Protocol of the Session on March 30, 2000

Mit der Unternehmenssteuerreform verfolgt die Bundesregierung, anders als CDU und CSU in ihrem Modell, das wirtschafts- und beschäftigungspolitische Ziel, Gewinne, solange sie im Unternehmen verbleiben, gegenüber ausgeschütteten Gewinnen zu begünstigen. Dabei geht sie davon aus, dass Geld, das im Unternehmen bleibt, Arbeitsplätze schafft oder erhält.

Es ist Absicht der Bundesregierung, einen Anreiz dafür zu schaffen, dass sich Kapitalgesellschaften von Anteilen trennen, um Kapital- und Machtkonzentrationen aufzubrechen und um einem Strukturwandel in der Wirtschaft entgegenzukommen. Es ist gewollt, meine Damen und Herren, dass sich Unternehmen zusammenschließen und sich voneinander trennen, und zwar unabhängig von steuerlichen Überlegungen.

(Beifall bei der SPD)

Dieser moderne Pragmatismus, von dem sich die Regierungskoalition bei der Unternehmenssteuerreform leiten ließ, dient der Lösung des größten Problems in unserem Lande, dem Abbau der Massenarbeitslosigkeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine zielgenaue Wirtschafts- und Steuerpolitik beurteilt jedes Instrument danach, ob es vorhandene Arbeitsplätze sichert oder neue schafft. Wir müssen die Dinge verknüpfen und im Zusammenhang sehen. Nicht der Streit um Angebots- oder Nachfrageorientierung oder um rechte oder linke Wirtschaftspolitik, sondern eine moderne Politik der sozialen Marktwirtschaft führt zum Ziel.

(Beifall bei der SPD)

Eines allerdings muss dabei gewahrt bleiben, nämlich soziale Fairness gegenüber denjenigen, die nicht zu den global players gehören, sondern die

einem Handwerk nachgehen oder die in alleiniger Verantwortung einen mittelständischen Betrieb führen.

(Beifall bei der SPD)

Diese Inhaber oder Personengesellschaften sind es, denen eine Schlüsselrolle bei der Schaffung von Arbeitsplätzen zukommt. Deshalb müssen wir die Sorgen der Handwerksmeister und der betreffenden Unternehmer, existenzielle Sorgen der Altersversorgung, ernst nehmen.

(Heineking [CDU]: Das machen Sie im Augenblick aber nicht!)

Diese Inhaber kleiner Betriebe konnten darauf vertrauen, dass der Betrieb, in den sie ihr Leben lang investiert haben, später eine ausreichende Versorgung darstellt. Um diesen Vertrauensschutz geht es in unserem Änderungsantrag.

(Beifall bei der SPD)

Uns erscheint der Freibetrag, der für Veräußerungsgewinne dieser Art besteht, als zu niedrig. Eine deutliche Verbesserung an dieser Stelle, beschränkt auf die Betriebsinhaber, die aus Altersgründen ihren Betrieb aufgeben, dürfte innerhalb des gesamten Entlastungsvolumens wohl kaum ein nennenswertes Gewicht haben. Für die Betroffenen dagegen geht es um die Höhe ihrer Altersrente.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, dieses Anliegen zu unterstützen und dem Ihnen vorliegenden Änderungsantrag unserer Fraktion, mit dem, wie mit den Anträgen von der CDU und den Grünen, eine Gerechtigkeitslücke geschlossen werden soll, zuzustimmen.

Von der CDU-Fraktion ist ja hinlänglich bekannt, dass sie die kleinen und mittleren Unternehmen stärker entlasten will. Schließlich erzählen Sie das landauf, landab.

(Heineking [CDU]: Sehr gut!)

Die Entlastung, die wir hier vorschlagen, kommt bei Handwerk und Mittelstand jedenfalls an. Ich denke dabei insbesondere an die von Ihnen geforderte Senkung des Spitzensteuersatzes zur Entlastung, wie Sie sagen, der mittelständischen Betriebe. Die Inhaber dieser Betriebe und die Handwerksmeister müssen sich aber doch veralbert vorkommen, wenn sie als vorgeschobene Zielgruppe ausgerechnet für eine Spitzensteuersatzsenkung herhalten sollen. Von spitzensteuersatzver

dächtigen Gewinnen können diese Betriebsinhaber nur träumen. Die meisten von ihnen laufen doch selbst bei sinkenden Einkommensgrenzen nicht Gefahr, so besteuert zu werden.

Meine Damen und Herren, dabei ist es ja nicht so, dass der Spitzensteuersatz nicht gesenkt würde. Gegenüber den 53 % noch im Jahre 1998, also zur Zeit der Regierung Ihrer Parteifreunde, und 48,5 % im Jahre 2001 wird der Spitzensteuersatz im Jahre 2005 noch 45 % betragen. Eine Steuerentlastung um acht Prozentpunkte für die Manager der großen deutschen Unternehmen muss reichen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Es ist nämlich nicht, wie Sie uns glauben machen wollen, der Bäckermeister von nebenan, der so besteuert wird. Es sind Geschäftsführer in der Industrie, die ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 250.000 DM haben, und der Chef der Deutschen Bank bekommt diesen Betrag oder noch mehr jeden Monat. Die Vorstandsvorsitzenden der großen Unternehmen können sich über Jahresgehälter von 2 Millionen DM bis 5 Millionen DM freuen. Für diese Interessengruppe kämpfen CDU und CSU mit ihren Modellen,

(Zurufe von der CDU)

ob es um den Spitzensteuersatz oder um die Besteuerung der Dividende aus Gewinnausschüttungen geht. Die von der CDU als Rabatte bezeichnete spezifische Körperschaftsteuer mit dem beschäftigungspolitischen Hintergrund soll für diese Klientel herausgeholt werden.

Die Inhaber mittelständischer Betriebe und die Handwerksmeister haben wahrlich andere Jahresgehälter.

(Zustimmung bei der SPD)

Fast 90 % dieser Unternehmen erzielen weniger als 100.000 DM Gewinn. Die weitaus meisten Unternehmen liegen mit ihren Gewinnen sogar unter 60.000 DM. Die Inhaber dieser Unternehmen interessieren der Grundfreibetrag und der Eingangsteuersatz viel mehr als der Spitzensteuersatz. Diese beiden Eckwerte der Steuerreform sind es, die den Mittelstand entlasten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDUFraktion, wenn Sie für die kleinen und mittelständischen Unternehmen wirklich etwas tun wollen, dann stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu.

Ich hatte zunächst geglaubt, dass es auch zur Steuerung der Zeitabläufe sinnvoll sein würde, heute die sofortige Abstimmung zu beantragen, aber ich denke nun, dass wir in den kommenden Wochen doch noch etwas Zeit haben werden, um im Ausschuss über flankierende Maßnahmen zu diskutieren, vor allem wenn es darum geht, dass nicht wieder dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet wird, keine Schlupflöcher entstehen. Ich meine, vor diesem Hintergrund ist die Sache im Ausschuss gut aufgehoben. - Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Kollege Schwarzenholz, Sie erhalten eine Redezeit von bis zu zwei Minuten. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir als Landtag über ein Steuerpaket diskutieren, dann fällt mir dazu immer ein, dass uns, wenn wir hier Besuchergruppen haben, häufig Fragen gestellt werden, wenn es darum geht, dass Schulversorgung nicht bezahlt werden kann, dass in der Hochschule gekürzt wird, dass soziale Kürzungen da sind, dass die Kita-Standards zur Disposition gestellt werden, und dass wir dann immer sagen: Ja, es gibt gewisse finanzpolitische Rahmenbedingungen, auf die wir relativ wenig Einfluss haben.

Hier diskutieren wir heute einen Komplex, über den die Bundesebene entscheidet, aber auf den wir Einfluss haben. Dabei müssen wir uns dann eben mehr Fragen stellen als die Frage: Ist das jetzt ein elegantes Paket, das dort mit dem Ziel geschnürt wird, Steuern allgemein zu senken? Wir müssen uns vielmehr auch die Fragen stellen: Unter welchen Rahmenbedingungen machen wir das, und welche Auswirkungen hat das für uns? Dazu kann ich nur feststellen, dass wir in Deutschland einen relativ stetigen Anstieg des Bruttosozialproduktes und extreme Explosionen der Unternehmensgewinne zu verzeichnen haben,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

gleichzeitig aber der Anteil der Unternehmenssteuern an den Steuereinnahmen des Staates zwischenzeitlich auf 3,8 % zurückgegangen ist und immer weiter zurückgeht. Was die Bundesregierung von

SPD und Grünen jetzt tut, wird dazu führen, dass sich diese Disproportion weiter erhöhen wird, d. h. dass weiterhin, wie bereits im Zusammenhang mit der Ökosteuer, Unternehmen bevorzugt und Unternehmenserträge anders und härter als Einkommen aus Arbeit besteuert werden. Das kann es doch nicht sein.

Zugleich führt der gesamte Komplex, den die SPDFraktion in ihrem Änderungsantrag vorschlägt, dazu, dass wir doch so hohe Steuereinnahmeverluste haben werden, dass wir wieder in die Situation geraten werden, erklären zu müssen: Jawohl, wir selbst sagen Ja zu unserer Handlungsamputation. - Deswegen ist das, was hier von den Fraktionen der SPD und der CDU vorgelegt worden ist - bis auf den Vorschlag der Grünen, der einen kleinen Schritt in die richtige Richtung darstellt -, insgesamt gesehen dazu geeignet, uns handlungsunfähig zu machen, die soziale Asymmetrie weiter fortzusetzen und den Staat zunehmend um seine Gestaltungsmöglichen zu bringen.

Das Wort hat jetzt Herr Kollege Wulff.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Steuerpolitik gehört hier in das Parlament, weil es im Moment weder für das Konzept der Regierung noch für das der Opposition eine Mehrheit im Bundesrat gibt. Wir sind der Meinung, dass die Regierungsvorlage von SPD und Grünen deshalb nicht zustimmungsfähig ist, weil sie im Kern ungerecht ist. Der Mittelstand und die freien Berufe werden gegenüber Kapitalgesellschaften benachteiligt.

(Plaue [SPD]: Das ist falsch!)

Der Niedersächsische Ministerpräsident - ich sage das, weil Sie, Herr Plaue, gerade dazwischenrufen -, der dieser Debatte nicht beiwohnt, hat in der „Hildesheimer Allgemeinen Zeitung“ vor wenigen Tagen gesagt: Die Personengesellschaften sollen die gleichen Rabatte wie die Kapitalgesellschaften bekommen.

(Plaue [SPD]: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun!)

Darauf würden wir uns gerne verständigen, aber leider fordert Ihr Änderungsantrag, den sie hier vorgelegt haben, genau das Gegenteil. Sie lassen

Ihren eigenen Ministerpräsidenten im Regen stehen und wollen diese Ungleichbehandlung aufrechterhalten.

(Beifall bei der CDU)

Für uns ist das ein grundlegender Punkt. Die deutsche Wirtschaft ist vom Mittelstand, von Freiberuflern, von kleinen und mittleren Betrieben und von Handwerksbetrieben geprägt. Das ist der eigentliche Vorteil der deutschen Wirtschaft. Wir schaffen jetzt durch ihren Druck, sich in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln oder ein Optionsrecht auszuüben, das außerordentlich komplex ist, eine Tendenz hin zur anonymen Kapitalgesellschaft mit Managermentalitäten statt des persönlich haftenden Alleinunternehmers, und diesen Weg in die Kapitalgesellschaft wollen wir nicht und werden ihn deshalb mit Kräften bekämpfen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von Möhrmann [SPD])

Die Vorsitzende, Herr Möhrmann, des wissenschaftlichen Beirates Ihres Finanzministers Hans Eichel, Frau Helga Pollak, hat es auf den Punkt gebracht, indem sie formuliert hat: Die steuerliche Ungleichbehandlung diskriminiert den Einsatz hoch qualifizierter kreativer Arbeit gegenüber dem Kapitaleinsatz. - Das bedeutet im Kern, dass die einen arbeiten und dafür viel Steuern zahlen, und die anderen lassen Geld arbeiten und machen die dicken Gewinne. Das ist Ihre Politik: Die Großen werden entlastet, und die Kleinen werden zur Finanzierung herangezogen.

Das wollen wir nicht, weil kleine und mittlere Unternehmen im Kern darüber entscheiden, ob wir mehr zusätzliche und neue Arbeitsplätze in Deutschland bekommen. Eine Körperschaftssteuersenkung für im Unternehmen verbleibende Gewinne wird an 85 % aller Betriebe in Deutschland vorbeigehen. Denen hilft nur die Senkung des Einkommensteuertarifs.

(Zustimmung von Frau Pawelski [CDU] – Plaue [SPD]: Das ist nicht zu glauben!)

Vom Kollegen Knebel ist vorgetragen worden, dass man von über 50 % auf 45 % absenke, wobei der Solizuschlag ja bei Ihnen auf Dauer erhalten bleiben soll, also auf knapp 50 %. Aber genau diese Entlastungswirkung für Leistungsträger in unserer Gesellschaft - das ist sehr geschickt gemacht, aber vom Ergebnis her verheerend - wird