerkleinert werden muss und kaum zu entsorgende Ascherückstände entstehen sowie eine geringere Belastung der Rauchgasreinigung zu erwarten ist. Als nachteilig ist zu bewerten, dass die technische Einbringung in den Feuerungsraum in den meisten Fällen Umrüstungsmaßnahmen erforderlich macht. Der Umfang dieser Maßnahmen kann nur im Einzelfall für die jeweilige Anlage bestimmt werden,

sodass eine Kostenschätzung für diese Investitionen gegenwärtig nicht generell durchgeführt werden kann. Die Bezirksregierungen sind aufgefordert, die gegebenenfalls notwendigen Genehmigungs- und Anzeigeverfahren vorrangig zu bearbeiten.

Zu 3: Die Landesregierung hat am 1. Dezember per Erlass festgelegt, dass bei der Entsorgung von Futtermitteln eine Überwachung anzuordnen ist. Damit muss ein vereinfachter Entsorgungsnachweis unter Einbeziehung von Abfallerzeuger und Beseitiger geführt werden. Die zuständigen Behörden werden Tiermehl in gleicher Weise behandeln.

Anlage 18

Antwort

des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur auf die Frage 23 des Abg. Hagenah (GRÜNE):

Erbbaurechtsverträge der Klosterkammer

Die Klosterkammer Niedersachsen beabsichtigt, ihre zahlreich auslaufenden Erbbaurechtsverträge an den aktuellen Verkehrswert anzupassen. Für einzelne Haushalte erhöht sich lt. Presseberichten die Pacht um bis zu 3.900 %. So soll in einem Fall in Wennigsen statt bislang 446,16 DM in Zukunft 17.486 DM im Jahr für das bewohnte Grundstück bezahlt werden. Bei einigen Familien führt dies offensichtlich zu der Situation, das von ihnen bewohnte Haus verlassen zu müssen, da sie nicht in der Lage sind, eine solche erhebliche finanzielle Höherbelastung zu tragen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Bei wie vielen bewohnten Hausgrundstücken der Klosterkammer Niedersachsen werden in den Jahren 2000 bis 2002 die alten auslaufenden Erbbaurechtsverträge mit dem Ziel der Anpassung an den aktuellen Verkehrswert erneuert werden?

2. Wie hoch fallen die beabsichtigten Steigerungsspannen zwischen altem und neuem Pachtzins a) in Wennigsen, b) in anderen Orten aus?